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Das oder dass? Behandlung eines orthographischen Dauerproblems in Lehrmaterialien

AutorMarion Marmulla
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl100 Seiten
ISBN9783668573239
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis34,99 EUR
Examensarbeit aus dem Jahr 2011 im Fachbereich Didaktik - Deutsch - Pädagogik, Sprachwissenschaft, Note: 1,0, Pädagogische Hochschule Heidelberg (Germanistik), Sprache: Deutsch, Abstract: In den Vorüberlegungen zu einer Reform der deutschen Rechtschreibung schreibt Peter Eisenberg, dass es schwierig sei, für eine Schrift wie die des Deutschen zu entscheiden, welche Regelungen Vereinfachungen mit sich bringen und welche nicht. Er bezieht dies unter anderem auf die Regelung, unter welchen Bedingungen die verschiedenen s-Laute s, ss und ß verwendet werden. Im Zuge der Rechtschreibreformen von 1996 und 2006 wurde das ß der Konjunktion 'daß' durch ss ersetzt, um die Regel 'ss-Schreibung nach kurzem Selbstlaut' zur Vereinfachung durchgängig einheitlich zu gestalten. Reformvorschläge, die Unterscheidungsschreibung komplett aufzuheben, scheiterten spätestens mit dem Argument des besseren und schnelleren Leseverständnisses. Diese Vereinheitlichung hat aber die Fehleranzahl bei der Unterscheidungsschreibung von 'das/dass' keineswegs verringert; nach wie vor gilt, dass das Wörtchen 'dass' bis heute das mit Abstand am häufigsten falsch geschriebene Einzelwort der deutschen Sprache geblieben ist.

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Leseprobe

4 Problemanalyse und Fehlerbestimmung


 

Der folgende Abschnitt soll die Frage klären, was in der Ontogenese des Schriftspracherwerbs bei Kindern zwischen dem 7. und 13. Lebensjahr passiert, und zwar in Hinblick auf die Aneignung der Unterscheidungsschreibung. Im Rückblick auf die sprachhistorische Entwicklung der Subjunktion dass und der sich damit herausbildenden Nebensatzkonstruktionen kann man erkennen, dass die Heterographie durchaus kein grammatikalisch festgelegter „Willkürakt“ ist, sondern sich sprachgeschichtlich im Laufe der Jahrhunderte herausgebildet hat Der Forderung nach einer Aufhebung der Unterscheidungsschreibung kann man infolge dessen nicht so ohne weiteres nachgeben, auch wenn die Subjunktion nach wie vor das am häufigsten fehlgeschriebene Wort ist. Die deutsche Sprache bietet die Heterographie an; daher ist die ausgesprochen didaktische Fragestellung angezeigt: Welchen Sinn hat es, sich mit ihr zu beschäftigen? Dahinter steht zunächst die Frage, was eigentlich passiert, wenn Schüler lernen, den Unterschied orthographisch korrekt zu markieren.

 

Wichtig scheint es in diesem Zusammenhang zu sein, welche Mittel der Unterricht den Schülern an die Hand gibt und welche Prozesse in der kognitiven Entwicklung ablaufen, um zu einem erfolgreichen Schreiber[11] zu werden. Interessant ist hierbei zu erfahren, inwiefern die erfolgreichen Schreiber Auskunft darüber geben können, worin der Grund dafür besteht, dass sie die Unterscheidungsschreibung sicher beherrschen. Denn trotz hoher Fehlerquote in den Statistiken beherrschen mehr Schreiber die Verwendung der Subjunktion sicher.

 

Die in Abb. 1 dargestellte Entwicklung beschreibt die Aneignung der Unterscheidungsschreibung vom 2. bis zum 10. Schuljahr. Feilke (1998) wertete dafür etwa 200 Schüleraufsätze aus einem größeren Textkorpus aus: Im Zeitraum der Klassen 2 bis 4 ist nur ein geringer Anstieg zu erkennen; zwischen dem 4. und 7. Schuljahr steigt die Quote der Richtigschreibungen auf über 90%; besonders deutlich wird der Sprung

 

 

Abb. 1: Aneignung der Unterscheidungsschreibung in Prozent pro Schuljahr(nach Feilke 1998, 18)

 

zwischen dem 6. und dem 7. Schuljahr. Es gibt also eine (große) Gruppe von Schreibern, die es im Laufe der Zeit lernt, die Heterographie im Wesentlichen korrekt umzusetzen.

 

4.1 Kognitiver Lernprozess von Schülern


 

Mit wachsender Sprachbewusstheit der Kinder, mit der daraus resultierenden Spracheinsicht und der gleichzeitigen Unterweisung in Grammatik sollte man davon ausgehen können, dass die Differenzierung von das und dass komplikationsloser zu bewältigen ist als manch andere Orthographieprobleme. Das ist jedoch nicht der Fall, wie Beobachtungen im Unterricht und empirische Untersuchungen belegen (vgl. Funke 2002, 2).

 

Man muss sich also die Frage stellen, was eigentlich passiert, wenn Schüler lernen, den Unterschied orthographisch korrekt zu markieren. In der Forschung werden zwei Hypothesen diskutiert: Die Kontrollhypothese geht davon aus, dass ein Schreiber die Heterographie vom Kontext her überwacht und daher richtig schreibt, bei der Verwechslungshypothese nimmt man an, dass erfolgreiche Schreiber die Subjunktion mit dem Relativpronomen nicht mehr verwechseln. Beide Hypothesen sind aus nachvollziehbaren Gründen umstritten (vgl. Funke 2002, 3f.), sie sollen aber dennoch der Vollständigkeit wegen an späterer Stelle veranschaulicht werden. Erhellender für die Klärung der Fragestellung ist es allerdings, wenn man betrachtet, wann sich die Kinder die Unterscheidungsschreibung aneignen.

 

4.1.1 Schüler im Grundschulalter


 

Das Wort das ist bereits im Vorschulalter im gesprochenen Wortschatz der Kinder vorhanden und wird die gesamte Grundschulzeit über als polyvalenter Ausdruck verwendet; dabei gilt, dass

 

die schriftsprachliche, konzeptionelle Grammatikalisierung und mediale Auszeichnung der Konjunktion […] freilich im Schreiben erst noch anzueignen ist (sic!) (Küttel 2003, 388).

 

Prozentual sind das Demonstrativpronomen und die Konjunktion am häufigsten vertreten, das Relativpronomen und der Artikel spielen eine nur geringfügige Rolle.

 

Feilke (2001) zitiert in seiner Untersuchung einige Beispiele, die die Problematik treffend veranschaulichen:

 

Ich finde Hausaufgaben schön. Ich finde das die Schule schön ist (Klasse 2).

 

Ich finde es gut das es Hausaufgaben (sic!), weil die Schüler etwas lernen sollten. Aber auf der anderen Seite finde ich es blöd das wir Kinder […] (Klasse 3).

 

Also ich finde das nicht richtig das es keine Hausaufgaben mehr geben soll (Klasse 4) (Feilke 2001, 117).

Feilke beschreibt ein stereotypes Muster, nach dem Grundschulkinder mit Sätzen wie den oben abgebildeten verfahren: 1.Pers. Singular + subjektives Verb (finden, glauben, meinen) + Konjunktion:

 

Ich finde das Hausaufgaben abgeschafft werden sollten, weil….

 

Dieses Muster wird laut Feilke erst nach und nach ab dem 7. Schuljahr abgelöst, das als Konjunktion wird nun ersetzt durch das grammatikalisch und orthographisch korrekte dass.

 

In der Primarstufe – und auch in den weiterführenden Schulen – hingegen liegt das Pronomen das wohl zunächst noch als unmarkierte Form vor, das bedeutet, dass der Schüler diese Schreibung automatisch und ohne Überlegungen oder gezielte Aufmerksamkeit wählt, da sie schon lange in seinem Sprachrepertoire vorhanden ist. Daraus würde sich auch erklären, dass die Schreibung von das statt dass weitaus häufiger vorkommt als umgekehrt (vgl. Funke 2002, 3).

 

Die empirische Untersuchung von Sabine Afflerbach (1997) zeigt andere Ergebnisse als die Überlegungen von Feilke. In der 2. und besonders in der 3. Klasse werden ihrer Beobachtung nach so gut wie keine Nebensätze mit konjunktionalen dass-Anschluss produziert; die – teilweise korrekte – Schreibung und Kommatierung tritt zum ersten Mal im 4. Schuljahr auf. Afflerbach sieht einen engen Zusammenhang zwischen Kommatierung und Rechtschreibung. Sie beschreibt es als „kognitive Verknüpfung des orthographischen Aspektes ‚scharfes ßʼ mit einem interpunktorischen ,Komma davorʼ“ (Afflerbach 1997, 211) und unterstreicht damit ein Zusammenwirken der Heterographie mit der Signalwirkung des Kommas. In der Untersuchung von Feilke (1997) wird auf der Grundlage von mehr als 200 Schülertexten deutlich, dass die Subjunktion bereits in der ersten Klasse eine wichtige Rolle in selbst verfassten Schülertexten spielt; sie kommt vor allem in formulierten Meinungsäußerungen vor. Übereinstimmend jedoch sehen beide Untersuchungen die Hauptfehlerquelle in der fehlenden Setzung der Kommata.

 

4.1.2 Schüler in Sekundarstufe I und II


 

Zunächst ist allgemein eine enorme Steigerung der Verwendung der dass-Anschlüsse in der 5. Klasse im Gegensatz zur 4. Klasse zu verzeichnen, die allerdings zum Großteil falsch geschrieben werden (vgl. Afflerbach 1997, 209).

 

Zwischen dem 4. und dem 6. Schuljahr kann man eine vom Schreiben her motivierte Steigerung der grammatischen Komplexität der Sätze beobachten, in der die Differenzierung der demonstrativen und konjunktionalen Form von das sinnvoll wird. Der Hauptsatz wird also im Laufe dieser Entwicklung syntaktisch zunehmend autonom – was ein entscheidendes Strukturmotiv für die Markierung einer Satzgrenze bedeuten könnte. Beispiele:

 

Ich finde es gut, dass…

 

Ich bin dagegen, dass…

 

Das Vorziehen des Komplements könnte ein Ausdruck der Einsicht des Lernenden in die grammatische Struktur des komplexen Satzes sein (vgl. Feilke 1998, 26).

 

Ferner kann man ab der 4. Jahrgangsstufe Schwankungen im Gebrauch der konjunktionalen Form und des Demonstrativpronomens feststellen. Diese Schwankungen lassen sich bis zur 6. Klasse beobachten. Ursache dafür könnte sein, dass das ursprünglich vorausweisende Demonstrativpronomen mit dem Bindewort in einen so genannten „Schemakonflikt“ (Küttel 2003, 388; Feilke 2001, 118; Menzel 2008, 98) gerät. Beispiel:

 

Ich glaube dir das: à Du sagst die Wahrheit!

 

Ich glaube dir, dass à du die Wahrheit sagst.

 

Hier wird das hinweisende Fürwort das ersetzt durch die Subjunktion dass; kataphorisch steht das im ersten Satz als Objekt und wird nun als Einleitung des Nebensatzes im Satzgefüge nach hinten verschoben.

 

Ab der 7. Klasse finden mehrere Entwicklungen statt. Zum einen steigt die Zahl der gebildeten Nebensätze in den weiterführenden Schulen stark an. Weitgehend ausdifferenziert sind nun auch die Kenntnisse über konjunktionale und adverbiale Verknüpfungsmöglichkeiten, was parallel zu einer gesteigerten Verwendungshäufigkeit der verwendeten Subjunktion dass führt. Zum zweiten findet entwicklungspsychologisch betrachtet eine sogenannte „Reanalyse“ statt, welche der...

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