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Das Geflecht aktiver Bürger

'Kohlen' - eine Stadtstudie zur Zivilgesellschaft im Ruhrgebiet

AutorAndreas Dörner, Ludgera Vogt
VerlagVS Verlag für Sozialwissenschaften (GWV)
Erscheinungsjahr2008
Seitenanzahl246 Seiten
ISBN9783531909271
FormatPDF
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis42,99 EUR
Das Buch präsentiert die Ergebnisse einer explorativen Stadtstudie über die Funktionsweise von Bürgergesellschaft vor Ort. Am Beispiel einer Mittelstadt am nördlichen Rand des Ruhrgebiets wird aufgezeigt, warum sich Akteure engagieren, welche Rolle posttraditionale Gemeinschaften dabei spielen, welche Karrieremuster in der Bürgergesellschaft greifen und wie sich Strukturen sozialer Ungleichheit bemerkbar machen. Vor allem aber wird sichtbar, dass die Funktionsfähigkeit von Zivilgesellschaft vor Ort angewiesen ist auf enge Vernetzungen zwischen Akteuren und Organisationen sowie auf eine ausgeprägte Kooperationskultur.

Dr. Andreas Dörner ist Professor für Medienwissenschaft an der Philipps-Universität Marburg.
Dr. Ludgera Vogt ist Professorin für Allgemeine Soziologie an der Bergischen Universität Wuppertal.

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Leseprobe
2 Grundlagen und Stand der Forschung (S. 14)

2.1 Die öffentliche Diskussion

Bürgergesellschaft ist als Begriff seit den 90er Jahren in der öffentlichen Debatte präsent. In den „Ritualen der Wohlfahrtsstaats-Debatte" (Heinze 1998: 172), die sich in Deutschland regelmäßig zwischen den neoliberalen Marktbefürwortern und den (im weiteren Sinne) sozialdemokratischen Staatsbefürwortern medial inszeniert entfalten, wird immer häufiger der Begriff der Bürgergesellschaft verwendet.

Das soll so etwas wie einen „dritten Weg" markieren. Schaut man sich jedoch die Beiträge insbesondere der politischen Akteure etwas genauer an, so wird deutlich, dass hier häufig unter neuen Begriffen alte Konflikte ausgefochten werden. Man bewegt sich einerseits zwischen Konzepten, die Bürgergesellschaft im Sinne vieler Kommunitaristen eher staatsnah oder zumindest staatsgefördert verorten, und solchen andererseits, die eine möglichst große Staatsferne als Erfolgsgaranten sehen.

Da es in Deutschland – im Unterschied etwa zur angelsächsischen Welt – an breiteren zivilgesellschaftlichen Traditionen weitgehend fehlt, kann es nicht verwundern, dass die neuen Etiketten hier teilweise einfach mit alten Inhalten, teilweise auch mit Beliebigkeit gefüllt werden vgl. Dettling 1998: 23).

Mit der im Jahre 1999 beschlossenen Enquete-Kommission „Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagements" des Deutschen Bundestags hat die politische Debatte eine andere Dimension gewonnen. Hier wurde erstmals versucht, die einschlägigen Ergebnisse der (meist standardisierten) sozialwissenschaftlichen Forschung zu den Problemen und Potentialen des bürgerschaftlichen Engagements zu sichten und in politische Handlungsempfehlungen einmünden zu lassen.

Im Resultat kristallisierte sich als Position heraus, dass man politisch die eingetretenen Pfade der Förderung traditioneller Ehrenamtlichkeit im Rahmen der etablierten Verbände tendenziell verlassen und auch neue Formen des Engagements erschließen möchte. Insbesondere werden neue institutionelle Designs eingefordert, wobei u.a. Freiwilligenagenturen ein großer Stellenwert zugemessen wird. Genau dieser Aspekt der Funktionsweise von Bürgergesellschaft in neuen institutionellen Settings bildete auch einen Schwerpunkt des durchgeführten Forschungsprojekts.

Auch wenn der Zenit der politischen Diskussion über Bürgergesellschaft nach dem Abschluss der Enquete-Beratungen und im Zuge einiger ökonomischer Krisenerscheinungen überschritten scheint, weil sich sozialpolitisch andere Schwerpunkte aufdrängten, zeigt sich doch eine gewisse Nachhaltigkeit des Themas. Sie liegt darin, dass es von politischer Seite immer wieder aufgegriffen und auch mitunter in konkrete Maßnahmen – etwa Steuerermäßigungen für bürgerschaftlich Engagierte – oder Förderprogramme übergeleitet wird.

In einer wechselseitigen Beeinflussung von öffentlich-politischer Diskussion und wissenschaftlicher Themenkonjunktur hat sich das Begriffspaar Zivilgesellschaft / Bürgergesellschaft mittlerweile zu einer Art Dachformel entwickelt, unter der vieles von dem abgehandelt wird, was früher im Zusammenhang mit dem Dritten Sektor, Ehrenamtlichkeit und Freiwilligenarbeit abgehandelt wurde. Der Vorteil dieser Entwicklung liegt darin, dass nun Dinge stärker im Zusammenhang gesehen werden, die früher getrennt betrachtet wurden.

Das gilt beispielsweise für das Verhältnis von subjektiven (z.B. Handlungsmotive) und „objektiven" (z.B. institutionellen) Aspekten des Ehrenamts oder für das Verhältnis von Staat und gesellschaftlicher Selbststeuerung. Zudem bietet der theoretische Diskurs zur Bürger- bzw. Zivilgesellschaft die Möglichkeit, eine integ- rierende Reflexionsperspektive zur Beschreibung, Erklärung und Bewertung gesellschaftlicher Entwicklungen zu erarbeiten.

Diese hängen mit Fragen von Ehrenamtlichkeit und Drittem Sektor zusammen, reichen jedoch weit über diesen Fokus hinaus und sind erst im gesamtgesellschaftlichen Zusammenhang angemessen einzuordnen und zu bewerten.
Inhaltsverzeichnis
Inhalt5
1 Einleitung7
2 Grundlagen und Stand der Forschung14
2.1 Die öffentliche Diskussion14
2.2 Der Theoriediskurs16
2.3 Die Dritte-Sektor-Forschung32
2.4 Ehrenamt und bürgerschaftliches Engagement37
2.5 Politische Kulturforschung und Sozialkapital41
2.6 Kapital und soziale Ungleichheit54
2.7 Individualisierung, reflexive Modernisierung und Bürgergesellschaft58
2.8 Fazit: Defizite der Forschung61
3 Ziele und Fragestellung der Studie63
4 Methoden und Vorgehen72
4.1 Eine Stadt-Studie72
4.2 Die Auswahl der Kontexte79
4.3 Datenerhebung85
4.4 Feldzugang und Sample87
4.5 Auswertung und Interpretation91
5 Ergebnisse92
5.1 Die Gemeinde92
5.2 Die Kommune als Bürgergesellschaft97
5.3 Die Motive des Engagements112
5.4 Karrieremuster: Wege zwischen freiwilliger Arbeit und Erwerbsarbeit147
5.5 Posttraditionale Vergemeinschaftung154
5.6 Die Voraussetzungshaftigkeit des Engagements: Bürgergesellschaft und soziale Ungleichheit162
5.7 Service Learning: Bildung und Bürgergesellschaft173
5.8 Das Geflecht aktiver Bürger: Die Kooperationskultur in Kohlen182
6 Zusammenfassung und Perspektiven200
Literatur215

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