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Das Empire als Aufgabe des Historikers

Historiographie in imperialen Nationalstaaten: Großbritannien und Frankreich 1919-1968

AutorAnne Friedrichs
VerlagCampus Verlag
Erscheinungsjahr2011
Seitenanzahl370 Seiten
ISBN9783593412009
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis41,99 EUR
Historiker stellen sinnstiftende Erzählungen für ihre Gesellschaften bereit. Wie diese in imperialen Nationalstaaten konstruiert sind, untersucht Anne Friedrichs anhand von Handbüchern und prominenten Schriften britischer und französischer Historiker. Insbesondere zeigt sie, wie der Wandel der Imperien und ihrer Beziehungen nach dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg sowie während der Dekolonisierung reflektiert, gedeutet und aktiv mitgestaltet wurde. Ausgezeichnet mit dem Johannes-Zilkens-Promotionspreis für Wissenschaftsgeschichte 2012.

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Leseprobe
Es wird nur ein Frankreich geben, ein größeres Frankreich, meinte Ernest Lavisse 1922. Frankreich sei wahrhaftig nur die zweite unter den Kolonialmächten und der Abstand zur ersten sei groß; das französische Empire (notre empire) sei neben dem englischen zwar recht bescheiden, doch sei es womöglich stabiler. Mit dem Interesse für imperiale Fragen stand Ernest Lavisse in den Jahrzehnten nach dem Ersten Weltkrieg nicht allein. Zahlreiche Historiker in Frankreich wie Großbritannien wandten den Blick nach Übersee, um historisch begründete Diagnosen der Gegenwart zu stellen, das Reich symbolisch zu integrieren oder zur Lösung großer 'Probleme' beizutragen. Der Sichtweise von Lavisse kam gleichwohl ein besonderer Stellenwert zu, da er den Lehrstuhl für Moderne Geschichte (histoire moderne) an der traditionsreichen Sorbonne innehatte und Leiter der zehn-bändigen Histoire de France contemporaine war, die sowohl über den neuesten Kenntnisstand der Disziplin informieren als auch Grundzüge des historischen Verlaufes hervorheben und an die nachkommende akademische Generation weitergeben sollte. Dass um 1920 - auf dem Höhepunkt der Ausdehnung des französischen Kolonialreichs und gleichzeitig einer Zeit der Krise der imperialen Gesellschaften - der Herausgeber eines Handbuchs über die französische Geschichte den Bezug auf das 'Empire' suchte und darüber hinaus mehrfach auf die imperiale Vergangenheit zu sprechen kommen sollte, hieß nicht, dass dieser das koloniale Unternehmen an sich unterstützte. Vielmehr deutet das Zitat darauf hin, dass die heute als ein französischer Erinnerungsort par excellence bekannte Histoire de France contemporaine die Vergangenheit einer imperial agierenden Nation rekonstruierte und damit spezifische, ?weltanschaulich? fundierte Ordnungsvorstellungen bekräftigte. Und auch in Großbritannien nahmen führende Fachvertreter zur Reichweite ihrer Leitideen Stellung. Die vorliegende Arbeit geht der Frage nach, welche Rolle britische und französische Historiker als Produzenten und Vermittler von geschichtlichem Sinn auf dem Höhepunkt der Ausdehnung der britischen und französischen Kolonialreiche, während deren Restaurierung und Erneuerung sowie im Zeitalter der Auflösung der territorialen Imperien übernahmen. Welche sinnstiftenden Erzählungen stellten Vertreter des Fachs Geschichte in Großbritannien und Frankreich jeweils bereit? Wie veränderten sie diese unter den Bedingungen einer allmählichen Verschiebung der politischen Ordnung in einer Zeit, in der sich das Souveränitätsprinzip verallgemeinerte, das Selbstbestimmungsrecht der Nationen gestärkt und Menschenrechte und Anti-Rassismus zu vorrangigen Normen der internationalen Gemeinschaft wurden? Im Mittelpunkt der Untersuchung stehen Handbücher und ergänzend Publikationen, die britische und französische Historiker in einschlägigen Fachzeitschriften diskutierten. Ziel der Studie ist es, zu erschließen, welche Entwürfe zur Ordnung des Sinns der politischen Zusammengehörigkeit und des menschlichen Lebens diese jeweils mithilfe ?großer Erzählungen? bekräftigten. Es geht darum, das Verhältnis zwischen den geschichtlichen Interpretationen und den politischen Rahmenbedingungen genauer zu fassen. Hierzu reicht eine Analyse der historiographischen Texte nicht aus. Deshalb wird der Blick ebenfalls auf die Träger der jeweiligen Erzählungen sowie auf parallel geführte politische Debatten und die damit einhergehenden Änderungen der Ordnung für das Staats- und Einflussgebiet gerichtet. Die Arbeit bezeichnet Großbritannien und Frankreich im Titel als 'imperiale Nationalstaaten' und im Text synonym als Imperien. Die Literatur hat in den vergangenen Jahren öfter auf gleichzeitig ablaufende, wenn nicht sogar komplementäre politische und kulturelle Prozesse der Nationalisierung und der Imperialisierung im 19. und frühen 20. Jahrhundert sowie auf die unterschiedlichen Zuschreibungen durch die Zeitgenossen hingewiesen. Zwar lassen sich Imperium und Nationalstaat typologisch einigermaßen sauber unterscheiden, doch standen sie in der historischen Wirklichkeit in vielfältigen Beziehungen zueinander. Dem soll auch bei der Untersuchung der britischen und französischen Historiographien Rechnung getragen werden, denen die neuere historiographie-geschichtliche Forschung eine Ausrichtung auf den Nationalstaat bis mindestens zum Ende des Zweiten Weltkriegs nachsagt. Insbesondere für die Historiker in Frankreich und Großbritannien, die als führende Repräsentanten ihres Faches die Geschichtsbilder auch über die Profession hinaus prägten, liegt es geradezu auf der Hand, dass sie imperiale und koloniale Fragen zumindest berücksichtigten. Zu klären bleibt allerdings, wie sie sich auf diese bezogen und wer ihnen zu welchen Zeitpunkten einen besonderen Stellenwert gab.
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