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Das Schädelhirntrauma und der neurologische Rehabilitationsprozess

Langzeitrehabilitation (Phase F), neuropsychologische Defizite und deren Auswirkung. Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung

AutorJoeline Gromeier
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2010
Seitenanzahl113 Seiten
ISBN9783640636600
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis34,99 EUR
Bachelorarbeit aus dem Jahr 2007 im Fachbereich BWL - Bank, Börse, Versicherung, Note: 1,0, Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg in Hennef, Sprache: Deutsch, Abstract: In einer industrialisierten Nation wie der Bundesrepublik Deutschland stellt das Schädel-Hirn-Trauma schweren Grades die Haupttodesursache bei Menschen unter 40 Jahren dar, während die hohe Letalität von 35 bis 40% bei schwer Schädel-Hirn-Verletzten vor allem auf die Entwicklung von sekundären Hirnschäden im posttraumatischen Verlauf zurückzuführen ist. Neben der Todesfolge kommt es infolge schwerer Hirn-Verletzungen zu langanhaltenden oder andauernden Schäden. Im Hintergrund dieser Traumata stehen meist Schicksalsschläge, die junge und gesunde Menschen ihrem sozialen Umfeld entreißen und aufstrebenden beruflichen Werdegängen ein abruptes Ende setzen. Obgleich die medizinische Versorgung von Schädel-Hirn-Traumatisierten in Deutschland bereits einen fortgeschrittenen Standard erreicht hat, entstehen fortwährend Diskussionen über die Notwendigkeit unaufhörlicher Verbesserungen der Rehabilitationsprozesse und entsprechender Netzwerkstrukturen. Auch die gesetzliche Unfallversicherung nimmt an Überlegungen zur Versorgungsoptimierung teil und baut somit auf ihrem gesetzlichen Auftrag gemäß § 26 Abs. 2 SGB VII auf, 'mit allen geeigneten Mitteln möglichst frühzeitig den durch den Versicherungsfall verursachten Gesundheitsschaden zu beseitigen oder zu bessern, seine Verschlimmerung zu verhüten und seine Folgen zu mildern'. Im Nachfolgenden soll dargestellt werden, welche medizinischen Anforderungen ein umfassendes Heilverfahren nach Schädel-Hirn-Verletzungen stellt und unter Anwendung welcher Möglichkeiten die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung versuchen, den neurologischen Rehabilitationsprozess möglichst optimal zu gestalten. Schwerpunkt der Arbeit bildet dabei die Betrachtung von Schwerstverletzten sowie dauerhaft verbleibende neurologische und neuropsychologische Defiziten mit der Folge der Langzeitrehabilitation. Leichte und mittelschwere Traumata mit anschließender beruflicher und sozialer Rehabilitation sowie das Phänomen der Restitutio ad integrum finden hingegen keine Beachtung. Es sollen zunächst auf Grundlage der verschiedenen Verletzungsmuster die möglichen Gesundheits- und Folgeschäden sowie die Ausgestaltungsformen der Symptomatik erläutert werden, während anschließend das Versorgungssystem bei Schädel-Hirn-Verletzungen beschrieben wird. Zudem wird ein Überblick über die Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung geboten.

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Leseprobe

2. Die Arten der Schädel-Hirn-Verletzungen


 

Der Begriff der Schädel-Hirn-Verletzungen umfasst als diagnostischer Oberbegriff alle bei einer Krafteinwirkung möglichen Schäden des Gehirns und seiner Hüllen. So können sich auf den Kopf treffende mechanische Kräfte sowohl am äußeren Weichteilmantel, am knöchernen Gerüst des Gesichts- und Hirnschädels, als auch am Schädelinnenraum (Hirnhaut, Hirngefäße, Hirnsubstanz) auswirken. „Das Spektrum reicht von der Gehirnerschütterung über innere Blutungen bis hin zur offenen Fraktur mit Austritt von Hirnsubstanz.“[8] Die historische Annahme, Schädelbrüche seien die Todesursache bei Kopfverletzten, verlor bereits Ende des 19. Jahrhunderts an Bedeutung. So stellte Helferich[9] 1897 folgendes fest: „Während man früher glaubte, Schädelbasisfrakturen seien absolut tödliche Verletzungen, ist es jetzt durch klinische Beobachtung und durch Sektionen bewiesen, daß Schädelbasisbrüche wohl heilen können, wenn nicht durch allzu grobe Gewalt schwere Läsionen des Hirns und der großen Nervenstämme oder Hämatome innerhalb der Schädelkapsel zum Tode führen.“[10]

 

2.1 Schädelfrakturen


 

Frakturen der einzelnen Schädelknochen müssen nicht zwingend mit Hirnschädigungen einhergehen. Abhängig von der Lokalisation und der Ausprägung der Fraktur kann die Hirnsubstanz unverletzt bleiben. Jedoch können durch Impressionsfrakturen die unter Kalottenniveau verlagerten Knochenfragmente eine Druckschädigung des Gehirns verursachen. Kommt es durch eine Fraktur zu einer traumatisch entstandenen Verbindung zwischen dem Gehirn und der Außenwelt, so liegt eine offene Schädelhirnverletzung vor, welche als entscheidendes Kriterium die traumatische Eröffnung der Dura[11] aufweist und automatisch eine schwere Schädel-Hirnverletzung darstellt.[12] Der gesamte Schädel besteht aus 18 Einzelknochen. Der das Gehirn umschließende Hirnschädel (Neurocranium) setzt sich aus dem Schädeldach und der Schädelbasis zusammen. Der Gesichtsschädel (Viscerocranium) schließt sich dem Hirnschädel an und bildet die knöcherne Basis für Augen, Nase und Mund.[13]

 

Abbildung 1: Anatomie des Schädels

 

 

Quelle: http://www.diss.fu-berlin.de/2006/478/2_Schaedelanatomie.pdf

 

2.1.1 Frakturen der Schädelkalotte

 

Die Schädelkalotte (das Schädeldach) setzt sich zusammen aus dem Os frontale und temporale, dem Os parietale, dem Os occipitale, dem Os ethmoidale und Teilen der großen Flügel des Os sphenoidale. Häufige Formen dieser Schädelfrakturen sind Impressionsfrakturen bei Krafteinwirkung auf eine Aufschlagfläche von weniger als 8 cm2. Bei größerer Aufschlagfläche kommt es hingegen eher zu Kompressionsfrakturen.[14]

 

2.1.2 Schädelbasisfrakturen

 

Die Schädelbasis bildet den unteren Teil des Neurocraniums und umfasst Übergänge zur Halswirbelsäule, zum Nasen-Rachenraum und Gesichtsschädel. Die Schädelbasisfrakturen sind klinisch geprägt durch Brillenhämatome, retroaurikuläre Hämatome sowie Blut- und Liquorausfluss aus Nase, Mund und Ohr.[15] Eine typische Erscheinung sind die fronto-basalen Frakturen mit Beteiligung des Stirn- und Siebbeins sowie der vorderen Schädelbasis.

 

2.1.3 Frakturen der Gesichtsschädelknochen

 

Zu den Gesichtsschädelknochen zählen jene Knochen, welche die Augen- und Nasenhöhlen sowie die Mundhöhe bilden und somit das Gesicht formen. Dies sind im Einzelnen: Maxilla, Os palatinum, Os zygomaticum, Os lacrimale, Os nasale, Concha nasalis inferior, Vomer, Mandibula und das Os hyoideum.[16]

 

2.2. gedeckte Schädel-Hirn-Verletzungen


 

Bei auftretenden gedeckten Schädel-Hirn-Verletzungen wird das Gehirn in Mitleidenschaft gezogen, während jedoch die Hirnhaut unversehrt bleibt.

 

Abbildung 2: Aufbau des Gehirns

 

 

Quelle: http://www.neuro24.de/glossarm.htm

 

„Inwieweit das Gehirn von der Verletzung mitbetroffen ist, lässt sich nicht durch den äußeren Anschein erkennen. (...) Verläßlicher ist hingegen die Beurteilung der Bewusstseinslage. (...) Das Gehirn als Organ ist so empfindlich, daß es bei einer Gewalteinwirkung als erste Fehlfunktion mit einem Bewußtseinsverlust reagiert.“[17] Die meisten Verletzungsmechanismen führen aber „zu einer Reduktion der Sauerstoffversorgung und damit zur Schädigung der sehr vulnerablen zerebralen Zellstrukturen.“[18]

 

2.2.1 Gehirnerschütterung

 

Die Gehirnerschütterung ist eine reversible Hirnfunktionsschädigung, wobei nachweislich keine morphologisch fassbaren Veränderungen des Gehirns vorliegen. Es kommt zu einer mechanischen Irritation der Großhirnrinde, was als Schädel-Hirn-Trauma I. Grades klassifiziert wird. Die Commotio Cerebri äußert sich durch kurzzeitige Bewusstlosigkeit, anterograde sowie retrograde Amnesie und vegetative Beschwerden wie Erbrechen und Kopfschmerzen. Diese Symptome klingen jedoch nach kurzer Zeit restlos ab.[19]

 

2.2.2 Hirnsubstanzschädigung

 

Bei der Contusio Cerebri, welche als Schädel-Hirn-Trauma II. und III. Grades bezeichnet wird, kommt es zu einer nachweislichen morphologischen Schädigung des Gehirns, welche sich als Prellungsherd darstellt. Neben den Prellungs- oder Kontusionsherden können auch ausgedehnte und multilokuläre – die sogenannten diffusen - Hirnschäden entstehen. Abhängig von der Lokalisation der Hirnsubstanzschädigung kommt es häufig zu neurologischen Ausfällen, welche als Herdsymptome bezeichnet werden. Zudem sind intrakranielle Drucksteigerungen sowie Hirnödeme als sekundäre Hirnschädigung typische Folgen.[20] Aufgrund der Irreversibilität einer Zellschädigung im Zentral-Nervensystem ist die ursächliche Behandlung dieser primären Hirnschädigung nicht möglich. Ziel ist es daher immer, eine sekundäre Schädigung zu verhindern.[21]

 

2.2.3 Intrakranielle Drucksteigerung

 

Eine durch Druck verursachte Schädigung des Gehirns – die Compressio Cerebri – kann auf Hirnödemen oder auf Hirnblutungen basieren. Ein erhöhter intrakranieller Druck zeichnet sich durch zunehmende motorische Unruhe, Verschlechterung der Bewusstseinslage, Veränderung des Atmungsmusters, Störungen der Pupillenreaktionen sowie Bradykardie aus. Durch die Zunahme der Hirnmasse oder der Blut- und Liquormenge kommt es zu Hirnschwellungen und Abszessen.

 

2.2.3.1 Intrazerebrale Hämatome

 

Intrazerebrale Hämatome (Abb. 3), welche überall im Gehirn in unterschiedlichem Ausmaß vorkommen können, werden durch das Zerreißen von Gefäßen im Hirninneren infolge regionaler massiver Gewalteinwirkung verursacht und sind einhergehend mit Gewebszerstörungen in den entsprechenden Bereichen. Sie haben oft Halbseitensymptome wie Hemiparesen zur Folge. Auch Erbrechen, Pupillenerweiterung sowie Atem- und Bewusstseinsstörungen sind häufige Symptome.

 

2.2.3.2 Subdurale Hämatome

 

Subdurale Hämatome werden vorwiegend durch Blutungen aus Rindenprellherden mit Verletzung kortikaler Gefäße, durch Ein- oder Abrisse der Brückenvenen zwischen Hirn und harter Hirnhaut oder durch Verletzungen venöser Gefäße verursacht. Die flächenhaften Blutungen sind zwischen Gehirnoberfläche und Dura mater lokalisiert (Abb. 4) und verursachen nach Ausschöpfung der zerebralen Reserveräume eine Verschiebung des Gehirns zur Gegenseite. Häufig gehen subdurale Hämatome mit deutlich reduziertem Glasgow-Koma-Skala-Wert[22] einher.

 

2.2.3.3 Epidurale Hämatome

 

Epidurale Hämatome befinden sich zwischen der Dura mater und dem knöchernen Schädeldach (Abb. 5) und sind meist an der Stelle der Krafteinwirkung am stärksten ausgeprägt. Häufige Ursache dieser Hämatomform ist das Zerreißen der Arteria meningea media, der mittleren Hirnhautschlagader. Obwohl diese Blutung bereits mit dem traumatischen Ereignis oder unmittelbar danach einsetzt, treten klinische Symptome erst später auf. Aufgrund der anhaltenden Blutung kommt es nach einer primären Bewusstlosigkeit häufig zu einer sekundären Bewusstlosigkeit infolge des symptomfreien Intervalls. Dieses neurotraumatologische Krankheitsbild ist keine primäre Verletzung, da erst sekundär das Gehirn bei raumfordernden Blutungen durch Druckwirkung geschädigt wird.[23] Das Epiduralhämatom ist daher nur sekundär kritisch, während sonst eine folgenlose Heilung möglich ist.

 

2.2.3.4 Subarachnoidale Hämatome

 

Der Subarachnoidalraum befindet sich zwischen Arachnoidea mater und weicher Hirnhaut - der Pia mater (Abb. 6), welche die Blutgefäße für das Hirn führt. Einblutungen in diesen Bereich werden durch...

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