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E-Book

Das Herz hat seine Gründe, die der Verstand nicht kennt

Schöne Gedanken

AutorBlaise Pascal
Verlagmarixverlag
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl192 Seiten
ISBN9783843803175
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis8,99 EUR
'Ideale sind wie Sterne: Man kann sie zwar nicht erreichen, aber man kann sich sehr wohl an ihnen orientieren.' Blaise Pascal Er war einer der größten Genies seiner Zeit, ein gefeierter Mathematiker, Physiker und Ingenieur: Blaise Pascal (1623-1662). Nach seinem Tod fand man einen Haufen von ungeordneten Notizen: seine Pensées, die heute aus der Weltliteratur nicht wegzudenken sind. Kaum jemand hat so scharfsinnig wie er die menschliche Existenz in ihrer Größe und ihrem Elend bedacht: des Menschen Verlorenheit im Weltall und die Erhabenheit seines Geistes zugleich! Der Zeitgenosse Descartes' setzt dem herrschenden Rationalismus die Logik des Herzens, den 'esprit de finesse' und die Intuition entgegen, die allein imstande sind, das rätselhafte Wesen Mensch zu erfassen. Pascals 'Gedanken', aus denen hier eine Auswahl präsentiert wird, haben nichts von ihrer Aktualität eingebüßt und gehören zum Tiefsinnigsten, was je über den Menschen gedacht wurde.

Der Übersetzer: Dr. Bruno Kern, geboren 1958, studierte Theologie und Philosophie in Wien, Fribourg, München und Bonn; er lebt zurzeit in Mainz und arbeitet als selbstständiger Lektor und Übersetzer. Für den marixverlag übersetzte er Marguerite Poretes Der Spiegel der einfach Seelen.

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Leseprobe

ELEND


Niedrigkeit des Menschen: Sie geht so weit, dass er sich den Tieren unterwirft; so weit, dass er diese anbetet. (86)

Unbeständigkeit


Die Dinge weisen mehrere Eigenschaften auf, und die Seele kennt mehrere Neigungen, denn nichts, was sich der Seele darbietet, ist einfach, und auch die Seele erweist sich keinem Gegenstand gegenüber als einfach. Darauf ist es zurückzuführen, dass man über ein und dieselbe Sache zugleich weint und lacht. (87)

Unbeständigkeit


Man glaubt, wenn man den Menschen berührt, schlüge man die Tasten eines einfachen Orgelmanuals an. Und tatsächlich sind es Orgelmanuale, aber höchst sonderbare, sich verändernde und wechselhafte. Die Orgelpfeifen sind nicht auf diese abgestimmt. Diejenigen, die nur mit einem gewöhnlichen Manual umgehen können, würden nicht mit ihnen in Einklang kommen. Man muss wissen, wo sich die Tasten befinden. (88)

So unglücklich sind wir, dass wir nur unter der Voraussetzung Gefallen an einer Sache finden können, dass wir uns ärgern, wenn sie einen schlechten Ausgang nimmt. Das kann durch Tausenderlei Dinge passieren und passiert tatsächlich ständig. Wer das Geheimnis entdeckt hätte, sich am Guten zu freuen, ohne sich über das entsprechende Übel zu ärgern, der hätte den entscheidenden Punkt getroffen. Dies ist das Perpetuum mobile. (89)

Es ist nicht gut, allzu frei zu sein.

Es ist nicht gut, alles, was nötig ist, auch zu haben. (90)

Tyrannei


Das Wesen der Tyrannei besteht darin, das auf einem bestimmten Weg haben zu wollen, was man nur auf einem anderen haben kann. Unterschiedlichen Pflichten ordnet man unterschiedliche Verdienste zu: der Pflicht zur Liebe den Liebreiz, der Pflicht zur Furcht die Stärke, der Pflicht zur Verlässlichkeit die Wissenschaft.

Diese Pflichten muss man erfüllen, man setzt sich ins Unrecht, wenn man sie von sich weist, und man setzt sich ins Unrecht, wenn man andere Pflichten fordert.

Deshalb sind die folgenden Aussagen falsch und tyrannisch: »Ich bin schön, also muss man mich fürchten. Ich bin stark, also muss man mich lieben. Ich bin … Und genauso falsch und tyrannisch ist es zu sagen: »Er ist nicht stark, also bringe ich ihm keine Wertschätzung entgegen. Er ist nicht geschickt, also werde ich ihn nicht fürchten.« (91)

Die Tyrannei besteht im Verlangen nach allumfassender Herrschaft außerhalb deren eigener Ordnung


Verschiedene Zimmer, in denen sich Starke, Schöne, Gescheite, Fromme befinden; ein jeder von ihnen herrscht bei sich zu Hause und nicht woanders. Und manchmal treffen sie sich. Und der Starke führt einen dummen Streit mit dem Schönen darüber, wer jeweils der Herr des anderen sein soll. Dabei ist doch ihre Meisterschaft von je unterschiedlicher Art. Sie verstehen einander nicht. Und ihr Fehler besteht darin, dass sie überall die Herrschaft ausüben wollen. Dazu ist nichts in der Lage, nicht einmal die Stärke. Im Reich der Wissenden vermag sie nichts auszurichten. Sie herrscht nur über äußerliche Taten. (92)

Wenn es zu entscheiden gilt, ob man Krieg führen und so viele Menschen töten, so viele Spanier zum Tod verurteilen soll, dann trifft ein einzelner Mensch diese Entscheidung, der noch dazu befangen ist. Es müsste ein unparteiischer Dritter sein. (93)

Auf welche Grundlage wird er den geordneten Lauf der Welt stellen, die er regieren will? Auf die der Laune eines jeden Einzelnen? Was für ein Chaos! Auf die Grundlage der Gerechtigkeit? Er kennt sie nicht. Wenn er um sie wüsste, dann hätte er gewiss nicht diese unter den Menschen allgemeinste Maxime aufgestellt, dass ein jeder sich nach den Sitten seines jeweiligen Landes richte: Die Strahlkraft der wahrhaftigen Gleichheit hätte sich alle Völker untertan gemacht. Und die Gesetzgeber hätten nicht anstelle dieser beständigen Gerechtigkeit die Fantasien und Launen der Perser und Deutschen zum Vorbild genommen. Man sähe diese Gerechtigkeit eingepflanzt in alle Staaten der Welt und zu allen Zeiten, anstatt zuzusehen, wie das, was Recht und Unrecht ausmacht, sich je nach Klima ändert. Eine um drei Grad größere Polhöhe stellt die ganze Rechtsgelehrtheit auf den Kopf, ein Meridian entscheidet über die Wahrheit. Innerhalb weniger Jahre einer Regentschaft ändern sich die grundlegenden Gesetze. Das Recht kennt seine Zeitalter, der Eintritt des Saturn in das Sternbild des Löwen zeigt uns den Ursprung eines solchen Verbrechens an. Was für eine komische Gerechtigkeit, die von einem Fluss begrenzt wird! Die Wahrheit diesseits der Pyrenäen ist jenseits davon Irrtum.

Sie gestehen ein, dass die Gerechtigkeit nicht in diesen Bräuchen zu finden ist, sondern dass sie auf den natürlichen Gesetzen beruht, die allen Ländern gemeinsam sind. Gewiss würden sie daran entschlossen festhalten, wenn die Verwegenheit des Zufalls, der die Saat der menschlichen Gesetze ausgebracht hat, darin wenigstens eines gefunden hätte, das allgemeingültig wäre. Doch es ist eine solche Komödie, dass die Laune des Menschen sich so vielfältig ausgestaltet hat, dass es kein einziges allgemeingültiges gibt.

Diebstahl, Inzest, Kindsmord und Vatermord – das alles wurde schon unter die tugendhaften Taten eingereiht. Kann es etwas geben, das noch lächerlicher wäre, als dass ein Mensch das Recht hat, mich zu töten, weil er auf der anderen Seite des Flusses wohnt und sein Landesfürst Streit mit dem meinen hat, obwohl ich selbst mit ihm gar nicht in Streit liege?

Ohne Zweifel gibt es natürliche Gesetze, doch diese tolle verdorbene Vernunft hat alles verdorben. Nihil amplius nostrum est, quod nostrum dicimus artis est. Ex senatusconsultis et plebiscitis crimina exercentur. Ut olim vitiis nunc legibus laboramus.7 Von dieser Verwirrung kommt es, dass der eine behauptet, das Wesen der Gerechtigkeit sei die Autorität des Gesetzgebers, der andere, es sei die Bequemlichkeit des Souveräns, wiederum ein anderer behauptet, der gegenwärtig herrschende Brauch. Und Letzteres ist das Gewisseste.

Folgt man der Vernunft allein, ist nichts für sich genommen gerecht, alles unterliegt mit der Zeit der Erschütterung. Der herrschende Brauch macht alle Gerechtigkeit aus, allein aus dem Grund, weil er akzeptiert ist. Dies ist die geheimnisvolle Grundlage ihrer Autorität. Wer sie auf ihr Prinzip zurückführte, machte sie zunichte. Nichts ist so mit Fehlern behaftet wie diese Gesetze, die die Fehler korrigieren. Wer sie befolgt, weil sie gerecht sind, gehorcht der Gerechtigkeit in seiner Einbildung, doch nicht dem Wesen des Gesetzes. Es ist ganz in sich selbst eingeigelt, es ist Gesetz und sonst nichts. Wer dessen Begründung nachprüfen wollte, befände sie als so schwach und unbedeutend, dass er, wäre er nicht an die Betrachtung der überaus reichen menschlichen Einbildungskraft gewöhnt, darüber staunen würde, dass ihm ein Zeitalter so viel Prunk und Verehrung angedeihen ließ. Die Kunst, ganze Staaten in Aufruhr und Umsturz zu versetzen und den etablierten Bräuchen den Boden zu entziehen, indem man bis an ihre Quelle vordringt, um ihren Mangel an Autorität und Gerechtigkeit aufzuzeigen. Man sagt, man müsse auf die grundlegenden und ursprünglichen Gesetze des Staates zurückgehen, die ein ungerechter Brauch abgeschafft habe. Das ist ein Spiel, bei dem man mit Sicherheit alles verliert, nichts wäre nach diesem Maßstab gerecht. Doch das Volk schenkt solchen Reden gern Gehör. Die Leute schütteln das Joch ab, sobald sie es als solches erkennen, und die Großen profitieren davon zum Verderben des Volkes und dieser neugierigen Erforscher überkommener Bräuche. Deshalb behauptete der weiseste unter den Gesetzgebern, dass man das Volk um seines eigenen Wohles willen oftmals hinters Licht führen muss. Cum veritatem qua liberetur ignoret, expedit quod fallatur.8 Es darf die Wahrheit der Usurpation nicht bemerken. Sie wurde seinerzeit ohne Vernunftgründe eingeführt, sie ist [mit der Zeit] vernünftig geworden. Man muss dafür sorgen, dass sie als echt und immerwährend angesehen wird, und ihren Anfang verheimlichen, wenn man nicht will, dass es mit ihr bald zu Ende gehe. (94)

Wie die Mode bestimmt, was gefällt, so legt sie auch fest, was gerecht ist. (95)

Die Bewunderung verdirbt alles, von Kindesbeinen an! Oh, wie treffend das gesagt ist, oh, wie gut er das gemacht hat, wie brav er ist. Die Kinder von Port Royal9, denen man keinerlei Ansporn zu Neid und Ruhmsucht gibt, werden diesbezüglich unbekümmert und gelassen. (97)

Mein und Dein


»Dieser Hund gehört mir«, sagten diese armen Kinder. »Das hier ist mein Platz an der Sonne.« Hier haben wir den Anfang und die Vorstellung der gewaltsamen Inbesitznahme der ganzen Erde. (98)

Vielfalt


Die Theologie ist eine Wissenschaft, doch wie viele Wissenschaften ist sie zugleich? Der Mensch ist eine substanzielle Einheit, doch wo...

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