Das analoge Radiosystem ist in seinen Entwicklungsmöglichkeiten hinsichtlich der Quantität sowie der Qualität der Übertragungswege mittlerweile vollständig ausgereizt (vgl. Kühn 2008: 227). Das Radio-Daten-System (kurz: RDS) ergänzt die Übertragung des Mono- und Stereoprogramms in Form von zusätzlicher digitaler Daten, wie beispielsweise Displayinformationen für das Autoradio (vgl. ebd.). Da die Kapazitäten und technischen Möglichkeiten vom RDS und der analogen Rundfunktechnologie jedoch stark limitiert sind, begannen in den 1980er Jahren die wissenschaftlichen Bemühungen zur Entwicklung eines digitalen Rundfunks (vgl. ebd.: 227-228).
Als Ergebnis des europäischen Forschungsprojektes EUREKA 147 sollte Digital Audio Broadcasting (kurz: DAB) eine Alternative zum UKW-System darstellen (vgl. ebd.: 227). Störungsfreier Empfang, optimierte Klangqualität, multimediale Datenübertragungsmöglichkeiten und Zusatzdienste, die effizientere Verteilung der begrenzten Frequenzen sowie günstigere Verbreitungskosten wurden dabei unter anderem zu den Vorteilen des DAB-Systems gegenüber der analogen UKW- Übertragung angekündigt (vgl. ebd.; vgl. dazu auch Riegler 2009: 101). Im Jahr 1995 wurde DAB in Deutschland eingeführt. Sechs Jahre danach wurde in Medienberichten erstmals das Scheitern des vermeintlichen neuen Standards prognostiziert (vgl. Rosenbach 2001). Zu teure Empfangsgeräte, ein zu geringes Interesse von Seiten der Hörer sowie das mangelnde Programmangebot waren demnach die eng miteinander verwobenen Gründe für das fehlgeschlagene Projekt (vgl. ebd.). Zu dieser Erkenntnis kommt auch Riegler, der besonders die unterschiedlichen Auffassungen der Landesmedienanstalten gegenüber DAB für das Scheitern nennt:
„In der Vergangenheit gab es zwar immer wieder gute Ansätze, DAB weiter zu entwickeln und zum Erfolg zu verhelfen. Da jedoch zu viele Entscheidungsträger unterschiedlichste Ziele verfolgten, muss man leider von einem bisherigen politischen Scheitern von DAB in Deutschland sprechen.“ (Riegler 2009: 100)
Aufgrund der mangelhaften Akzeptanz und trotz flächendeckender Verfügbarkeit von DAB wurde im August 2011 DAB+ in Deutschland als optimierte Alternativeeingeführt. Das Nachfolgesystem benutzt ein effektiveres Kompressionsverfahren und hat eine höhere Reichweite und Klangqualität als der Vorgänger (vgl. ebd.: 107). Aufgrund der Komprimierung der Datenübertragung sind außerdem mehr Programme empfangbar (vgl. ebd.). Grundsätzlich besitzt es dabei das gleiche funktionale Potenzial wie das Vorgängersystem. Das bestehende DAB-System ließ sich zudem relativ kostengünstig und unkompliziert auf DAB+ umrüsten (vgl. ebd.: 114). Während die Vorhersagen für den vermeintlichen neuen Standard, wie bei Riegler, optimistisch ausfielen „In DAB+ liegt zweifelsohne die Zukunft des digitalen terrestrischen Rundfunks“ (ebd.: 113), zeigte sich in der Praxis jedoch ein anderes Bild. So sollte das analoge Sendeverfahren ursprünglich bis zum Jahr 2010 eingestellt- und stattdessen komplett digitalisiert werden. Das Abschaltdatum wurde mehrmals zeitlich nach hinten korrigiert und sollte zuletzt mit Jahresende 2015 in Kraft treten. Bereits der von der Bundesregierung veröffentlichte Medien- und Kommunikationsbericht aus dem Jahr 2008 bezeichnete den Digitalisierungsprozess aufgrund der großen Verbreitung der UKW-Radiogeräte jedoch als „äußerst kompliziert“ und kündigte an, dass dieser „wahrscheinlich bis weit über das Jahr 2015 hinausgehen“ wird (Medien- und Kommunikationsbericht 2008: 38). Als Konsequenz daraus wurde der Abschalttermin für das analoge UKW-Radio im Oktober 2011 vom Bundestag endgültig annulliert (Radioszene 2011).
Nach wie vor stellt DAB+ gegenwärtig die technologische Grundlage für den Gebrauch von digitalen Radioempfangsgeräten dar. Auf die potenzielle und tatsächliche Nutzung und Verbreitung des Angebots von DAB+ wird explizit in Kapitel 3.3.1.2. eingegangen.
Unter dem weit gefassten Begriff ,Internetradio‘, der in den folgenden Kapiteln noch aufgeschlüsselt wird, werden „über das TCP/IP-Protokoll übertragene Radioprogramme zusammengefasst [...] die sowohl bereits in der analogen bzw. digitalen Hörfunkwelt bestehen können, oder auch nur über das Internet empfangbar sind“ (Goldhammer 2008: 43).
Technische Voraussetzung für das Radiohören im Internet ist das sogenannte ,Streaming‘. Bei diesem Verfahren werden die zu übertragenen Daten in den Zwischenspeicher des Computers geladen und vor dort aus wiedergegeben. Der Zwischenspeicher wird sukzessive von nachfolgenden Daten aufgefüllt, sodass eine gleichmäßige Wiedergabe der Daten ermöglicht wird (vgl. Kroh 2002: 12). Für die Wiedergabe der Streams benötigt der Nutzer eine spezielle Software. Diese Software wird von unterschiedlichen Anbietern zum kostenlosen Download angeboten (z.B. Windows Media Player). Die Nutzung des Verfahrens wurde in der Vergangenheit durch zwei weitere Faktoren begünstigt: Die Entwicklung schnellerer Internetverbindungen sowie die Erfindung des ,MPEG Audio Layer-3‘-Formates (kurz: mp3) haben die Nutzung vereinfacht (vgl. Goldhammer 2008: 43). Speziell Letzteres komprimierte die Audiodateien um ein Vielfaches, sodass das Herunterladen bzw. das Streaming der Dateien aufgrund verkürzter Ladezeiten für den Nutzer attraktiver wurden (vgl. Kroh 2002: 12-15). Grundsätzlich ist die Nutzung von Streams für den Rezipienten nicht mit Kosten verbunden. Lediglich die Anbieter der Streams müssen für die Serverkapazitäten sowie die Bereitstellung des Dienstes auf ihrer Homepage zahlen, daraus ergibt sich ein grundlegender Unterschied zum analogen Hörfunk:
„Da im Gegensatz zum klassischen Rundfunk beim Internetradio die Streaming-Kosten für den
Veranstalter mit jedem zusätzlichen Nutzer ansteigen, begrenzen viele Radioanbieter die
maximale Userzahl.“ (Goldhammer 2008: 43)
Der Zugang zum Internetradio wird demnach durch die Serverkapazität sowie die Übertragungsgeschwindigkeit des Servers von dem die Streams geladen werden begrenzt. Neben den Übertragungsmöglichkeiten über die Webseiten der Hörfunkanbieter existieren inzwischen zusätzlich Radiogeräte, die z.B. das Radioprogramm mittels der drahtlosen Internetverbindung ,Wi-Fi‘ bzw. ,W-LAN‘ übertragen (vgl. ebd.: 44). Der mobile Empfang ist durch die Tatsache, dass stets eine Verbindung zum Internet bestehen muss jedoch eingeschränkt.
Streaming ist die Grundlage für die digitalen Hörfunkangebote Simulcast (siehe Kapitel 3.2.1. ), Webcast (siehe Kapitel 3.2.2.) sowie teilweise auch von Podcasts (siehe Kapitel 3.2.4. ). Die explizite Nutzung der genannten Angebote wird in den folgenden Kapiteln analysiert.
Der Vollständigkeit halber werden an dieser Stelle die digitalen Übertragungsmöglichkeiten des Radios via Satellit und Kabel skizziert.
Hörfunkprogramme über Satellit werden mittels DVB-S übertragen. Über einen Receiver sind mit dem Satellitenbetreiber Astra über 100 öffentlich-rechtliche sowie private Radioanbieter hörbar (Riegler 2009: 24). Außerdem können Radiostationen aus europäischen Nachbarländern über Satellit empfangen werden. Die Übertragungsqualität gilt als die höchst erreichbarste aller Verbreitungswege (vgl. ebd.: 26). Voraussetzung für die Übertragung ist die Installation einer entsprechenden Empfangsantenne sowie die Ausrichtung dieser Antenne (vgl. ebd.: 27). Dementsprechend eignet sich DVB-S jedoch nur für den stationären Empfang.
Stationär begrenzt ist ebenfalls der Radioempfang via Kabel. Der Empfang via DVB-C erfordert zwar keine Antennenanlage, jedoch mindestens einen Fernseher mit DVB-C Anschluss oder einen entsprechenden Receiver, welcher dann wiederum mit der Stereoanlage verbunden werden muss. Das Radioprogramm mittels digitaler Kabelübertragung ist jedoch, in Abhängigkeit vom Kabelanbieter, auf eine geringere Auswahl von Radiosendern beschränkt (vgl. ebd. 74-75). Je nach Wahl des Kabelbetreibers können zusätzliche Kanäle sowie Programmpakete vom Rezipienten eingekauft werden (vgl. ebd.: 73). In den meisten Fällen gilt das allerdings nur für Fernsehsender.
Beide genannten Übertragungstechniken werden hauptsächlich für den Fernsehempfang genutzt. Das Radioangebot stellt lediglich eine zusätzliche Ergänzung dieses Angebots dar. Aus der digitalen Übertragung des Radios über DVB-S einerseits sowie über DVB- C andererseits, ergeben sich kaum veränderte Nutzungsbedingungen oder Veränderungspotenziale hinsichtlich der Eigenschaften des Radios. Ausnahmen bilden die generell bessere Empfangsqualität sowie die umfangreichere Senderauswahl bei der Satellitenübertragung.
Insgesamt nehmen die Radioübertragung via Satellit- und Kabelübertragung keinen vergleichsweise signifikanten Stellenwert in der Radionutzung ein. Aufgrund dieser Tatsache wurden sie an dieser Stelle nur oberflächlich betrachtet und sind für den weiteren Verlauf der Arbeit redundant.
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