Im weiteren Verlauf dieser Arbeit soll mithilfe ausgewählter Studien ein Überblick über den Stand der Forschung bezüglich der vorgestellten Forschungsfragen bzw. Hypothesen zum Belastungsempfinden von Referendaren gegeben werden. Dazu wird im nachfolgenden Kapitel zunächst die dafür durchgeführte Literaturrecherche beschrieben.
Um die Auswahl der Studien ein wenig einzugrenzen, wurden zuvor einige Ein- und Ausschlusskriterien festgelegt. So wurden als Probanden ausschließlich Referendare und Berufseinsteiger einbezogen, lediglich bei der Forschungsfrage bezüglich des Vergleichs zwischen angehenden und erfahrenen Lehrpersonen wurden auch Letztere als Probanden eingeschlossen. Damit ein möglichst allgemeiner Überblick über das Belastungsempfinden im Referendariat geboten werden kann, sollen die Stichproben auf kein bestimmtes Lehramt begrenzt, sondern mindestens zwei verschiedene Lehrämter vertreten sein. Hinsichtlich der Unterrichtsfächer soll eine Beschränkung vermieden, jedoch nicht ausgeschlossen werden.
Da sich die Ausbildungssysteme von Land zu Land unterscheiden und Lehrer somit in verschiedenen Ländern auf unterschiedliche Weise ausgebildet werden, sollen lediglich Studien aus Deutschland in Augenschein genommen werden, die sich mit dem Referendariat als zweite Phase der Lehrerausbildung auseinandersetzen. Eine Ausnahme wird bei Studien aus der Schweiz gemacht, um einen Vergleich zwischen Referendaren und den dortigen berufseinsteigenden Lehrkräften vornehmen zu können. Aus diesem Grund wurde deren Ausbildungssystem ebenfalls bereits im Theorieteil beschrieben. Auf andere internationale Studien wird jedoch vollständig verzichtet. Zudem soll eine möglichst aktuelle Übersicht über den derzeitigen Stand der Forschung zum Belastungsempfinden im Referendariat vermittelt werden, weshalb auf Studien vor dem Jahr 2000 verzichtet wird.
Als unabhängige Variable sollen je nach Forschungsfrage die Berufsphase, einmal innerhalb des Referendariats und einmal im Vergleich zwischen Referendaren bzw. Berufseinsteigern und erfahrenen Lehrkräften, sowie Persönlichkeitsmerkmale gelten. Als abhängige Variable soll das subjektive Belastungsempfinden in den Studien untersucht werden.
Es wurden demnach Studien einbezogen, die sich mit der Entwicklung des Belastungsempfindens im Referendariat, den dabei bestehenden Belastungsfaktoren und ihrem jeweiligen Belastungsgrad, dem Einfluss von Persönlichkeitsmerkmalen auf dieses Belastungsempfinden oder dem Vergleich zwischen angehenden und erfahrenen Lehrkräften im Hinblick auf dieses Empfinden beschäftigen und dabei den genannten Ein- und Ausschlusskriterien entsprachen.
Zur Überprüfung der formulierten Hypothesen wurde eine systematische Literaturrecherche in den Datenbanken PubPsych und Pedocs, im Rechercheportal Mainz sowie in Google Scholar durchgeführt. Dazu wurden Suchtexte wie „Belastung im Referendariat“, „Stress im Vorbereitungsdienst“ und „Beanspruchung von Lehramtsanwärtern“ verwendet und schließlich durch Kombination und Trunkierung zu dem Suchtext „(Belastung OR Beanspruchung OR Stress) AND (Referendar* OR Vorbereitungsdienst OR Lehramtsanwärter OR angehende Lehr*)“ zusammengefasst, der 38 Suchtreffer in dem Psychologie-Suchportal PubPsych hervorbrachte. Aus diesen konnten lediglich vier Studien herausgefiltert werden, die sich sowohl mit mindestens einer der vorgestellten Hypothesen beschäftigten als auch den festgelegten Ein- und Ausschlusskriterien entsprachen. 25 Ergebnisse konnten gleich nach Lesen des Abstracts ausgeschlossen werden, da sie keine der Forschungsfragen untersuchten, die in dieser Arbeit im Mittelpunkt stehen, während sieben Studien entweder ausgeschlossen wurden, weil sie vor dem Jahr 2000 entwickelt wurden oder hinsichtlich der Probanden nicht den festgelegten Kriterien entsprachen. Die restlichen zwei Ergebnisse waren Bestandteile einer der bereits ausgewählten Studien.
Ergänzend dazu wurde Google Scholar mit dem Suchtext „Belastung im Referendariat“ nach Studien durchforstet, wobei insgesamt 3390 Suchergebnisse durch Eingrenzung auf den Zeitraum 2000 bis 2016 erzielt wurden. Auf den ersten beiden Seiten konnten zwei weitere passende Studien für die Überprüfung der formulierten Hypothesen gewonnen werden. Das Lesen der Titel und teilweise auch der Zusammenfassungen der übrigen Suchergebnisse ergab, dass keine weiteren Studien den genannten Ein- und Ausschlusskriterien gerecht wurden.
Suchen in Pedocs und im Rechercheportal Mainz brachten ebenfalls keine weiteren Suchergebnisse hervor, die für die Untersuchung der Hypothesen relevant sind, jedoch konnten mittels der Schneeball-Methode zwei weitere passende Studien gefunden werden.
Im Folgenden soll ein Überblick über die selektieren Studien geschaffen werden, die zunächst in Form einer Tabelle (Tabelle 1) und anschließend etwas ausführlicher präsentiert werden. Dabei werden sowohl Ziele und Design als auch Besonderheiten der Studien vorgestellt.
Tabelle 1: Übersicht der ausgewählten Studien
Anmerkungen. COPSOQ = Copenhagen Psychosocial Questionnaire, MBI = Maslach Burnout Inventory, JDS = Job-Diagnostic-Survey, NEO-FFI = NEO-Fünf-Faktoren-Inventar, BFI-K = Kurzversion des Big Five Inventory
Christ et al. (2004): In dieser Studie wurde das Belastungsempfinden von hessischen Referendaren aller Lehrämter untersucht, die sich zum Erhebungszeitpunkt in unterschiedlichen Ausbildungsphasen, aber mindestens in der Differenzierungsphase, befanden. Insgesamt konnten 630 ausgefüllte Fragebögen beachtet werden, die an 16 hessische Studienseminare verteilt worden waren. Die Verteilung der Studienteilnehmer auf die verschiedenen Lehrämter stimmte ungefähr mit der in ganz Hessen überein, wobei die Mehrheit das Lehramt an Gymnasien sowie das Lehramt an Grundschulen vertrat.
Die Befragung fand auf der Grundlage des Transaktionalen Stressmodells von Lazarus statt und zielte vor allem darauf ab, die Entwicklung des Belastungsempfindens im Laufe des Referendariats zu untersuchen.
Drüge et al. (2014): In dieser Studie wurde unter anderem ein Vergleich zwischen Referendaren und erfahrenen Lehrkräften aller Lehrämter aus Baden-Württemberg hinsichtlich ihres Belastungsempfindens vorgenommen. Dabei wurde das Belastungsempfinden an sich nicht gemessen, stattdessen wurden von den Untersuchungsteilnehmern Einschätzungen bezüglich der vier Belastungsskalen „Anforderungen“, „Einfluss und Entwicklungsmöglichkeiten“, „Unsicherheit des Arbeitsplatzes“ und „Soziale Beziehungen und Führung“ vorgenommen, die gemeinsam ein grobes Bild über das Belastungsempfinden der befragten Personen vermitteln. Die Daten wurden online im Zeitraum von Januar 2013 bis Mai 2013 erhoben. 342 Lehramtsanwärtern nahmen an der Befragung teil, während die Referenzstichprobe der COPSOQ-Datenbank entnommen wurde und aus 54.066 erfahrenen Lehrkräften bestand.
Keller-Schneider (2008): In der Vorstudie dieser Dissertation wurden die Ergebnisse über Stichwortprotokolle von Supervisionssitzungen aus den Jahren 2002-2005 einer Supervisorin, der Autorin selbst, erhoben, die 43 Berufseinsteiger mit insgesamt 295 in Anspruch genommenen Supervisionen umfassen und inhaltsanalytisch ausgewertet wurden. Aufgrund der Anzahl von Nennungen der im Berufseinstieg anstehenden Anforderungen konnte eine Rangliste erstellt werden. Zudem wurde die Veränderung der Anzahl von Nennungen im Laufe der ersten zwei Berufsjahre untersucht.
Der Fragebogen der Hauptstudie beruht auf besagten Stichwortprotokollen und umfasst unter anderem berufsbezogene Anforderungen im Berufseinstieg und Merkmale der Persönlichkeit. Im Juni 2006 wurde der Fragebogen allen im Kanton Zürich tätigen Berufseinsteigenden und einer Gruppe von erfahrenen Lehrkräften postalisch zugestellt, sodass letztendlich 155 Fragebögen der Berufseinsteiger und 136 Fragebögen der erfahrenen Lehrkräften in die Untersuchung einbezogen werden konnten. Die Mehrheit beider befragten Personengruppen gehörte der Gruppe an, die die Unterrichtsbefähigung für die Primarstufe erworben hatten. Die befragten erfahrenen Lehrkräfte verfügten über 7 bis 35 Berufsjahre. Insgesamt betrachtet beschäftigt sich die Studie mit den Belastungsfaktoren im Berufseinstieg, den Effekten von Persönlichkeitsmerkmalen auf das Belastungsempfinden und einem Vergleich zwischen berufseinsteigenden und erfahrenen Lehrkräften hinsichtlich ihrer Beanspruchung.
Klusmann et al. (2012): Die Studie beschäftigt sich mit dem Belastungsempfinden von angehenden Lehrkräften aus Bayern, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein zu verschiedenen Zeitpunkten im Vorbereitungsdienst. Zudem wurden dabei unter anderem die Effekte von Persönlichkeitsmerkmalen untersucht und ein Vergleich zwischen angehenden und erfahrenen Lehrkräften hinsichtlich ihres Belastungsempfindens vorgenommen. Insgesamt 551 Lehramtsanwärter aus zwei Jahrgangskohorten, die mindestens die...