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Das Konzept der hegemonialen Männlichkeit und sein Verhältnis zur Empirie

AutorSebastian Hauser
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl135 Seiten
ISBN9783656757962
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis27,99 EUR
Masterarbeit aus dem Jahr 2014 im Fachbereich Soziologie - Familie, Frauen, Männer, Sexualität, Geschlechter, Note: 1,0, Ludwig-Maximilians-Universität München (Institut für Soziologie), Sprache: Deutsch, Abstract: In der vorliegenden Masterarbeit befasse ich mich mit der Frage, inwiefern sich Raewyn Connells theoretisches Konzept der hegemonialen Männlichkeit auf das empirische Feld des Fußballs übertragen lässt. Auf Basis einer qualitativen Analy-se des Mannschaftslebens von bayerischen Amateurfußballteams untersuche ich, welche verschiedenen Formen von Männlichkeit in der Praxis beobachtet werden können, und wie diese durch die aktive Herstellung von Geschlecht konstruiert, (re)produziert und dargestellt werden. Den theoretischen Rahmen meiner Arbeit bilden dabei West/Zimmermans Ansatz des 'doing gender', Connells Konzept der hegemonialen Männlichkeit sowie Bourdieus Theorie der männlichen Herrschaft. Im Anschluss an meine qualitative Feldforschung entwickle ich ein quantitatives Forschungsdesign, welches es ermöglicht, Männlichkeit im Fußball auf statisti-schem Wege zu untersuchen. Die empirischen Ergebnisse meiner Arbeit zeigen, dass sich im fußballerischen Rahmen verschiedene Männlichkeitsformen heraus-bilden, welche durchaus der von Connell formulierten Typologie zugeordnet wer-den können. Nach einer Diskussion der Ergebnisse sowie der kritischen Reflexion meines Forschungsdesigns sollen am Ende noch etwaige Limitationen der eigenen Arbeit und Ideen für weiterführende Fragestellungen besprochen werden.

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Leseprobe

1 Einleitung


 

„Ich äußere mich zu meiner Homosexualität, weil ich die Diskussion über Homosexualität unter Profisportlern voranbringen möchte“ (Lehmann 2014). Mit diesen Worten bekannte sich Ex-Nationalspieler Thomas Hitzlsperger im Januar dieses Jahres als erster deutscher Fußballprofi ganz offen zu seiner Homosexualität. Das mediale Echo war dementsprechend groß - nicht zuletzt deshalb, weil schwule Fußballer bei Vereinen, Verbänden und Fans nach wie vor ein absolutes Tabuthema darstellen. Für viele Beteiligte scheint es ein enormes Problem zu sein, den harten, disziplinierten Lebensstil eines Profifußballers mit den klischeehaften Vorstellungen eines sensiblen, homosexuellen Mannes in Einklang zu bringen. Die effektive Verkörperung von Kampfgeist, Siegeswille und Leidenschaft wird daher ausschließlich heterosexuellen Spielern zugetraut. Homosexuelle hingegen würden nicht entschlossen genug in Zweikämpfe gehen, könnten sich in Laufduellen nicht durchsetzen oder hätten gar Angst davor, sich in die Schusslinie des Balles zu werfen. Kurz: Schwulen Fußballern könne es unter keinen Umständen gelingen, den Männlichkeitsanforderungen des Profifußballs auch nur annähernd gerecht zu werden. Doch wie sehen diese Männlichkeitsanforderungen konkret aus? Und was ist Männlichkeit überhaupt? Was macht Männlichkeit aus? Plakativ gefragt: Können schwule Fußballer nicht männlich sein? Und sind im Umkehrschluss alle heterosexuellen Fußballer ‚automatisch‘ männlich?

 

Betrachtet man die optische Selbstinszenierung einiger weltbekannter Fußballstars, so bietet sich einem ein kontroverses Bild. Während Profis wie David Beckham oder Cristiano Ronaldo aufgrund ihres gepflegten, oftmals feminin anmutenden Äußeren häufig in die Nähe von Weiblichkeit rücken, scheinen Spieler wie Wayne Rooney oder der von Kopf bis Fuß tätowierte, portugiesische Nationalspieler Raúl Meireles den Inbegriff der Männlichkeit darzustellen. Fußballer wie Lionel Messi oder Philipp Lahm hingegen wirken aufgrund ihrer zierlichen Statur und ihres harmlosen Erscheinungsbildes eher knabenhaft und burschikos. So unterschiedlich sie auch aussehen mögen, eines haben all diese Spieler gemein: Sie schaffen es, aufgrund ihrer Leistungen auf dem Platz als Idealform ihrer Spezies anerkannt zu werden. Dass diese Idealform heteronormativ ausgerichtet ist, spielt dabei eine immanent wichtige Rolle in der öffentlichen Wahrnehmung -

schließlich sind es männlich konnotierte Eigenschaften wie Aggressivität, Brutalität und Furchtlosigkeit, welche ein erfolgreicher Fußballer in sich vereinen muss, um an die Weltspitze zu gelangen. Und in jenes Kollektiv aus ‚typisch männlichen’ Attributen reiht sich eben auch die körperliche Zuneigung zum anderen Geschlecht als eine Art ‚Pflichtsexualität‘ ein. Männlichkeit scheint somit primär keine Frage von Auftreten und Optik zu sein, sondern das Produkt von Leistung, Können und Erfolg.

 

Was jedoch, wenn der Erfolg ausbleibt? Wenn Zweikämpfe verloren gehen, Sprints misslingen, und das eigene Spiel eine Vielzahl von Mängeln aufweist? Dann werden Fehlpässe auch mal als „schwule Pässe“ (Emcke/Müller-Wirth 2014) bezeichnet. Es scheint, als würde die sexuelle Orientierung eines Spielers unweigerlich mit seiner spielerischen Qualität zusammenhängen. Die Verwendung des Adjektivs ‚schwul’ stellt dabei eine Art Kompromiss dar: Zwar entspricht die hervorgebrachte Leistung nicht dem männlichen Ideal, dennoch ist sie aufgrund des biologischen Geschlechts des Spielers klar von der Weiblichkeit abzugrenzen. Schließlich könnte man, ausgehend von einem semiotischen Verständnis des Begriffs, Nicht-Männlichkeit auch als Weiblichkeit auslegen. Dass dies in der Praxis jedoch nicht der Fall ist, kann als wichtiger Anhaltspunkt für die Pluralität von Männlichkeit gedeutet werden.

 

Bis zu diesem Zeitpunkt lassen sich also mindestens zwei verschiedene Formen von Männlichkeit identifizieren: Eine ‚ideale Männlichkeit’, welche die normativen Anforderungen der Gesellschaft in vollem Ausmaß erfüllen kann, sowie eine ‚schwule Männlichkeit’, welcher es scheinbar nicht gelingt, den sozial konstruierten Standards jener ‚idealen Männlichkeit’ gerecht zu werden. Dass die beiden Männlichkeitsausprägungen zwar nebeneinander, nicht jedoch auf derselben Hierarchieebene existieren, wird auch im Kontext des Vereinsfußballs deutlich: Man erzählt sich Schwulenwitze, verwendet ‚schwul’ als Synonym für Adjektive wie ‚schlecht’, ‚schwach’ oder ‚unfähig’ und obendrein wird auch noch eine Art ‚Hexenjagd’ betrieben, indem untereinander Gerüchte darüber verbreitet werden, welche Spieler aus den gegnerischen Mannschaften angeblich homosexuell sind (vgl. ebd.). Verschiedene Männlichkeiten stehen somit in einem über- bzw. untergeordneten Machtverhältnis zueinander, welches im eben genannten Beispiel durch verbale Äußerungen und Diffamierungsakte ihren Ausdruck findet. Doch sind jene Maßnahmen, welche dazu dienen, andere Individuen zu Gunsten der eigenen Vormachtstellung zu unterdrücken, lediglich verbaler Natur? Oder spielt vielmehr auch Körperlichkeit eine entscheidende Rolle bei der Konstruktion von Männlichkeit?

 

In der vorliegenden Masterarbeit befasse ich mich mit der Frage, wie es im fußballerischen Rahmen zur Entstehung von verschiedenen Männlichkeitsformen kommt, und wie diese konkret aussehen. Dieser Ausgangsfrage geht einerseits die Annahme voraus, dass Männlichkeit nicht auf ‚natürlichen’ Tatsachen basiert, sondern stets durch eine Vielzahl von Interaktionen hergestellt, (re)produziert und verfestigt werden muss, und andererseits, dass es nicht eine, sondern viele verschiedene Arten von Männlichkeit zu beobachten gibt. Um also erklären zu können, welche verschiedenen Ausprägungen von Männlichkeit existieren, muss zunächst geklärt werden, wie Männlichkeit in der Praxis hergestellt wird. Auch dies soll im Zuge meiner Arbeit ausführlich erläutert und analysiert werden.

 

Ich bin davon überzeugt, dass neben der Sport- und Geschlechtersoziologie vor allem der Jugendfußball von den Ergebnissen meiner Forschung profitieren könnte. Die Adoleszenz gilt als wichtige Phase für die Entwicklung der männlichen Geschlechtsidentität (vgl. Meuser 2001: 17). Dementsprechend wäre es für Vereine und Verbände sicher von großem Interesse, ihre Teambildungsmaßnahmen auf die geschlechtsspezifische Sozialisation von Jungs, und damit einhergehend auch auf die stellenweise oppressiv ausgerichteten Praktiken des männlichen Mannschaftssports abzustimmen. Ich erachte es als wünschenswert, interne Rivalitäten durch gezielte Trainingseinheiten, Gesprächsrunden und Mannschaftsbesprechungen auf ein Minimum zu reduzieren, um somit den inneren Zusammenhalt der Mannschaft zu stärken. Im besten Falle würde dies in einem offeneren Umgang mit dem Thema Sexualität resultieren, was wiederum die langwierige Debatte um das Tabu des ‚schwulen Fußballers’ positiv vorantreiben könnte.

 

Zum Aufbau meiner Arbeit: In einem ersten Schritt soll die Entstehung der Männlichkeitsforschung chronologisch nachgezeichnet werden (Kap. 2). Dies ist nötig, um ein elementares Verständnis für die theoretischen Ausgangs- und Anknüpfungspunkte des heutigen Forschungsstandes zu entwickeln. Die Geschichte der Männlichkeitsforschung wird dabei insbesondere im Hinblick auf die feministische Patriarchatskritik sowie die sozialpsychologische Geschlechtsrollentheorie rekonstruiert.

 

Im Anschluss daran soll die theoretisch-analytische Rahmung meiner Arbeit erläutert werden. Dabei gilt es zunächst, sich dem Männlichkeitsbegriff aus verschiedenen Forschungsperspektiven definitorisch anzunähern (Kap. 3.1). Zu diesem Zweck werden sowohl normative, als auch essentialistische, positivistische und semiotische Sichtweisen auf das Verständnis von Männlichkeit besprochen. Dieser Schritt dient als unverzichtbare Basis für weitere theoretische Überlegungen, da er die Komplexität und den Facettenreichtum von Männlichkeit aus einer Vielzahl von unterschiedlichen Blickwinkeln beleuchtet.

 

Das darauffolgende Unterkapitel beschäftigt sich mit der Frage, wie Männlichkeit in der Praxis hergestellt wird (Kap. 3.2). Anhand des ‚doing gender‘-Ansatzes von West/Zimmerman (1987) soll gezeigt werden, dass Geschlecht nichts ‚Natürliches’ ist, was man ‚einfach so‘ hat, sondern dass es durch alltägliche Interaktionen und Praktiken kontinuierlich hergestellt und verfestigt werden muss.

 

Als Nächstes kommt es zu einer ausführlichen Darstellung der für meine Arbeit zentralen Theorieansätze (Kap.3.3.1 bis Kap. 3.3.2). Dabei erläutere ich sowohl Raewyn Connells[1] Konzept der hegemonialen Männlichkeit (1987, 2000), als auch Pierre Bourdieus Theorie der männlichen Herrschaft (1997a, 2005). Beide Ansätze beschäftigen sich mit dem binnengeschlechtlichen Verhältnis von Männern und sind deshalb bestens für mein Vorhaben geeignet.

 

Da sich meine empirische Forschung primär an den von Connell formulierten Männlichkeitsformen orientiert, kommt es danach zu einer kritischen Auseinandersetzung mit den von ihr entwickelten Männlichkeitsformen (Kap. 3.4). Dies ist für meine Arbeit von enormer Bedeutung, da ich Connells Konzept auf Basis jener Kritik für meine eigene Forschung...

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