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E-Book

Das Germanenbild bei Caesar und Tacitus

AutorEsther Maier
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2009
Seitenanzahl97 Seiten
ISBN9783640300457
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis34,99 EUR
Examensarbeit aus dem Jahr 2005 im Fachbereich Geschichte - Weltgeschichte - Frühgeschichte, Antike, Note: 1,3, Freie Universität Berlin (Friedrich-Meinecke-Institut), Sprache: Deutsch, Abstract: Denkt man an Germanen, so wird oft die Legende von blutigen Ritualmorden, archaischen Stammesstrukturen und rückständiger Technik tradiert. Es scheint, als habe das antike Bild der Germanen mit ihren 'wild blickenden blauen Augen, dem rötlichen Haar und den großen Gestalten' bis heute Gültigkeit . Interessant ist es deshalb, das Germanenbild jener antiken Autoren zu untersuchen, die das bis in unsere Zeit nachwirkende Bild lieferten. Besonders relevant sind dabei Caesar und Tacitus, denn ihre Schriften enthalten die wichtigsten erhaltenen ethnographischen Informationen über die Völkerschaften, die rechts des Rheins lebten. Darüber hinaus prägten sie das für Jahrhunderte gültige Germanenbild. Was auch immer eine korrekte Definition des Begriffs 'Germane' - sofern es diese überhaupt geben kann - sei: Das in den Quellen Widergespiegelte ist nicht unbedingt identisch mit der Realität. Die Art der Widerspiegelung aber erklärt sich aus einem Apparat von Voraussetzungen, denen der Autor verhaftet ist. Wesentlich gehören dazu Ziel und Zweck seiner Arbeit, die hier nicht aus den Augen verloren werden dürfen. Da nach antiker Vorstellung 'der Germane' den Barbaren schlechthin verkörperte, wird zunächst ein kurzer Überblick zur Entwicklung des Barbarenbegriffs gegeben, der sich sehr früh in der griechischen Antike entwickelte und von den Römern im Zuge ihrer Hellenisierung übernommen wurde. Nach einer knappen Darstellung des Lebens und des Werks Caesars wird sein Germanenbegriff untersucht, um dann sein Germanenbild anhand der oben genannten Stellen unter systematischen Gesichtspunkten zu untersuchen. Im zweiten Teil der Analyse wird nach der Darstellung des Lebens und Werks Tacitus' sein Germanenbegriff und -bild untersucht, um schließlich einen systematischen Vergleich des caesarischen und taciteischen Germanenbildes anzustellen. Eine unterschiedliche Behandlung der Quellen ist die unvermeidbare Konsequenz zweier verschiedener literarischer Produkte: Ein Kriegsbericht liefert notwendigerweise andere Informationen als eine monographische Ethnographie. Ziel dieser Arbeit ist es nicht primär, die in den Quellen dargestellten Fakten auf ihre Richtigkeit hin zu untersuchen und daraufhin eine These zu ihrem Wahrheitsgehalt aufzustellen, sondern das nachwirkende Bild zu analysieren, das Caesar und Tacitus von 'den Germanen' prägten.

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Leseprobe

4. Das Germanenbild des Tacitus


 


4.1 P. Cornelius Tacitus: Leben und Werk


 

P. Cornelius Tacitus wurde um 55 n. Chr. als Sohn einer vornehmen Familie geboren. Da sein Vater Prokurator der Gallia Belgica war[337], wird vermutet, dass Tacitus dort zur Welt kam und einen Großteil seiner Kindheit verbrachte[338]. Das erste gesicherte Datum ist das Jahr seiner Prätorenschaft (88 n. Chr.). Im Jahre 97 n. Chr. war Tacitus Konsul, ab 96 n. Chr., dem Todesjahr Domitians, begann er seine schriftstellerische Tätigkeit. Unter Trajan war er Prokonsul der Provinz Asia. Vermutlich starb er nicht vor 116 n. Chr[339].

 

Tacitus gilt als „der größte römische Geschichtsschreiber“[340]. Zu seinen kleineren Werken  zählen De vita Iulii Agricolae (eine Biographie seines Schwiegervaters und Eroberers Britanniens), der Dialogus de oratoribus, worin der Verfall der öffentlichen Beredsamkeit mit dem Übergang von der Republik zur Monarchie erklärt wird, sowie die Germania (98 n. Chr.). Sie ist die einzige überlieferte geographisch-ethnographische Einzelschrift der lateinischen Literatur. Seine beiden Hauptwerke sind die Historiae und die Annales. Die Historien behandeln die Jahre 69 bis 96 n. Chr., allerdings sind nur die Abhandlungen der ersten zwei Jahre erhalten. Die Annalen stellen die Jahre 14 bis 68 dar (Tiberius, Caligula, Claudius, Nero). Lückenhaft erhalten sind nur die Bücher 1-6 (Tiberius, 14 bis 37 n. Chr.) und 11 bis 16 (Claudius und Nero, 47 bis 66 n. Chr.). In beiden Werken liefert er „eindrucksvolle Zeit- u. Charakterbilder“, in knapper, teilweise dramatisierender Darstellung des Essenziellen. Die Urteile über die führenden Männer seien aber nicht immer korrekt, die Erzählungen blieben in den analistischen Rahmen eingezwängt und die Provinzen würden nicht berücksichtigt[341].

 

4.2 Inhalt der Quelle: De origine et situ Germanorum liber (Germania)


 

Die Germania umfasst 46 Kapitel und gliedert sich in einen allgemeinen (1-27) und einen speziellen Teil (28-46). Diese Zäsur nahm Tacitus selbst vor: Er habe bislang von den Germanen im Allgemeinen gesprochen, nun wolle er sich einzelnen Germanenstämmen zuwenden[342].

 

Der erste Teil lässt sich in drei Abschnitte gliedern. Kapitel eins bis fünf behandeln die Grenzen des Landes, seine Beschaffenheit und seine Erzeugnisse sowie den Ursprung seiner Bewohner. Dann befassen sich zwei ungefähr gleich große Themenkomplexe mit dem öffentlichen (6-15) und dem privaten Leben (16-27). Die Abschnitte über Waffen und Kampfesweise (6-8) sowie über Wehrhaftmachung und Gefolgschaftswesen (13-15) umrahmen die Behandlung der Religion, Volksversammlung und Gerichtsbarkeit (9-12).

 

Der spezielle Teil beginnt mit der Beschreibung der südlichen und westlichen Grenzstämme (28-29), um in der Folge die Weststämme (30-34) und die Nordstämme (35-37) darzustellen und mit den Suebenstämmen (38-45) sowie den östlichen Grenzvölkern zu schließen (45-46).

 

4.3 Der Germanenbegriff Tacitus’


 

Da es sich bei der Germania um eine ethnographische Einzelschrift handelt, geht Tacitus gleich in medias res und beginnt sein Werk mit der Abgrenzung des germanischen Raums und der Frage nach dem Ursprung der Germanen. Seinen Germanen- und Germanienbegriff bildet er also gleich zu Beginn:

 

„Germania omnis a Gallis Raetisque et Pannoniis Rheno at Danuvio fluminibus, a Sarmatis Dacisque mutuo metu aut montibus separatur; cetera Oceanus ambit, latos sinus et insularum immensa spatia complectens, nuper cognitis quibusdam gentibus ac regibus, quos bellum aperuit.“[343]

 

Nachdem er so in Anlehnung an den berühmten Eingangssatz des Bellum Gallicum[344] den Siedlungsraum der Germanen nach außen hin abgegrenzt hat, wendet er sich ihrer Ursprungsfrage zu:

 

„Ipsos Germanos indigenas crederim minimeque aliarum gentium adventibus et hospitiis mixtos, quia nec terra olim, sed classibus advehebantur qui mutare sedes quaerebant, et immensus ultra utque sic dixerim adversus Oceanus raris ab orbe nostro navibus aditur.“[345]

 

Die Herkunftsfrage wird so entschieden, dass die Germanen Ureinwohner und mit keinerlei fremdem Blut versetzt seien, d.h., dass sie autochthon sind. Rein spekulativ begründet Tacitus diese Autochthonie mit der abgelegenen Lage und der Unwirtlichkeit des Landes. Ihrer eigenen Auffassung nach, die sich aus ihren Gesängen speise, stammten sie von Mannus, dem Sohn des erdentsprossenen Gottes Tuisto ab bzw. behaupteten, die einzelnen Stämme seien Nachfahren der verschiedenen Söhne dieses Stammvaters[346]. Maier hält diese Angaben in Analogie zur eddischen Kosmogonie für korrekt[347]. Dem etymologischen Argument entziehe sich Tacitus, da es für ihn keine Namensähnlichkeit zwischen Mannus und Germani gegeben habe, so Lund[348]. Besonders interessant ist die nächste Aussage. Die Gesamtbezeichnung „Germania“ soll erst jüngeren Datums sein: Ursprünglich hätten sie nämlich allein die Tungrer geführt. Als diese den Rhein überschritten und in gallischen Kontakt gekommen seien, sei sie von den Galliern sukzessive aus Furcht vor dem Sieger auf alle übrigen Germanen übertragen worden bis diese ihn dann selbst gebrauchten[349], ein Vorgang, der sich selbst in modernen Sprachen findet[350].

 

Tacitus berichtet dann von Herkules und Ulixes (Odysseus), die Germanien bereist hätten. Herkules werde von den Germanen als der erste aller Helden besungen[351]. Odysseus habe den Ort Asciburgium, der immer noch bewohnt sei, gegründet. Diese Annahme stützt Tacitus durch die Erwähnung eines dortigen Altars, auf dem der Name seines Vaters Laertes stünde und durch verschiedene Grabmäler, auf denen griechische Inschriften zu finden seien. Allerdings scheint Tacitus selbst nicht von dieser These überzeugt zu sein, denn er habe nicht die Absicht, sie zu bestätigen oder zu widerlegen. Jeder solle „ex ingenio suo“ dafür oder dagegen halten[352]. Im nächsten Satz bekräftigt er seine Annahme der Authochtonie:

 

„Ipse eorum opinionibus accedo, qui Germaniae populos nullis aliis aliarum nationum conubiis infectos propriam et sinceram et tantum sui similem gentem extitisse arbitrantur.“[353]

 

Mit dieser knappen, sehr prägnanten These schließt Tacitus die Origo-Frage zusammenfassend ab. Offenbar handelte es sich dabei um eine vieldiskutierte Frage, wie man dem „ipse eorum opinionibus accedo“ entnehmen darf.

 

Das Land Germanien, dessen Name nach germanischer Meinung ganz neu war, erstreckt sich also auf das Gebiet zwischen Rhein, Donau und dem Ozean. Dessen Bewohner sind Eingeborene und kamen nie mit Fremden in Kontakt. Sie leiten ihre Herkunft von einem erdentspossenen Gott und dessen Söhnen ab. Germane ist also, wer autochthon in Germanien lebt[354].

 

Diese stringente Definition behält Tacitus auch im zweiten Teil der Germania bei, in dem er die einzelnen Stämme vorstellt. Er diskutiert dort vornehmlich die Siedlungsgeschichte, die Ursprungsfrage und die der ethnischen Zugehörigkeit. Als Grenzvölker im Westen stellt er die caesarischen Germani Cisrhenani vor, denen er ihre germanische Herkunft nicht abspricht. Zu ihnen zählen die Treverer, die Nervier, die Ubier und die Bataver. Ohne Stammesnamen zu nennen, berichtet Dio ähnlich über die linksrheinisch siedelnden Kelten, die die Römer jedoch Germanen nennen würden[355]. Die Mattiaker wohnten zwar rechts des Rheins, hätten aber ihr Herz auf der römischen Seite. Zu ihrem Germanentum äußert Tacitus sich jedoch nicht. Nicht zu den Germanen zählt er ganz klar das gallische ‚Gesindel’, das sich in Germanien angesiedelt habe und gibt so ein schönes Beispiel der Autochthonie als Voraussetzung der Zugehörigkeit zum germanischen ‚Volk’. Aus archäologischer Sicht sei die germanische Herkunft der Cisrhenani höchst fraglich, so Bockius[356]. Seiner Definition logisch folgend sind z.B. Chatten, Tenkterer, Usipeter, Brukterer[357] germanische Stämme, weil sie sehr tief im Inneren Germaniens siedelten. Allerdings stellt sich für Tacitus das Problem, ob er die östlichen Grenzvölker der Sueben (Peukiner/Bastarner, Venether und Fennen) zu den Germanen oder den Sarmaten rechnen soll[358]. Ohne es dezidiert zum Ausdruck zu bringen, geht Tacitus offenbar von einer Theorie des Volkstypus aus. Die konstitutiven Züge der Germanen, die er in den ersten 27 Kapiteln vorstellte, bilden für ihn die germanische Volkskultur. Wie später gezeigt wird, besitzen die Stämme im Inneren des Landes die reinste Ausprägung, da sie noch unberührt von jeglichem Einfluss waren. In den Grenzgebieten jedoch waren die Stämme anderen Volkskulturen ausgesetzt, sodass kein eindeutiges Germanentum mehr vorlag.  Besonders unsicher ist sich Tacitus bei eben jenen Völkern. Mischehen hätten zwar zu einer Übereinstimmung der Physis geführt, doch die abweichenden Sprachen und Lebensweisen seien noch eindeutig...

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