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E-Book

Das Macht-Paradox

Wie wir Einfluss gewinnen - oder verlieren

AutorDacher Keltner
VerlagCampus Verlag
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl204 Seiten
ISBN9783593424095
FormatePUB/PDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis19,99 EUR
Macht haben, Mensch bleiben Es sind nicht die Ellenbogen, es ist unser Gemeinsinn, der uns Macht verleiht. Doch sobald wir Macht haben und ihren Verführungen erliegen, geht uns die soziale Kompetenz schnell wieder verloren. Wir alle sind Opfer dieses Macht-Paradoxes, sagt der renommierte Psychologe Dacher Keltner. In seinem neuen Buch zeigt er, dass Macht und auch Machtmissbrauch in jedem Winkel unseres sozialen Lebens vorkommen: - In der Arbeitswelt, - in der Familie, - innerhalb von Freundschaften und gesellschaftlichen Gruppen. Macht bestimmt das Leben aller Menschen. Und erst wenn wir einen Blick durch die Brille der Macht werfen, lässt sich dieses Paradox auflösen. Damit die Guten nicht nur an die Macht kommen, sondern empathisch bleiben und sie behalten. Keltners Buch ist eine revolutionäre neue positive Psychologie der Macht. Einer der bedeutendsten Psychologen Amerikas inspiriert uns dazu, auf eine neue Weise über Macht nachzudenken. Sein Buch hilft uns, uns selbst zu verstehen. 'Dacher Keltner verändert die Vorstellungen darüber, wie Macht und wie Ungleichheit funktionieren. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis seine Ideen sich überall verbreiten. Und im Gegensatz zu anderen Psychologen, die ich kenne, ist er kein Spinner.' Michael Lewis, Autor von 'The Big Short'Dacher Keltner ist Professor für Psychologie an der University of California in Berkeley. Er zeigt in seinen Arbeiten, dass Menschen von Natur aus gut sind. Seit über 20 Jahren betreibt Keltner Forschungen zu positiven Emotionen und deren Rolle für den sozialen Zusammenhalt.Inhalt Einleitung 7 Macht besitzen, heißt die Welt verändern zu können 9 Macht wird uns von anderen verliehen 10 Wir erringen und behalten Macht, indem wir andere in den Mittelpunkt stellen 14 Der Preis des Machtmissbrauchs 15 Der Preis der Machtlosigkeit 16 Die neue Wissenschaft von der Macht 17 1 Macht auszuüben bedeutet, etwas in der Welt zu verändern 23 Macht bedeutet, den Status anderer zu ändern 29 Macht steckt in jeder Beziehung und in jeder Interaktion 32 Macht steckt in all unseren Alltagshandlungen 37 Macht gewinnen wir, indem wir die anderen in den sozialen Netzen stärken und ihnen Macht verleihen 39 Das Macht-Paradox entwickelt sich 43 2 Macht wird verliehen, man kann sie nicht ergreifen 45 Gruppen verleihen denen Macht, die das Gemeinwohl fördern 50 Gruppen verleihen Ansehen, das die Einflussmöglichkeiten bestimmt 57 Gruppen belohnen die, die mit ihrem Status und ihrem Ansehen das Gemeinwohl fördern 62 Gruppen bestrafen die, die das Gemeinwohl mit Klatsch untergraben 66 Das Geschenk der Macht 71 3 Der Fokus auf die anderen schenkt dauerhafte Macht 73 Dauerhafte Macht erwächst aus Empathie 77 Dauerhafte Macht beruht auf Geben statt Nehmen 85 Dauerhafte Macht beruht darauf, Dankbarkeit zu zeigen 89 Dauerhafte Macht beruht darauf, Geschichten zu erzählen, die zusammenführen 93 Verlust des Ziels und Machtmissbrauch 98 4 Machtmissbrauch 101 Macht führt zu Defiziten an Empathie und moralischem Handeln 105 Macht führt zu einem eigennützigen, impulsiven Wesen 116 Macht führt zu Unhöflichkeit und Respektlosigkeit 126 Macht führt zu Geschichten von Einzigartigkeit 128 Warnzeichen des Macht-Paradoxes 133 5 Der Preis der Machtlosigkeit 135 Machtlosigkeit heißt, permanent Bedrohungen vor Augen zu haben 140 Stress führt zur Erfahrung von Machtlosigkeit 144 Machtlosigkeit untergräbt die Fähigkeit der Einzelnen, zur Gesellschaft beizutragen 148 Machtlosigkeit führt zu schlechter Gesundheit 151 Das Macht-Paradox überwinden 153 Epilog: Der fünffache Weg zur Macht 157 Dank 163 Bildnachweise 165 Anmerkungen 167 Register 167

Dacher Keltner ist Professor für Psychologie an der University of California in Berkeley. Er zeigt in seinen Arbeiten, dass Menschen von Natur aus gut sind. Seit über 20 Jahren betreibt Keltner Forschungen zu positiven Emotionen und deren Rolle für den sozialen Zusammenhalt.

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Leseprobe
Einleitung Unser Leben wird von Verhaltensmustern geprägt: Wie wir essen, trinken, schlafen oder uns entscheiden, ob wir fliehen oder kämpfen, wenn ein Feind auftaucht, ist für unser persönliches Überleben entscheidend. Wie wir uns bei der Liebeswerbung verhalten, bei Zuneigung und Sex, in Konflikten, beim Spiel, in kreativen Momenten, im Familienleben und bei beruflicher Zusammenarbeit, ist für unser kollektives Überleben entscheidend. Unsere Lebenserfahrung befähigt uns, diese Verhaltensmuster zu erkennen und sie zu festen Bausteinen unserer Lebensgeschichte zu machen. In diesem Buch geht es um einen Zusammenhang des sozialen Lebens, der unser alltägliches Miteinander ausmacht und bestimmt, worauf unser Leben letzten Endes hinausläuft. Er hat tief gehende Auswirkungen darauf, ob wir eine Liebesaffäre beginnen, die Gesetze brechen, unter Panikattacken leiden, von Depressionen niedergeworfen werden, früh an einer chronischen Krankheit sterben, einen Sinn im Leben finden und uns verwirklichen. Dieser Zusammenhang prägt unsere Verhaltensmuster. Er ist das Thema der wissenschaftlichen Studien, die ich während der letzten 20 Jahre durchgeführt habe und kann mit dem Begriff 'Macht-Paradox' überschrieben werden. Das Macht-Paradox besteht in Folgendem: Wenn unsere Macht und unser Einfluss zunehmen, versuchen wir, mit den besten Fähigkeiten, die unsere menschliche Natur zu bieten hat, etwas zu bewirken und etwas in der Welt zu verändern. Die Fähigkeit, etwas zu bewirken, drückt sich darin aus, dass wir das Leben der anderen verändern. Aber wir verlieren die Macht wieder aufgrund unserer schlimmsten Fähigkeit: In einer paradoxen Wende verleitet uns das Bewusstsein, über Macht und Privilegien zu verfügen, zu Machtmissbrauch. In unseren dunkelsten Momenten ähnelt unser Verhalten dann dem triebgesteuerter Soziopathen, die außer Kontrolle geraten sind. Wie wir mit diesem Macht-Paradox umgehen, bestimmt unser persönliches Leben und unser Verhalten bei der Arbeit und entscheidet letztlich, wie glücklich wir und die Menschen sind, für die wir sorgen. Es bestimmt unsere Empathie, Großzügigkeit, Höflichkeit, Innovationsfähigkeit, intellektuelle Strenge sowie die Fähigkeit zur Zusammenarbeit, womit es Einfluss auf die Stärke unserer Gemeinschaften und sozialen Netze hat. (Gemeint sind reale Netze von Personen.) Mit anderen Worten: Die sich langsam aufbauende Wirkung der Macht formt die Verhaltensmuster, die unseren Familien, unserem sozialen Umfeld und dem Arbeitsplatz die Struktur geben. Macht bestimmt aber auch die größeren Strukturen sozialer Organisation, also die Gesellschaft als Ganze mit all ihren aktuellen politischen Kämpfen. Macht und Machtmissbrauch sind verantwortlich für sexuelle Gewalt, Missachtung und Diskriminierung von Minderheiten, systembedingte Armut und gesellschaftliche Ungleichheit. Mit dem Macht-Paradox gut umgehen zu können, ist grundlegend für die Gesundheit unserer Gesellschaft. Als ich vor 20 Jahren mit meinen Untersuchungen begann, war ich zunächst einmal mit der Frage Was ist Macht? konfrontiert. Um das Macht-Paradox zu überlisten, müssen wir wissen, was Macht eigentlich ist. Die erste Überraschung bei meinen Forschungen war, dass das Machtverständnis unserer Kultur tief und nachhaltig von einer einzigen Person bestimmt wurde: dem Florentiner Niccolò Machiavelli, der 1513, also im Zeitalter der Renaissance, ein Buch mit dem Titel Il Principe (Der Fürst) verfasst hat, in dem er argumentiert, dass Macht im Wesentlichen mit Stärke, Betrug, Unbarmherzigkeit und strategischer Gewalt zu tun hat. In der Nachfolge Machiavellis setzte sich die Haltung durch, Macht mit Akten von besonderem Zwang und heftiger Gewalt gleichzusetzen. Macht ist demnach das, was die 'großen' Diktatoren ausüben. Macht verkörpert sich in Generälen, die auf dem Schlachtfeld Entscheidungen treffen, in Geschäftsleuten, die feindliche Übernahmen planen, in Mitarbeitern, die ihre Kollegen opfern, um ihre eigene Karriere zu fördern und in Raufbolden auf dem Spielplatz der Schule, die kleinere Kinder quälen. Dieses Bild der Macht lässt sich allerdings bei sorgfältiger Analyse heute nicht mehr halten. Denn es kann viele wichtige Entwicklungen in der Geschichte der Menschheit nicht erklären: die Abschaffung der Sklaverei, den Sturz von Diktatoren, das Ende der Apartheid, den Aufstieg der Bürgerrechte und der Rechte der Frauen oder die Bewegungen, die Homosexuellen zu ihren Rechten verhalfen, um nur ein paar wenige zu nennen. Das alte Bild der Macht kann auch die großen sozialen Veränderungen nicht erklären, die die Entdeckungen der Naturwissenschaft, der medizinische Fortschritt, die Antibabypille, neue Gesetze zum Schutz der Machtlosen, bedeutende Filme, radikale Gemälde und Romane sowie die sozialen Medien gebracht haben. Am entscheidendsten ist aber vermutlich, dass uns die Gleichsetzung von Macht mit Gewalt und Betrug blind dafür macht, wie sehr Macht in unserem Alltag verbreitet ist und unser Miteinander bestimmt. Macht besitzen, heißt die Welt verändern zu können Seit Machiavelli und der Renaissance hat sich die Gesellschaft also dramatisch verändert, und zwar in einer Weise, die uns zwingt, die ausgediente Definition von Macht fallenzulassen. Es wird uns eher gelingen, das Macht-Paradox zu überlisten, wenn wir unser Denken erweitern und Macht als die Fähigkeit definieren, etwas in der Welt zu verändern, insbesondere, indem wir mithilfe der Macht andere in unseren sozialen Netzen aufrütteln. Nach dieser neuen Definition ist Macht nicht auf ganz besondere Menschen beschränkt, also weder auf grausame Diktatoren noch hochrangige Politiker oder die Reichen und Berühmten des Jet-Sets, die in der Öffentlichkeit stehen. Macht kommt auch nicht nur in besonders dramatischen Augenblicken der Geschichte zum Tragen oder existiert nicht nur in Sitzungssälen, auf den Schlachtfeldern oder am Kabinettstisch. Vielmehr bestimmt sie das Leben aller Menschen und spielt auch bei alltäglichen Handlungen eine Rolle, ja nahezu in jeder Interaktion und in jeder Beziehung ? sei es beim Versuch, eine Zweijährige dazu zu bewegen, frisches Gemüse zu essen, oder eine sture Kollegin dazu zu bringen, ihr Bestes zu geben. Macht ist im Spiel, wenn wir jemandem Chancen eröffnen und wenn wir einem Freund die richtigen Fragen stellen, um sein kreatives Denken anzuheizen, oder wenn wir die zerrütteten Nerven eines Kollegen beruhigen und wenn wir einem jungen Menschen Mittel zur Verfügung stellen, der gerade versucht, seinen Weg zu machen. Die Dynamik der Macht und die Formen der gegenseitigen Beeinflussung definieren, was zwischen Fötus und Mutter geschieht, zwischen Kind und Eltern, in Kinderfreundschaften, bei Teenies und den Arbeitskollegen ebenso, bei liebenden Paaren wie bei Gruppen, in denen es Konflikte gibt. Macht ist das Mittel, durch das wir uns aufeinander beziehen. Macht führt dazu, dass wir die Welt gestalten, indem wir andere beeinflussen. Macht wird uns von anderen verliehen Wie kommen wir zu Macht? Wie kommen wir dazu, die Welt verändern zu können? Die alte machiavellistische Philosophie hält Macht für etwas, was man ergreift. Die Berichte von 'Machtergreifungen' haben zu großer (und nicht ganz so großer) Literatur und Kunst geführt. Es ist faszinierend, von raffinierten Manipulationen und dem blutigen Abschlachten von Rivalen und Verbündeten zu lesen. Aber Macbeth, Julius Cäsar, Der Pate oder - neueren Datums - House of Cards sind Gestalten aus der Vergangenheit beziehungsweise der Fiktion und erzählen wenig davon, wie Menschen im 21. Jahrhundert Macht ausüben. Die neuen Überlegungen zur Macht haben gezeigt, dass wir sie nicht rauben, sondern dass sie uns von anderen verliehen wird. Wir gewinnen Macht, wenn wir Wege finden, das Leben anderer in unseren so­zialen Netzen zu verbessern: Unsere Macht wird uns von anderen gewährt ? bei der Arbeit, in sozialen Organisationen der verschiedensten Art, in Freundschaften, in Liebesbeziehungen und in der Familie. Es ist ein zentraler Entwicklungsschritt der menschlichen Evolution, dass vertikale Hierarchien (die wir heute noch bei unseren Verwandten unter den Primaten beobachten können - oder auch beim Militär) durch horizontale Muster sozialer Organisation ersetzt werden. Die Jäger und Sammler (die es immer noch gibt) lebten in kleinen Gruppen, die für die menschliche Evolution typisch waren. Diese Lebensbedingungen haben uns zu höchst sozialen Wesen gemacht, die ziemlich verletzliche Nachkommen in die Welt setzen, Essen sammeln, Hütten bauen und sich gemeinsam gegen andere Gruppen verteidigen. Die Hierarchien bestanden im Lauf unserer Entwicklung weiter, aber angesichts des hohen Grads der 'Vergesellschaftung' konnten sich die Individuen zu Bündnissen zusammenschließen und auf einfache Weise alle im Zaum halten, die versuchten, die Macht zu missbrauchen. Das Ergebnis war, dass die Gruppen denen Macht verliehen, die sich dem Wohl aller annahmen - und nicht den Machtbesessenen und Gewalt ausübenden Machiavellisten. Gruppen verleihen ständig Macht an Individuen. Sie tun das in einer Art und Weise, die oft Rätsel aufgibt oder Gegenstand von Hohn und Spott ist. Man kann es mögen oder nicht, aber wir Menschen sind verrückt nach Macht, Ruhm und Ansehen. Das Streben danach steht im Mittelpunkt des sozialen Lebens. Man schaue nur auf die andauernde Faszination, die die klatschsüchtigen Gestalten in den Romanen von Jane Austen auf uns ausüben, das erstaunliche Anwachsen von Facebook, oder auf die Industriezweige, die im Umkreis dieses Aufpolierens von Ruhm aus dem Boden geschossen sind. Wir können junge Leute zwar ermahnen, sich über ihr Ansehen keine Sorgen zu machen und auf authentische Weise zu leben, ohne darauf zu achten, was die anderen denken. Es sind aber Gruppen, die ihr Ansehen aufbauen und damit deutlich machen, dass sie fähig sind, Macht auszuüben - und dafür zu sorgen, dass möglicher Machtmissbrauch kontrolliert wird. Die Macht einer Person ist nur so groß wie ihr Ansehen. Das Ansehen einer Person bildet sich in der Kommunikation innerhalb von Gruppen heraus. Eine große Bedeutung haben dabei Klatsch und Tratsch, die aus dem sozialen Leben nicht so leicht auszurotten und weit davon entfernt sind, nutz- und belanglos zu sein. Klatsch ist ein höchst komplexes Mittel, mit dem Gruppenmitglieder Informationen streuen, die das Ansehen Einzelner fördern oder herabsetzen. Mithilfe von Klatsch kann eine Gruppe die Chancen eines Individuums erhöhen, seine Interessen zu verfolgen und damit bestimmen, wie viel Macht es hat. Gruppen statten ein Individuum auch mit Macht aus, indem sie seinen sozialen Status verbessern. Eine solche soziale Belohnung gibt so starke Impulse wie die Lust auf Sex oder das Verlangen nach Schokolade. Indem Gruppen auf strategische Weise das Ansehen von Individuen fördern, ermutigen sie die so Ausgewählten, die ihnen verliehene Macht in einer für die Gruppe günstigen Weise zu nutzen. Dabei vermitteln sie ihnen das Gefühl, Gutes zu tun. Unser Einfluss auf die Welt und die bleibenden Änderungen, die wir in ihr erreichen, sind letztlich nur so gut wie das, was andere von uns denken. Dauerhaft über Macht zu verfügen, ist ein Privileg, das davon abhängt, dass uns andere die Macht auf Dauer verleihen. Wir sind nun am Knackpunkt des Macht-Paradoxes angekommen, nämlich was Sie mit der Macht anfangen. Werden Sie weiterhin etwas in der Welt bewirken und die Hochachtung der anderen genießen? Oder werden Sie Ihre Macht verlieren wie schon viele zuvor? Was sind die Praktiken, die darüber entscheiden, ob Sie Ihre Macht behalten oder verlieren? Von der Liebe abgesehen gibt es keinen anderen Bereich des sozialen Lebens, der so gründlich erforscht ist wie der Erwerb von Macht, ihr Missbrauch und schließlich ihr Verlust. Die großen Geschichten von Machtmissbrauch und dem darauffolgenden Machtverlust schlagen uns in den Bann. Denken wir an den Rücktritt von Richard Nixon oder an das Denkmal von Saddam Hussein, das nach dem amerikanischen 'Shock and Awe'-Feldzug zerstört wurde ? der wiederum für die USA zu einem Verlust an Macht geführt hat. Denken wir an den Zusammenbruch des Energiekonzerns Enron oder den Anblick der Finanzjongleure Michael Milken, Martha Stewart, Dennis Kozlowski und Bernie Madoff, nachdem sie in den Knast wanderten. Unsere Fixierung auf den Machtverlust könnte uns zu dem Glauben verleiten, Machtmissbrauch sei unvermeidlich. Aber das Macht-Paradox ist viel komplexer. Gott sei Dank ist auch ein wenig Glück im Spiel: Machtmissbrauch ist nicht Teil der menschlichen Natur. Um das zu verstehen, müssen wir zunächst klären, wie die Macht unsere Wahrnehmung der Welt bestimmt. Macht bedeutet nicht nur die Möglichkeit, andere beeinflussen zu können, sie prägt auch unser (Selbst-)Bewusstsein. Das Gefühl, über Macht zu verfügen, löst einen Rausch an Erwartungen aus, es weckt Freude und Vertrauen, es gibt unserem Leben Sinn, und wir spüren, dass wir etwas bewirken können. Überall in der Welt erfahren die Menschen Macht als eine lebendige Kraft, die ihr Leben bestimmt und leitet. Macht ist ein Schuss Dopamin, und diese anfänglichen Gefühle können sich so aufschaukeln, dass wir mit unseren Mitmenschen wie bei einem manischen Schub umgehen. (Und ja: Umgekehrt gilt, dass Anfälle von manischem Verhalten mit dem Hochgefühl von Macht verbunden sind.) Macht spüren wir immer wieder in unserem Alltag. Oft haben wir den Eindruck, an einer Weggabelung zu stehen und die vielleicht wichtigste Entscheidung unseres Lebens treffen zu müssen. Dabei sind es Entscheidungen, wie wir sie jeden Tag treffen. Vom Gefühl der Macht vorangetrieben, können wir dabei zwei Wege beschreiten: Auf dem einen Weg freuen wir uns über dauerhafte, beständige Macht, die uns bleibenden Einfluss verleiht und garantiert, dass wir etwas bewirken können und weiterhin von den anderen geschätzt werden. Wir können aber auch den anderen Weg gehen und von den maßlosen Möglichkeiten verführt werden, die Macht eröffnet. Welchen Weg wir einschlagen, ist von enormer Bedeutung. Wir erringen und behalten Macht, indem wir andere in den Mittelpunkt stellen Der Umgang mit dem Macht-Paradox hängt davon ab, wie wir die Balance zwischen der Erfüllung der eigenen Wünsche und dem Fokus auf die anderen finden. Als die sozialsten aller Wesen haben wir einige universelle Praktiken entwickelt, die sich auf unsere Mitmenschen richten, das Gute aus ihnen herauslocken und zum Aufbau starker sozialer Kollektive führen. Wer sich diesen Praktiken mit Umsicht widmet, wird von dem Ansturm des Machtgefühls nicht irregeleitet und zur bloßen Befriedigung der eigenen Bedürfnisse und zum Machtmissbrauch verleitet. Er wird stattdessen die tiefe Freude genießen, nachhaltige Veränderungen in der Welt bewirken zu können. Es gibt vier dieser universellen sozialen Praktiken: - Mitgefühl empfinden und sich einfühlen, - Dankbarkeit zeigen, - sich großzügig geben und Geschichten erzählen, die Einigkeit stiften. All diese vier Verhaltensweisen erfreuen unsere Mitmenschen und zollen ihnen Respekt. Sie bilden eine Basis für starke Bindungen, die von beiden Seiten gestärkt werden. Auf sie können wir uns verlassen und immer wieder mit ihnen unsere Macht stärken, indem wir andere zu effizienterem Handeln anregen. Der Preis des Machtmissbrauchs Weichen wir davon ab, uns auf die anderen zu konzentrieren, kann uns das zu selbstsüchtigem und kurzsichtigem Verhalten verleiten. Dann üben wir den Machtmissbrauch aus, von dem wir Tag für Tag in den Zeitungen lesen und der die Geschichtsbücher, die Biografien sowie die Werke Shakespeares und anderer großer Autoren füllt. Es sind also nicht nur die Reichen und Berühmten, die den Verführungen der Macht erliegen, die Gefahr besteht vielmehr für jeden von uns, in jedem Augenblick. Den Blick für den anderen zu verlieren, kann zu Empathiedefiziten führen, zum Verlust der Leidenschaft, zu unbesonnenem und unethischem Handeln und zu grobem und unhöflichem Benehmen. Fühlen wir uns mächtig, können wir unser unethisches Handeln leicht mit Geschichten unserer eigenen Überlegenheit rationalisieren, die auf eine Herabminderung der anderen hinauslaufen. Damit sind wir im Zentrum des Macht-Paradoxes angelangt: Die Verführung der Macht hat zur Folge, dass wir gerade die Fähigkeiten verlieren, die es uns in erster Linie ermöglicht haben, die Macht überhaupt zu gewinnen. Der Missbrauch von Macht kommt in jedem Winkel unseres sozialen Lebens vor - und führt dazu, beim Autofahren mit den PS zu protzen, zu fluchen, gierig zu essen, grob zu sein, zu lügen, Sexaffären zu haben, sexuelle Gewalt oder Gewalt gegenüber Minderheiten auszuüben und uns unethisch zu verhalten. Sind wir Opfer des Macht-Paradoxes, untergraben wir unsere eigene Macht. Die anderen, von denen unsere Macht so entscheidend abhängt, fühlen sich durch uns bedroht und entwertet. Die Ballung von Machtmissbrauch führt zur Zerstörung der Vertrauensbasis, in der Familie zerfällt der Zusammenhalt, bei der Arbeit engagieren wir uns weniger, und letztlich zerreißt das Netz der Zivilgesellschaft. Der Preis der Machtlosigkeit Zurzeit beeinträchtigt Armut jeden siebten Amerikaner. Eine erstaunliche Zahl amerikanischer Kinder ist hungrig, krank und nicht in der Lage, sich in der Schule zu konzentrieren. Innerhalb von dreißig Jahren hat sich die soziale Ungerechtigkeit derart vergrößert, dass die immer größer werdende Kluft zwischen Arm und Reich zum drängendsten Problem der US-amerikanischen Gesellschaft geworden ist. Die amerikanische Politik wird fast ausschließlich von äußerst reichen Personen betrieben, die dem Macht-Paradox verfallen sind. Es sind genau die Leute, die gegenüber Machtlosigkeit, Armut und Ungleichheit am blindesten sind. In den USA verstärkt sich das ökonomische Ungleichgewicht, womit Armut und Rassismus eine permanente Bedrohung bleiben. Der Tod von Michael Brown, Eric Garner, Freddy Gray und vielen anderen, von denen man nichts weiß, hat die Black-Lives-Matter-Bewegung ausgelöst. Es gibt in den USA Anlass zu ernsthaften Sorgen über die Machtausübung des Staates. Soziale Institutionen wie Kitas, private Eliteschulen, Studentenverbindungen, Wohltätigkeitsvereine und die Chefetagen der Firmen halten das Ungleichgewicht der Macht aufrecht ? teils unwillentlich, aber bis zu einem gewissen Grad auch absichtlich. In unseren Diskussionen über soziale Themen fehlt etwas: die Psychologie der Machtlosigkeit. Die Wissenschaftler, die im Zentrum dieser neuen Forschungsrichtung stehen, fragen auch, wie uns die Machtlosigkeit, die aus Armut, Ungleichheit, Rassismus und Gendervorurteilen erwächst, 'unter die Haut' geht. Die ökonomische Ungleichheit in den Städten, Ländern, Staaten und Nationen führt zu einem Mangel an Vertrauen, zu unbesonnenem Verhalten, zu einem verringerten Sinn für Gemeinschaft, zu schlechter Gesundheit, Depressionen, Ängsten und Gewalt. Der Preis der Machtlosigkeit, die oft das Resultat davon ist, dass andere dem Macht-Paradox verfallen, ist gewaltig. Machtlosigkeit verstärkt die Anfälligkeit der Menschen gegenüber Bedrohungen. Machtlosigkeit führt zu vermehrten Reaktionen des Körpers auf Stress, verstärkt den Ausstoß von Cortisol und zerstört das Gehirn. Diese Auswirkungen beeinträchtigen unsere Fähigkeit zu denken und zu reflektieren, uns in der Welt zu engagieren, uns gut zu fühlen und hoffnungsvoll in die Zukunft zu schauen. Ich glaube, dass Machtlosigkeit neben dem Klimawandel die größte Bedrohung ist, der unsere Gesellschaft heute ins Auge sehen muss. Die neue Wissenschaft von der Macht Eine entscheidende Aufgabe der Wissenschaft ist es, präzise Begriffe zu definieren, die unser Verständnis der Phänomene in der Welt draußen und in unserem Kopf schärfen. Das ist besonders notwendig, wenn die Macht zur Diskussion steht und damit ein Begriff, der so vieles meinen kann: Geld, Ruhm, soziale Klasse, Respekt, körperliche Stärke, Energie oder politische Teilhabe. Für mich als Sozialpsychologe ist die Frage zentral, welchen Einfluss Macht auf unser persönliches und soziales Leben hat und wie Macht bei den sozialen Interaktionen entsteht, die unser Alltagsleben ausmachen. Aus dieser Sichtweise heraus folgen nun einige Definitionen, die entscheidend dazu beitragen, die Prinzipien zu erfassen, die von der neuen Wissenschaft der Macht aufgedeckt worden sind. Macht: die Fähigkeit, etwas in der Welt zu verändern, indem man auf die Stellung anderer Personen Einfluss nimmt. Status oder gesellschaftliche Stellung: die Achtung und Wertschätzung, die uns die anderen in unseren sozialen Netzen entgegenbringen. Der Status verschwindet oft mit der Macht, aber nicht immer. Kontrolle: die Fähigkeit, unser Leben zu bestimmen und unter Kontrolle zu haben. Wir können die völlige Kontrolle über unser Leben haben, ohne über Macht zu verfügen ? denken wir an einen Eremiten in seiner Klause. Soziale Klasse: die Mischung aus Familie, Vermögen, erfolgreicher Ausbildung und der Stellung in der Berufswelt. Eine alternative Definition: die subjektive Einordnung, wo wir auf der sozialen Leiter der Gesellschaft stehen. Wie auch immer wir aber die soziale Klasse definieren: Sie ist eine gesellschaftliche Form von Macht. Wenn wir uns in der neuen Wissenschaft der Macht umsehen, erkennen wir, wie sich diese verschiedenen Einstufungen zueinander verhalten und wie sie unser Verhalten oft nach den im Folgenden erklärten Prinzipien bestimmen, die von dieser neuen Wissenschaft aufgedeckt wurden. Mit diesen Definitionen ausgerüstet, sind wir nun bereit, die neue Wissenschaft der Macht zu durchforsten. Bevor wir das tun, muss ich klarstellen, dass dieses Buch nicht von 'Führerschaft' an sich handelt. Es geht nicht um mitreißende Führer (oder besser: Führungspersönlichkeiten) der Gegenwart oder in der Geschichte oder um Leute, die ihre Macht missbrauchen. Dieser Aufgabe widmen sich schon viele Bücher. Ich unterrichte Führungspersönlichkeiten aus allen möglichen Bereichen: vom Business über die Wissenschaft, dem Erziehungswesen, der Regierung und den Wohltätigkeitsverbänden über Technologie, Gesundheitswesen und Biotech bis zur Finanzwelt. Sie wissen aus eigener Erfahrung, dass das Macht-Paradox für ihre Arbeit relevant ist und dass es für eine starke und nachhaltige Führung entscheidend ist, es zu überwinden. Sie haben selbst gesehen, wie Machtmissbrauch Organisationen, Unternehmen und das Leben Einzelner untergraben kann. Ich habe viel Zeit mit Leuten verbracht, die mit Erfolg Teams bei Facebook, Pixar und Google leiten - aber auch mit Häftlingen, die im Gefängnis von San Quentin staatliche Programme zum Täter-Opfer-Ausgleich leiten. Ich habe Führer getroffen, die viele der 20 Machtprinzipien verkörpern, die wir in diesem Buch kennenlernen werden. (Die Liste dieser Prinzipien finden Sie am Ende der Einleitung). Ich kann Ihnen aber keine eingehenden Berichte über revolutionäre Visionäre liefern, die man in einem Buch über Führerschaft erwarten würde. Das Buch handelt auch nicht von Politik. Wenn ich einen Vortrag halte, werden danach oft politische oder historische Fragen gestellt. Das macht Sinn, denn wir setzen oft Politik mit Macht gleich. Was ist mit Hitler? Oder mit dem 'Islamischen Staat'? Kann Macht nicht erklären, was es mit Robespierre und der Französischen Revolution auf sich hatte? Was würde aus unserem Land werden, wenn Sheryl Sandberg, die Geschäftsführerin von Facebook, Präsidentin wird? Ich weiß es nicht, und ich schäme mich immer, wenn ich eine halb ausgegorene Idee als Antwort präsentiere. Kennt man aber das Macht-Paradox, kann das eine Hilfe sein, um zum Beispiel Stalins Terrorkampagnen zu verstehen oder Kennedys desaströses Abenteuer in der Schweinebucht auf Kuba. Oder warum ein Kandidat stärkeren Einfluss auf den Staat hat als der andere, oder welche Rolle die Journalisten spielen, wenn es darum geht, die Mächtigen zur Verantwortung zu ziehen, oder wenn die Frage zu beantworten ist, warum der Fahrstuhl- oder 'Trickle-down'-Effekt nicht durch ein realistisches Verständnis der psychologischen Wirkungen von Reichtum erklärt werden kann, oder wenn es um die Probleme der amerikanischen Politik geht und wie das massive Vorgehen gnadenloser Macht ('Shock and Awe'-Kriegszug im Irak, Vietnamkrieg) auf die Akteure zurückschlägt und die gesamte Nation Macht kostet. Ich glaube, dass die 20 Prinzipien der Macht, die die Dynamik der direkten Machtausübung in sozialen Gruppen beschreiben, nicht nur den Machtverfall und das bleibende Erbe der Politiker beleuchten, sondern auch die Machtdynamik auf verschiedenen Ebenen der politischen Analyse. Sie bestimmen das Schicksal der politischen Parteien und ideologischen Bewegungen und erklären, warum Nationen im Verlauf der Geschichte auf immer wieder dieselbe Weise aufsteigen und fallen. Diese Prinzipien sind für die ernsthafte Debatte relevant, die gerade jetzt über die sich wandelnde Macht der Nationen geführt wird, und spielen auch eine Rolle bei der Auseinandersetzung über 'harte Gewalt' (Militär, Invasionen, ökonomische Sanktionen) und 'sanfte Gewalt' (Kultur, Ideen, Kunst, Institutionen) mit ihrem überraschenden und anhaltenden nationalen und internationalen Einfluss. Aber die eingehende historisch fundierte und in hohem Maße kontextualisierte Analyse der nationalen und internationalen Politik will ich lieber Leuten überlassen, die in den Methoden geübt sind und das Wissen über jene Traditionen haben, also den Historikern, Politologen, Kulturkritikern und Journalisten, um nur ein paar wenige zu nennen. Man kann mein Buch vielleicht besser als eine Studie der Macht von jedermann bezeichnen. Was die Macht betrifft, leben wir vielleicht in der dynamischsten Periode der Menschheitsgeschichte. Die Frauen übernehmen in beispielloser Weise die Macht (obwohl sie immer noch weniger verdienen als die Männer und in den Aufsichtsräten und Chefetagen weiterhin unterrepräsentiert sind). Neue ökonomische Supermächte ? Indien und China ? sind auf der Bühne angekommen, was komplexe und dringend notwendige Fragen zur Macht der USA aufwirft. Alte Supermächte, die wie Russland offensichtlich machiavellistisch geführt werden, erwachen wieder. Organisationen und Unternehmen wandeln sich und bilden ihre vertikalen Strukturen in horizontale um (obwohl weiterhin gewaltige Gefälle existieren, was die Bezahlung betrifft). Facebook, Google, Twitter, Instagram, SnapChat, Youtube und Tumblr haben auf radikale Weise verändert, wie sich Ideen in Netzwerken ausbreiten. Sie haben das Ausmaß erhöht, in dem andere unsere Handlungen kennen und damit die Natur der menschlichen Einflussnahme beeinflusst. Zur gleichen Zeit existiert die staatliche Macht weiterhin und übt weiterhin ihren Zwang aus, wie man aus der Flut wohl dokumentierter Brutalitäten der amerikanischen Polizei sehen kann. Wir müssen auf eine neue Weise über Macht nachdenken und in unseren Anstrengungen standfest bleiben, das Macht-Paradox zu überwinden. Auch uns selbst können wir nur verstehen, wenn wir den Blick durch die Brille der Macht werfen. Vieles von dem, was wir in unserem sozialen Leben schätzen, wird ganz wesentlich davon beeinflusst, wie wir mit dem Macht-Paradox umgehen: das Bilden von Freundschaften, Zufriedenheit in der Familie finden, Liebesbeziehungen auf lange Zeit sicherstellen, in unserem Arbeitsleben gute Beiträge leisten, uns in der Gemeinde engagieren, die sozialen Freuden des Alltagslebens genießen (Klatsch erzählen, Dankbarkeit zeigen, teilen, einander berühren, Sex haben, Geschichten erzählen, schlafen, essen, die Gesundheit erhalten). Und auch viel von dem, was unsere menschliche Natur am meisten in Unruhe bringt (Schande, Gier, Arroganz, rassistische und sexistische Gewalt, die Häufung von Depressionen bei den Armen sowie ihr schlechter Gesundheitszustand), wird durch den Umgang mit dem Macht-Paradox bestimmt. Ich hoffe, dass Sie bei der Lektüre des Buchs Ihren eigenen besonderen Weg finden, das Macht-Paradox zu hinterfragen und Freude daran finden, die Welt zu verändern. Die 20 Prinzipien der Macht Macht bedeutet, den Status anderer zu ändern. Macht steckt in jeder Beziehung und in jeder Interaktion. Macht steckt in all unseren Alltagshandlungen. Macht gewinnen wir, indem wir die anderen in den sozialen Netzen stärken und ihnen Macht verleihen. Gruppen verleihen denen Macht, die das Gemeinwohl fördern. Gruppen verleihen Ansehen, das die Einflussmöglichkeiten bestimmt. Gruppen belohnen die, die mit ihrem Status und ihrem Ansehen das Gemeinwohl fördern. Gruppen bestrafen die, die das Gemeinwohl mit Klatsch untergraben. Dauerhafte Macht erwächst aus Empathie. Dauerhafte Macht beruht auf Geben statt Nehmen. Dauerhafte Macht beruht darauf, Dankbarkeit zu zeigen. Dauerhafte Macht beruht darauf, Geschichten zu erzählen, die zusammenführen. Macht führt zu Defiziten an Empathie und moralischem Handeln. Macht führt zu einem eigennützigen, impulsiven Wesen. Macht führt zu Unhöflichkeit und Respektlosigkeit. Macht führt zu überheblichen Geschichten von Einzigartigkeit. Machtlosigkeit heißt, permanent Bedrohungen vor Augen zu haben. Stress führt zur Erfahrung von Machtlosigkeit. Machtlosigkeit untergräbt die Fähigkeit der Einzelnen, zur Gesellschaft beizutragen. Machtlosigkeit macht krank. 1 Macht auszuüben bedeutet, etwas in der Welt zu verändern Als ich vor 20 Jahren mit meinen Untersuchungen von Macht begann, wurde diese oft mit Zwang, Gewaltausübung und Herrschaft gleichgesetzt. Der Aufstieg und Fall der Nationen wurde mit militärischen Neuerungen wie der größeren Reichweite der Waffen begründet oder mit Eroberungen und dem Einfluss kriegerischer Aktivitäten auf die ökonomische Stärke eines Landes erklärt. Die Klassenverhältnisse wurden mit Begriffen wie Unterdrücker und Unterdrückter beschrieben und damit, wie die ökonomische Herrschaft und die Ausbeutung unser Bewusstsein bestimmt. Das Verhältnis der Geschlechter zueinander wurde unter dem Stichwort 'Unterwerfung' abgehandelt. Diese Gleichsetzung der Macht mit Gewaltausübung fand, wie erwähnt, ihren klarsten Ausdruck in Niccolò Machiavellis Fürst, diesem Buch, das jedes Jahr von Hunderttausenden von Studenten überall auf der Welt in den Geschichtsseminaren behandelt und in Schulen, Unternehmen und der Politik gelehrt wird. Während die Absichten Machiavellis beim Verfassen seines großen Werks kontrovers diskutiert werden, ist man sich über seinen großen Einfluss einig. Der Fürst gehört zu den hundert einflussreichsten Büchern, die je geschrieben wurden und hat die Handlungsweisen von einigen der mächtigsten Herrscher der Geschichte bestimmt. Robert Downs fasst den Platz des Buches in der Geschichte so zusammen: 'Die Liste der begeisterten Leser ist lang. Kaiser Karl V. und Katharina von Medici bewunderten das Werk. Oliver Cromwell beschaffte sich eine Abschrift des Manuskripts und übernahm die Prinzipien für die Herrschaft im Commonwealth. Heinrich III. und Heinrich IV. von Frankreich hatten Exemplare bei sich, als sie ermordet wurden. Der Fürst half Friedrich dem Großen, die preußische Politik zu gestalten. Ludwig XIV. benützte das Buch als ?liebsten Schlummertrunk?' ein Exemplar mit Notizen fand man in Napoleons Kutsche in Waterloo. Napoleon III. hat die Ideen für die Herrschaft in Frankreich hauptsächlich Machiavellis Buch entnommen, und auch Bismarck war ein eifriger Anhänger. In jüngerer Zeit hatte Hitler seinen eigenen Worten nach das Buch neben seinem Bett liegen, wo es eine ständige Quelle der Inspiration für ihn war. Benito Mussolini stellte fest: ?Ich glaube, dass Il Principe der beste Leitfaden für einen Staatsmann ist. Seine Doktrin ist heute noch lebendig, weil im Verlauf der 400 Jahre in den Köpfen der Menschen und im Handeln der Nationen keine tief greifenden Änderungen stattfanden.?' Der Fürst ist auch heute noch ein wichtiger Text bei der Ausbildung von Führungskräften. Einer der neueren Gelehrten, die sich mit Machiavelli auseinandersetzen, der Politologe Leo Strauss von der University of Chicago, stellte mit Recht fest, dass Machiavelli ein Lehrer des Bösen war und dass der Gewinn und Erhalt von Macht nichts mit Ethik zu tun hat, wie so viele irrtümlich meinen.5 Machiavelli hat sein Werk in einer Zeit extremer Gewalt geschrieben. Mord geschah hundertmal häufiger als heute, Vergewaltigungen wurden geduldet, Folter gehörte zu den öffentlichen Spektakeln und wurde oft von Gesangsaufführungen und Rezitationen von Gedichten begleitet. Der Missbrauch von Macht blieb weitgehend unkontrolliert: Nur wenige Menschen konnten lesen, es gab keinen Journalismus, der die Mächtigen in ihre Grenzen wies, und es gab kein organisiertes Militär, das ein Gewaltmonopol des Staates garantiert hätte. Die universellen Menschenrechte wurden wenig beachtet. Machiavellis Fürst lieferte eine Philosophie der Macht, die für derart gewaltbestimmte Zeiten geeignet war, in denen Macht
Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
INHALT6
EINLEITUNG8
Macht besitzen, heißt die Welt verändern zu können10
Macht wird uns von anderen verliehen11
Wir erringen und behalten Macht, indem wir andere in den Mittelpunkt stellen15
Der Preis des Machtmissbrauchs16
Der Preis der Machtlosigkeit17
Die neue Wissenschaft von der Macht18
1 MACHT AUSZUÜBEN BEDEUTET, ETWAS IN DER WELT ZU VERÄNDERN24
Macht bedeutet, den Status anderer zu ändern30
Macht steckt in jeder Beziehung und in jeder Interaktion33
Macht steckt in all unseren Alltagshandlungen38
Macht gewinnen wir, indem wir die anderen in den sozialen Netzen stärken und ihnen Macht verleihen40
Das Macht-Paradox entwickelt sich44
2 MACHT WIRD VERLIEHEN, MAN KANN SIE NICHT ERGREIFEN46
Gruppen verleihen denen Macht, die das Gemeinwohl fördern51
Gruppen verleihen Ansehen, das die Einflussmöglichkeiten bestimmt58
Gruppen belohnen die, die mit ihrem Status und ihrem Ansehen das Gemeinwohl fördern63
Gruppen bestrafen die, die das Gemeinwohl mit Klatsch untergraben67
Das Geschenk der Macht72
3 DER FOKUS AUF DIE ANDEREN SCHENKT DAUERHAFTE MACHT74
Dauerhafte Macht erwächst aus Empathie78
Dauerhafte Macht beruht auf Geben statt Nehmen86
Dauerhafte Macht beruht darauf, Dankbarkeit zu zeigen90
Dauerhafte Macht beruht darauf, Geschichten zu erzählen, die zusammenführen94
Verlust des Ziels und Machtmissbrauch99
4 MACHTMISSBRAUCH102
Macht führt zu Defiziten an Empathie und moralischem Handeln106
Macht führt zu einem eigennützigen, impulsiven Wesen117
Macht führt zu Unhöflichkeit und Respektlosigkeit127
Macht führt zu Geschichten von Einzigartigkeit129
Warnzeichen des Macht-Paradoxes134
5 DER PREIS DER MACHTLOSIGKEIT136
Machtlosigkeit heißt, permanent Bedrohungen vor Augen zu haben141
Stress führt zur Erfahrung von Machtlosigkeit145
Machtlosigkeit untergräbt die Fähigkeit der Einzelnen, zur Gesellschaft beizutragen149
Machtlosigkeit führt zu schlechter Gesundheit152
Das Macht-Paradox überwinden154
Epilog DER FÜNFFACHE WEG ZUR MACHT158
DANK164
BILDNACHWEISE166
ANMERKUNGEN168
REGISTER200

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