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Das Regime des Pluralismus

Zivilgesellschaft im Kontext der Globalisierung

AutorRichard Münch
VerlagCampus Verlag
Erscheinungsjahr2010
Seitenanzahl205 Seiten
ISBN9783593409917
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis16,99 EUR
Internationale Arbeitsteilung und grenzüberschreitende Mobilität, transnationale Netzwerke und globale Diskurse haben bisherige Unterscheidungen zwischen dem Eigenen und dem Fremden aufgehoben. Das Credo des liberalen Pluralismus lautet: Anerkennung des Anderen und dessen Gleichstellung mit dem Eigenen. Richard Münch beleuchtet diese kosmopolitische Ethik und zeigt, dass sie vor allem von der transnational vernetzten Elite repräsentiert und gelebt wird, nicht aber vom Großteil der Gesellschaft. Der fortschreitende Pluralismus führt daher zu einem wachsenden Konflikt. Richard Münch untersucht diesen Konflikt in seiner historischen Entwicklung, seiner unterschiedlichen gesellschaftlichen Institutionalisierung und seinen europäischen sowie globalen Dimensionen.

Richard Münch lehrt Soziologie an der Universität Bamberg.

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Leseprobe
3. Von der Commercial Society zur Civil Society: Großbritannien als historisches Modell (S. 88-89)

Einleitung


Die Zivilgesellschaft ist der integrative Kern des modernen Zusammenlebens. Sie hat in der jüngeren Vergangenheit wachsendes sozialwissenschaftliches Forschungsinteresse auf sich gezogen (u.a. Cohen/Arato 1992; Gellner 1994; Seligman 1995; Ehrenberg 1999; Bauerkämper 2003; Edwards 2009). Historisch betrachtet ist der liberale Typus der Zivilgesellschaft zuerst in England entstanden. Er ist als integrative Ergänzung zur Entfaltung der commercial society zu verstehen und bildet auch eine integrative Ergänzung zum Funktionsbereich von Regierung und Verwaltung (governance and administration).

Wir können hier von einem traditionell gebundenen Voluntarismus sprechen, bei dem die älteren Vereinigungen das Feld beherrschen, während die jüngeren langsam durch Verfahren der Kooptation und Akkommodation nachrücken. Man kann am britischen Fall studieren, wie die Offenheit und Riskanz der commercial society jenseits der traditionalen ständischen Ordnung gebunden werden kann. Grundsätzlich geht es um die Frage des Vertrauens als Grundlage des Zusammenlebens in einer sich ständig wandelnden Gesellschaft (Mühlfeld 1996; Sztompka 1999; Warren 1999; Hartmann und Offe 2001).

3.1 Vereinigung in der Commercial Society


In England finden wir die frühesten Ansätze einer modernen Zivilgesellschaft, die sich dadurch auszeichnet, dass sie ein neues Band der Gemeinsamkeit zwischen den Menschen über die traditionellen ständischen Grenzen hinweg schafft (Münch 1986/1993a: 234–48; 2001a: 124–32). Den ersten Anstoß dafür gab das Entstehen der commercial society, einer Gesellschaft, in der Handel und Gewerbe expandieren und die Unterschiede zwischen der Aristokratie und dem aufsteigenden Bürgertum einebnen. Die Gentry bildet einen wachsenden Teil der Aristokratie, der durch die Primogenitur (Erstgeburts-Erbrecht, der älteste Sohn ist der Haupterbe) zur Erwerbsarbeit gezwungen ist und sich in der Lebensführung dem vom Erwerbszwang geprägten bürgerlichen Denken angleicht.

Die Großgrundbesitzer nehmen an der neuen Erwerbsgesellschaft durch die Kommerzialisierung der Landwirtschaft teil. Durch Einhegungen wird das bislang von abhängigen Bauern bearbeitete Land in großflächiges Weideland umgewandelt und zur Produktion von Schafswolle genutzt, die in großem Stil den – insbesondere in Holland – expandierenden Textilmarkt versorgt. Durch diese Kommerzialisierung der Gesellschaft fallen die ständischen Grenzen. An die Stelle der vorherrschenden Beziehung zwischen Grundherr und leibeigenen Bauern tritt in wachsendem Umfang die Beziehung zwischen selbständigen geschäftlichen Vertragspartnern von Gleich zu Gleich.

Aristokraten werden zu Geschäftsleuten, bürgerliche Gewerbetreibende werden zu Geschäftspartnern von Aristokraten. Die Kommerzialisierung der Gesellschaft reißt die Mauern zwischen den Ständen ein. An die Stelle der Prägung der Gesellschaft durch Statusbeziehungen tritt deren Gestaltung durch Vertragsbeziehungen. Aus gelegentlichen Transaktionen entstehen stabile geschäftliche Beziehungen, geschäftliche Partnerschaf- ten, Handelsgesellschaften und Unternehmen, die traditionelle ständische Grenzen überschreiten.
Inhaltsverzeichnis
Inhalt6
Vorwort8
Einleitung: Pluralisierung der Zivilgesellschaft, Individualisierung der Identitäten in Europa9
1. Annäherung der Nationen durch ihre innere Pluralisierung10
2. Annäherung der Personen durch ihre Individualisierung16
1. Religiöse Pluralität im nationalen Verfassungsstaat26
1.1 Gewaltmonopol, Nationalstaat und Volkssouveränität28
1.2 Verfassung als Zivilreligion der staatlich organisierten Politik42
2. Republikanismus versus Verfassungspatriotismus: Frankreich und Deutschland auf dem Weg zum Pluralismus?56
2.1 Republikanismus und Verfassungspatriotismus vor den Herausforderungen des Pluralismus59
2.2 Der Kult der Nation im Geist des Republikanismus67
2.3 Räsonnierende Zivilgesellschaft und staatlich geförderter Korporatismus76
3. Von der Commercial Society zur Civil Society: Großbritannien als historisches Modell89
3.1 Vereinigung in der Commercial Society89
3.2 Die Verankerung der Regierung in der Zivilgesellschaft103
4. Kompetitiver Voluntarismus: Die USA als Modell114
4.1 Der Pluralismus der freiwilligen Vereinigungen115
4.2 Vom Pluralismus zum Multikulturalismus: Der verlorene Gemeinsinn127
5. Pluralismus und Individualismus als europäische Zivilreligion142
5.1 Die Zivilreligion der modernen Gesellschaft144
5.2 Die Zivilreligion der europäischen Gesellschaft154
Schlussbetrachtung: Pluralismus der Zivilgesellschaft, Individualisierung der Weltbürger168
Literatur173
Personenregister192
Sachregister198
Veröffentlichungsnachweise204

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