Im folgenden Kapitel wird die Situation des europäischen Luftverkehrssektors sowie die des Schienen-HGV analysiert. Hierzu erfolgt eine Statusbeschreibung der fünf größten europäischen Hubs. Im Anschluss werden für den Schienen-HGV eingehende Grundlagen sowie HGV-Streckenbeispiele aufgezeigt.
Bei der Analyse des europäischen Flughafensystems erfolgt nach einem allgemeinen Überblick und einer Begriffsabgrenzung die spezielle Analyse der fünf größten europäischen Flughäfen London Heathrow (Three Letter Code laut der International Air Transport Association (IATA): LHR), Frankfurt a. M. (FRA), Paris Roissy-Charles de Gaulle (CDG), Amsterdam Schiphol (AMS) und Madrid Barajas (MAD).
Flughäfen werden durch das deutsche Luftverkehrsgesetz (LuftVG), durch die International Civil Aviation Organisation (ICAO), durch den Flugsicherungsdienst Air Traffic Control (ATC) und die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen e.V. (ADV) unterschiedlich klassifiziert (Vgl. Maurer, 2003). Die vorliegende Arbeit orientiert sich an der Einteilung der ADV, die Flughäfen nach ihrer Funktion klassifiziert. Demnach werden internationale Verkehrsflughäfen, regionale Verkehrsflughäfen, Sonderflughäfen, Verkehrslandeplätze und Sonderplätze voneinander unterschieden. Im folgenden Kapitel werden allein die fünf größten europäischen internationalen Verkehrsflughäfen behandelt, welche in den interkontinentalen Linienverkehr eingebunden sind sowie Verbindungen zu anderen internationalen Flughäfen innerhalb Europas und des eigenen Landes besitzen.
Diese Flughäfen werden auch als Hubs oder auch Megahubs bezeichnet, welche die zentrale Rolle im so genannten Nabe-Speichen-System oder Hub and Spoke System einnehmen und in der Gruppe der internationalen Verkehrsflughäfen hervorzuheben sind.
Abbildung 5: Punkt-zu-Punkt-Verkehr und Hub-and-spoke-System
Quelle: Fraport AG, 2005, S. 15
Hub and Spoke Systeme, welche zunächst wie Umwegverkehre aussehende Flugverbindungen aufweisen, haben sich in der Praxis als durchaus wirtschaftlich erwiesen. Hierbei werden Zubringerverkehre (Speiche oder Spokes) gebündelt und an dem Hub (Nabe) neu verteilt. Durch ein derartiges System erfolgt eine höhere Auslastung sowie ein größeres Angebot an Destinationen, welche von den Hubs aus angeflogen werden können.
Die nachfolgend behandelten Hubs sind „[...] Ausgangspunkte für interkontinentale Langstreckenflüge, Knotenpunkte für innereuropäische Flüge und Heimatflughäfen (Homebase) großer europäischer Fluggesellschaften [...]“ (Maurer, 2003, S. 72). In Europa besteht ein Netz von über 450 internationalen Flughäfen. Hierbei spielen die schon erwähnten Hubs die zentrale Rolle, ergänzt durch eine Vielzahl weiterer kleinerer internationaler Flughäfen (ACI Europe, 2004).
Tabelle 2: Passagierzahlen der 25 verkehrsstärksten Flughäfen Europas 2003
Quelle: ACI Europe, 2005 / Eigene Zusammenstellung
Abbildung 6: Die 25 verkehrsstärksten Flughäfen Europas 2003
In den letzten Jahren hat sich im internationalen Flughafenwesen die Tendenz zu Privatisierungen von Flughäfen durchgesetzt. Ebenso wie der Schienenverkehr wurde der Luftverkehr früher als „[...] ein hoheitliches Transportmittel im Sinne eines öffentlichen Gutes betrachtet [...]“ (Maurer, 2003, S. 21), was zur Folge hatte, dass in Deutschland die Verkehrsflughäfen im Mehrheitsbesitz von Bund und Ländern waren. Die Erkenntnis, dass ein privatwirtschaftlich geführtes Unternehmen Vorteile gegenüber einem staatlichen Unternehmen im Bereich der Effizienz und Marktanpassung hat, führte zu einem Rückbau der staatlichen Kapitalbeteiligungen an derartigen Einrichtungen.
Hinzu kommt ein weiterer Faktor, der eine Privatisierung notwendig macht: Ein Großteil der Flughäfen stößt wegen genannter Verkehrszuwächse an seine Kapazitätsgrenzen und macht in der Regel einen Ausbau der Flughafeninfrastruktur notwendig. Hierbei sind hohe Investitionssummen von Nöten, die durch privates Kapital finanziert werden sollen um damit die Belastung der Haushaltskassen zu mindern. „Die ICAO schätzt den Kapitalbedarf der Airports für den Ausbau der Infrastruktur allein in den nächsten 12 Jahren auf 350 Mrd. US-Dollar [...]“ (Maurer, 2003, S. 21).
Im Folgenden werden die fünf bedeutendsten Hubs des europäischen Luftverkehrs, London Heathrow, Frankfurt a. M., Paris Roissy-Charles de Gaulle, Amsterdam Schiphol und Madrid Barajas, im Einzelnen erläutert.
Tabelle 3: Passagierzahlen im Jahr 2004 und Schienenanbindung der fünf größten europäischen Flughäfen im Vergleich
Quelle: ACI International, 2005 / Eigene Zusammenstellung
Die britische Hauptstadt London verfügt über einen Airport-Verbund, zu welchem London Heathrow, London Gatwick, London Stansted und der City Airport gehören. Allein London Heathrow wird nach seiner Größe und Funktion als Megahub bezeichnet und daher als einziger Londoner Flughafen im Rahmen dieser Arbeit behandelt.
Im Ersten Weltkrieg wurde in der Nähe von Hounslow Heath ein Trainingsgelände des Royal Flying Corps errichtet, wodurch sich in London zunächst eine rein militärische Nutzung als Ausgangspunkt bot. Zu klein werdende Flächen bedingten im Jahr 1929 den Erwerb neuer Flächen nahe Heathrow, welches den Namen des heutigen Flughafens prägt. Heute ist hier das Terminal 3 zu finden. Während des Zweiten Weltkrieges entschied das Secretary of State for Air, dass nach dem Krieg ein leistungsfähiger Zivil-Flughafen geschaffen werden müsse. Offiziell eröffnet wurde der rein zivil zu nutzende Flughafen dann am 31. Mai 1946. Damals wurden bereits 18 Destinationen angeflogen und insgesamt 60.000 Passagieren befördert. Die heute bestehenden Terminals wurden 1955 (heute Terminal 2 für Kurzstreckenflüge), 1957 (für Langstreckenflüge, ein zweites Gebäude für Kurzstreckenflüge und ein Cargo-Terminal im Südwesten des Airports), 1962 (Terminal 3), 1968 (Terminal 1) sowie 1986 (Terminal 4) errichtet. Bis zum Frühjahr 2008 soll ein weiteres Terminal (Terminal 5) eröffnet sein. Die drei heute bestehenden Start- und Landebahnen haben eine Länge von 3.900 m (Nord-Bahn), ca. 3.660 m (Süd-Bahn) und rund 1.970 m (Ost-Bahn).
Die British Airports Authority (BAA), 1966 gegründet, fungiert als Betreiber-, Management- und Kontrollgesellschaft des Flughafens. Als erster Flughafen weltweit wurde im Juli 1987 Heathrow privatisiert. Betreibergesellschaft ist seitdem die BAA Heathrow, als Tochtergesellschaft der BAA plc (plc = public limited company / entspricht einer Aktiengesellschaft), die heute im Vereinigten Königreich an sieben und weltweit an 13 Airports operativ tätig ist (BAA plc., 2004 b). Der Flughafen selbst bietet 68.000 Personen einen Arbeitsplatz, 3.800 davon allein durch die BAA Heathrow (BAA Heathrow, 2003).
Abbildung 7: London Heathrow - LHR
Quelle: The XYZ Digital Map Company, 2005
Der Flughafen LHR ist trotz seiner vergleichsweise geringen Anzahl von zwei Start- und Landebahnen sowie einer nur 1.970 m langen Bahn und vier Terminals der wichtigste europäische Hub im Personenluftverkehr.
Die Intermodalität am Flughafen LHR
Die Hub-Funktion, welche Heathrow besitzt, zeigt sich nicht nur an den zahlreichen internationalen Destinationen, sondern auch in der Intermodalität (bodenseitige verkehrliche Anbindung). Der Flughafen, ca. 25 km im Westen der Londoner Innenstadt, liegt unmittelbar in Nähe der Autobahnen M4 Swansea – London und der Londoner Ringautobahn M 25. Heathrow hat mit 34 % weltweit den größten Anteil an Passagieren, die mit Verkehrsmitteln des ÖPNV anreisen. Bis 2007 versucht BAA Heathrow diesen Prozentsatz auf 40 %, danach bis auf 50 % auszubauen (BAA Heathrow, 2001).
Seit dem 23. Juni 1998 besitzt LHR zudem eine durchgehende Schienenverbindung zur Londoner Innenstadt. Bedient wird diese durch den von der BAA gebauten und betriebenen Heathrow Express (HEX) (BAA plc, 2002). Mit einem 15-min-Takt stellt der HEX eine attraktive Alternative gegenüber anderen Verkehrsmitteln dar. Allein 2003 transportierte der HEX 5,1 Mio. von insgesamt bisher 27...