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Das geheime Leben der Wörter

Warum Kirchenmäuse arm sind, was das Wort Buch bedeutet und wie Niesen mit Dämonen zusammenhängt

AutorWolfgang Seidel
Verlagriva Verlag
Erscheinungsjahr2019
Seitenanzahl272 Seiten
ISBN9783745307504
FormatePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis8,99 EUR
Jedes Wort hat seine eigene Geschichte. Kommt Ihnen das Deutsche auch manchmal spanisch vor? Kein Wunder! Wir alle kommunizieren schließlich Tag für Tag mit tausenden Wörtern, von denen wir weder die genaue Bedeutung noch ihre Herkunft kennen. Oder wissen Sie etwa, was Drogen mit Trockenheit zu tun haben, warum bei einem Bankrott Tische zerschlagen wurden, und dass der arme Schlucker mit Vornamen Philipp hieß? Ein aufschlussreiches und unterhaltsames Buch für alle, die wissen wollen, was hinter unseren Wörtern steckt. *Bei diesem Buch handelt es sich um eine überarbeitete Neuausgabe des bei dtv erschienenen Titels 'Woher kommt das schwarze Schaf?'*

Wolfgang Seidel veröffentlichte bisher acht Bücher zur Wortgeschichte und zur Kulturgeschichte darunter eine Weltgeschichte der Pflanzen sowie eine Geschichte der Vermessung der Welt unter dem Titel Sternstunden der Kartografie. Der in der Nähe von Ulm geborene Autor wuchs in Wiesbaden auf und studierte Jura und Rechtsgeschichte in Mainz, Genf, München und Freiburg. Er arbeitete zwanzig Jahre lang als Verlagslektor bei namhaften Verlagen, zuletzt in Frankfurt. Seit 2004 lebt Seidel als Autor und Übersetzer in München.

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Leseprobe

UNSERE ÄLTESTEN WÖRTER


Die Wurzeln der indoeuropäischen Sprachen liegen in Anatolien und reichen ungefähr 7800 bis 9800 Jahre zurück. Zu diesem Ergebnis sind nach einer Meldung der ›FAZ‹ vom 27.11.03 zwei Psychologen der Universität von Auckland/ Australien nach umfangreichen Analysen von 87 Sprachen gekommen. Dass die indoeuropäischen Sprachen, zu denen etwa Deutsch, Russisch, Latein, Griechisch und Englisch gehören, im Zuge der aufblühenden neolithischen Landwirtschaft im Vorderen Orient entstanden sind, wird zwar schon seit langem angenommen. Den australischen Forschern Russell Gray und Quentin Atkinson ist aber mit einem als »Glottochronologie« bezeichneten Verfahren gelungen, den Ursprung genauer als bisher zu datieren. Damit wird eine konkurrierende These über die Herkunft des Indoeuropäischen entkräftet. Diese besagt, die Urform sei rund 6000 Jahre alt und lasse sich auf das Reitervolk der Kurgan zurückführen, das nördlich des Schwarzen Meeres gelebt hat.

DIE ÄLTESTEN »FREMDWÖRTER«
IM DEUTSCHEN


Hier sind Wörter gemeint, die nicht aus indoeuropäischen Wurzeln stammen, sondern aus den altorientalischen Hochkulturen Mesopotamiens und Ägyptens. Bemerkenswert ist, dass sich diese Wörter über die Jahrtausende kaum verändert haben.

WÖRTER AUS BABYLONIEN

Die älteste überlieferte Sprache aus Mesopotamien ist das Sumerische. Wir wissen von den Sumerern überhaupt nur, weil sich Teile ihrer Sprache im nachfolgenden Akkadisch erhalten haben: als Kultsprache bis in die Zeit der Seleukiden, der Nachfolger Alexanders des Großen in jenem Weltteil. Die Herkunft des Sumerischen ist nicht bekannt. Beim Akkadischen, der Sprache der Assyrer, handelt es sich um eine semitische Sprache. Das Akkadische hat Wörter und einige grammatische Strukturen des Sumerischen aufgenommen, die bekannten Keilschrift-Texte sind auf Akkadisch geschrieben. Aus dem sumerischen Kulturkreis stammt das Gilgamesch-Epos, die älteste überlieferte Erzählung.

ERZ Urud oder urudu war das sumerische Wort, aus dem sich der Begriff für metallhaltiges Gestein entwickelt hat, möglicherweise in jener sehr frühen Zeit vor allem hinsichtlich Kupfererz, dem ersten Gebrauchsmetall für Waffen und Geräte, das seit ca. 8000 v. Chr. verarbeitet wurde. Für »Erz« gibt es jedenfalls keinen Urbegriff in den ie. Sprachen.

HANF Zurückzuführen auf kunibu, den Namen einer wichtigen Kulturpflanze, deren Fasern zu Textilgewebe und Seilen und deren Samen zu Öl und Seife verarbeitet wurden. Die griechische Form lautet kánnabis. Das Wort ist in europäischen und asiatischen Sprachen weit verbreitet.

KANAL Eine Urform dieses Wortes ist das sumerisch-akkadische gin, woraus in Babylonisch-Assyrisch qanu wurde. Die Bedeutung beider Wörter ist: Rohr. Die griech. Form kánna ist der Ausgangspunkt für alle praktisch gleichlautenden Wörter in den europäischen Sprachen: canal (franz.), canale (ital.), channel (engl.). Dieses Wort ist in alle anderen ie. Sprachen übernommen worden und in dieser Form bis heute lebendig. Es deutet somit auf eine der ältesten zivilisatorischen Errungenschaften, die Bewässerungskunst.

SACK Hier liegt das assyrische Wort sakku zugrunde, das »Sack, Büßergewand« bedeutet. Wegen der überragenden Bedeutung religiöser Rituale in den alten Kulturen stand sicherlich die Wortbedeutung »Büßergewand« im Vordergrund. Dazu gehört auch die Redewendung: »In Sack und Asche gehen«, die ein offenbar uraltes Bußritual bezeichnet. Die Redewendung kommt auch in der Bibel mehrmals vor. Die zähe Lebensdauer von Ritualen und »heiligen Wörtern« hat sicherlich zum kaum veränderten Überleben dieses Wortes beigetragen. Die Bedeutungsübertragung von dem sehr einfachen Gewand aus grobem Stoff zu Sack im Sinne von »Behälter aus Stoff« dürfte erst später erfolgt sein. Praktisch identische Formen finden sich sowohl in den semitischen wie in den ie. Sprachen: sákkos (griech.), sac (franz.), sack (engl.).

SEMMEL Das assyrische Wort samidu (= feines Mehl) wurde als semídalis ins Griech. aufgenommen, von dort über das Lat. ins Dt.

WÖRTER AUS ALTÄGYPTEN

EBEN(HOLZ) Die griech. Form ebenos leitet sich von dem altägyptischen hbnj ab.

GUMMI In der alten Pharaonensprache lautet die Bezeichnung eines wohlriechenden Harzes kemai. Dieses Harz ist nicht identisch mit dem aus Kautschuk gewonnenen Gummi, der ja erst nach der Entdeckung Amerikas in Europa bekannt wurde. Aber das Wort wurde zur Bezeichnung vulkanisierter Kautschukmischungen verwendet.

KARTE Das altägyptische Wort für das Blatt der Papyrusstaude, aus dem die Schreibunterlage Papyros/Papier gewonnen wurde, hat sich im Griech. in der Form chártes erhalten und ging von dort in die europ. Sprachen ein.

NATRON Ägyptisch ntr gelangte über das Arab. natrun in die europ. Sprachen.

OASE Das Wort kommt auch im Koptischen vor: ouahe. Koptisch ist die bis in unsere Zeit gesprochene »Nachfolgesprache« der Pharaonensprache.

PAPIER Dem in allen modernen Sprachen verbreiteten Wort liegt die griech. Form pápyros zugrunde. Wort wie Material (gepresste Papyrusstauden zum Beschreiben) wurden aus Ägypten entlehnt.

PASSA(H)(FEST) bzw. Pessach, das aus der Bibel bekannte Frühlingsfest zur Erinnerung an den Auszug der Juden aus Ägypten, ging als Lehnwort ins Hebräische ein.

PYRAMIDE Diese griech. Form des Wortes für den altägyptischen Grabbau hat sich wohl nach einer komplizierten Wortentwicklungsgeschichte aus altägyptisch mr gebildet.

TOHUWABOHU Das berühmte, über die hebräische Bibel vermittelte »wirr und dunkel« in Bezug auf das Chaos vor der Weltschöpfung stammt urspr. aus dem Altägyptischen.

ALTPERSISCHE ODER ALTIRANISCHE WÖRTER

ARSEN Die griech. Formen arsenikón, arrhenikón gehen auf das persische zarnik zurück, was »goldfarben« bedeutet.

BRONZE Das Wort ist vermutlich zusammen mit der »Erfindung« (Metalllegierung aus Kupfer und Zinn) persischen Ursprungs.

HAMSTER stammt vom Altiranischen hamaestar. Dieses Wort bedeutet: »Tier, das Getreidehalme zu Boden drückt« und gelangte über das urrussische chomestr ins Dt.

MAGIER Zugrunde liegt das altpers. Wort magus, der Name eines Volksstammes mit priesterlich-rituellen Aufgaben. Die Kenntnis alter Riten, evtl. von »Beschwörungsformeln« schwingt in dem Wort heute noch mit (»magische Kräfte«). Die alten Griechen verstanden unter dem Wort mágos auch »Traumdeuter, Sterndeuter«. Im griech. Urtext der Bibel lautet der Begriff für die Drei Weisen aus dem Morgenland: mágoi.

ROSE Der Name des Zierstrauches lautet in allen europäischen Sprachen in etwa gleich, was immer ein Merkmal für ein hohes Alter eines Wortes ist. Zugrunde liegt ein altiranisches Wort, das etwa urda gelautet haben dürfte und sich zu der griechischen Form rhódon entwickelt hat.

ALTINDISCHE WÖRTER

Zu zahllosen gemein-indoeuropäischen Wörtern, die einen wesentlichen Grundstock der deutschen Sprache geliefert haben, gibt es Entsprechungen im Altindischen. Dabei haben sie mehr oder weniger starke Wandlungen erfahren, bis sich ihre heutige Form gebildet hatte. Hier einige Wörter aus dem Altindischen, die sich dort sehr früh ausgebildet haben und über verschiedene Zwischenstufen zum Teil fast unverändert ins Dt. gelangt sind.

ATEM Das Wort folgt dem altind. atma = »Hauch, Seele, Selbst«, einem der grundlegenden Begriffe des philosophischen Denkens in Indien.

KAMPFER Die altind. Form des Wortes für das aus dem Holz des Kampferbaums gewonnene Produkt lautet karpúrah, die arab. Form ist kafur.

KANDIS(ZUCKER) Der Ursprung des Wortes liegt im Drawidischen, das ist eine heute noch im Süden Indiens anzutreffende Sprachfamilie (bspw. Tamil), die dem Indischen zeitlich vorausgeht. Drawidisch khandakah gelangte über arab. qant und das ital. candido ins Dt. Sehr alt auch: Zucker; ind: sarkara, griech. sákcharon.

KARMESIN Der in alter Zeit aus der Färberschildlaus gewonnene wertvolle scharlachrote Farbstoff hieß im Arab....

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