Sie sind hier
E-Book

Das private Leben der Bismarcks

AutorWaltraut Engelberg
VerlagPantheon
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl240 Seiten
ISBN9783641123727
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis11,99 EUR
Ein einzigartiges Buch über die Bismarcks
Otto von Bismarck ist die prägende Gestalt in der deutschen Politik des 19. Jahrhunderts und hat als Reichsgründer und Machtpolitiker deutsche Geschichte geschrieben. Die private Welt, in der er lebte und aus der er Kraft schöpfte, blieb bislang eher im Dunkeln. Waltraut Engelberg beleuchtet dieses vernachlässigte Gebiet und erzählt von den prägenden Erlebnissen in Kindheit und Jugend, von den ersten Lieben, von der fast fünf Jahrzehnte währenden Ehe mit der tiefreligiösen und häuslichen Johanna von Puttkamer und vom Familienleben im Hause Bismarck.

Bismarck privat: Die lebhaften Schilderungen von Bismarcks Naturverbundenheit und Jagdleidenschaft, von häuslichen Gewohnheiten bei Tisch und in Gesellschaft gewähren überraschende Einblicke in den Alltag der Bismarcks, aber auch in das Seelenleben des 'eisernen Kanzlers'. Auf anschauliche, oft amüsante Weise tritt der Mensch Otto von Bismarck aus dem Schatten des Staatsmannes hervor. Aber auch Bismarcks Frau, Johanna von Puttkamer, wird ausführlich betrachtet. Johanna nahm an der politischen Welt ihres ehrgeizigen und weltläufigen Mannes nicht teil, sondern gab ihm die Ruhe zu Hause, die er offenbar brauchte. Waltraut Engelberg schreibt über viele neue Aspekte, die sie erst in den letzten Jahren untersucht hat, so z.B. die Einschränkungen des Privaten durch die aufkommenden Massenmedien, die Bismarcks im Krieg, die Familie auf Reisen, das Verhältnis der Eltern zu ihren Söhnen u.v.a. mehr.

Waltraut Engelberg, geboren in Langenbielau in Schlesien, hat Germanistik in Leipzig studiert und dort auch promoviert. Sie hat zu Tucholsky und Toller veröffentlicht. Waltraut Engelberg ist die Witwe des renommierten Bismarck-Forschers Ernst Engelberg und lebt in Berlin.

Kaufen Sie hier:

Horizontale Tabs

Leseprobe

Otto von Bismarck wurde am 1. April 1815 in Schönhausen geboren, verlebte aber seine ihm unvergesslichen Kinderjahre in Kniephof im Kreis Naugard, etwa sechzig Kilometer von Stettin entfernt. Nicht reizüberflutet, sondern erlebnisintensiv nahm er das Leben auf dem Lande wahr. Hier bildete sich sein wacher Sinn für eine Landschaft heraus, die ihm immer die liebste bleiben sollte – die waldige Ebene mit Hügeln, Hainen, Wiesen und Baumgruppen, mit Laubwäldern und Bächen. Warum sollte es dem Jungen nicht gefallen, im Sommer im Garten zu helfen – auch einmal die Radieschen herauszuziehen, um zu sehen, ob sie gut wuchsen –, im Winter auf dem Eise zu schlittern oder gar schon »als ganz kleiner Junge« den Vater auf der Rebhuhnjagd zu begleiten, »weil keiner besser als ich, vermöge meines weitern Gesichtes, zu entdecken vermochte, wo die Hühner eingefallen waren«.

Viel zu früh setzte die ehrgeizige Mutter diesen kindlichen Freuden ein Ende, weil sie so rasch wie möglich berufliche Weichen für den Sohn stellen wollte. Da überlegten sich die Eltern so mancherlei. Der Vater hätte »sehnlichst gewünscht«, Otto möge Geistlicher werden, »um einer Pfründe willen«, die nach Bismarcks Erinnerung fünfzehnhundert Taler betragen hätte und der Familie erhalten bleiben sollte. Als seine Frau Johanna im Jahre 1879 davon erfuhr, versuchte sie sich diese Entwicklung ihres Mannes auszumalen und schlussfolgerte ebenso arg- wie ahnungslos, dass er da viel glücklicher geworden wäre. Die Mutter, die ihn gern als »wohlbestallten Regierungsrat« gesehen hätte, wusste ihren Sohn da schon besser einzuschätzen. Sie setzte sich in Erziehungs- und Bildungsfragen auch immer energisch durch, nie der gutmütige Vater, dessen Stoßseufzer der Sohn gelegentlich zitierte: »Was tut man nicht, um den Hausfrieden zu erhalten.«

Auf Wunsch der Mutter wurde Otto drei Monate vor seinem siebten Geburtstag in die Plamannsche Erziehungsanstalt gegeben, ein seinem Wesen konträres Institut. Diese wohl zu unbedachte Entscheidung trübte sein Leben lang das Verhältnis zur Mutter. Bis zum zwölften Lebensjahr blieb er bei Plamann, und noch im hohen Alter urteilte er harsch über die dort verbrachte Zeit: »Meine Kindheit hat man mir in der Plamannschen Anstalt verdorben, die mir wie ein Zuchthaus vorkam.« Und: »Infolgedessen werden meine Jungen natürlich verzogen …«

Der Wechsel vom ungebundenen Umherstreifen in Wald und Feld oder in den Ställen zu einem streng disziplinierten Tagesablauf war zu abrupt, denn »in der ganzen Anstalt herrschte rücksichtslose Strenge … Die Plamannsche Anstalt lag so, daß man auf einer Seite ins freie Feld hinaussehen konnte. Am Südwestende der Wilhelmstraße hörte damals die Stadt auf. Wenn ich aus dem Fenster ein Gespann Ochsen die Ackerfurche ziehen sah, mußte ich immer weinen vor Sehnsucht nach Kniephof.«

Die Konflikte in seiner kindlichen Seele wurden zumindest von seinen Mitschülern nicht wahrgenommen. Im Gegenteil, später versuchte man sogar, ihm eine Führungsrolle unter den Schülern anzudichten, was er selbst resolut zurückwies. Er sei ein Junge gewesen wie andere auch. Zwölf Stunden fast täglich unter dem Joch eines rigiden Zeitplans aus Unterricht, Arbeitsstunden, gemeinsamem Spaziergang und offizieller Spielzeit – das erschien ihm als unerträglicher Zwang. In der Plamannschen Anstalt habe ein »künstliches Spartanertum« geherrscht, heißt es bei ihm, niemals habe er sich satt gegessen, und er rügte dabei das »elastische Fleisch« und die gekochten Möhren mit den harten Kartoffeln darin. Noch im Februar 1876 erinnerte er sich böse, dass man des Morgens die Kinder mit Rapierstößen weckte, und beschuldigte die von Rousseau beeinflussten Lehrer des Adelshasses.

Für seine Renitenz gegen dieses Erziehungssystem brachte Bismarck viele Gründe vor, wobei hier nicht erörtert sei, inwieweit die Anstalt bei seinem Eintritt ihren selbstgestellten Zielen noch gerecht wurde. Hier ist nur die abträgliche Wirkung auf Bismarck von Belang und vor allem eines: Alles, was ihm dort an Widrigkeiten zustieß, lastete er seiner Mutter an. »Ich bin nicht richtig erzogen. Meine Mutter ging gern in Gesellschaft und kümmerte sich nicht viel um mich.« Später meinte Bismarck zu seiner Frau, die Mutter habe wenig von dem gehabt, was der Berliner »Gemüt« nennt. Oft verdarb sie ihm auch noch die langersehnten Ferien in Kniephof, weil sie just zu der Zeit zur Kur fuhr, wo »man« sich damals traf. Otto wurde dann zum Onkel Fritz nach Templin bei Potsdam abgeschoben.

Friedrich von Bismarck, der früh in die Armee eingetreten war und es darin bis zum Generalleutnant gebracht hatte, sollte und konnte dem heranwachsenden Knaben von seinen militärisch-politischen Erfahrungen manches vermitteln, aber es war wohl doch nicht genug, um den Feriengast für die von den Eltern gewünschte militärische Laufbahn einzunehmen. Später hat er als gelegentlicher Gast in der Berliner Stadtwohnung der Bismarcks in der Behrenstraße bei den Zusammenstößen der nervösen Mutter mit den selbstbewusster werdenden Söhnen familiär besänftigend gewirkt.

Die schmerzlichen Kindheitserlebnisse hatten nachhaltige Folgen für Bismarcks Lebensgestaltung. Er nahm sich vor, dass es so, wie er es erfahren hatte, keineswegs in seiner künftigen Familie zugehen sollte. Er suchte das Gegenbild zu seiner Mutter, keine »Gesellschaftsfrau für andre«, sondern eine warmherzige Gefährtin für sich und eine gütige Mutter für die Kinder. Dabei lässt sich psychologisch Aufschlussreiches erkennen: Otto von Bismarck, dem Traditionelles besonders am Herzen lag, seien es die »Baumahnen« in der Natur oder die Vorfahren in der Familie, verfolgte interessiert nur die väterliche Traditionslinie, die junkerlich-ländliche. Die mütterliche, aus der ihm zweifellos viele geistige Anlagen überkommen waren, nahm er nicht wahr, weil er sie nicht wahrnehmen wollte. Die emotionale Blockade engte – wie oft im Leben – auch bei ihm das unbefangene Urteil ein. Wo das Gefühl sich verweigert, dort reduziert sich auch das geistige Erkenntnisvermögen.

Verglichen mit den Verhältnissen bei Plamann, erschien Bismarck seine Gymnasialzeit wie eine »milde Zucht«. Liebevoll erinnert er sich der Trine Neumann, die sich »redlich um meine Knabenzeit verdient gemacht hat«. Die kam vom väterlichen Gut in Schönhausen und war ihm und dem Bruder Bernhard beigegeben als »Haushof-, Küchen-, Keller- und Sittenmeisterin«. Sie hatte die Jungen gern, tat alles für sie und bereitete ihnen täglich abends ihr Leibgericht: Eierkuchen. Wie ein Rohrspatz konnte sie schimpfen, wenn die beiden wieder einmal zu spät kamen und ihre Eierkuchen aufgebacken werden mussten, weswegen sie ihnen prophezeite, dass aus ihnen im Leben nichts Vernünftiges werden würde. Aber wenn die Jungen sich dann auf die aufgebackenen Eierkuchen stürzten, war sie sogleich wieder versöhnt.

Heiter und wehmütig dachte Bismarck später an die gute alte Trine zurück, und auch den Kuhhirten Brand aus Kniephof vergaß er nie, der so alt gewesen sein muss, dass er noch Teilnehmer der Schlacht bei Fehrbellin kannte: »Wenn er mir ins Gedächtnis kommt, ist mir immer wie Heidekraut und Wiesenblumen.«

Es gibt nicht eine Zeile, in der Bismarck ähnlich liebevoll der Mutter gedachte. Lediglich in einem Brief an Johanna konzedierte er einmal: »Sie wollte, daß ich viel lernen und viel werden sollte, und es schien mir oft, daß sie hart, kalt gegen mich sei. Was eine Mutter dem Kinde wert ist, lernt man erst, wenn es zu spät, wenn sie tot ist; die mittelmäßigste Mutterliebe, mit allen Beimischungen mütterlicher Selbstsucht, ist doch ein Riese gegen alle kindliche Liebe.«

Ganz anders urteilte er über den Vater: »Meinen Vater liebte ich wirklich, und wenn ich nicht bei ihm war, faßte ich Vorsätze, die wenig Stand hielten; denn wie oft habe ich seine wirklich maßlos uninteressierte gutmütige Zärtlichkeit für mich mit Kälte und Verdrossenheit gelohnt. Und doch kann ich die Behauptung nicht zurücknehmen, daß ich ihm gut war im Grunde meiner Seele.« Das lässt sich vielfach erkennen; nicht nur, weil Bismarck die Schwester anwies, welche Briefe den Vater am meisten erfreuen würden, sondern auch, weil er selbst gutherzig jene inszenierten Fuchsjagden des Vaters mitmachte, bei denen man von vornherein wusste, dass kein Fuchs zu erlegen war.

Als Bismarck schließlich der Pensionszeit in Berlin entwachsen war, die er zuletzt bei einem Oberlehrer Bonnell am Grauen Kloster verbracht hatte – einem braven Mann, der ihn pflichtschuldigst »immer am Bändel« hielt –, und mit noch nicht ganz siebzehn Jahren auf die Universität nach Göttingen kam, da brachen alle Dämme; jetzt fühlte er sich »endlich mal in Freiheit«. Er hätte, so charakterisiert er es selbst, »wie ein junges Füllen nach hinten und vorn ausgeschlagen«.

Das krasse Gegenteil eines Fehlers ist oft wieder ein Fehler. Allzu starken Zwängen folgt als Reaktion nicht selten Zügellosigkeit. Bismarck kostete seine neu gewonnene »Freiheit« voll aus; die Studienjahre waren eine Zeit des unmäßigen Trinkens, Fechtens und Schuldenmachens.

STUDIENFREUNDE FÜRS LEBEN

Sein ganzes Leben lang bedurfte Otto von Bismarck vertrauter Menschen, denen er sich öffnen konnte, sei es im Gespräch oder in Briefen. In seinen wilden Studentenjahren in Göttingen schloss er einige Freundschaften, die lebenslang hielten.

Gleich zu Beginn seines Studiums, im Jahr 1832, schloss er sich dem Korpsbruder Gustav Scharlach an, der ihm später als preußischer Verwaltungsrat verbunden war. Zunächst aber ging es hoch her bei den Mitgliedern des Korps »Hannovera«. Bei Trinkgelagen und Ausschweifungen...

Blick ins Buch

Weitere E-Books zum Thema: Biografie - Geschichte - Erinnerungen

Walter Ulbricht

E-Book Walter Ulbricht
Eine deutsche Biografie Format: ePUB/PDF

Walter Ulbricht, 1893 in Leipzig als Spross einer sächsischen Handwerkerfamilie geboren, schloss sich nach einem Zwischenspiel bei der SPD früh der kommunistischen Bewegung an. Er wird…

Walter Ulbricht

E-Book Walter Ulbricht
Eine deutsche Biografie Format: ePUB/PDF

Walter Ulbricht, 1893 in Leipzig als Spross einer sächsischen Handwerkerfamilie geboren, schloss sich nach einem Zwischenspiel bei der SPD früh der kommunistischen Bewegung an. Er wird…

Göring

E-Book Göring
Eine Karriere Format: ePUB

Hitlers Paladin: populär, hörig, größenwahnsinnig. Seit langem die erste große Göring-Biografie.Er war der zweitmächtigste Nazi-Führer, zeitweilig beliebter als Hitler selbst; er war leutselig und…

Göring

E-Book Göring
Eine Karriere Format: ePUB

Hitlers Paladin: populär, hörig, größenwahnsinnig. Seit langem die erste große Göring-Biografie.Er war der zweitmächtigste Nazi-Führer, zeitweilig beliebter als Hitler selbst; er war leutselig und…

Ernst Jünger

E-Book Ernst Jünger
Die Biographie Format: ePUB

Ernst Jünger - der umstrittenste Schriftsteller des 20. JahrhundertsDer Schriftsteller Ernst Jünger war eine Jahrhundertgestalt. Geboren im Kaiserreich und gestorben erst nach der Wiedervereinigung…

Ernst Jünger

E-Book Ernst Jünger
Die Biographie Format: ePUB

Ernst Jünger - der umstrittenste Schriftsteller des 20. JahrhundertsDer Schriftsteller Ernst Jünger war eine Jahrhundertgestalt. Geboren im Kaiserreich und gestorben erst nach der Wiedervereinigung…

Ernst Jünger

E-Book Ernst Jünger
Die Biographie Format: ePUB

Ernst Jünger - der umstrittenste Schriftsteller des 20. JahrhundertsDer Schriftsteller Ernst Jünger war eine Jahrhundertgestalt. Geboren im Kaiserreich und gestorben erst nach der Wiedervereinigung…

Weitere Zeitschriften

Ärzte Zeitung

Ärzte Zeitung

Zielgruppe:  Niedergelassene Allgemeinmediziner, Praktiker und Internisten. Charakteristik:  Die Ärzte Zeitung liefert 3 x pro Woche bundesweit an niedergelassene Mediziner ...

bank und markt

bank und markt

Zeitschrift für Banking - die führende Fachzeitschrift für den Markt und Wettbewerb der Finanzdienstleister, erscheint seit 1972 monatlich. Leitthemen Absatz und Akquise im Multichannel ...

care konkret

care konkret

care konkret ist die Wochenzeitung für Entscheider in der Pflege. Ambulant wie stationär. Sie fasst topaktuelle Informationen und Hintergründe aus der Pflegebranche kompakt und kompetent für Sie ...

Computerwoche

Computerwoche

Die COMPUTERWOCHE berichtet schnell und detailliert über alle Belange der Informations- und Kommunikationstechnik in Unternehmen – über Trends, neue Technologien, Produkte und Märkte. IT-Manager ...

Correo

Correo

 La Revista de Bayer CropScience para la Agricultura ModernaPflanzenschutzmagazin für den Landwirt, landwirtschaftlichen Berater, Händler und am Thema Interessierten mit umfassender ...

rfe-Elektrohändler

rfe-Elektrohändler

rfe-Elektrohändler ist die Fachzeitschrift für die CE- und Hausgeräte-Branche. Wichtige Themen sind: Aktuelle Entwicklungen in beiden Branchen, Waren- und Verkaufskunde, Reportagen über ...

FileMaker Magazin

FileMaker Magazin

Das unabhängige Magazin für Anwender und Entwickler, die mit dem Datenbankprogramm Claris FileMaker Pro arbeiten. In jeder Ausgabe finden Sie von kompletten Lösungsschritten bis zu ...