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Das Verhältnis von türkischem Nationalismus und Islam - Die Geschichte einer langen und nicht immer einfachen Beziehung

Die Geschichte einer langen und nicht immer einfachen Beziehung

AutorDennis Merklinghaus
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2006
Seitenanzahl90 Seiten
ISBN9783638509275
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis24,99 EUR
Magisterarbeit aus dem Jahr 2006 im Fachbereich Politik - Internationale Politik - Region: Naher Osten, Vorderer Orient, Note: 2,2, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn (Politisches Institut), 86 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: Die Türkei war schon lange für den westlichen Beobachter die Pforte in das islamische Abendland. Sie war geheimnisvoll, ein wenig fremd und zuweilen undifferenziert bedrohlich. Demjenigen allerdings, der das Land bereiste, wurde schnell klar, dass es zwei Gesichter hat, zum einen traditionell und eher ärmlich, zum anderen modern und westorientiert. Dabei spielte und spielt der Islam in beiden Teilen der Türkei, dem Traditionellen und dem schnelllebigen Modernen, eine wichtige Rolle. Vor allem in der jetzigen Zeit, der aktuellen Diskussion um die Mohammed- Karikaturen und die Ausschreitungen, die selbst nicht vor der Türkei halt machten, ist es wichtig zu beobachten, wie die Türkische Republik mit dem Islam umgeht. Obwohl sich die Türkei als laizistisches Land sieht und das Militär sich als der Garant laizistischer Stabilität versteht, gehört der Islam zur Türkei, nicht zuletzt auch gestützt durch die konservativ-islamistische Regierungspartei AKP. Das Bild einer islamisch geprägten Nation, das die Medien derzeit präsentieren, ist ein Bild von radikal fundamentalistischen Islamisten, die alles daran setzen den Westen zu zerstören. Dies ist grundsätzlich falsch, da der Islam zunächst eine gewaltlose Religion ist, die, wie es auch in der Geschichte des Christentums zu finden ist, von Führern breiter Massen für ihre Ziele ausgelegt wird und somit den Radikalismus heraufbeschwört, der zu den Aktionen führt, die täglich die Medien beschäftigt. 'Das Verhältnis von türkischem Nationalismus und Islam - Die Geschichte einer langen und nicht immer einfachen Beziehung' lautet der Titel dieser Arbeit. Im Mittelpunkt steht die nicht immer einfache Beziehung zwischen dem türkischem Nationalismus und dem Islam.

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Leseprobe

1. Einleitung

 

Die Türkei war schon lange für den westlichen Beobachter die Pforte in das islamische Abendland. Sie war geheimnisvoll, ein wenig fremd und zuweilen undifferenziert bedrohlich. Demjenigen allerdings, der das Land bereiste, wurde schnell klar, dass es zwei Gesichter hat, zum einen traditionell und eher ärmlich, zum anderen modern und westorientiert. Dabei spielte und spielt der Islam in beiden Teilen der Türkei, dem Traditionellen und dem schnelllebigen Modernen, eine wichtige Rolle.

 

Vor allem in der jetzigen Zeit, der aktuellen Diskussion um die Mohammed-Karikaturen und die Ausschreitungen, die selbst nicht vor der Türkei halt machten, ist es wichtig zu beobachten, wie die Türkische Republik mit dem Islam umgeht. Obwohl sich die Türkei als laizistisches Land sieht und das Militär sich als der Garant laizistischer Stabilität versteht, gehört der Islam zur Türkei, nicht zuletzt auch gestützt durch die konservativ-islamistische Regierungspartei AKP. Das Bild einer islamisch geprägten Nation, das die Medien derzeit präsentieren, ist ein Bild von radikal fundamentalistischen Islamisten, die alles daran setzen den Westen zu zerstören. Dies ist grundsätzlich falsch, da der Islam zunächst eine gewaltlose Religion ist, die, wie es auch in der Geschichte des Christentums zu finden ist, von Führern breiter Massen für ihre Ziele ausgelegt wird und somit den Radikalismus heraufbeschwört, der zu den Aktionen führt, die täglich die Medien beschäftigt. Anders so zurzeit in Deutschland. Neben weiteren gewaltlosen Demonstrationen sind auch hier in Bonn am Samstag, 11.Februar2006 Islamisten auf die Strasse gegangen, um friedlich für ihre Würde zu demonstrieren.[1] Am Beispiel der Türkei lässt sich zeigen, dass es auch dort möglich ist, die Religion für die Gläubigen zu lenken, ohne Radikalismus heraufzubeschwören und ohne extremistische Aktionen zu fördern. Dies war in der Türkei zwar nicht immer der Fall, aber sie bewegt sich m.E. mit inzwischen sicheren Schritten in die richtige Zukunft.

 

Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoğan hat die Türkei als Vermittler zwischen dem Okzident und dem Orient angeboten.[2] Vor allem aus der Unsicherheit im Umgang mit dem Islam in der deutschen Gesellschaft heraus, ist es gerade zur jetzigen Zeit wichtig, die Verwirrung und Vorurteile um den Islam aufzuklären. Die aufgestauten Ängste, die sich seit den radikal islamistischen Terroranschlägen zunehmend auch in Europa breit machen, zwingen sich mit der Frage nach dem Rolle des Islams zu beschäftigen. Gerade an der türkischen Republik, mit ihrer auch den Islam betreffenden wechselreichen Geschichte, kann ein machbarer Weg im Ungang mit dieser Religion deutlich gemacht werden. Sie steht an den Toren der EU und hat uns in Deutschland durch die Gastarbeiter-Kultur der 60er Jahre, und dem massiven Familiennachzug nach dem Anwerberstopp von 1973, türkische Mitbürger und ihre Religion zu treuen Händen und verantwortungsvollem Miteinander beschert. Um unsere Ängste zu bewältigen, aber auch um dem Vorwurf vorzubeugen, wir nähmen unsere Minderheiten nicht mit dem nötigen Ernst und Verständnis auf, müssen wir uns intensiv und umfassend mit dem Thema Islam und Staat befassen.

 

 „Das Verhältnis von türkischem Nationalismus und Islam – Die Geschichte einer langen und nicht immer einfachen Beziehung“ lautet der Titel dieser Arbeit. Im Mittelpunkt steht die nicht immer einfache Beziehung zwischen dem türkischem Nationalismus und dem Islam. 

 

Zunächst wird zu klären sein, wie sich diese Beziehung generell darstellt und wo genau die Unterschiede zwischen beiden Elementen liegen. Im weiteren gilt es dann zu untersuchen, wo und wieweit der türkische Nationalismus Hand in Hand mit dem türkischen Islam geht.

 

Die Arbeit wird sich danach damit beschäftigen aufzuzeigen, wie die Türkei als laizistisches Land funktioniert und wo darin die religiös islamischen Kräfte greifen. Diese Arbeit soll anschließend analysieren, wie kemalistische Prinzipien in der Neuzeit überleben, bzw. wie sie unter Einfluss des Islams angepasst werden. Dies wird am aktuellen Beispiel der rechtsextremen Partei MHP deutlich gemacht.

 

Die Gliederung zeigt zwei Teilbereiche auf: Im ersten Teil wird die ideengeschichtliche Herkunft und die Entwicklung des türkischen Nationalismus erklärt, der, wie wir wissen, nicht unbedeutend durch den Islam geprägt ist. Der zweite Teil beschäftigt sich mit der Fragestellung, wie sich Islam, Nationalismus und Politik gegenseitig beeinflussen.

 

Der erste Teil ist wiederum in zwei Bereiche unterteilt, da es wichtig ist, die Termini Nationalismus und Islam einzeln zu erklären, allerdings immer mit Blick auf die Türkei. Es gilt über den generellen Begriff des Nationalismus zum Kemalismus als dem türkischen Weg zum Nationalismus zu kommen. Hier wird die geschichtliche Einordnung und Diskussion um den Kemalismus erforderlich, um zu erkennen, wie und warum er sich entwickelt hat und warum er heute noch greift. Zu erwähnen sind dabei das Osmanische Reich und die Jungtürken, die ein neues Nationalverständnis geprägt haben und auf deren Ideen Mustafa Kemal Atatürk die sechs Grundprinzipien des Kemalismus begründete.

 

Wenn man sich mit der Entstehung des türkischen nationalen Selbstverständnis beschäftigt, ist es unausweichlich, dass man, neben einem ausführlichen Werdegang Mustafa Kemal Atatürks, auf einen bedeutenden türkischen Denker zu sprechen kommt, der das Nationalismusverständnis wesentlich geprägt hat: Ziya Gökalp, Primus inter Pares bei den erwähnten Jungtürken. Darüber hinaus ist für das Verständnis des türkischen Nationalismus vor allem die Kenntnis über zwei Regierungsbehörden (Türk Tarih Kurumu „Amt für die türkische Geschichte“ und Türk Dil Kurumu  „Amt für die türkische Sprache“) wichtig, auf die deshalb heut näher eingegangen wird.

 

Der Einfluss des Nationalismus auf die Religion, bzw. umgekehrt, wird anhand von Quellen dieser beiden Regierungsbehörden verdeutlicht. Sie besitzen im Verbund mit dem Präsidium für Religionsangelegenheiten („Diyanet İşleri Başkanlığı“) die ausschließliche Kontrolle über das Verhältnis von Staat und Religion, also auch über die Ausprägung des Laizismus.

 

Schon im ersten Teil dieser Arbeit wird die Rolle des Islams als Auslöser für den türkischen Laizismus aufgezeigt. Hierbei wird besonders auch auf das bereits erwähnte Präsidium für Religionsangelegenheiten eingegangen, da es explizit dafür eingerichtet worden ist, die Religion zu kontrollieren und den Laizismus zu erhalten. Dabei ist es angemessen aufzuzeigen, wie es sich mit der Diskriminierung von Minderheiten auch anderen Glaubens verhält.

 

Anschließend werden Islam, Nationalismus und Politik am Beispiel der türkischen Partei MHP (Milliyetçi Hareket Partisi) und ihrer Kommandoorganisation „Graue Wölfe" (Bozkurts) dargestellt. Bewusst wurde die MHP ausgewählt, da man bei ihr die Übername alter panturkischer Elemente, also nationalistischer Konzepte, die schon im Osmanischen Reich durch die Jungtürken geboren wurden, nachweisen kann. Darüber hinaus ist die MHP ein gutes Beispiel für die Verbindung von Nationalismus und Islam in der türkischen politischen Wirklichkeit heutiger Tage.

 

Wichtig bei der Diskussion über Nationalismus und Islam in der Türkei ist vor allem die türkisch-islamische Synthese (TIS), die man als Zusammenfassung verschiedener Ideologien verstehen muss und die den türkischen Nationalismus und Islam miteinander verbindet. Sie ist der Versuch, eine neue türkische Identität herzustellen, in der islamische und national-türkische Elemente aufeinander einwirken und zusammenarbeiten. Die Synthese, die auch vom türkischen Militär getragen wird, prägt die allerdings zunehmend unzeitgemäße rassistische Ideologie der MHP.

 

Die Türkei stellt in der islamischen Welt eine einmalige, sowie besonders exponierte Staatsform dar. Sie ist seit vielen Jahren bemüht, Mitglied der Europäischen Union zu werden und im Gegensatz zu ihren Nachbarn,  prowestlich zu sein. Die türkische Staatsführung sieht die Zukunft der Republik in Europa. Nicht zu vergessen ist, dass die Türkei ein sehr wichtiger Bündnispartner der NATO ist. Zur Zeit des „Kalten Krieges“ war die strategische Lage (Kontrolle des Schwarzmeerausgangs, gemeinsame Grenze mit der Sowjetunion) sehr wichtig. Besonders aber in unserer Zeit der asymmetrischen Auseinandersetzung zwischen einer islamischen Teilwelt und der von ihr propagierten Welt der Ungläubigen, kommt der Türkei wegen ihrer besonderen Staatsform, aber auch wegen der trotzdem typischen kulturellen und religiösen Nähe zur restlichen islamischen Welt eine strategische Bedeutung für Europa zu, die heute noch zumeist unterbewertet scheint. Trotz der historischen Verbindungen durch das Osmanischen Reichs in die arabische und asiatische Welt, ist der Islam in der Türkei heute anders eingebunden, als in anderen Ländern des Nahen Ostens. Auch dies soll in dieser Arbeit nachgewiesen werden.

 

Die Literatur- und Quellenlage zu dem Thema dieser Arbeit ist sehr umfangreich. Vor allem seit dem...

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