Um einen Flugplan erstellen zu können, müssen Fluggesellschaften ein Streckennetz entwickeln, welches die von ihnen bedienten Destinationen miteinander verbindet. Dabei ist vor allem zu entscheiden, auf welche Art und Weise die einzelnen Punkte miteinander verbunden werden. Abbildung 3.1.1 zeigt ein bisher unverbundenes System von vier Punkten, wobei jeder Punkt einen Flughafen darstellt, der von einer bestimmten Fluggesellschaft angeflogen wird.
Abb. 3.1.1: Unverbundenes System (von Destinationen).[116]
Will man jeden einzelnen Punkt miteinander verbinden, bieten sich hierzu verschiedene Möglichkeiten an, wobei sich Fluggesellschaften grundlegend zweier unterschiedlicher Grundtypen von Streckennetzsystemen bedienen.
Zum einen gibt es das so genannte „Point-to-Point“-System[117], das nur aus reinen Einzelverbindungen besteht. Ist das Streckennetz einer Fluggesellschaft nach diesem System aufgebaut, bietet sie ausschließlich Direktflüge (nonstop) an.[118] Abbildung 3.1.2 illustriert eine derartige Streckennetzbildung, wobei sechs Strecken benötigt werden, um alle Punkte miteinander zu verbinden.[119]
Abb.3.1.2: „Point-to-Point”-System.[120]
Eine Alternative bietet das so genannte „Hub-and-Spokes-System“[121], welches sich durch indirekte Verbindungen auszeichnet. Durch einen zwischengelagerten „Hub“ an dem Umsteigevorgänge zu den restlichen Strecken möglich sind, können alle Punkte mit nur drei Strecken verbunden werden (vgl. Abb. 3.1.3).[122] Dieses System ist mit der logistischen Vereinfachung durch ein Zentrallager zu vergleichen. Durch ein solches System kann das Angebot an Zielorten mit wesentlich weniger Flügen (bzw. Flugzeugen) erreicht werden, als es in einem System mit reinen Direktverbindungen möglich wäre.[123]
Abb.3.1.3: „Hub-and-Spokes”-System.[124]
3.1.2.1 Network Airlines nutzen das Hub-and-Spokes-System
„Take anyone, from anywhere to everywhere“[125]
Network Airlines bedienen sich des Hub-and-Spokes-Systems[126], welches sich durch eine Streckennetzbildung auszeichnet, bei der Anschlussverbindungen von Zu- und Abbringerflügen aufeinander abgestimmt werden. Als „Hubs“ werden größere zentrale Flughäfen (Drehscheiben) bezeichnet, an denen Umsteigemöglichkeiten zu anderen Destinationen bestehen. An ihnen werden die Passagierströme gebündelt und anschließend auf Anschlussflüge neu verteilt.[127] „Spokes“ sind die einzelnen Flugverbindungen zwischen den verschiedenen Städtepaaren. Abbildung 3.1.4 illustriert ein Beispiel für ein auf dem Hub-and-Spokes-System basierendes Streckennetzwerk:
Abb. 3.1.4: Illustrationsbeispiel eines „Hub-and-Spokes“-Netzwerkes (mit drei „Hubs“).[128]
In einem System dieser Art werden hohe Frequenzen zwischen allen angeflogenen Städten möglich, auch wenn der Passagier zur Erreichung seines Zieles eventuell umsteigen muss.[129] Durch ein vielseitiges Angebot von Destinationen erhalten Fluggesellschaften so einen Wettbewerbsvorteil gegenüber Fluggesellschaften mit weniger Destinationen im Flugplan.[130] Weiterhin ermöglichen die verdichteten Verkehrströme den Einsatz von größeren, effizienteren Flugzeugen, sowie eine höhere Sitzauslastung.[131]
3.1.2.2 Störanfälligkeit des Hub-and-Spokes-Systems
Diese große Auswahl an Zielen hat allerdings ihren Preis. So ist die Synchronisation der Flugpläne aufgrund der Komplexität ein schwieriges Unterfangen, wofür anspruchsvolle Informationstechnologie benötigt wird und, um Verbindungen zu ermöglichen, müssen teilweise erhebliche Wartezeiten in die Flugpläne eingearbeitet werden.[132] Das Risiko bei Hub-and-Spokes-Systemen liegt in der Interdependenz vieler Flüge. Da versucht wird Anschlussflüge zu garantieren, kann sich die Verspätung einer einzelnen Maschine durch das gesamte Netzwerk fortpflanzen, indem nachfolgende Flüge warten müssen (sog. Folgeverspätungen).[133] Betrachtet man vor diesem Hintergrund die Pünktlichkeitsstatistik der „Association of European Airlines“ (AEA), bei der die meisten großen europäischen Network Airlines Mitglied sind, wird das Problem Anschlussflüge zu garantieren ersichtlich. 2001 hatten 24,2% aller Abflüge der Mitglieder innerhalb Europas, also fast jedes vierte Flugzeug, eine Verspätung von mehr als 15 Minuten. 2002 waren es noch 19,9%.[134] Da nicht jede am Boden verursachte Verspätung in der Luft wieder aufgeholt werden kann, ist ein solches System der Flugbewegungen sehr störanfällig. Es können hohe Zusatzkosten für zum Beispiel Ersatzflüge oder Übernachtungskosten entstehen.[135] Ferner verhindern Wartezeiten oder auch der Einsatz von zeitlichen Puffern den optimalen Einsatz des Personals und der teuren Maschinen, die in dieser Zeit nicht produktiv sein können.[136]
3.1.3.1 Low-Cost Airlines nutzen das Point-to-Point-System
Low-Cost Airlines bedienen ihr Streckennetz durch das Point-to-Point-System. Hierbei erfolgt kein Umsteigevorgang der Passagiere, da der zuerst angeflogene Ort zugleich Zielort der Reise ist.[137] In Abbildung 3.1.5 wird ein Beispiel für ein auf dem Point-to-Point-System basierendes Netzwerk illustriert:
Abb. 3.1.5: Illustrationsbeispiel eines „Point-to-Point“-Netzwerkes.[138]
Durch die ausschließlichen Direktverbindungen (nonstop) gibt es keine Interdependenzen zwischen den einzelnen Flügen, wodurch dem Kunden kein weites Spektrum an Destinationen durch Umsteigen geboten werden kann. Somit entfällt aber auch die Komplexität und Störanfälligkeit des Systems, da Anschlussflüge nicht garantiert werden und Wartezeiten auf Zubringer entfallen. Eine hohe Produktivität der Maschinen und des Personals wird durch eine Maximierung der Flugzeit und Minimierung der Standzeit ermöglicht (vgl. Kap. 3.3).[139] Durch den Verzicht auf ein Hub-and-Spokes-System der LCAs, erhöht sich zusätzlich deren Flexibilität und Reaktionszeit. Man denke nur an die Aufnahme und Einstellung von Strecken oder an Veränderungen der Marktgegebenheiten.[140]
3.1.3.2 Aus Point-to-Point kann eine Art Hub-and-Spokes werden
Das Streckenführungsmodell der LCAs beruht nur auf den beschriebenen Point-to-Point-Verbindungen, welche untereinander nicht abgestimmt sind. Allerdings können sich mit zunehmender Größe des Streckennetzes auch Arten von Hubs entwickeln. Dies ist dann der Fall, wenn mehrere Verbindungen von einem Punkt aus bestehen, was Passagieren theoretisch ein Umsteigen ermöglicht. Solche Transfers zu anderen Flügen sind im Modell der LCAs zwar nicht intendiert, werden allerdings durch einen Streckenausbau, gepaart mit einer unübertrefflichen Pünktlichkeit, durchaus erdenklich (für ein Beispiel eines solchen Umsteigevorgangs siehe Anhang 2). So steigen beispielsweise rund 20% der Passagiere von Southwest und etwa 10% von Jetblue in eine weiterführende Maschine um.[141] Sollte diese Tendenz zunehmen, könnten LCAs den NWAs einen ihrer Wettbewerbsvorteile streitig machen, der eben darin besteht, durch ein System von garantierten Umsteigemöglichkeiten wesentlich mehr Destinationen von einem Punkt aus anbieten zu können.
Um allerdings einen wirklichen Hub entstehen zu lassen und somit zu einer NWA zu werden, müssten die Flugpläne so aufeinander abgestimmt werden, dass ein bequemes Umsteigen für Passagiere möglich wird. Alternativ bringen die Frequenzerhöhungen der Einzelstrecken den LCAs einen Schritt weiter in Richtung eines wahren Hub-and-Spokes-Systems, da sich somit die zeitlichen Unterschiede zu anderen Flügen verringern. In diesem Zusammenhang ist für den Kunden jedoch unvorteilhaft, dass beim Umsteigen ein erneutes Einchecken erforderlich ist und das Gepäck abgeholt und erneut aufgegeben werden muss. Diese Aufgaben werden von den LCAs nicht übernommen. Da Anschlussflüge nicht garantiert werden, rät zum Beispiel Ryanair vom Umsteigen ab, beziehungsweise empfiehlt, einen Zeitraum von mindestens drei Stunden zwischen den Flügen einzuplanen.[142]
3.1.3.3 Streckenwahl von Low-Cost Airlines
Bis auf wenige Ausnahmen konzentrieren sich LCAs auf Strecken, die von der Konkurrenz nicht bedient werden, denn es wird befürchtet, dass der...