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Das Ende der Banken

Warum wir sie nicht brauchen

AutorJonathan McMillan
VerlagCampus Verlag
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl271 Seiten
ISBN9783593438122
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis21,99 EUR
Kein Platz für Banken im digitalen Zeitalter Finanzkrise hin, Eurokrise her. Kaum jemand glaubt, dass sich das Finanzsystem inzwischen wesentlich verbessert hat. Das Problem sind die Banken. Ihre Finanzinnovationen der Vergangenheit wurden zum Brandbeschleuniger der letzten Finanzkrise. Und jetzt sind sie drauf und dran, sich die aufstrebende Fintech-Industrie einzuverleiben und damit die Hoffnung auf ein transparenteres und besseres Finanzsystem zu zerschlagen. Dieses Buch erklärt mit bestechender Klarheit, warum die digitale Revolution eine fundamentale Erneuerung unserer Finanzordnung erfordert. Es identifiziert die Wurzel der Probleme und präsentiert eine innovative und simple Lösung mit revolutionärer Sprengkraft. 'Eine völlig neue Perspektive' Izabella Kaminska, Financial Times 'Radikale Vorschläge, die ernst genommen werden sollten' Anat Admati, Professorin für Finanzwirtschaft an der Stanford University 'Eine interessante und herausfordernde Vision' Vítor Constâncio, Vizepräsident der Europäischen Zentralbank 'McMillan zeigt stringent und überzeugend, wie die digitale Revolution ein viel besseres, einfacheres und faireres Finanzsystem schaffen kann. Lesen Sie dieses Buch unbedingt, und trauen Sie sich, an die große Veränderung zu glauben!' William R. White, Vorsitzender des Economic and Development Review Committee bei der OECDHinter dem Pseudonym Jonathan McMillan stehen zwei Schweizer Ökonomen. Der eine ist Dr. Jürg Müller. Er arbeitet als Wirtschaftsredakteur für die Neue Zürcher Zeitung. Der andere ist als Banker in London, New York und Zürich tätig und will anonym bleiben. Sie haben ihr Buch zunächst auf Englisch veröffentlicht und damit ein breites Publikum erreicht. Nun erscheint es u. a. auch in Spanien, Italien, Russland, Brasilien und Japan.Inhalt Vorwort für die deutsche Ausgabe 7 Vorwort 11 Einleitung 13 Teil 1 Das Bankwesen im Industriezeitalter 25 Kapitel 1 Warum Banken nötig waren 27 Kapitel 2 Wie traditionelle Banken funktionieren 35 Kapitel 3 Die Schwachpunkte des Bankwesens 49 Teil 2 Das Bankwesen im Digitalzeitalter 65 Kapitel 4 Warum sich das Bankwesen nicht auf Banken beschränkt 67 Kapitel 5 Wie der Schattenbankensektor funktioniert 79 Kapitel 6 Die Finanzkrise von 2007/08 99 Kapitel 7 Das Finanzsystem nach 2008 115 Teil 3 Ein Finanzsystem für das Digitalzeitalter 129 Kapitel 8 Warum Banken heute nicht mehr gebraucht werden 131 Kapitel 9 Schließt die Banken: Der Entwurf für ein zukunftsfähiges Gesellschaftsrecht 153 Kapitel 10 Die Rolle der öffentlichen Hand 185 Kapitel 11 Das Gesamtbild 195 Schlusswort 205 Abkürzungen 208 Anmerkungen 209 Abbildungen 244 Literatur 245 Register 270

Hinter dem Pseudonym Jonathan McMillan stehen zwei Schweizer Ökonomen. Der eine ist Dr. Jürg Müller. Er arbeitet als Wirtschaftsredakteur für die Neue Zürcher Zeitung. Der andere ist als Banker in London, New York und Zürich tätig und will anonym bleiben. Sie haben ihr Buch zunächst auf Englisch veröffentlicht und damit ein breites Publikum erreicht. Nun erscheint es u. a. auch in Spanien, Italien, Russland, Brasilien und Japan.

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Leseprobe
Vorwort für die deutsche Ausgabe Das Ende der Banken - was heute jeder zweite Fintech-Jungspund verkündet, galt noch als verwegen, als wir vor rund sieben Jahren dieses Buchprojekt in Angriff nahmen. Wie sich die Zeiten doch geändert haben! Der Begriff Fintech, ein Amalgam aus 'Finanz' und 'Technologie', erlebte in den vergangenen Jahren einen rasanten Aufstieg. Mittlerweile wollen selbst Banken nicht mehr so richtig Banken sein. Sie errichten Innovationslabore, werkeln an der Blockchain, und statt des klassischen Bankberaters lassen sie zunehmend Roboter Anlageentscheidungen tätigen. Es scheint, als wäre das Ziel dieses Buches bereits erreicht. Ein Trugschluss. Unsere Kritik ist heute notwendiger denn je. Der Missbrauch der neuen Möglichkeiten, die uns die digitale Revolution bescherte, hat nicht nur die Finanzkrise von 2007/08 verursacht - er ist auch der Hauptgrund dafür, dass wir uns noch immer im Krisenmodus befinden. Lassen Sie sich nicht von der derzeitigen Euphorie wegen Fintech täuschen. Sie birgt große Gefahren - und die Parallelen zu den Ereignissen der Jahrtausendwende sind unübersehbar. Schon vor der Finanzkrise von 2007/08 predigten Finanzexperten den Segen von Informationstechnologien. Nur die Begriffe unterschieden sich: Statt von Finanztechnologie (Fintech) redeten damals alle von Finanzinnovation. Die erste Fintech-Welle, die der Siegeszug der Informationstechnologien ins Finanzwesen gespült hatte, begann in den 1970er- und 1980er-Jahren und endete 2008. Noch bis kurz vor Ausbruch der Krise prognostizierten die Finanzexperten ein goldenes Zeitalter, da durch Finanzinnovationen das Finanzsystem stabiler, effizienter und transparenter werde. Wie wir heute wissen, trat das genaue Gegenteil ein. All diese Finanzinnovationen waren im Verborgenen eng mit den traditionellen Banken verquickt. Finanzielle Risiken wurden nicht auf viele Schultern verteilt, sondern türmten sich außerhalb des Sichtfelds der Aufsichtsbehörden im Bankwesen auf. Der Wirtschaftsboom der 2000er-Jahre entpuppte sich als Blase, und 2008 kam es dann zur Zäsur. Nur dank staatlichen Rettungsaktionen von noch nie dagewesenem Ausmaß konnte das Finanzsystem vor dem totalen Kollaps bewahrt werden. Kurz nach der Finanzkrise rollte die zweite Fintech-Welle an. Dank den Informationstechnologien wurde es möglich, Kredite direkt zu vermitteln. Peer-to-Peer-(P2P)-Kreditvermittler betraten die Bühne. Wieder lautete die Devise, das Finanzsystem stabiler, effizienter und transparenter zu machen. So manches Jungunternehmen gefiel sich schon in der Rolle des Bankenbestatters, nur um sich kurze Zeit später auf dem harten Boden der Tatsachen wiederzufinden. Die grundlegende Finanzarchitektur hat sich nämlich nicht verändert. Deshalb stellten wir schon in der englischen Erstauflage von 2014 klar, dass sich die Probleme im digitalisierten Finanzsystem nicht von alleine lösen würden. In den vergangenen Jahren hat sich diese Vorhersage leider bestätigt. Einst aufstrebende Fintech-Jungunternehmen haben sich längst in Zulieferfirmen für traditionelle Banken verwandelt. Radikal neue Geschäftsmodelle, wie beispielsweise die direkte Kreditvermittlung, treten zunehmend in den Hintergrund. Stattdessen beginnen die Anbieter solcher Leistungen immer enger mit den etablierten Finanzinstitutionen zusammenzuwachsen. Um diese Entwicklungen zu beleuchten, haben wir Kapitel 9 für die deutsche Ausgabe überarbeitet und aktualisiert. Dabei zeigt sich deutlich, dass auch diese Fintech-Welle kein stabileres, effizienteres und transparenteres Finanzsystem hervorbringen wird. Es gibt jedoch Alternativen. Die Digitalisierung birgt in ihrem Kern die Möglichkeit, das Finanzsystem auf sinnvolle Art zu modernisieren. Dafür ist aber eine radikale Kursänderung notwendig. Die Digitalisierung wird unsere Finanzarchitektur weiter untergraben, wenn wir nicht eine grundlegende Anpassung im 'Betriebssystem unserer Volkswirtschaft' vornehmen. Das ist unsere zentrale These, die seit der englischen Erstauflage nichts an Aktualität eingebüßt hat. Vorwort Zahlreiche Bücher geben vor, die Schattenseiten des Bankwesens zu erklären, doch den meisten gelingt es nicht, zum Kern der Sache vorzudringen. Manche Autoren interpretieren die Finanzkrise von 2007/08 als den Versuch habgieriger Banker, unschuldige Witwen und Waisen um ihre Ersparnisse zu bringen. Skandalgeschichten bieten zwar oft eine unterhaltsame Lektüre, doch wer unabänderliche menschliche Eigenschaften für die Quelle allen Übels hält, macht es sich zu leicht. Die nächste Finanzkrise lässt sich damit nicht verhindern. Ebenso wenig gelingt dies durch Flickschusterei an den Regelwerken, die Standardreaktion vieler Ökonomen und Politiker auf Bankenkrisen. Die heutigen Probleme des Bankwesens sind fest in unserem Finanzsystem verwurzelt. Gefragt ist eine grundlegende Veränderung, und so wenden sich manche Ökonomen heute wieder radikalen Reformvorschlägen aus längst vergangenen Zeiten zu. Doch obwohl die alten Theoriengebäude wertvolle Einsichten bereithalten, vermögen sie die gegenwärtigen Probleme des Bankwesens nicht zu lösen. Unsere Enttäuschung über die aktuellen Herangehensweisen an das Bankwesen und seine Mängel hat uns dazu bewogen, dieses Buch zu schreiben. Eine beachtliche Herausforderung, wie wir feststellen mussten, denn das Bankwesen lässt sich begrifflich nur sehr schwer eingrenzen. Es nimmt vielerlei Formen an. Wir haben uns deshalb um ein allgemeines Verständnis bemüht und konnten so die grundlegenden Finanztechniken identifizieren, die allen Formen des Kreditwesens gemein sind - ganz gleich, ob die Akteure mittelalterliche Goldschmiede oder moderne Investmentbanker sind. Wir erkannten, dass das Kreditwesen im Industriezeitalter ein sinnvolles Mittel war, um das Finanzsystem zu organisieren, es jedoch mit dem Aufkommen der Informationstechnologien außer Kontrolle geriet. Die Finanzkrise von 2007/08 war die unausweichliche Folge des Bankwesens im Digitalzeitalter. Wir haben uns aber nicht damit begnügt, lediglich die Mängel des Bankwesens im Digitalzeitalter aufzuzeigen. Das Hauptziel dieses Buches besteht darin, aufzuzeigen, wie sich ein funktionierendes Finanzsystem wiederherstellen lässt. Die Organisationsform des Kreditwesens ist von kaum zu überschätzender Bedeutung. Sie beeinflusst unmittelbar die Stabilität, Produktivität und Verteilungsgerechtigkeit einer Volkswirtschaft. Daher nimmt der Versuch, ein für das Digitalzeitalter geeignetes Finanzsystem zu entwerfen, den Löwenanteil dieses Buches ein. Obwohl sich Das Ende der Banken in erster Linie an unsere Kollegen im Wirtschafts- und Finanzsektor richtet, sollte jeder interessierte Leser unserer Argumentation folgen können. Wir vermeiden Fachjargon so weit wie möglich und erläutern das Bankwesen und seine Fallstricke in allgemein verständlicher Sprache. Dennoch nimmt dieses Buch Sie mit auf eine herausfordernde intellektuelle Reise, und falls Sie über keine wirtschaftlichen oder finanztechnischen Vorkenntnisse verfügen sollten, empfehlen wir Ihnen, es von Anfang bis Ende zu lesen. Leser, denen die Materie bereits vertraut ist, mögen den ersten Buchteil als Auffrischung begreifen und können ihn gegebenenfalls überspringen. Dieses Buch ist das Ergebnis sorgfältiger Überlegungen, und wir haben seinen Titel aus gutem Grund gewählt. Wer das Veränderungspotenzial der digitalen Revolution begriffen hat, wird erkennen, dass die derzeitige Architektur des Finanzsystems heillos überholt ist. Das Ende der Banken zu fordern mag auf den ersten Blick vermessen klingen. Doch wie wir auf den folgenden Seiten darlegen, ist es die einzig logische Konsequenz der digitalen Revolution. Jonathan McMillan Einleitung Ein Finanzsystem ohne Banken ist sowohl erstrebenswert als auch möglich. Das war nicht immer so. Das Bankwesen erfüllte einst unentbehrliche wirtschaftliche Funktionen. Mit der digitalen Revolution hat sich das Blatt jedoch gewendet. Zum einen ist das Bankwesen außer Kontrolle geraten, da Informationstechnologien eine wirksame Regulierung unmöglich machen - die Finanzkrise von 2007/08 war Vorbote einer neuen Ära des zügellosen Bankings. Zum anderen brauchen wir die Banken nicht mehr: Die Informationstechnologien bieten uns neue Möglichkeiten, welche die Banken überflüssig machen. Mit dem Ende der Banken wird das Zeitalter eines modernen Finanzsystems beginnen. Die Forderung, dem Bankwesen ein Ende zu bereiten, mag nach einer allzu primitiven Lösung der Probleme des heutigen Finanzsystems klingen. Das liegt vermutlich daran, dass keine allgemeingültige Definition des Begriffs 'Banking' existiert. Manche fassen darunter alle Aktivitäten, die von Banken unternommen werden. Andere bezeichnen mit diesem Begriff ein Bündel von Finanzdienstleistungen wie Asset Management oder die Durchführung von Effektenemissionen. Wir nehmen hier eine makroökonomische Perspektive ein und definieren Banking als Geldschöpfung aus Kredit. Dies mag für viele etwas merkwürdig klingen. Falls das der Fall ist, vertrauen Sie bitte darauf, dass wir auf die Feinheiten des Bankings ausführlich eingehen werden. An dieser Stelle genügt es, festzuhalten, dass sich das Bankwesen nicht auf jene Institute beschränkt, die wir als Banken bezeichnen. Ebenfalls fallen nicht alle von Banken betriebenen Aktivitäten unter den Oberbegriff Banking. Banking ist kein Geschäftsmodell, sondern ein Weg, unser Finanzsystem zu organisieren. Geld, Kredit und Preise Zu jeder modernen Volkswirtschaft gehören zwei unterschiedliche Systeme - die Realwirtschaft und das Finanzsystem. Die Realwirtschaft umfasst alle Aktivitäten und Ressourcen, die in die eigentliche Produktion sowie in die Verteilung von Gütern und Dienstleistungen einfließen. Das Finanzsystem ist hingegen ein virtuelles System, das sich erst durch die Betrachtung seiner beiden Elemente - Geld und Kredit - erschließt. So dient auf der einen Seite Geld dazu, laufende Zahlungen zu tätigen. Es ist ein Medium, mit dessen Hilfe Güter und Dienstleistungen unmittelbar getauscht werden können. Der Handel mittels Geld ist primitiven Tauschgeschäften überlegen, da er ohne eine doppelte Übereinstimmung von Bedürfnissen auskommt: Dank Geld ist es nicht erforderlich, die eine Person zu finden, die genau das anbietet, was man benötigt, und die gleichzeitig genau das nachfragt, was man anbietet. Geld befreit die Menschen aus einer reinen Subsistenzwirtschaft und erlaubt es ihnen, sich auf die Produktion komplexerer Güter und Dienstleistungen zu spezialisieren. Als Tauschmittel ermöglicht Geld eine dezentrale Form des Wirtschaftens - mit anderen Worten, eine dezentrale Koordination von Aktivitäten in der Realwirtschaft.1 Auf der anderen Seite erlaubt Kredit den Aufschub von Zahlungen. Die Übertragung von Gütern und Dienstleistungen sowie die dazugehörige Zahlung können mithilfe von Kredit zu unterschiedlichen Zeitpunkten erfolgen. Kredit ermöglicht eine effiziente Allokation über einen längeren Zeitraum hinweg und ist unerlässlich, um die für den Aufbau einer kapitalintensiven Produktion erforderliche Zeit zu überbrücken. Wer beispielsweise erstmals eine landwirtschaftliche Tätigkeit aufnimmt, kann seine Produktivität durch den Einsatz eines Traktors steigern. Mithilfe von Kredit kann der Bauer auch ohne Vermögen und noch vor der ersten Ernte einen Traktor erwerben. Sobald die erste Ernte eingebracht und verkauft ist, kann er seine Kreditverpflichtung begleichen. Kredit erleichtert die Bereitstellung von Kapital für Investitionen und ist Voraussetzung jeder industriellen Produktion. Er bildet die Grundlage einer kapitalintensiven Volkswirtschaft. Das Finanzsystem dient also dazu, eine dezentrale und kapitalintensive Volkswirtschaft zu unterstützen. Ohne Geld und Kredit - das heißt ohne Medium für laufende und aufgeschobene Zahlungen - würden sich die wirtschaftlichen Aktivitäten auf Subsistenzproduktion und Tauschgeschäfte beschränken. Darüber hinaus ermöglicht der Einsatz von Geld und Kredit eine Preisbildung.2 Preise sind das Scharnier zwischen dem Finanzsystem und der Realwirtschaft. Sobald Menschen für ihre wirtschaftlichen Aktivitäten auf Geld und Kredit zurückgreifen, bilden sich Preise. Gleichzeitig dienen Preise dazu, diese Aktivitäten in der Realwirtschaft zu lenken. Ohne Preise ist es kaum möglich, eine dezentrale und kapitalintensive Volkswirtschaft zu koordinieren. Geld und Kredit können somit als Spiegel interpretiert werden, und Preise sind das dort entstehende Spiegelbild der Realwirtschaft. Genauso, wie man eines Spiegels bedarf, um seine eigene Erscheinung beurteilen zu können, lässt sich eine dezentrale und kapitalintensive Volkswirtschaft nur mit Blick auf die Preise begreifen.3 Die Organisation des Finanzsystems Wie gut erfüllt nun ein Finanzsystem seinen Zweck, eine dezentrale und kapitalintensive Volkswirtschaft zu ermöglichen? Die Antwort auf diese Frage ergibt sich aus der Organisation seiner beiden Elemente. Sind Geld und Kredit mangelhaft konzipiert, so koordinieren die Preise die wirtschaftlichen Aktivitäten mehr schlecht als recht - ebenso wie das Abbild in einem Zerrspiegel die Realität nur unzureichend widerspiegelt. Die Koordination dezentraler Aktivitäten gestaltet sich schwierig, Kapital wird verschwendet, und womöglich erlangen manche Menschen einen unberechtigten Vorteil gegenüber anderen. Die Bedeutung eines gut organisierten Finanzsystems ist kaum zu überschätzen. Die Organisation von Geld und Kredit wirkt sich ganz erheblich auf die Stabilität, Produktivität und Verteilungsgerechtigkeit einer Volkswirtschaft aus. Als virtuelles System wird das Finanzsystem nur aus der Vorstellungskraft der Menschen geschaffen. So entscheiden beispielsweise das Gewohnheitsrecht oder gesetzliche Bestimmungen darüber, was als Geld akzeptiert wird. Die Organisation des Finanzsystems ist somit immer und überall eine politische Angelegenheit. Geld ist leichter zu organisieren als Kredit. Es genügt, dass Menschen sich auf etwas einigen, das die Funktion von Geld übernimmt. Die zeitliche Dimension tritt dabei weniger in den Vordergrund als im Falle von Kredit. Aus Sicht des Einzelnen umspannt eine Finanztransaktion nur einen kurzen Zeitraum. Die beteiligten Parteien müssen sich beim Einsatz von Geld zur Abwicklung eines Geschäfts nicht unbedingt vertrauen. Sobald sich die Gesellschaft darauf geeinigt hat, was sie als Geld verwenden möchte, können Anbieter von Gütern weitgehend darauf vertrauen, dass sie das Geld auch für weitere Geschäftsvorgänge einsetzen können. Selbst primitiven Gesellschaften kann es gelingen, ein auf Geld gründendes Finanzsystem zu etablieren.4 Im Vergleich hierzu ist die Organisation von Kredit eine weitaus schwierigere Aufgabe. Gläubiger müssen dazu ihren Schuldnern über Jahre oder gar Jahrzehnte hinweg vertrauen. Die mit Kredit verknüpften Schwierigkeiten - aber auch die Vorteile - steigen mit zunehmender Kreditlaufzeit. Ein Fahrzeugmechaniker, der einen Kredit zum Erwerb einiger Werkzeuge aufgenommen hat, kann diesen vielleicht innerhalb einiger Monate zurückzahlen. Hingegen benötigt ein Autohersteller womöglich viele Jahre, um den Kredit zur Errichtung einer modernen Produktionsstätte vollständig abzubezahlen. Eine moderne Fabrik ist viel produktiver - sie kann pro Arbeitskraft deutlich mehr Fahrzeuge herstellen als der Automechaniker. Doch wer wäre vertrauensselig oder geduldig genug, seine Ersparnisse zugunsten eines Rückzahlungsversprechens herzugeben, das erst nach zehn Jahren eingelöst werden muss? Teil 1: Das Bankwesen im Industriezeitalter Menschen, die Kredit nachfragen, und solche, die Kredit anbieten, haben unterschiedliche Bedürfnisse. Diese Bedürfnisdiskrepanz zwischen Schuldnern und Gläubigern macht Kredit zu einer heiklen Angelegenheit. Die Einführung des modernen Rechnungswesens in Form der doppelten Buchführung und die Entwicklung des Rechtsstaates legten die Grundlage für ein Bank- und Kreditwesen. Das Bankwesen vermochte die Bedürfnisse von Schuldnern und Gläubigern in Übereinstimmung zu bringen. Es handelte sich um eine grundlegende Innovation innerhalb des Finanzsystems mit der Folge, dass die Kreditvergabe nun einen Aufschwung erlebte. Teil 1 dieses Buches erläutert, warum Banken im Industriezeitalter unverzichtbar waren. Wir haben Banking als Geldschöpfung aus Kredit definiert. Wie das genau funktioniert, wird deutlich, wenn wir in Kapitel 2 die Funktionsweise des traditionellen Bankwesens erläutern. Das traditionelle Bankwesen ist die einfachste Form des Bankings und vereint Geldleihe und -aufbewahrung. Einerseits vergeben Banken Darlehen an Darlehensnehmer. Anderseits ermöglichen sie es Darlehensgebern, Bankeinlagen zu tätigen, die sich 'so gut wie Bargeld' anfühlen. Die Eigenschaften von Bankeinlagen machten es für Gläubiger attraktiv, sich am Kreditprozess zu beteiligen. In der Folge stieg das Kreditangebot, was die Kapitalakkumulation begünstigte. Banking erleichterte die Realisierung kapitalintensiver Industrieprojekte, deren Anfangsinvestition sich erst nach Jahrzehnten amortisierte. Die Industrialisierung und die zunehmende Kapitalintensität wurden durch ein modernes Finanzsystem erst ermöglicht. War die Übergangszeit - die Industrielle Revolution - noch durch persönliche Härten gekennzeichnet, führte der Produktivitätszuwachs in einer kapitalintensiven Volkswirtschaft zu einem Armutsrückgang, der in der Menschheitsgeschichte ohne Beispiel war. Wir erinnern uns, dass eine Volkswirtschaft aus zwei miteinander verbundenen Systemen besteht: der Realwirtschaft und dem Finanzsystem. Die Industrialisierung in der Realwirtschaft war für jedermann sichtbar, denn schließlich schossen überall rauchende Schornsteine aus dem Boden. Infolge dieser Sichtbarkeit von Kapitalanlagen bezeichneten manche Beobachter die neue Wirtschaftsform als Kapitalismus. Der Begriff Kapitalismus bezieht sich auf die Realwirtschaft, implizit stützt er sich aber auch auf die Entwicklung des Bankwesens. Der Kapitalismus konnte sich nur dank eines verbesserten Finanzsystems durchsetzen.5 Das Bankwesen mag zwar wesentlich zur Entwicklung einer kapitalintensiven Ökonomie beigetragen haben, ist jedoch mit schwerwiegenden Mängeln behaftet. Gelegentlich brechen Banken unkontrolliert zusammen. Solche Ereignisse werden als Bank-Runs bezeichnet und plagen das Bankwesen seit seinen Anfängen. Immer wieder haben sich Bank-Runs zu verheerenden Bankenpaniken ausgeweitet, die das Finanzsystem in seinen Grundfesten erschütterten. Eine solche Bankenpanik schränkt die Fähigkeit des Finanzsystems ein, wirtschaftliche Aktivitäten zu koordinieren. Sie führt zu massiven Preisverzerrungen und löst in der Regel eine schwere Rezession in der Realwirtschaft aus.6 Zwei besonders schwere Bankenpaniken in den Jahren 1907 und 1929 veranlassten die Regierung der Vereinigten Staaten, den mit dem Bankwesen verknüpften Problemen durch die Errichtung eines strengen Ordnungsrahmens zu begegnen: Staatliche Garantien verhinderten fortan Bankenpaniken, und bankenspezifische Regulierungen wie etwa Eigenkapitalvorschriften sorgten dafür, dass die Banken die staatlichen Bürgschaften nicht missbrauchen konnten. Dieser Ordnungsrahmen erwies sich im Industriezeitalter als erfolgreich. Die Gesellschaft konnte die Vorteile des Bankwesens genießen, und der Ordnungsrahmen hielt dessen Probleme in Schach. Teil 2: Das Bankwesen im Digitalzeitalter Der zweite Teil dieses Buches beschreibt, wie das Bankwesen im digitalen Zeitalter außer Kontrolle geriet. In den 1970er-Jahren traten die Informationstechnologien auf den Plan und markierten den Beginn des Digitalzeitalters. Während Kredit im Industriezeitalter noch auf Papier festgehalten werden musste, konnten Finanzinstitute derartige Vorgänge nunmehr elektronisch registrieren. Computer und elektronische Kommunikationsnetzwerke ermöglichten, dass sich Kredit aus den Bankenbilanzen herauslöste. Dies hatte desaströse Auswirkungen auf die Wirksamkeit der Bankenregulierung. Banken begannen ihre Aktivitäten so zu organisieren, dass einschneidende Regulierungen umgangen werden konnten. Dadurch traten neue Formen des Bankwesens in Erscheinung. Es begann sich ein Netzwerk von Finanzinstituten und Zweckgesellschaften zu formen, das nach Ausbruch der Finanzkrise als Schattenbankensektor bezeichnet wurde. Dieses undurchsichtige Firmengeflecht übernahm dieselben Funktionen wie die traditionellen Banken, ohne aber vom Regulator als eine neue Form des Bankwesens erkannt und reguliert zu werden. So gelang es dem Schattenbankensektor im Verlauf einiger Jahrzehnte, den traditionellen Bankensektor an Bedeutung zu überflügeln. Der Aufstieg des Schattenbankensektors verdeutlicht, dass sich Banking nicht nur auf Banken erstreckt. Eine rechtliche Definition des Begriffs 'Bank' ist jeweils rasch gefunden. Der Versuch hingegen, 'Banking' rechtlich zu definieren, gestaltet sich äußerst schwierig. Das sogenannte Abgrenzungsproblem der Finanzmarktregulierung beschreibt genau diese Schwierigkeit einer präzisen Definition der Aktivität 'Banking' - Banken schaffen es daher immer wieder, Beschränkungen ihrer Geschäftstätigkeit zu unterlaufen. Die Unfähigkeit der Regulierungsbehörden, das Abgrenzungsproblem in den Griff zu bekommen, mündete schließlich in einer verheerenden Bankenpanik: der Finanzkrise von 2007/08. Diese weitreichende Krise erforderte ein entschiedenes Handeln. Nur mithilfe staatlicher Rettungsaktionen von bislang unbekanntem Ausmaß konnte ein vollständiger Zusammenbruch des Finanzsystems verhindert werden. Die damit verbundenen Kosten waren allerdings horrend. Seit der Finanzkrise von 2007/08 genießen Institute, die als too big to fail (zu groß, um zu scheitern) gelten, eine implizite öffentliche Garantie aller ihrer Verbindlichkeiten. Gleichzeitig gelingt es den Aufsichtsbehörden nicht, sie effektiv zu regulieren. In der heutigen Zeit, in der Finanzinnovationen über Nacht aus dem Boden gestampft werden, können Finanzinstitute ihre Geschäfte jederzeit so anpassen, dass Regulierungen nicht mehr greifen. Das Abgrenzungsproblem der Finanzmarktregulierung ist mit der digitalen Revolution unlösbar geworden - die Aufsichtsbehörden können noch so viel regulieren, sie werden das Bankwesen nicht mehr in den Griff kriegen. Im digitalen Zeitalter ist das Bankwesen außer Kontrolle geraten. Während die staatlichen Garantien allumfassend geworden sind, läuft die Regulierung des Bankwesens ins Leere. Das Bankensystem hat sich in ein dysfunktionales öffentlich-privates Projekt verwandelt. Die Kreditinstitute fahren in guten Zeiten enorme Gewinne ein, während in Krisenzeiten die öffentliche Hand für die Verluste geradestehen muss. Teil 3: Ein Finanzsystem für das Digitalzeitalter Der Siegeszug der Informationstechnologien hat den ordnungspolitischen Ansatz untergraben, mithilfe dessen es der Gesellschaft während des Industriezeitalters gelang, das Bankwesen unter Kontrolle zu halten. Nun hat der technologische Fortschritt seit jeher etablierte Institutionen in ihren Grundfesten erschüttert. Er eröffnete dabei aber meist auch neue Perspektiven. Dieser Prozess wird als schöpferische Zerstörung bezeichnet, und er ist auch bei der digitalen Revolution im Finanzwesen wieder am Werk.7 Die Informationstechnologien haben zwar das Bankwesen in ein unkontrollierbares Monster verwandelt. Sie ermöglichen uns aber gleichzeitig, durch eine radikale Neuorganisation von Geld und Kredit unser Finanzsystem auf eine nächste Stufe zu heben. Im dritten Teil dieses Buches beschäftigen wir uns mit diesen schöpferischen Aspekten der Informationstechnologien.
Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
Inhalt6
Vorwort für die deutsche Ausgabe8
Vorwort12
Einleitung14
TEIL 1: Das Bankenwesen im Industriezeitalter26
KAPITEL 1: Warum Banken nötig waren28
KAPITEL 2: Wie traditionelle Banken funktionieren36
KAPTIEL 3: Die Schwachpunkte des Bankwesens50
TEIL 2: Das Bankwesen im Digitalzeitalter66
KAPITEL 4: Warum sich das Bankwesen nicht auf Banken beschränkt68
KAPITEL 5: Wie der Schattenbankensektor funktioniert80
KAPITEL 6: Die Finanzkrise von 2007/0100
KAPITEL 7: Das Finanzsystem nach 2008116
TEIL 3: Ein Finanzsystem für das Digitalzeitalter130
KAPITEL 8: Warum Banken heute nicht mehrgebraucht werden132
KAPITEL 9: Schließt die Banken: Der Entwurf für ein zukunftsfähiges Gesellschaftsrecht154
KAPITEL 10: Die Rolle der öffentlichen Hand186
KAPITEL 11: Das Gesamtbild196
Schlusswort205
Abkürzungen209
Anmerkungen210
Abbildungen243
Literatur244
Register269

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