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Das Ende des Geldes

Hyperinflation und ihre Folgen für die Menschen am Beispiel der Weimarer Republik

AutorMax Otte
VerlagFinanzBuch Verlag
Erscheinungsjahr2011
Seitenanzahl384 Seiten
ISBN9783862485253
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis21,99 EUR
Der Autor verbrachte hunderte Stunden in Archiven verschiedener Länder, um diese außergewöhnliche Dokumentation aus der Zeit der Weimarer Republik zu Papier zu bringen. In den Zwanzigerjahren des vorherigen Jahrhunderts war Deutschland nicht in der Lage, die Reparationszahlungen für den Ersten Weltkrieg zu leisten. Die Folge waren eine galoppierende In?ation, Hunger, sich rapide verschlechternde Lebensumstände der Bevölkerung und ein fast handlungsunfähiger Staat. Was damals passiert ist, könnte uns wieder drohen, denn es gibt viele Parallelen zu der heutigen Zeit. Spannend und kenntnisreich geschrieben nimmt Adam Fergusson den Leser mit auf eine Zeitreise - von der Vergangenheit über die Gegenwart bis zur Zukunft unserer gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Gesamtordnung.

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Leseprobe

Vorwort

Wenn die Währung eines Landes keine Quelle der Sicherheit mehr darstellt und Inflation für eine ganze Bevölkerung zum Sorgenthema geworden ist, ist es zur Orientierung hilfreich, die Geschichte anderer Staaten zu betrachten, die diese tragischste und verstörendste aller menschlichen Erfahrungen bereits durchlitten haben. Wenn man jedoch die ganze Bandbreite an Literatur unterschiedlichster Richtungen – wirtschaftlich, militärisch, sozial, politisch und biografisch – untersucht, die sich mit dem Schicksal der besiegten Mittelmächte nach dem Ersten Weltkrieg beschäftigt, entdeckt man einen wichtigen Mangel. Entweder ignorieren die ökonomischen Analysen von damals den menschlichen Faktor (aus Gründen, die den Ökonomen, die gelegentlich zur Annahme neigen, Inflationen seien bewusste Akte der Fiskalpolitik, bestens bekannt sind) – ganz zu schweigen von den militärischen und politischen Faktoren im Falle der Weimarer Republik und des postrevolutionären Österreichs. Oder die historischen Berichte übersehen und unterschätzen bei allen beeindruckenden Erkenntnissen und aller Gelehrsamkeit die Rolle der Inflation als größte Antriebskraft für die Erschütterungen, von denen sie erzählen. Berichte und Tagebücher aus erster Hand sind zwar von unschätzbarem Wert für die Bewertung der Inflation aus der menschlichen Perspektive. Aber sie haben die Tendenz, die Ereignisse entweder aus einem zu eingeengten Blickwinkel zu schildern – ein Gefecht kann völlig anders aussehen, je nachdem, aus welchem Granattrichter man es betrachtet. Oder sie schildern die finanziellen Kapriolen des Jahres 1923 auf so allgemeine Weise, dass die vielen katastrophalen Jahre, deren Höhepunkt und Vorbote das Jahr 1923 war, nicht angemessen zur Geltung kommen.

Den Todeskampf der Inflation, egal wie lange er dauert, kann man gewissermaßen mit akuten Schmerzen vergleichen. Die Schmerzen absorbieren den Menschen völlig und bestimmen sein gesamtes Denken und Handeln, solange sie anhalten. Aber sie sind vergessen, sobald sie enden – egal welche seelischen oder körperlichen Narben zurückbleiben. Das mag zum Teil das merkwürdige Phänomen erklären, dass zwischen der Episode der Weimarer Inflation und zahlreichen modernen Begebenheiten keinerlei Verbindung hergestellt wird, und umgekehrt. Dabei möchte man meinen, angesichts der Hartnäckigkeit, Langlebigkeit und Schrecken jener Inflation sowie ihrer fürchterlichen Konsequenzen, dass keine Untersuchung ohne ständige Bezugnahme auf diese eine prägende Lebensbedingung jener Zeit vollständig ist.

Umgekehrt gilt aber auch: Wie lässt sich die deutsche Inflation angemessen beschreiben, ohne auch die umstürzlerischen, politischen Aktivitäten der Nationalisten und Kommunisten, den Aufruhr in der Armee, die Auseinandersetzungen mit Frankreich oder das Problem der Kriegsreparationszahlungen sowie die gleichzeitig verlaufende Hyperinflation in Österreich und Ungarn zu erwähnen? Wie lässt sich die politische Bedeutung der Inflation ermessen? Wie lassen sich die Umstände beurteilen, unter denen eine Inflation in einer demokratischen Industrienation entsteht und außer Kontrolle gerät, wenn man ihren Verlauf nicht parallel zu den politischen Ereignissen jener Zeit verfolgt? Das Deutschland von 1923 war das Deutschland Ludendorffs, aber auch das Deutschland von Stinnes, Havenstein und Hitler. Bei aller Unterschiedlichkeit ihrer jeweiligen Welten – der Armee, der Industrie, der Finanzen und der Politik – können diese vier bizarren Gestalten, die die deutsche Bühne beherrschten, gleichermaßen als Schurken bezeichnet werden. Ludendorff, der seelen- und humorlose, ehemalige erste Generalquartiermeister, Verehrer der germanischen Götter Odin und Thor, Sammelpunkt und Marionette der reaktionären Kräfte; Stinnes, der plutokratische Profiteur, der ausschließlich dem Mammon huldigte; Havenstein, der wahnwitzige Bankier und spätere Reichsbankpräsident, dessen einziges Ziel darin bestand, das Land mit Banknoten zu überschwemmen; Hitler, der machtbesessene Volksverhetzer, dessen Worte und Taten schon damals an alles Teuflische der menschlichen Natur appellierten. Allein was Havenstein betrifft, ist diese Beschreibung ungerecht. Die Tatsache, dass diese hoch angesehene und verdiente Finanzautorität einen hellen Verstand besaß, änderte jedoch nichts an den Verheerungen, die er anrichtete.

Man könnte aber auch sagen, es habe gar keine wirklichen Schurken gegeben: Die Akteure standen angesichts der wirtschaftlichen und politischen Launen vermutlich schon in den Startlöchern bereit, den Part zu spielen, den die Umstände diktierten. Gewiss gab es viele andere, die genauso verwerflich und unverantwortlich gehandelt haben, wie die Personen, die die Hauptrollen spielten. Das deutsche Volk war das Opfer. ›Der Kampf ließ die Menschen verwirrt und inflationsgeschockt zurück‹, wie ein Überlebender erklärte. ›Sie verstanden nicht, was mit ihnen geschah und wer der Feind war, der sie besiegt hatte.‹

Dieses Buch präsentiert einige neue, aber auch viele vergessene Fakten und bis heute unveröffentlichte Stellungnahmen und Anschauungen. Dabei sind besonders die Schilderungen derer nützlich, die die Ereignisse unbeteiligt beobachten konnten, weil ihre Geldbeutel, ihre Gesundheit und ihre Sicherheit von den Ereignissen um sie herum nicht betroffen waren. Die reichhaltigsten Archive sind in dieser Hinsicht die Aufzeichnungen des britischen Außenministeriums, die ursprünglich von der Botschaft in Berlin angefertigt wurden, in der Lord Edgar Vincent D’Abernon als britischer Botschafter in jenen Jahren eine der erfolgreichsten Missionen der damaligen Zeit erfüllte. Seine Informationen wurden vom konsularischen Dienst in allen wichtigen deutschen Städten erweitert und angereichert, zum Beispiel durch Berichte individueller Mitglieder der alliierten Kommissionen, die mit den Themen Wiedergutmachung und Entwaffnung betraut waren. Die Dokumente im britischen Staatsarchiv gehören zu den am besten zugänglichen und wichtigsten Quellen. Die britische Botschaft unterhielt über D’Abernon außerordentlich enge Kontakte zu hohen deutschen Politikern. Der Abzug der US-Truppen aus Deutschland zu Beginn des Jahres 1923 und die beinahe vollständige Unterbrechung jeglicher Kommunikation zwischen Berlin und Paris zu einem noch früheren Zeitpunkt machten jede Information von möglicherweise vergleichbarem Wert dagegen zu sporadischen und oberflächlichen Anekdoten. Ich habe daher nicht gezögert, mich auf die Aufzeichnungen des britischen Außenministeriums zu beziehen, insofern es mir angemessen erschien, und habe sie durch zeitgenössische deutsche Informationen und Berichte ergänzt.

Soweit möglich, habe ich versucht, die Handlungen, Reaktionen und Interaktionen in ihrer richtigen historischen Abfolge zu bewahren. Ich erhoffe mir davon, dass diese vielleicht offensichtliche Ordnung in jenem Fall sowohl neu als auch aufschlussreich ist. Und ich will darüber hinaus eine Reihe wichtiger, aber kaum beachteter Beziehungen offenlegen. In der Schilderung der Ereignisse bin ich einem bestimmten roten Faden gefolgt, der sich auch durch Österreich-Ungarn, Russland, Polen und Frankreich zog. An ihm musste ich teilweise streng festhalten. Dabei handelt es sich um einen Faden, zu dem die hohen Autoritäten gelegentlich den Bezug zu verlieren scheinen: Es geht um die Auswirkungen der Inflation auf die Menschen als Individuen und Nationen, und wie ebendiese selbst auf die Inflation reagierten.

Ich habe es jedoch nicht gewagt, auf Basis der Fakten, die ich hier niedergeschrieben habe, allgemeingültige Schlussfolgerungen über die Menschheit und die Inflation zu ziehen; die Fakten sprechen sehr gut für sich selbst. Noch weniger habe ich irgendwelche wirtschaftlichen Lektionen oder theoretische Erklärungen für wirtschaftliche Phänomene geliefert. Dieses Buch ist ausdrücklich keine ökonomische Studie. Allerdings hat die Inflation sowohl mit Menschen als auch mit Geld zu tun, daher wäre es unmöglich, diese Geschichte zu erzählen, ohne immer wieder Zahlen – und gelegentlich überwältigende Zahlen – zu nennen. Überwältigende Zahlen waren es, die die Menschen Mitteleuropas bedrängten und knechteten, bis sie nicht mehr konnten. Den Wert der Mark in den Jahren 1922 und 1923 kannte jeder; doch wer konnte eine Zahl erfassen, der zwölf Nullen folgten?

Im Oktober 1923 traf die britische Botschaft in Berlin die Feststellung, dass für ein britisches Pfund genauso viel Mark nötig waren, wie die Entfernung in Yards von der Erde bis zur Sonne betrug. Hjalmar Schacht, Deutschlands Reichswährungskommissar, erklärte, am Ende des Ersten Weltkriegs hätte man theoretisch 500.000.000.000 Eier für denselben Preis erhalten, für den man fünf Jahre später nur noch ein einziges Ei bekam. Als sich die Lage stabilisierte, entsprach die Summe der Papiermark, die für den Kauf einer Goldmark nötig war, exakt der Menge an Quadratmillimetern, die einen Quadratkilometer ausmachen. Mathematisch nicht bewanderten Leser sei zum Trost gesagt, dass es alles andere als gewiss ist, ob solche Berechnungen dazu beitrugen, irgendjemandem die Geschehnisse verständlicher zu machen.

Schwieriger war es, genügend einfache, verständliche Begriffe zu finden, um die...

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