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E-Book

Das Leben - und der Sinn des Ganzen. Zwischen Nihilismus und einem Funken Moral

AutorPatrick Spät
VerlagCULTurBOOKS
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl101 Seiten
ISBN9783944818467
FormatePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis6,99 EUR
Über das Buch Das Leben hat keinen Sinn. Darüber lässt Patrick Spät in »Das Leben und der Sinn des Ganzen« keine Zweifel aufkommen. Doch ist dies nicht das Ende, sondern erst Ausgangspunkt der Philosophie. Denn diese, so Spät, liefert niemals letztgültige Antworten, sondern muss zuallererst Fragen aufwerfen. Und so dürfen wir dem Autor beim Denken und Fragen zusehen: Ist alles erlaubt, wenn kein Sinn mehr Maß und Orientierung setzt? Was kann uns vor dem Nihilismus bewahren? Welche Rolle spielt der Tod dabei? Und birgt die Erkenntnis der absoluten Sinnlosigkeit gar Potential für eine ganz neue Freiheit? Anhand fundierter Bezüge auf Philosophie, Literatur und Alltag hinterfragt Spät in radikaler Art und Weise unser aller Leben und gelangt dabei zu einem überraschenden Ergebnis. Wenn es auch keinen Sinn des Lebens geben mag, so gibt es vielleicht doch einen Sinn im Leben. Über den Autor Patrick Spät ist als freier Journalist und Buchautor in Berlin tätig. Neben einigen akademischen Texten in philosophischen Fachzeitschriften veröffentlichte er mehrere Artikel in Telepolis, The European, Spektrum der Wissenschaft und Philosophie Heute. 2012 erschien seine Monographie »Der Mensch lebt nicht vom Hirn allein«, Parodos, Berlin; Herausgeberschaft: Post-Physikalismus, Karl Arber, Freiburg 2011; Zur Zukunft der Philosophie des Geistes, mentis, Paderborn 2008.

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Leseprobe

1. Hat das Leben einen Sinn?

»Sagt mir, was bedeutet der Mensch? Woher ist er gekommen? Wo geht er hin? [...] Und ein Narr wartet auf Antwort.«

– Heinrich Heine[2]

Selbst im digitalen Zeitalter gibt es noch Fragen, die man nicht googeln kann, um eine passende Antwort zu erhalten. Die Frage nach dem »Sinn des Lebens« ist eine davon: Wozu das Ganze? Warum leben wir? Und was zum Kuckuck machen wir hier eigentlich? Das sind die Kernfragen der Philosophie. Heutzutage ist es aber eher ein Klischee, dass Philosophen nach dem Sinn des Lebens fragen. Denn innerhalb der akademischen Mauern ist es den meisten Philosophen peinlich, sich mit dieser Frage zu beschäftigen. Natürlich droht man sich lächerlich zu machen, wenn man diese Frage öffentlich in einem Buch diskutiert – eine Frage, bei der von vornherein klar ist, dass sie keine endgültige Antwort hat. Nur ein Narr wartet auf Antwort! Und dennoch: Es ist eine der wichtigsten Fragen des Lebens, weil es die Frage über unser Leben ist. Wir sind die Lost Generation 2.0, Kinder des Nihilismus und der Dauerkrise. Die erste Lost Generation, die Ernest Hemingway 1926 in seinem Roman The Sun Also Rises beschreibt, hatte nach dem Ersten Weltkrieg und der anschließenden Wirtschaftskrise alles verloren, was ihr vormals Halt gab, ja, einen Sinn vermittelte. Genau wie die Lost Generation 1.0 fühlen wir uns verloren – und sind es: Wir fühlen uns entfremdet von einer Welt, die keinen Sinn bietet ... einer Welt, deren Gott tot ist ... einer Welt, in der die Massen hungern und frieren ... einer Welt, in der nicht wie im Paradies Honig, sondern Blut fließt.

Was tun? Ist alles erlaubt, wenn Gott tot ist? Ich möchte das Klischee bedienen und nach dem Sinn des Ganzen fragen. Und ich glaube, dass es durchaus seine Vorteile hat, dass diese elementare Frage nicht eindeutig zu beantworten ist.

Es geht also um den Sinn des Lebens, um den Tod Gottes und die Gefahr des Nihilismus. Fernab aller vorgekauten Fast-Food-Sinnangebote versuche ich, Gedankenkost zu bieten, die frei von Ratgeberallüren ist. Was ich hier schreibe, sind Gedankensplitter, die mal befreiend, mal beunruhigend sein können. Gedankensplitter deshalb, weil jede noch so ausgefeilte Theorie über den Sinn des Lebens faserig bleiben muss: Denn die Fülle und Rätselhaftigkeit des Lebens lässt sich nicht einfangen. Obwohl die ersten Kapitel viel »Sinnloses« enthalten, ist es kein hoffnungsloses Buch. Mir geht es in diesem Buch ums Fragen, um das In-Frage-Stellen, um das Herauskitzeln von möglichen Antworten und gedanklichen Sackgassen. Und es geht schließlich um die Frage, was es mit der Sinnlosigkeit und dem Nihilismus auf sich hat.

Für die Frage nach dem Sinn des Lebens gibt es kein Backrezept. Gäbe es eine definitive Antwort, so hätte sie sich nach Jahrhunderten der Suche bestimmt herumgesprochen. Die letzten Worte, die der Physiker Richard Feynman kurz vor seinem Tod an seine Tafel schrieb, lauteten: »What I cannot create, I do not understand« – Was ich nicht erschaffen kann, das verstehe ich nicht. Vielleicht ist unser Gehirn, unser kognitives Denken gar nicht darauf ausgelegt, solche hochtrabenden Fragen zu beantworten. Im Überlebenskampf der Evolution sind schließlich andere Fähigkeiten wichtiger: Was zählt, ist nicht die Lösung philosophischer Knobeleien, sondern dass wir unsere Fressfeinde und Paarungskonkurrenten auf Abstand halten und für Nahrung und Schutz sorgen. Wen kümmert’s da schon, dass wir dem Rätsel des Lebens nicht auf die Schliche kommen ... Aber weshalb hat die Evolution dann nicht dafür gesorgt, dass wir uns derlei Fragen erst gar nicht stellen? Schließlich ist Philosophie die reinste Energieverschwendung – evolutionstechnisch betrachtet. Slavoj Žižek gibt darauf eine recht interessante Antwort:

»Ist es nicht so, dass der gesamte sogenannte Fortschritt der Menschheit daraus hervorgegangen ist, dass sich Menschen unlösbare Fragen gestellt haben wie: Was ist die endgültige Struktur des Universums? Was ist der Sinn des Lebens? Und so weiter. Wie es unsere Freunde der NATO formulieren würden: Der Fortschritt hat sich durch einen Kollateralschaden dieser metaphysischen Fragen entwickelt.«[3]

Uns fehlt noch immer eine Antwort auf die Frage, warum wir uns überhaupt selbst in Frage stellen. Dennoch hat dieses Fragen durchaus seinen Nutzen: Würden wir uns nicht ständig in Frage stellen, würden wir auf philosophisch-ethischem Gebiet vielleicht noch in den Kinderschuhen stecken. Die »Allgemeine Erklärung der Menschenrechte« von 1948 ist – neben vielen anderen Faktoren – auch ein Erfolg der Philosophie, oder weitfassender ausgedrückt: ein Erfolg des zweifelnden, fragenden und suchenden Menschen. Was kann der Suchende entdecken, wenn es um den Sinn des Lebens geht?

Die Frage nach dem Sinn des Lebens hat viele Facetten: Wir können nach dem Sinn unseres individuellen Lebens fragen, nach dem Sinn des menschlichen Lebens und nach dem Sinn allen biologischen Lebens an sich. Natürlich sind diese Facetten eng miteinander verwoben. Wenn wir sagen: »das ergibt Sinn« oder »das ist sinnvoll«, dann schimmert schon ein wenig der Sinn des Wortes »Sinn« durch: Etwas hat einen Sinn, sobald es in sich stimmig und somit nachvollziehbar ist. Wenn ich Hunger habe, dann ist es ziemlich sinnvoll, etwas zu essen. Der Sinn verweist aber auch auf eine Richtung; im Wort »Uhrzeigersinn« ist diese Bedeutung noch erhalten. Die Frage nach dem Sinn des Lebens hat also zwei miteinander verknüpfte Ebenen: (1) Ist die Tatsache, dass wir leben, eine stimmige und somit nachvollziehbare Angelegenheit? (2) Hat unser Leben eine bestimmte Richtung? Beide Fragen zielen auf die Bedeutung unserer aller Leben ab. In der englischen Sprache ist die Verwandtschaft von »Sinn« und »Bedeutung« etwas markanter: Das englische »the meaning of life« ist die gängige Übersetzung von »der Sinn des Lebens«, wobei es hier eine leichte Sinnverschiebung gibt, weil »meaning« eher mit »Bedeutung« zu übersetzen ist. Im »deuten« steckt abermals die Richtung drin – zum Beispiel dann, wenn wir in eine bestimmte Richtung deuten. Eine Richtung kann Bedeutung haben, und eine Bedeutung eine Richtung. Die Frage nach dem Sinn des Lebens richtet sich also nach einem Ziel, dem unser Leben dienen soll, oder das wir vielleicht sogar erreichen sollen. Aber das sind nur Wortspielereien. Also: Welche Bedeutung, welchen Sinn hat das Leben? Vermutlich gar keinen.

Wenn es den Sinn des Lebens gäbe, müsste dieser ein letzter und endgültiger, unhintergehbarer und unhinterfragbarer Sinn sein. Der Sinn des Lebens müsste uns vollkommen einleuchten und glasklar vor Augen stehen. Er müsste uns mit einem »Bämm, so ist es!« anspringen; er müsste das unerschütterbare Fundament von allem darstellen. Der Sinn müsste also einfach da, einfach gültig, einfach wahr sein. Jeder müsste sagen können: »Ja, das ist eindeutig der Sinn des Lebens!« Demzufolge müssten alle Menschen diesen Sinn teilen, erkennen und akzeptieren können – und das ist offensichtlich unmöglich.

Es gibt keinen fundamentalen Halt oder Rettungsanker bei dieser Frage. We’re lost in space. Jede Antwort wird sofort wieder zur Frage. Und deshalb kann es keine endgültige und allgemeingültige Antwort geben. Wenn einer sagt: »X ist der Sinn des Lebens!«, dann kommt sofort ein zweiter herbeigeeilt und fragt vollkommen zu Recht: »Und was bitte ist der Sinn von X?« Wir haben es also mit einem »Matrjoschka-Problem« zu tun: In jeder der russischen Holzpuppen steckt eine weitere Puppe. Sobald wir irgendetwas zum Sinn des Lebens (v)erklären, stellt sich die Frage nach dem Sinn dieses etwas. Kurzum: Wir können bei jedem Ding nach dem »wozu?« fragen, nach der Richtung und vor allem nach dem Ziel und somit dem Sinn seiner Existenz. Und weil wir niemals eine Antwort erfahren werden, hat das Leben keinen endgültigen Sinn. Das heißt nicht, dass unsere aller Leben hoffnungslos sind und wir uns von den Klippen stürzen sollen – doch dazu später mehr.

Von Archimedes stammt der berühmte Ausspruch: »Gib mir einen Punkt, wo ich hintreten kann, und ich heb dir die Erde aus den Angeln.« Sobald wir einen Orientierungspunkt für unsere Frage nach dem Sinn des Lebens hätten, könnten wir alles erklären. Doch es gibt keinen solchen Punkt. Unser Hebel stochert im Nichts. Genau diesen Gedanken greift Albert Camus auf: »Was ich nicht begreife, ist ohne Vernunft. Die Welt ist voll dieser irrationalen Dinge. Sie selbst, für sich genommen, deren einzigartige Bedeutung ich nicht begreife, ist nur ein riesiges Irrationales. Nur ein einziges Mal sagen können: ›Das ist klar‹, und alles wäre gerettet.«[4]

Wann immer wir sagen: »das ist klar« und einen Sinn postulieren wollen, laufen wir schnurstracks in eine Sackgasse. Allein die Tatsache, dass wir nach dem Sinn des Lebens fragen können, weist darauf hin, dass die Welt keinen endgültigen Sinn haben kann. Ich glaube, der ebenso vergessene wie großartige Günther Anders hat vollkommen recht, wenn er schreibt:

»Warum setzen Sie eigentlich voraus, daß ein Leben, außer dazusein, auch noch etwas ›haben‹ müßte oder auch nur könnte – eben das, was Sie ›Sinn‹ nennen? Lassen Sie es sich doch nicht weismachen, daß Sie Ihren Lebenssinn ›finden‹ könnten (denn der ist nicht irgendwo versteckt, vielmehr gibt es ihn nicht). [...] Nein, nicht ein pathologisches, einer Behandlung bedürftiges Symptom ist das Gefühl derSinnlosigkeit des Lebens‹, sondern angesichts des Faktums der Sinnlosigkeit ein völlig berechtigtes Gefühl, ein Zeichen von unbeschädigter Wahrheitsbereitschaft, um nicht...

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