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E-Book

Dein Pferd - dein Partner

Wahrnehmen, leiten, vertrauen

AutorMark Rashid
VerlagFranckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl216 Seiten
ISBN9783440139844
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis14,99 EUR
Das Pferd lässt sich nicht einfangen, ist beim Reiten unmotiviert oder schreckhaft? Mit solchen und vielen anderen Problemen wird Mark Rashid tagtäglich in seinen Kursen konfrontiert. Der bekannte Horseman öffnet die Augen für die Denkweise der Pferde und kommt dabei zu überraschenden Einsichten und manchmal verblüffend einfachen Lösungswegen. Er zeigt, was sich in der Einstellung zum Pferd ändern muss, damit der Reiter seine Führungsrolle einnehmen und dabei auch noch das Vertrauen seines vierbeinigen Partners gewinnen kann.

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Leseprobe

TEIL 1:
DIE PFERDE WAHRNEHMEN


FEHLER UND IHRE FOLGEN


Ich war ganz schön müde. Vier Monate lang hatten wir Seminare und Lehrgänge abgehalten, und gerade war die letzte Reiterin des letzten Lehrgangs in diesem Jahr auf den Platz gekommen. Sie hatte einen mittelgroßen braunen Quarter Horse-Wallach dabei, mit einem schiefen weißen Strich über der Nase und zwei weiß bestrumpften Hinterbeinen. Im Genick war die Mähne eine Handbreit fast völlig weggescheuert, nur ein paar dünne Haare standen noch in die Höhe – Anzeichen dafür, dass das Pferd viel Zeit damit verbracht hatte, sich unter einer Zaunlatte nach ein paar Grashalmen zu strecken.

Das Pferd war gesattelt, aber sie führte es noch an der Hand. Ich begann mein Gespräch mit ihr wie mit jedem Reiter, der zu einem meiner Lehrgänge kommt.

„Hallo“, sagte ich und nahm die Sonnenbrille ab, um mit dem Taschentuch die dünne Staubschicht abzuwischen, die sich in den letzten Stunden auf die Gläser gelegt hatte.

„Wie heißen Sie?“

„Hallo“, sagte sie nervös, während der Wallach ihr einen Schubs mit der Nase gab. „Ich bin Jackie, und das ist Arrow.“

„Wenn wir mit unserem Pferd etwas machen, das zu einem unerwünschten Ergebnis führt – ist es dann ein Fehler oder eine Gelegenheit zu wachsen?“

Das Pferd stupste sie heftiger und schob sie zwei Schritte zur Seite.

„Er schubst einen manchmal ganz gern“, sagte sie etwas einfältig.

„Okay“, sagte ich lächelnd, um ihr etwas von ihrer Nervosität zu nehmen. „Was können Sie mir sonst noch über ihn sagen?“

Ich setzte die Sonnenbrille wieder auf und steckte mein Taschentuch zurück. Der Wallach schubste sie wieder.

„Na ja“, sagte sie halbherzig und versuchte, den Wallach mit dem Führstrick einen Schritt zurückzuschieben. „Er ist sieben, und er gehört mir seit zwei Jahren. Ich habe ihn in einem Pferch mit sieben oder acht anderen Pferden entdeckt, alle ganz dürr und voller Ungeziefer.“

Der Wallach gab ihr noch einen Stoß, und wieder versuchte sie ohne Erfolg, ihn etwas von sich wegzuschieben.

„Von einem Nachbarn hatte ich gehört, dass sie alle zum Schlachter sollten, und sie taten mir leid“, fuhr sie fort. „Deshalb bin ich ein paar Tage später noch mal hin, um zu sehen, ob einer dabei war, den ich retten konnte. Ich hatte vorher noch nie ein Pferd, aber ich habe mir immer eines gewünscht …“

Vermutlich war es weniger das, was sie sagte, als die Art, wie sie es sagte, was ihrer Geschichte eine seltsame Vertrautheit verlieh – als ob ich sie schon zuvor gehört hätte.

„Ich ging mit dem Nachbarn zu den Pferchen, und der Besitzer sagte, wir könnten reingehen und uns die Pferde anschauen, wenn wir wollten …“

Ich bin nicht sicher, ob es die Müdigkeit nach der langen Zeit unterwegs war oder einfach die Geschichte selbst, die sie erzählte, aber es passierte etwas ziemlich Ungewöhnliches: Mein Geist begann zu wandern.

„Wir gingen also in die Pferche hinein und sahen uns die Pferde an … die meisten … krank oder verletzt … sah Arrow … der Einzige, der zu mir herkam … sanfte Augen … lief mir nach … mich in ihn verliebt …“

Ich glaube wirklich, dass es äußerst wichtig ist, den Geschichten, die Menschen über ihre Pferde erzählen, zuzuhören und sie zu verstehen, wenn man ihnen helfen will, irgendein Fehlverhalten abzulegen. Deshalb war ich selbst einigermaßen erstaunt darüber, dass ich mich nicht nur nicht auf das, was sie sagte, konzentrieren konnte, sondern dass meine Gedanken immer wieder viele Jahre zurück zu einer Zeit und einer Situation wanderten, die damit augenscheinlich nicht das Geringste zu tun hatte.

„Eine Nacht darüber geschlafen – am nächsten Tag wiedergekommen … den Kauf ausgehandelt …“

Ihre Worte wurden immer leiser, bis ich sie buchstäblich überhaupt nicht mehr hörte. Stattdessen erschien nun vor meinem geistigen Auge das vollständige Bild der Erinnerung, das aus meinem Unterbewusstsein ans Licht strebte. Plötzlich stand ich wieder, in meinem zweiten High School-Jahr, an meinem Spind und versuchte zu hören, was zwei Mädchen zwei Spinde weiter sich erzählten.

Sharon Kingstone war ein Mädchen, für das ich schon seit ein paar Jahren geschwärmt hatte, ohne jemals etwas zu unternehmen. Am Wochenende sollte eine Tanzveranstaltung stattfinden, und ich dachte daran, sie anzurufen und zu fragen, ob sie mit mir hingehen würde.

Damals kam es, jedenfalls für mich, überhaupt nicht infrage, ein Mädchen einfach so, im Eingang zur Schule, zu fragen, ob sie mit mir ausgehen wollte. Sehen Sie, aus meiner Sicht der Dinge war es so, dass, wenn ich ein Mädchen persönlich fragte, ob sie mit mir ausgehen wollte, und sie nein sagte, die ganze Schule es innerhalb von Minuten wissen würde – keine gute Sache für einen gehemmten Sechzehnjährigen. Wenn ich sie dagegen anrief und sie nein sagte, wüssten es nur sie und ich. Dabei machte ich mir natürlich überhaupt nicht klar, dass sie ebenso gut am nächsten Tag all ihren Freundinnen davon erzählen konnte, sodass die ganze Schule es so oder so wissen würde. Wahrscheinlich dachte ich mit sechzehn einfach nicht so weit voraus.

Mehrfache Nachforschungen im Telefonbuch in den letzten Monaten hatten mich mit der traurigen Realität konfrontiert, dass Sharons Familie nicht im Telefonbuch stand und es damit so gut wie unmöglich war, mich mit ihr zu verabreden. Zu meinem Glück wurden die Spinde nach dem Alphabet vergeben, und deshalb hatte Sharons Freundin Julie Rush ihren Spind nur zwei weiter von meinem. Und was soll ich sagen: Gerade als ich den Gedanken an eine Verabredung mit ihr aufgeben wollte, stand doch Sharon zwei Spinde weiter und sprach mit Julie über einen Film, den sie sich an diesem Abend ansehen wollten. Meine Hoffnung war, dass Julie ebenfalls keine Telefonnummer von Sharon hatte und Sharon ihr diese geben würde, wenn ich nur lange genug wartete. Und ich wäre zufällig zur rechten Zeit am rechten Ort, um sie mitzuhören.

Ich stand ruhig da und suchte in den Tiefen meines Spinds nach – na ja – nichts Besonderem, wobei ich mir alle Mühe gab, so zu tun, als ob ich nicht zuhörte. Leider enthielt ihre Unterhaltung wenig, das für mich von Interesse war, und ich wollte schon aufgeben und in meine nächste Stunde, Sozialstudien und aktuelle Ereignisse, gehen (bei Mr. Kocos, einem Oberst a. D., was man seinem Unterricht noch anmerkte. Es war keine gute Idee, bei ihm zu spät zu kommen), als Sharon ganz beiläufig die Information über die Lippen kam, auf die ich so sehnsüchtig wartete.

„Am besten rufst du mich gegen sechs an“, sagte sie und warf ihr fast hüftlanges Haar mit einem Schwung über die linke Schulter. „Hast du meine Nummer?“

„Nein“, sagte Julie. „Warte einen Moment, ich brauche was zu schreiben.“

„Sie ist ganz einfach zu merken“, lächelte Sharon.

Gut, dachte ich, denn ich hatte auch nichts zum Schreiben zur Hand.

Wir lebten in einer Kleinstadt. Alle Telefonnummern hier und in der nächsten Kleinstadt hatten dieselbe Vorwahl, weshalb ich mir wenigstens diese nicht zu merken brauchte, obwohl Sharon sie erwähnte. Sie sprach langsam und deutlich, und als sie die letzten vier Zahlen aussprach – die, auf die es mir ankam –, hätte ich fast einen Luftsprung gemacht.

„0-3-1-1“, sagte sie, gerade als die Glocke zur nächsten Stunde läutete.

Ich konnte mein Glück kaum fassen! Drei-elf war unsere alte Hausnummer, die ich auswendig konnte, seit ich fünf war. Kinderspiel, dachte ich.

Ich kam etwa dreißig Sekunden zu spät zum Unterricht bei Mr. Kocos, was mich zwei Tadel kostete und ein paar Extras an Lob, um sie wieder auszugleichen, damit ich nicht nachsitzen und sie abarbeiten musste – mit Tafel abwischen, Fußboden wischen oder Fenster putzen. Kein zu hoher Preis, dachte ich, während Mr. Kocos die Strafe austeilte und meine Klassenkameraden leise vor sich hinkicherten. Sicher waren sie einfach froh, dass es nicht sie getroffen hatte.

Am nächsten Abend, nach ungefähr tausend Proben – Sie wissen schon: Man stellt sich vor, man hat den Telefonhörer in der Hand, und übt, was man sagen soll –, wählte ich schließlich ihre Nummer. Das war lange vor der Handy-Zeit; jeder, der von zu Hause aus anrufen wollte, musste dies vom selben Telefon aus tun, von dem, das im Flur zwischen Wohnzimmer und Küche stand. Für damals waren wir Hightech. Unser Telefon hatte die Wählscheibe im Hörer integriert und eine Schnur, die sich ca. 7 m ausziehen ließ (sodass man sie um die Ecke ins Badezimmer mitnehmen und die Tür hinter sich zumachen konnte) und die sich dann wieder zusammenzog, wenn man fertig war und den Hörer wieder einhängte.

Das Telefon läutete drei Mal, bevor am anderen Ende jemand dran ging.

„Hallo“, sagte eine Mädchenstimme, die klang, als ob ihre Besitzerin in die High School ginge.

„Hallo?“, sagte ich mit dem ganzen Selbstvertrauen, das ich aufbringen konnte. „Sharon?“

„Sharon?“, kam die Stimme am anderen Ende. „Nein, hier ist nicht Sharon.“

Es entstand eine peinliche Pause an beiden Enden.

„Äh“, stammelte ich. „Weißt du, wann sie da ist?“

„Genau genommen“, sagte die Stimme freundlich, „genau genommen gibt es hier überhaupt keine Sharon. Was für eine Nummer wolltest du?“

Ich musste einen Augenblick nachdenken. Welche Nummer hatte ich wählen wollen? Fast ohne nachzudenken, sagte ich die Vorwahl, die ich gewählt hatte, und dann …...

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