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Das Orchester ist tot, es lebe das Orchester! Erfolgsfaktoren für die Zukunftssicherung von Orchestern

Das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin

AutorSören von Billerbeck
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl64 Seiten
ISBN9783668080041
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis29,99 EUR
Diplomarbeit aus dem Jahr 2014 im Fachbereich Kulturwissenschaften - Sonstiges, Note: 1,7, Hochschule für Musik und Theater Hamburg (KMM Institut für Kultur- und Medienmanagement), Veranstaltung: Kulturmanagement, Sprache: Deutsch, Abstract: Die Situation der deutschen Orchester hat sich innerhalb der letzten fünfundzwanzig Jahre drastisch verändert. Einerseits wuchs die Zahl der Kulturorchester durch die politische Wiedervereinigung Deutschlands. Andererseits sind seitdem 39 Ensembles aufgelöst bzw. fusioniert worden. Bei den Rechtsformen zeigt sich mittlerweile ein Trend hin zu mehr Eigenständigkeit und Arbeit unter wirtschaftlichen Bedingungen. Eigenbetriebe, Stiftungen und GmbHs wurden gebildet, um Kosten zu sparen und die nötige Flexibilität beim Betrieb der Orchester zu erreichen. Insgesamt ist zu beobachten, dass sich wissenschaftliche Erkenntnisse über Kulturmanagementprozesse, beispielsweise aus den USA mit ihrer vergleichsweise sehr geringen öffentlichen Finanzausstattung, hierzulande durchsetzen. Spielpläne unterliegen oft nicht mehr nur der künstlerischen Planung, sondern berücksichtigen viel mehr als früher auch Besucherbedürfnisse. Da sich das Orchesterpublikum in seiner Altersstruktur wandelt, müssen neue Wege der Besucherbindung gefunden werden, um diesem Prozess entgegen zu wirken. Um nicht irgendwann vor leeren Konzertsälen zu spielen, ist es unabdingbar, neue Besucherschichten durch angepasste Programmatik zu gewinnen, ohne die künstlerische Identität aufzugeben. Daraus resultiert eine Gratwanderung im Spannungsfeld zwischen Besucherzahlen, Mainstream, Anspruch und Kulturauftrag.

Der Bariton Sören von Billerbeck, geboren in Mühlhausen/ Thüringen, begann seine musikalische Ausbildung mit dem Besuch der Spezialschule für Musik in Wernigerode, studierte später an der Hochschule für Musik 'Carl Maria von Weber' in Dresden bei Frau Prof. Heidi Petzold. Als Mitglied der a cappella Gruppe 'Die Weimarer Hofsänger' führten ihn Gastspiele durch ganz Deutschland, nach Österreich, Frankreich, Italien und Griechenland. In dieser Zeit entstanden zahlreiche Fernseh-, Rundfunk- und CD Produktionen. 1998 war er Stipendiat und Preisträger beim Wettbewerb des Deutschen Musikrates in der Kategorie Kammermusik. Als Gast führten ihn diverse Opernpartien an die Oper Innsbruck und die Staatsoper 'Unter den Linden' Berlin. Als Solist wurde er für zahlreiche Konzert- und Opernpartien verpflichtet u.a. beim Deutschen Sinfonieorchester Berlin, den Berliner Philharmonikern, dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin, der Akademie für Alte Musik Berlin und dem Berliner-Sinfonie-Orchester. Dabei hatte er Gelegenheit unter namhaften Dirigenten zu singen, so u. a. Ton Koopman, René Jacobs, Simon Rattle, Michael Gielen, Marek Janowski und Ingo Metzmacher. Unter der Leitung von Simon Halsey sang er das Bariton-Solo in 'Ein deutsches Requiem' von Johannes Brahms in Konzerten mit dem Rundfunk-Sinfonierorchester Berlin, sowie in einer Fassung für Klavier zu vier Händen in Berlin, Kopenhagen und Bonn. 2013 gastierte er mit dieser Partie in Lund/ Schweden. Aktuell sang Sören von Billerbeck die Partie des Petrus in der 'Matthäuspassion' von J. S. Bach unter der Regie von Peter Sellars unter der musikalischen Leitung Sir Simon Rattles in Berlin, sowie auf Tourneekonzerten der Berliner Philharmoniker in Luzern, London und New York. 2006 gründete er den Filmchor Berlin, der unter anderem an Filmmusikproduktionen diverser Hollywood-Produktionen beteiligt war. An der Hochschule für Musik und Theater Hamburg absolvierte er zwischen 2006 und 2014 ein Diplom- Aufbaustudium am dortigen Institut für Kultur- und Medienmanagement KMM.

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Leseprobe

Teil 2: Erfolgsfaktoren für die Zukunftssicherung von Orchestern


 

2. Kulturmanagement: Ansätze/ Instrumente/ Maßnahmen


 

„Paradoxerweise ist es gerade das subventionierte Kulturschaffen, das dem Publikum mithilfe von Werbung und Public Relations etwas beliebt machen muss, was dieses (noch) nicht versteht und nicht sehen oder hören will: zum Beispiel zeitgenössische Werke der Bildenden Kunst, der E-Musik oder des Tanztheaters.“[34]

 

Kommerzielle Kulturbetriebe nutzen schon immer Marketinginstrumente für die Umsetzung ihrer Projekte unter wirtschaftlicher Prämisse. Bei Non-Profit Kulturunternehmen, also vorrangig bei öffentlich finanzierten Kulturbetrieben, ist bisher eher „Marketing aus dem Bauch“ anzutreffen.[35] Aber auch bei den öffentlich geförderten Kulturunternehmen hat in den letzten Jahrzehnten ein Umdenken begonnen. Mit dem Einspardruck im Bereich der Kulturhaushalte der Kommunen und Länder kam es - wie beschrieben - vermehrt zu veränderten und angepassten Rechtsformen bei den öffentlichen Kulturbetrieben. Waren bis zur Wiedervereinigung beider deutschen Staaten Begriffe wie „Marketing“ und „Einnahmensteigerung“ eher bedeutungslos, wurden sie in den letzten Jahren immer wichtiger für das Überleben von Kultureinrichtungen. Permanente Kostensteigerungen durch Inflation, erhöhte Betriebskosten und Lohnanpassungen werden nicht mehr automatisch durch Haushaltsaufstockungen finanziert. Kulturinstitutionen und Medien haben längst mit knapperen Haushalten und wachsender Konkurrenz zu kämpfen. Das „klassische“ Publikum ist heute ein anderes. Die Abonnentenzahlen scheinen allerorten zurück zu gehen und junges Publikum wächst nicht selbstverständlich nach.[36] Die Konkurrenz auf dem Gebiet des Live-Erlebens wächst von Jahr zu Jahr. Frei finanzierte, klassiknahe Events und Festivals verzeichnen immense Zuwächse. In diesem Umfeld müssen sich öffentliche Kulturbetriebe neuer Strategien bedienen, wie das in der freien Wirtschaft üblich ist. Diese Entwicklung ist eine Herausforderung, die als Chance und Möglichkeit begriffen werden sollte.

 

Um das Kulturmarketing in seiner Bedeutung für die Zukunftssicherung von Orchestern herauszustellen, soll der Begriff Marketing und dessen Anwendung in der Kultur im Folgenden schrittweise erläutert werden.

 

2.1. Marketing/ Kulturmarketing


 

Klein stellt heraus: es gibt Bedürfnisse und deren Zufriedenstellung. Der Ort, an dem dieser Prozess zwischen Anbieter und Nachfrager stattfindet, ist der Markt. Klein definiert Marketing zunächst grob als Austausch von Dingen oder Leistungen von Wert und die Beeinflussung dieses Prozesses.[37] Günter und Hausmann definieren Marketing als marktorientierte Unternehmensführung.[38] Marketing ist also ein Prozess, bei dem bestimmte Gegebenheiten und Abläufe miteinander in Beziehung treten, um mit dem vorhandenen Markt erfolgreich in Interaktion zu treten.

 

Bekannt ist der klassische Marketingmix, der sich unterteilt in Produkt, Kommunikation, Distribution und Preis, den vier Säulen des Marketings. Das Zusammenwirken aller vier Merkmale kennzeichnet das Marketing. Aus der klassischen Situation des Marktes wurde die Begrifflichkeit des Marketings auf die Kultur übertragen. Der Hauptunterschied hierbei ist die Definition und Stellung des Produktes. Fischer entwickelt Kulturmarketing aus zwei Marketingmerkmalen, dem wirtschaftlichen Ansatz und dem kulturellen Ansatz. Während beim wirtschaftlichen Ansatz der Markt den Ausgangspunkt bildet, wird das Produkt beim kulturellen Ansatz oben angesiedelt und mündet letztlich in dem Markt. Gerade das Produkt ist entscheidend für eine Definition des Kulturmarketings.

 

Da Kulturmarketing am Beispiel von Kulturorchestern gezeigt werden soll, ist das Hauptaugenmerk hier auf Non-Profit Unternehmen in öffentlicher Trägerschaft gelegt.

 

In Anlehnung an Lenders ist festzustellen, dass dabei lediglich im Ziel unterschieden wird.[39] Der Weg zum Erreichen des Grundsatzes ist in Teilen identisch. Das Produkt ist im privatwirtschaftlichen Bereich Teil der variablen Beziehungen des klassischen Marketingmix.

 

Das Produkt im kulturellen Sinne ist jedoch die einzig feste Größe.[40]

 

Klein gibt für den Non-Profit-Bereich zu bedenken, dass durch das feststehende Produkt, keine Anpassungsmöglichkeit bestehe, somit das Instrument Produktanpassung rein numerisch im dynamischen Prozess der Marketinginstrumente fehle.[41]

 

 

Zieltrias im Kulturmarketing nach Klein[42] (Abbildung des Autors)

 

Zwei Ziele sollten im öffentlichen Kulturbetrieb bestmöglich umgesetzt werden, um die inhaltlichen Zielsetzungen so gut wie möglich zu realisieren und dabei den beabsichtigten, möglichen Besucherkreis optimal zu erreichen.[43]

 

Das Produkt habe gerade durch die öffentliche Förderung die Aufgabe, gesellschaftspolitische Vorgaben zu erfüllen und sei damit feststehend definiert. Andernorts führt Klein aus, sei es öffentlich geförderten Kultureinrichtungen nicht möglich, sich mit ihren Produkten beliebig an den Publikumsgeschmack anzupassen, denn es gehe vorrangig um „...die möglichst optimale Realisierung ihrer jeweiligen künstlerischen, kulturellen, ästhetischen, bildungspolitischen usw. Zielsetzung.“[44]

 

Diese Aussage ist in Frage zu stellen, versteht man unter Produkt nicht nur das Orchester mit seinem „kulturellen Archiv“[45], sondern bezieht auch die Bereitschaft, sich inhaltlich auf Besucherbedürfnisse einzulassen mit ein. Im Unterpunkt Audience Development wird dieser Ansatz weiter ausgeführt. Das Produkt ist nicht starr zu betrachten, es kann flexibel sein, ohne sich in seiner Grundstruktur (Identität und kulturpolitischer Auftrag) zu verschieben, oder sich dem Nutzer „anzubiedern“. Es geht darum, jederzeit eine „gesunde“ Balance im Mix der generellen Aktivitäten des jeweiligen Kulturbetriebes zu finden. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, sein Publikum zu kennen, mögliche neue Publikumsschichten zu erforschen und deren Bedürfnisse mit programmatischen Ansätzen anzusprechen. Die Art, in der eine Besucherorientierung stattfinden kann, ist ein diffiziles Feld. Eine völlige Neuausrichtung auf den Publikumsgeschmack würde die Identität und damit auch die Authentizität der Institution verleugnen und ist somit ausgeschlossen. Gute Ansätze findet man im Audience Development und im Audiencing. Es geht generell um die richtige Mischung, die sich in der Praxis ergeben wird.

 

Gerade an der Betrachtung des Produktes scheiden sich die Fälle von möglichem und unmöglichem Kulturmarketing. Während eine Mehrheit der deutschen Kulturorchester immer noch auf „Bauchmarketing“[46] vertraut, könnte das Anwenden von Kulturmarketing-Prozessen mit seinen jeweiligen Instrumenten ein wichtiger und zukunftsweisender Lösungsansatz sein.

 

Der Kern ist die Frage nach der Stellung des Produktes in der Vermarktungskette.

 

Legt man den Demand Pull Ansatz zugrunde, so sind die Besucherbedürfnisse aufzuspüren und mit der Entwicklung entsprechender Produkte zu befriedigen.[47] Beim Supply Push Ansatz steht das Produkt bereits fest und wird durch „...geeignete Marketingstrategien und –instrumente den Zielgruppen nähergebracht...“[48].

 

Auch wenn es auf den ersten Blick absurd erscheint, können beide genannten Ansätze auf das Kulturmarketing öffentlich geförderter Kultureinrichtungen übertragen werden. Speziell für die Arbeit von Orchestern ist die Mischung aus dem Erforschen der Besucherbedürfnisse einerseits und dem Etablieren der Kunst als Kernprodukt andererseits sehr gut vorstellbar. Sie erschließt neue Möglichkeiten für optimal angepasste und gut ausbalancierte Programme (Produkte).

 

2.1.2. Kulturprodukt

 

„Die meisten Kulturprodukte können als komplex bezeichnet werden, besonders wenn sie spezifische Kenntnisse oder den Umgang mit abstrakten Begriffen erfordern, um vom Konsumenten als schätzenswert empfunden zu werden. Die Komplexität ist noch größer, wenn ein Konsument mit einem bestimmten Produkttypus nicht vertraut ist.“[49]

 

„Marketing bedeutet strategisches Vermarkten. Und das ist nicht anrüchig?“[50]

 

Nimmt man die Theorie von Lenders auf, so ist festzustellen, dass sich privatwirtschaftliche und Non-Profit-Unternehmen im folgenden Merkmal grundsätzlich unterscheiden. Während bei privatwirtschaftlichen Unternehmen monetäre Ziele (Gewinn, Umsatz und Wachstum) im Vordergrund stehen, verfolgen Non-Profit-Unternehmen vorrangig nichtmonetäre Ziele (Erfüllung sozialer und gesellschaftspolitischer Prinzipien).[51] Klein stellt fest, dass öffentlich unterstützte Kultureinrichtungen „...Nachfrager kulturell bilden oder deren ästhetisches Bewusstsein fördern oder einen...

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