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Das gelungene Ich

Die vier Säulen der Hirnforschung für ein erfülltes Leben

AutorHans-Otto Thomashoff
VerlagAriston
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl272 Seiten
ISBN9783641197551
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis15,99 EUR
Ich fühle, also bin ich
Kann ein Leben gelingen? Lässt sich dieses Grundrätsel der menschlichen Existenz überhaupt lösen? Gibt es Ratschläge aus der Wissenschaft, die wir bei unserer Lebensgestaltung beachten sollten? Ja: Nicht Geld, nicht Leistung, nicht Dauerspaß sind wichtig für ein erfülltes Leben. An erster Stelle stehen gute Beziehungen, die Erfahrung, aktiv selbst etwas verändern zu können, ein gesunder Stresshauhalt und ein Gefühl von Stimmigkeit. Bewiesen haben das die neuesten Erkenntnisse der Hirnforschung, aus denen hervorgeht, wie wenig die gemeinhin verfolgten Lebensziele tatsächlich bedeuten. Um tatsächlich Glück zu empfinden, sind wir gefordert, radikal umzudenken, denn der Psychiater Hans-Otto Thomashoff zeigt, wie stark wir von Emotionen bestimmt werden - und wie wir sie nutzen können.



Hans-Otto Thomashoff ist Facharzt für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychoanalyse in eigener Praxis in Wien sowie promovierter Kunsthistoriker und Naturfotograf. Er ist Ehrenmitglied des Weltpsychiatrieverbandes, Aufsichtsratsmitglied in der Sigmund-Freud-Privatstiftung und Mitglied des internationalen P.E.N-Clubs. Außerdem ist er Autor zahlreicher Sachbücher und Fachpublikationen.

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Leseprobe

Einleitung

Wie kann ein Leben gelingen? Lässt sich dieses Grundrätsel der menschlichen Existenz überhaupt lösen? Noch dazu objektiv? Gibt es also klare Ratschläge aus der Wissenschaft, worauf wir in unserer Lebensgestaltung achten sollten? Die Antwort auf diese Fragen lautet eindeutig: Ja. Aber wie können die spröden wissenschaftlichen Erkenntnisse den Weg in unseren Alltag finden?

Zum Glück hat die Hirnforschung ihren Elfenbeinturm verlassen und liefert zusammen mit den in der klinischen Arbeit gewonnenen Erfahrungen aus Psychoanalyse und Psychotherapie konkrete und brauchbare Handlungsempfehlungen für den Weg in ein gelingendes Leben. Unterm Strich bleibt zwar jeder von uns der Schmied seines eigenen Glücks, doch gibt es längst neurobiologisch fundierte Ratschläge, was uns dabei helfen kann.

Gleich vorweg: Die jüngsten Ergebnisse der Hirnforschung sind im wahrsten Sinne des Wortes revolutionär. Sie stellen das in unserer Gesellschaft propagierte Wertesystem auf den Kopf: Nicht Geld, nicht Leistung, nicht Dauerspaß sind die wichtigsten Säulen für ein zufriedenes Leben. Nein, an erster Stelle steht die Qualität der von uns gelebten Beziehungen. Kommen dazu noch die Erfahrung, aktiv selbst etwas gestalten zu können, ein ausgeglichener Stresshaushalt und zu guter Letzt die Erfüllung unseres Bedürfnisses nach Kohärenz, das heißt nach einem Gefühl von Stimmigkeit – wir wissen Bescheid, wir kennen uns aus, es passt –, dann haben wir die vier für unser Leben entscheidenden Säulen vor uns. Das bedeutet: Ein erfülltes Leben ist keine Hexerei. Sondern wir selbst können die Grundlagen dafür schaffen.

Doch wie geht das im Einzelnen? Die Philosophie hat diese Frage seit ihren Anfängen immer wieder gestellt, aber sich nicht zu einer eindeutigen Antwort durchringen können. Viele kluge Köpfe haben eben oft auch viele kluge Meinungen. Und so pendeln ihre Empfehlungen seit Epikur und den Stoikern zwischen Hedonismus und Verzicht in allenfalls immer neuen Varianten. Ihnen gemeinsam ist, dass alle Denker der abendländischen Philosophie das Individuum mit seinen existenziellen Fragen konfrontieren und es dann im selben Atemzug dazu auffordern, diese für sich allein zu lösen. Nur gerade das widerspricht gänzlich unserer Natur.

Erst in jüngster Zeit findet auch in der westlichen Philosophie Beachtung, was die Neurowissenschaft zur Funktionsweise unseres Gehirns und damit zu den Bedürfnissen unserer Psyche etwa nach guten Bindungen beinahe täglich an neuen Details herausfindet. Immer konkreter verdichten sich die gewonnenen Erkenntnisse zu Handlungsanleitungen für eine psychisch gesunde und damit erfüllte Lebensführung. Genau um diese alltagstauglichen Empfehlungen geht es mir, um die Überführung der wissenschaftlichen Einsichten in die alltägliche Lebenspraxis. Die Grundfrage lautet also: Wie kann uns die Hirnforschung dabei helfen, unser eigenes Leben besser zu leben?

Um diese Frage zu beantworten, werden wir im ersten Teil des Buchs einen Blick in die Funktionsweise unseres Gehirns werfen. Es geht dabei darum, die Grundregeln seiner Arbeit zu verstehen und die wesentlichen Einflüsse, die es prägen, kennenzulernen. Also vor allem die Eigenschaften, die sich noch nicht so richtig herumgesprochen haben und die daher immer noch viel zu wenig Beachtung geschenkt bekommen: seine enorme Umweltabhängigkeit, die bereits lange vor der Geburt beginnt, seine Bindungsfähigkeit, seine Kreativität und seine lebenslange Anpassungsfähigkeit, um hier vorab nur einige zu nennen. Auf diesen wissenschaftlichen Befunden aufbauend, ergeben sich anschließend in der zweiten Hälfte des Buchs die praktischen Konsequenzen für unser Leben Schritt für Schritt quasi wie von selbst.

Warum guter Rat so oft danebenliegt

Eigentlich ist es doch verrückt, dass wir nicht einfach so wie Tiere vor uns hin leben und dann alles passt, sondern dass wir uns mühsam den Kopf darüber zerbrechen, was wir in unserem Leben brauchen. Das, was wir intuitiv wissen sollten, gelingt oft nicht. Wieso verlieren wir so leicht den Zugang zu dem, was uns von Natur aus guttut?

Der Grund dafür liegt in einer geradezu genialen Vereinfachung unserer Art zu lernen. Denn vieles von dem, was wir lernen, erfahren wir direkt von unseren Mitmenschen. Wir vertrauen dem, was sie uns sagen. Auf diese Weise wird unser Menschheitswissen ganz direkt von Generation zu Generation weitergereicht. Das ist vom Prinzip her enorm vorteilhaft, denn so muss das Rad nicht immer wieder neu erfunden werden. Der Erfahrungsschatz, auf den jeder Einzelne zurückgreifen kann, ist dadurch riesengroß, eben weil er nicht ausschließlich auf seine selbst gemachten Erfahrungen zurückgreifen muss.

Zugleich aber ist dieser Mechanismus fehleranfällig, da wir nur allzu gern alles Mögliche glauben, solange es uns nicht am Überleben hindert. In der Regel überprüfen wir gar nicht, ob die zahllosen Informationen, die wir von unseren Mitmenschen bekommen, überhaupt zutreffen. Sondern wir glauben das, was andere uns sagen, vor allem dann, wenn wir ihnen vertrauen.

Und so bilden sich in unterschiedlichen Kulturen völlig unterschiedliche Lebensentwürfe heraus. Einmal entstanden, bleiben sie als absolute Wahrheiten unangetastet erhalten und pflanzen sich unhinterfragt fort, werden zu vererbten Traditionen. Je länger sie sich halten, desto beharrlicher werden sie als selbstverständlich empfunden. Egal in welchem Lebensbereich. Alltägliches, wie etwa unsere Ernährungsgewohnheiten oder unser Umgang mit Kindern, aber auch unser Gesellschaftsaufbau, unsere Wertesysteme, selbst unsere Religionen sind letztlich nichts anderes als Wissen, das wir von anderen übernehmen.

Verstärkt wird diese Tendenz zum Beharren noch durch eine Eigenschaft unseres Gehirns selbst, die sich aus seiner biologischen Struktur heraus erklärt. Alles, was einmal in dieser Struktur gespeichert worden ist, wird, eben weil es nun schon vorhanden ist, gerne wiederverwendet. Die Biologie ist von Natur aus sparsam.

Vielleicht ist Ihnen das auch schon selbst passiert. Sie gehen oder fahren tagein, tagaus denselben Weg. Erst durch Zufall entdecken Sie eines Morgens, dass es eine kürzere oder schönere Strecke gibt, die Sie zum selben Ziel bringt. Wir nennen das die Macht der Gewohnheit. Einmal Gelerntes behalten wir bei, solange es nicht einen triftigen Grund dafür gibt, es über Bord zu werfen.

Diese Neigung, die wir aus unserem Alltag kennen, gilt allerdings keineswegs nur dort, sondern genauso in der Wissenschaft. Beliebte Beispiele dafür finden sich in geisteswissenschaftlichen Arbeiten, die nicht selten davon leben, frühere Autoren zu zitieren. Die Logik des aktuellen Verfassers erlangt ihren Anspruch auf Gültigkeit ausschließlich dadurch, dass schon seine Vorgänger Gleiches behauptet haben. So wird in meinem eigenen Fachgebiet, der Psychoanalyse, gerne auf Zitate des Gründungsvaters Sigmund Freud zurückgegriffen. Frei nach dem Motto: Weil Freud das schon gesagt hat, muss meine Annahme richtig sein. Nur war auch Sigmund Freud ein Mensch. Und Menschen können sich bekanntlich irren. Selbst dann, wenn sie genial sind.

Übrigens wäre Freud einer der Letzten, die dem widersprechen würden. Gerade er hat seine Theorien ganz bewusst immer wieder an seine Erkenntnisprozesse angepasst. Und die unterlagen im Laufe seines Lebens durchaus kreativen Wandlungen.

Aber zurück zu uns. Besonders beharrlich neigen wir dazu, das beizubehalten, was wir schon früh in unserem Leben gelernt haben. Weil es sich eben schon früh in unserer Hirnstruktur niedergeschlagen hat. Und so sind wir besonders treu gegenüber den grundlegenden Werten und Lebensweisheiten, die uns in unserer Kindheit beigebracht wurden. Wir nehmen sie als gegeben hin und folgen ihnen blind, meist noch verstärkt dadurch, dass die anderen um uns herum es genauso machen.

Wissensweitergabe und das Festhalten an Bewährtem sind verantwortlich dafür, dass es uns schwerfällt, eingeschlagene Pfade zu verlassen, selbst wenn von außen, etwa durch die Wissenschaft, längst gegenteilige Erkenntnisse vorliegen. Der Kopf mag dann zwar eine neue Richtung gutheißen, der Bauch jedoch bleibt beim Vertrauten. Und der Bauch ist mächtig.

Stellt sich sogleich die Frage, warum ist er das? Warum fällt es uns oft so schwer, aus bewussten Erkenntnissen praktische Konsequenzen zu ziehen? Sind wir womöglich, wie einige Neurobiologen behaupten, gar nicht frei in unseren Entscheidungen? Sind wir, einmal geprägt, für immer hilflose Marionetten unseres Unbewussten?

Ist Erkenntnis möglich, und wenn ja, ist sie wirksam?

Mit dieser Frage befinden wir uns ganz unversehens mitten in einem Streit, der jahrelang erbittert zwischen Hirnforschern und Philosophen ausgetragen wurde. Der Grund dafür? Beide Seiten verrannten sich in ihren Positionen, beschworen die absolute Gültigkeit ihrer jeweiligen Sichtweise und belegten damit beherzt, doch ungewollt, genau die Beharrungstendenz, wie ich sie im vorherigen Absatz beschrieben habe.

Am Ausgangspunkt der Debatte stand die abendländische Philosophie. Die meisten ihrer Vertreter sehen die Selbsterkenntnis und damit die bewusste Selbstkontrolle des eigenen Handelns als wesentlichen Pfeiler unseres Menschseins an. Sie stehen in der Fortsetzung der Tradition von Immanuel Kant und Friedrich Nietzsche und zugleich im Einklang mit unserer alltäglichen Selbstwahrnehmung. Allerdings haben sie dabei den in ihren Augen überlegenen Verstand getrennt von den Gefühlen, die sie als schwach und irreführend empfinden. Folglich haben sie den Anspruch in die Welt gesetzt, das logische Denken müsse die Gefühle beherrschen. Selbst die in...

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