Was ist ein Gebet? – Das Gebetsverständnis im Christentum
Einige mögliche Definitionen:
Das Gebet (abgeleitet von bitten) bezeichnet eine zentrale Glaubenspraxis vieler Religionen. Es ist eine verbale oder nonverbale rituelle Zuwendung an ein transzendentes Wesen (Gott, Gottheit, Göttin).
Das Gebet ist durch Jesus Gemeinschaft auch mit Gott. Brief an die Philipper, Kapitel 1, Vers 4:
„was ich allezeit tue in allen meinen Gebeten für euch alle, und ich tue das Gebet mit Freuden –, “
Das Gebet ist Ringen ein um die Nähe Gottes. 1. Buch Könige Kapitel 8, Vers 29:
„Lass deine Augen offen stehen über diesem Hause Nacht und Tag, über der Stätte, von der du gesagt hast: Da soll mein Name sein. Du wollest hören das Gebet, das dein Knecht an dieser Stätte betet, “…
Gebet ist auch die Erfahrung mit dem Heiligen Geist. Brief an die Römer, Kapitel 8, Vers 26:
„Desgleichen hilft auch der Geist unsrer Schwachheit auf. Denn wir wissen nicht, was wir beten sollen, wie sich's gebührt; sondern der Geist selbst vertritt uns mit unaussprechlichem Seufzen.“
Neben dem Vorgang des Betens (als gemeinschaftliches oder persönliches Gebet) wird in der Deutschen Sprache mit Gebet auch ein vorformulierter, feststehender Text bezeichnet. Ein solches Gebet kann auf einen bestimmten Urheber zurückgehen (beispielsweise einem Religionsstifter, einen Heiligen oder einen religiösen Schriftsteller).
Manche Gebete werden zu einem bestimmten Anlass im Leben des einzelnen oder der Gemeinschaft gesprochen. Gebete werden in der Familie oder in der Religionsgemeinschaft tradiert und gelernt. Die bekanntesten Gebete sind im Judentum das Schma Jisrael und im Christentum das Vaterunser. Die Gebets – und Liedersammlung der Psalmen hat für Judentum und Christentum Bedeutung.
Das Gebet in den Religionen
Bis heute hat das Gebet einen zentralen Platz in der Praxis aller christlichen Konfessionen. Alle kennen das Vaterunser und die Psalmen ebenso wie persönlich formulierte Gebete und Kirchenlieder in Gebetsform. Die orthodoxen, katholischen und anglikanischen Kirchen haben eine reiche Tradition von vorformulierten Gebeten für den liturgischen und persönlichen Gebrauch (siehe liturgische Gebete), im Pietismus und im freikirchlichen Raum werden Gebete meistens frei formuliert.
Gebetshaltungen
Beten ist nicht an bestimmte Worte, Haltungen und Orte gebunden. Im Matthäusevangelium kritisiert Jesus ausdrücklich öffentliches, wortreiches Beten als heuchlerisch.
In der evangelischen Kirche wird meistens stehend (Ausdruck des Respekts), in der katholischen Kirche kniend (Ausdruck der Anbetung) gebetet.
Die innere Grundhaltung und die Stellung des Beters zu Gott prägen die seine äußere Gebetshaltung:
Nach dem orientalischen Vorbild wirft sich der Beter vor Gott mit dem Gesicht auf den Boden gerichtet in voller Länge auf den Boden. Diese Gebetshaltung findet sich auch in der Bibel: Josua, Kapitel 7, Vers 10; Daniel, Kapitel 9, Vers 18. Im griechischen wird diese Haltung mit dem Terminus proskynein bezeichnet.
Auch das Knien während des Gebetes ist aus dem Orient bekannt. Das Knien drückt die Demut des Beters aus (2. Chronik, Kapitel 6, Vers 13; Esra, Kapitel 9, Vers 5; Psalm 22, Vers 30; Jesaja Kapitel 45, Vers 23: Daniel; Kapitel 6, Vers 11; Markusevangelium, Kapitel 15, Vers 19; Lukasevangelium, Kapitel 5, Vers 8; Epheserbrief, Kapitel 3, 14; Philipperbrief, Kapitel 2, Vers 10).
Auch im Stehen wird oft gebetet (Markusevangelium, Kapitel 18, Vers 25). Diese Gebetshaltung ist ein Ausdruck von Freimütigkeit (1. Buch Mose, Kapitel 18, Vers 22); diese Gebetsform im Stehen wird mit ausgestreckten Armen und nach oben gerichteten, offenen Händen praktiziert (1. Könige, Kapitel 8, Vers 22; Psalm 141, Vers 2; Jesaja, Kapitel 1, Vers 15).
Unabhängig davon, ob im Stehen oder im Knien gebetet wird, die Arme werden immer nach oben gestreckt und die Hände geöffnet (2. Buch Mose, Kapitel 11, Vers 11; Psalm 134, Vers 2; Psalm 141, Vers 2 1. Timotheusbrief, Kapitel 2, Vers 8). Diese Gebetshaltung symbolisiert die Bereitschaft des Beters für den Empfang der göttlichen Gaben (2. Buch Mose, Kapitel 9, Vers 29; 1. Könige, Kapitel 8, Vers 22; Psalm 90, Vers 14; Psalm 123, Vers 1; 1. Timotheusbrief, Kapitel 2, Vers 8). Die Gestik des Faltens der Hände drückt das Gelöbnis von Treue und Gehorsam aus. Sie stammt aus der germanischen Zeit.
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Gebetszeiten:
Morgens : Psalm 5, Vers 4; Psalm 88, Vers 14; Psalm 119, Vers 147
Mittags : Apostelgeschichte, Kapitel 10, Vers 9
Abends : Esra, Kapitel 9, Vers 5; Psalm 4, Vers 9; Psalm 55, Vers 18
Auch nachts wurde schon zu Zeiten Jesu gebetet (Psalm 42, Vers 9; Psalm 119, Vers 55); von ihm wird uns in der Bibel auch berichtet, dass auch er durch Nächte hindurch gebetet hat, Lukasevangelium, Kapitel 6, Vers 12.
Der Apostel Paulus wollte an diesen Gebetszeiten etwas verändern, denn nach seinem Verständnis war das Beten nicht als auf Zeit aufgeteilt zu verstehen und wollte es deshalb auch nicht im Wesentlichen darauf beschränkt sehen. Für ihn und nach seinem Verständnis war das Gebet in der Gemeinde verhaftet und sollte immerwährend und unaufhörlich praktiziert werden (Römerbrief, Kapitel 12, Vers 12; Kolosserbrief, Kapitel 3, Vers 17; 1. Thessalonicherbrief, Kapitel 5, Vers 17).
Gebetsorte
Gebetszeiten und Gebetsorte waren damals häufig miteinander verknüpft.
Die Bibel spricht im Buch Daniel, Kapitel 6, Vers 11; Apostelgeschichte 19, Vers 9 von einem Obergemach[7].
Das (kleine) Kämmerlein (Matthäusevangelium, Kapitel 6, Vers 6; 2. Könige Kapitel 4, Vers 10; Lukasevangelium, Kapitel 2, Vers 37; Apostelgeschichte, Kapitel 3, Vers 1)
Der Heiligen Tempel damals nicht nur der Ort des gottesdienstlichen Gebets, sondern auch ein von einzelnen Personen bevorzugter Gebetsort (1. Buch Samuel, Kapitel 1, Vers 3; Lukasevangelium, Kapitel 2, Vers 37; Apostelgeschichte, Kapitel 3, Vers 11).
Außerhalb des Heiligen Tempels wurde in die Richtung des Tempels gebetet, außerhalb des Landes war die Gebetsrichtung Israel (1. Buch Könige, Kapitel 8, Vers 38; 2. Buch Chronik, Kapitel 6, Vers 4; Daniel, Kapitel 6, Vers 11).
Gebetsformen
Einige der am häufigsten gebrauchten christlichen Gebete stammen aus dem Neuen Testament, zum Beispiel das Vater Unser, das im Wortlaut nach alter Überlieferung auf Jesus selber zurückgeht (Lukasevangelium, Kapitel 11, Vers 2ff), und das Magnificat (Lukasevangelium, Kapitel 1, Vers 46 – 55).
Die Evangelien zeigen, wie Jesus den Menschen in allen ihren praktischen Nöten helfen wollte. Aber je mehr er das versuchte, desto mehr neigten die Menschen zu einer Fixierung auf Gottes momentane Hilfe; das hat zur Konsequenz im menschlichen Verhalten, dass Jesus von Kranken umlagert wurde, die alle Heilung suchten. Dadurch wurde es für ihn recht schwer, Aufmerksamkeit für seine über momentane Hilfe hinausgehende Botschaft zu finden. Solche Erfahrungen betreffen generell auch das Bitten; wenn sie erhört werden, sind sie unverkennbar Zeichen, die auf den lebendigen Gott hinweisen; aber gleichzeitig fördern sie auch die latente Neigung von Menschen, von ihrer Gottesbeziehung vor allem die Erfüllung aller ihrer Wünsche zu erwarten.
Das Neue Testament gibt dazu zahlreiche Hinweise auf den Stellenwert des Gebets im Verhältnis des Menschen zu Gott und gibt auch Empfehlungen zur Art des Betens. Wichtig ist für das christliche Gebet, auch im Hinblick auf seine Erhörung, der absolute Einklang des Beters mit dem Willen Gottes, und der Glaube (Markusevangelium, Kapitel 9, Vers 23). Dann gilt, so die Bibel: „Bittet, so wird euch gegeben“ (Matthäusevangelium, Kapitel 7, Vers 77). Wenn sich also der Mensch Gott und seiner Gottesherrschaft anvertraut, dann wird ihm alles das zufallen, was er tatsächlich braucht (Matthäusevangelium, Kapitel 6, Vers 33). Daraus ergibt sich, dass sich der Mensch mit seinen Anliegen immer wieder im Gebet an Gott wenden kann, vermittelt durch Jesus (Johannesevangelium, Kapitel 14, Vers 6), und ihn um alles das bitten kann und darf, was er täglich benötigt. Der Beter darf dann darüber hinaus auch erwarten, dass Gott „bei denen, die ihn lieben, alles zum Guten führt“ (Römerbrief, Kapitel 8, Vers 28).
Nach Paulus und Johannes ist es also der Heilige Geist, der betet, wenn Menschen „nicht wissen, wie und was sie beten sollen“ (Römerbrief, Kapitel 8, Vers 26 – 27). Der Heilige Geist tritt dann als der Mittler...