2 Grundsätzliches
2.1 Stundenprofile/Stundenaufbau
Jeder Aerobic-Trainer muss sich zur effektiven Planung und Durchführung einer Aerobic-Stunde mit deren Zielen, Aufbau und den entsprechenden Inhalten beschäftigen. So kann er die Trainingsstunden sicher und zielgerichtet für seine Teilnehmer gestalten.
2.1.1 Die Struktur einer Aerobic-Stunde
Jede Aerobic-Stunde hat eine spezifische Gliederung, je nach Trainingsschwerpunkt. Hauptsächlich werden in einer Aerobic-Stunde folgende motorische Grundkomponenten trainiert:
- Ausdauer
- Kraft
- Beweglichkeit
- Koordination.
Flexible und konstante Phasen
Wir unterscheiden nach Sechs-Phasen-Stunden und Vier-Phasen-Stunden.
In der Aerobic-Stunde gibt es konstante und flexible Phasen. Das Warm-up, Cool down und Post-Stretch bleiben vom zeitlichen Umfang konstant (konstante Phase). Die Hauptphasen, das Cardiotraining und das Workout, können, je nach zeitlichem Umfang und Trainingsschwerpunkt, variieren (flexible Phase).
Die Sechs-Phasen-Stunde wird üblicherweise so strukturiert, dass die Cardiophase die erste flexible Phase und Workout die zweite ist. Alternativ dazu kann folgende Anordnung der Stundenphasen eingesetzt werden:
Übergang zum Stand, Muskeln lockern & | 3-5 Minuten |
Tab. 1: Alternative Sechs-Phasen-Stunde
Vor- und Nachteile unterschiedlicher Anordnungen einer 6-Phasen-Stunde
Die klassische Sechs-Phasen-Stunde (zuerst Cardiophase, später Workout) legt den Schwerpunkt auf das Cardiotraining. Nach dem Warm-Up ist der Teilnehmer sowohl konzentriert als auch im Besitz seiner vollen Kräfte – die Cardiophase läuft unter besten Voraussetzungen. Dies entspricht der ursprünglichen Bedeutung des Aerobic-Trainings als Herz-Kreislauf-Training. Die Belastung der Cardiophase reicht jedoch aus, um eine Ermüdung hervorzurufen, die sich negativ auf das Workout auswirkt. Der Teilnehmer hat sowohl körperlich als auch von der Koordination einiges geleistet und muss deshalb beim Workout einen Abstrich in Kauf nehmen. Die zuerst trainierte Hauptphase hat Vorrang. Ein Nachteil bei dieser Reihenfolge ist die Tatsache, dass der Teilnehmer oft nach der schweißtreibenden Cardiophase schnell auskühlt, besonders dann, wenn Bodenübungen ein Teil des Workouts sind.
Die alternative Sechs-Phasen-Stunde (zuerst Workout, später Cardiophase) gibt dem Workout Priorität, da dieses zuerst trainiert wird. Das wirkt sich positiv auf die Übungsqualität und auf die Motivation des Teilnehmers aus, sich beim Workout durchzubeißen. Die Cardiophase wird jetzt jedoch ermüdet durchgeführt. Das bedeutet einen Abstrich beim Cardiotraining, sowohl von der Intensität als auch von der Koordination. Vorteilig an dieser alternativen Reihenfolge ist die Spannungskurve der Stunde. Der große Spaß der Cardiophase wird in die zweite Stundenhälfte verlagert nachdem zu Beginn der Stunde konzentriert und mit ausgezeichneter Übungsqualität das Workouttraining durchgeführt wurde.
Bei der Wahl der Reihenfolge der Sechs-Phasen-Stunde sollte der Trainer sich zuerst Klarheit über sein Hauptziel verschaffen. Lautet dieses Cardiotraining, so soll die klassische Reihenfolge gewählt werden. Ist das Workouttraining von hoher Bedeutung, so ist die alternative Reihenfolge zu wählen.
Bei den Vier-Phasen-Stunden unterscheiden wir reine Cardiostunden von Stunden mit dem Hauptziel Muskelkräftigung. Alle Phasen bleiben konstant. Ausschließlich die Länge des Hauptteils kann in Abhängigkeit von der Stundenlänge variieren.
| Cardiostunde | Workout-Stunde |
Warm-up | 7-10 Minuten | 7-10 Minuten |
Cardiophase 3 | 30-45 Minuten | — |
Post-Stretch | 7-10 Minuten | 7-10 Minuten |
Tab. 2: Vier-Phasen-Stunde
2.1.2 Ziele und Inhalte der Stundenphasen
2.1.2.1 Warm-up
Warm-up
Eine Aerobic-Stunde beginnt mit der Aufwärmphase, dem Warm-up. Das Ziel des Warm-ups besteht darin, den Körper langsam auf die sich anschließende Belastung im Hauptteil der Stunde vorzubereiten. Für die Dauer und Dosierung der Intensität des Warm-ups spielen folgende Faktoren eine beachtliche Rolle:
- Fitnesslevel der Teilnehmer Bei fortgeschrittenen Teilnehmern bewegt sich das Warm-up an der oberen Zeitgrenze. Die ökonomische Arbeit von Herz-Kreislauf-System und Muskulatur auf Grund des guten Trainingszustands führt zu einer langsam ansteigenden Anpassung an die Belastung. Auch die größere Muskelmasse, die in der Regel bei gut Trainierten vorzufinden ist, verlangt nach einer längeren Erwärmung. Die Intensität der Bewegungen kann im Verlauf des Warm-ups allerdings schneller gesteigert werden.
- Alter der Teilnehmer Für ältere Menschen empfiehlt es sich, das Warm-up auszudehnen und mit geringer Intensität und einfachen Bewegungen zu arbeiten.
- Tageszeit Es empfiehlt sich, am Morgen langsamer und länger aufzuwärmen.
- Umgebungstemperatur Bei niedriger Raumtemperatur bewegt sich das Warm-up an der oberen Zeitgrenze. Die Intensität in den ersten Minuten wird niedrig gehalten.
Das Warm-up hat verschiedene Wirkungen auf Muskulatur, Gelenke, Herz-Kreislauf-System, Nervensystem und dient damit der psychischen und physischen Einstimmung der Teilnehmer auf das Training.
Erhöhung der Körpertemperatur
Durch die Bewegung von möglichst vielen Muskeln entsteht Wärme, was zur Erhöhung der Muskeltemperatur führt. Diese Wärme wird über das Blut abgeleitet, hierbei steigt die Körpertemperatur um 1-2° C an. Bei den erhöhten Temperaturen laufen viele Stoffwechselvorgänge im Muskel besser ab. Durch die Weitstellung der Kapillargefäße sowie die Öffnung bisher in Ruhe verschlossener Kapillare wird die Muskulatur mehr durchblutet. Sauerstoff und andere energieliefernde Stoffe werden besser antransportiert und Stoffwechselendprodukte besser abtransportiert. Die Restwärme wird über die Haut abgeleitet. Der Sportler beginnt zu schwitzen.
Erhöhung der Herzfrequenz
Um die Arbeitsmuskulatur ausreichend mit Blut zu versorgen, steigt die Herzfrequenz (Anzahl der Herzschläge pro Minute). Das Schlagvolumen des Herzens erhöht sich, d. h., durch eine kräftigere Kontraktion des Herzens wird pro Kontraktion mehr Blut in den Körperkreislauf ausgeworfen. Das bedeutet, das Herzminutenvolumen (HMV) steigt an.
Herzminutenvolumen (HMV) = Schlagvolumen (SV) x Herzfrequenz (HF)
Auch das Atemminutenvolumen (AMV) nimmt zu, durch eine schnellere (Atemfrequenz) und eine tiefere Atmung (Atemzugvolumen) wird der Muskulatur durch das Blut mehr Sauerstoff zugeführt.
Atemminutenvolumen (AMV) = Atemfrequenz (AF) x Atemzugvolumen (AZV)
Zusätzlich findet eine Umverteilung der zirkulierenden Blutmenge statt. Die Durchblutung von Organen, wie zum Beispiel Nieren, Magen oder Darm usw., wird zu Gunsten der Arbeitsmuskulatur eingeschränkt.
Produktion von Synovialflüssigkeit
Bei der Be- und Entlastung durch große Bewegungen des Gelenks im unbelasteten Zustand wird mehr Gelenkflüssigkeit (Synovialflüssigkeit) von der Kapselinnenhaut produziert. Dadurch nimmt der Reibungswiderstand zwischen den Gelenkflächen ab. Zum Teil saugt sich der Gelenkknorpel wie ein in Wasser getauchter Schwamm mit Gelenkflüssigkeit voll und wird dadurch dicker, d. h., seine Pufferfunktion bei Druckbelastungen verbessert sich.
Auch die Elastizität der Bandstrukturen der Gelenke nimmt zu.
Wirkungen auf das Zentralnervensystem und die Psyche
Durch die erhöhte Muskeltemperatur erhöht sich die Erregbarkeit der Motoneurone in der Muskulatur und den Sehnen. Die Leitungsgeschwindigkeit der Nervenimpulse wird gesteigert. Dadurch verbessert sich wiederum die Kontraktionsgeschwindigkeit sowie die Reaktionsgeschwindigkeit der Muskulatur und somit die koordinative Leistungsfähigkeit.
Das Aufwärmen führt zu einer Aktivierung bestimmter Gehirnstrukturen. Es kommt zu einem erhöhten Wachzustand und einer verbesserten optischen Wahrnehmung. Die Teilnehmer lenken ihre Aufmerksamkeit weg von den Anforderungen des Alltags, hin zur Bewegung und der sportlichen Belastung. Durch eine gute Kommunikation (s. Kap. 4 „Kommunikation”) fördert der Trainer Spaß und Vorfreude. Er baut das Vertrauen der Teilnehmer zu sich und deren Selbstvertrauen auf. Es entsteht eine motivierende Atmosphäre.
Tab. 3: Positive Wirkungen des...