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Das Harvard-Konzept

Die unschlagbare Methode für beste Verhandlungsergebnisse - Erweitert und neu übersetzt

AutorBruce Patton, Roger Fisher, William Ury
VerlagDeutsche Verlags-Anstalt
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl336 Seiten
ISBN9783641234447
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis25,99 EUR
Erweitert und neu übersetzt: mit aktuellen Verhandlungsbeispielen aus dem deutschsprachigen Raum
Seit 40 Jahren ist »Das Harvard-Konzept« weltweit das Standardwerk zum Thema Verhandeln. Es hat uns gelehrt, nicht um Positionen zu feilschen, sondern sich auf Interessen zu konzentrieren und zwischen Menschen und Problemen stets zu trennen. So wird es möglich, dass Parteien zum beiderseitigen Vorteil verhandeln und Win-win-Situationen schaffen. Egal ob politische Konflikte, Vertrags- und Gehaltsverhandlungen oder Tarifgespräche - für alle Berufsgruppen hat »Das Harvard-Konzept« die Art und Weise, wie wir verhandeln, Differenzen beilegen und Lösungen finden, für immer verändert.

Der Klassiker ist um neue Fallstudien aus dem deutschsprachigen Raum erweitert und liegt jetzt erstmals gänzlich überarbeitet und in einer vollkommen neuen Übersetzung vor.

Roger Fisher, geboren 1922, studierte Rechtswissenschaften an der Harvard Law School. Von 1958 bis zu seiner Emeritierung 1992 lehrte er dort zunächst als Dozent, dann als Professor. 1979 gründete Fisher zusammen mit seinen Studenten das Harvard Negotiation Project. Fisher, der 2012 starb, war weltweit als Berater in Verhandlungen und für Konfliktlösungen tätig.

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Leseprobe

1 FEILSCHEN SIE NICHT UM POSITIONEN

Egal ob bei Vertragsverhandlungen, Familienstreitigkeiten oder internationalen Friedensverhandlungen – überall wird gefeilscht. Jede Seite nimmt eine Position ein, streitet dafür und macht Zugeständnisse, um einen Kompromiss zu erzielen. Der folgende Dialog zwischen einer Kundin und einem Antiquitätenhändler ist typisch:

Kundin: Wie viel wollen Sie für diese Messingschale?

Händler: Ein hübsches Stück. Für 75 Euro ist sie Ihre.

Kundin: Aber schauen Sie mal, die hat ja eine Delle. Ich gebe Ihnen 15 Euro.

Händler: Wie bitte? Bei einem ernst gemeinten Angebot lasse ich gern mit mir reden, aber 15 Euro ist doch ein Witz.

Kundin: Also, 20 Euro würde ich Ihnen noch geben, aber 75 ist lächerlich. Nennen Sie mir einen realistischen Preis.

Händler: Sie legen die Daumenschrauben an, junge Frau. 60 Euro auf die Hand.

Kundin: 25.

Händler: Das ist ja weniger, als ich selbst dafür bezahlt habe. Machen Sie mir ein ernsthaftes Angebot.

Kundin: 37,50. Das ist mein letztes Wort.

Händler: Haben Sie die Gravur auf der Schale gesehen? Nächstes Jahr sind Stücke wie das hier das Doppelte wert.

Und so geht es endlos weiter. Vielleicht einigen sich die beiden, vielleicht auch nicht.

Jede Verhandlungsmethode lässt sich anhand von drei Kriterien beurteilen: Sie sollte eine kluge Einigung ermöglichen (vorausgesetzt, eine Einigung ist möglich), effizient sein und die Beziehung zwischen den Beteiligten verbessern oder zumindest nicht beschädigen. (Eine kluge Einigung lässt sich definieren als eine, die den berechtigten Interessen beider Seiten so weit wie möglich gerecht wird, eine faire Lösung für einen Konflikt findet, von Dauer ist und die Interessen der Gemeinschaft wahrt.)

Die am weitesten verbreitete Verhandlungsmethode, die im obigen Beispiel dargestellt wird, besteht jedoch darin, eine Position nach der anderen einzunehmen und wieder aufzugeben.

Positionen, wie sie der Händler und die Kundin vertreten, haben in einer Verhandlung durchaus ihren Zweck: Sie signalisieren der anderen Seite unsere Wünsche; sie sind ein Anker in einer unberechenbaren Situation, in der wir unter Druck stehen; und sie können schließlich zu einer für beide Seiten akzeptablen Einigung führen. All das lässt sich allerdings auch anders erreichen. Denn Feilschen führt nicht zu klugen, effizienten und einvernehmlichen Entscheidungen.

Feilschen führt nicht zu klugen Entscheidungen

Beim Feilschen versteifen wir uns oft auf Positionen. Je schärfer wir unsere Positionen definieren und gegen Angriffe verteidigen, umso mehr investieren wir in sie. Und je klarer wir der anderen Seite darlegen, warum wir diese Position nicht aufgeben können, umso weniger können wir das auch. Wir knüpfen unser Ego daran, weshalb wir zusätzlich das Bedürfnis haben, unser Gesicht zu wahren und künftige Positionen mit früheren in Einklang zu bringen. So wird es immer unwahrscheinlicher, dass wir eine kluge Lösung finden, die den wahren Interessen aller Beteiligten gerecht wird.

Wie das Feilschen jede Einigung verhindern kann, zeigte sich deutlich 1961 beim Abbruch der Gespräche über ein weltweites Verbot von Atomwaffentests; wäre in dieser Frage eine Lösung gefunden worden, hätte sich der dann folgende drei Jahrzehnte dauernde Rüstungswettlauf der Supermächte möglicherweise abwenden lassen. Während der Verhandlungen kam eine kritische Frage auf: Wie viele Inspektionsbesuche sollten sowjetische und amerikanische Kontrolleure pro Jahr auf dem Gebiet des anderen durchführen dürfen, um verdächtige Erderschütterungen überprüfen zu können? Die Sowjetunion stimmte schließlich drei Besuchen zu, doch die Vereinigten Staaten bestanden auf mindestens zehn. An diesen Positionen scheiterten die Verhandlungen, obwohl nicht einmal geklärt war, ob eine »Inspektion« aus einer einzigen Person bestand, die sich einen Tag lang umsah, oder aus Hunderten Inspektoren, die einen Monat lang nach Gutdünken das ganze Land durchforsten konnten. Die beiden Seiten unternahmen keinen Versuch, ein Protokoll für eine Inspektion auszuarbeiten, mit dem sich das Interesse der Vereinigten Staaten an Überprüfung und der Wunsch beider Länder nach minimaler Einmischung hätten vereinbaren lassen.

Im Irak nach dem Sturz von Saddam Hussein hätte das Feilschen fast dazu geführt, dass ein Konflikt zwischen Bauern und dem staatlichen Ölkonzern in ein Blutvergießen ausartete. Im Süden des Irak hatten sich landlose Bauern zusammengeschlossen, Ackerland vom Staat gepachtet und mit ihren letzten Ersparnissen sowie geliehenem Geld Getreide angebaut. Leider erhielten die Bauern wenige Monate nach der ersten Aussaat einen Brief, in dem sie mit Verweis auf das Kleingedruckte in den Verträgen aufgefordert wurden, das Land unverzüglich zu räumen, weil dort Öl entdeckt worden sei. Das Unternehmen schrieb mit anderen Worten: »Macht euch runter von unserem Land!« und die Bauern antworteten: »Das ist unser Land, wir bleiben!« Der Ölkonzern drohte: »Wir holen die Polizei!« und die Bauern erwiderten: »Wir sind euch zahlenmäßig überlegen!« Daraufhin drohte der Konzern: »Dann holen wir eben die Armee!« und die Bauern antworteten: »Wir haben auch Waffen. Wir bleiben, wir haben nichts zu verlieren.«

Die Truppen rückten bereits an, doch die Konfrontation konnte im letzten Moment abgewendet werden, weil ein Offizier eingriff, der kurz zuvor an einem Kurs zu nicht-konfrontativen Verhandlungsmethoden teilgenommen hatte. »Wann werden Sie Ihrer Meinung nach hier Öl fördern können?« fragte er die Vertreter des Ölkonzerns. »Wahrscheinlich in drei Jahren«, erwiderten diese. »Was haben Sie in den kommenden Monaten mit dem Land vor?« – »Wir wollen es vermessen und eine seis­mische Untersuchung der tieferen Bodenschichten vornehmen.« Dann fragte er die Bauern: »Was ist das ­Problem, wenn ihr das Land heute räumt, wie es der Konzern verlangt?« Die Bauern antworteten: »Wir erwarten die Ernte in sechs Wochen. Das ist alles, was wir haben.« Wenig später fanden beide Seiten eine Einigung: Die Bauern konnten ihre Ernte einbringen und versprachen, die Vorbereitungen des Konzerns nicht zu behindern. Der Konzern wiederum versprach, etliche der Bauern als Arbeiter auf den neuen Ölfeldern zu beschäftigen und gestattete ihnen, zwischen den Förderanlagen weiterhin Getreide anzubauen.

Diese Beispiele demonstrieren, dass die eigentlichen Interessen beider Seiten umso weniger gewahrt werden, je mehr sie sich auf ihre Positionen versteifen. Eine Einigung wird unwahrscheinlicher, und wenn sie denn erzielt wird, ist sie oft nicht mehr als ein mechanischer Kompromiss zwischen den widerstreitenden Positionen und keine sorgfältig ausgearbeitete Lösung, die die berechtigen Interessen beider Seiten verkörpert. Das Ergebnis bleibt hinter den Möglichkeiten zurück, oder es kommt gar keine Einigung zustande, wo eine gute Lösung möglich gewesen wäre.

Feilschen ist ineffizient

Die herkömmliche Verhandlungsmethode kann zu einer Einigung führen wie vielleicht im Falle der Messingschale, oder sie kann scheitern wie im Falle der Atomwaffentests. In Jedem Fall ist sie zeitraubend.

Feilschen schafft Anreize, die einer Einigung im Weg stehen. Um eine für uns vorteilhafte Lösung zu erreichen, beginnen wir mit Extremforderungen, halten uns an diesen fest, lassen die andere Seite über unsere wahren Ansichten im Unklaren und machen nach Bedarf kleinere Zugeständnisse, um die Verhandlung am Laufen zu halten. Die andere Seite verfährt natürlich genauso. Dies alles verhindert eine rasche Einigung. Je ­extremer die Ausgangsposition und je kleiner die Zugeständnisse, umso mehr Zeit kostet es herauszufinden, ob eine Einigung möglich ist oder nicht.

Dieses Ritual verlangt außerdem eine Vielzahl von Einzelentscheidungen, denn jede Seite muss immer wieder aufs Neue klären, was sie bieten, was sie ablehnen, und welche Zugeständnisse sie machen will. Selbst im besten Falle ist die Entscheidungsfindung schwierig und zeitaufwendig. Wenn eine Entscheidung nicht nur bedeutet, von einer Position abzurücken, sondern außerdem neuen Druck erwarten lässt, dann haben die Verhandlungsteilnehmer kaum einen Anreiz, schnell zu handeln. Verschleppung, Drohung mit einem Verhandlungsabbruch, Blockadehaltung und ähnliche Taktiken gehören daher zum Handwerkszeug. Das alles verzögert und verteuert eine Einigung oder macht sie sogar zunehmend unwahrscheinlicher.

Feilschen gefährdet Beziehungen

Das Feilschen gerät zum Kräftemessen. Jede Seite verkündet, was sie zu tun bereit ist und was nicht. Die gemeinsame Suche nach einer für beide Seiten akzeptablen Lösung verkommt zum Kampf. Jede Seite versucht, die andere durch schiere Willenskraft zur Aufgabe ihrer Position zu zwingen. »Ich gebe nicht nach. Wenn ich schon mit dir ins Kino gehe, dann nur in Avatar, andernfalls bleiben wir zu Hause.« Aber wenn sich die eine Seite dem starren Willen der anderen beugt und ihre eigenen berechtigten Interessen hintanstellt, dann verspürt sie oft Zorn und Ressentiments. So kann Feilschen eine Beziehung belasten oder gar zerstören. Unternehmen, die seit Jahren zusammenarbeiten, gehen getrennte Wege. Nachbarn sprechen nicht mehr miteinander. Die Verbitterung, die aus einer einzigen solchen Konfrontation rührt, kann ein Leben lang anhalten.

Je mehr Beteiligte, umso ungeeigneter das Feilschen

Der Einfachheit halber sprechen wir in diesem Buch von Verhandlungen zwischen zwei Parteien, zwischen »uns« und »der anderen Seite«, doch in Wirklichkeit sind an den allermeisten Verhandlungen mehr als zwei Personen beteiligt....

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