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Dem Glauben trauen?

Eine Ermutigung

AutorBernd Jochen Hilberath
VerlagMatthias Grünewald Verlag
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl160 Seiten
ISBN9783786730644
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis11,99 EUR
Die Christinnen und Christen von morgen werden entweder solche sein, die erfahren haben, was sie im Glauben hält, oder sie werden nicht mehr Christen sein. Diese Prognose Karl Rahners bewahrheitet sich immer mehr. Christ sein wird ermöglicht durch Erfahrungen, die zum Glauben führen oder weiter auf ihn setzen lassen. Dem Glauben trauen heißt dann auch: sich selbst und dem anderen trauen, letztlich sich Gott anvertrauen können. Bernd Jochen Hilberath spürt deshalb in biblischen und poetischen Texten wie in alltäglichen Redewendungen Erfahrungen nach, die auch heute zu einem lebensfähigen und theologisch verantworteten Glauben einladen.

Bernd Jochen Hilberath ist emeritierter Professor für Dogmatische Theologie und Dogmengeschichte und war bis 2014 Direktor des Instituts für Ökumenische und Interreligiöse Forschung an der Universität Tübingen.

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Leseprobe

Glaubenserfahrungen?


Sind Sie schon mal vom Pferd gefallen? Wenn ja, dann vermutlich nicht wegen einer Glaubenserfahrung. Und wenn nicht vom Pferd gefallen, sind Sie dann wenigstens zu Boden gestürzt? Weil ein Licht vom Himmel Sie umstrahlte, wie es von Paulus in der Apostelgeschichte heißt? »Unterwegs aber, als er sich bereits Damaskus näherte, geschah es, dass ihn plötzlich ein Licht vom Himmel umstrahlte. Er stürzte zu Boden und hörte, wie eine Stimme zu ihm sagte: Saul, Saul, warum verfolgst Du mich?« (Apostelgeschichte 9, 3–4). Als Paulus wieder aufstand, war er für drei Tage blind, aß und trank nichts.

Soweit die Bekehrungserzählung in der Apostelgeschichte des Lukas. Im Brief an die Galater schreibt Paulus selbst nicht so dramatisierend, eher nüchtern (vgl. Gal 1, 10–24). An einem lässt er aber keinen Zweifel, und das will er im Streit um das wahre Evangelium den Galatern ins Stammbuch schreiben: Was ich euch als Frohe Botschaft verkünde, das ist nicht auf meinem Mist gewachsen, das habe ich mir nicht ausgedacht. Das habe ich aber auch nicht von den Aposteln vor mir oder von Petrus/Kephas allein. Nein: Nach dieser Offenbarung, in meiner Bekehrungserfahrung bin ich nach Arabien zurückgegangen und dann nach Damaskus. Wüstentage nennen wir das heute: Tage der Einkehr in der Weite und Stille der Wüste, ohne Ablenkung, in sich hineinhorchend, was da von den Worten Gottes im Herzen und im Kopf nachklingt.

Wem passiert schon so etwas? Oder vielleicht doch? Wie steht es um die Zukunft des Christentums, wenn Karl Rahner Recht hat mit seinem viel zitierten – weil noch wenig erlebten – Satz »Der Fromme von morgen wird ein ›Mystiker‹ sein, einer [eine], der [die] etwas ›erfahren‹ hat, oder er [sie] wird nicht mehr sein« (Frömmigkeit früher und heute, in: Schriften zur Theologie VII, 22). Mit den »Frommen« meint Rahner nicht auf bestimmte Frömmigkeitsformen fixierte Kirchentreue, sondern die Christen von morgen schlichtweg. Aus welchen Erfahrungen leben Christenmenschen, nähren sie ihr Glaubensleben? Gab es, gibt es gelegentlich so ein kleines, weniger dramatisches, aber immerhin: ein Offenbarungsereignis, eine Glaubenserfahrung bei der Verfolgung ihres Lebens? Offenbarung heißt ja, dass mir die Augen geöffnet werden, dass mir etwas aufgeschlossen wird, jemand erschlossen wird. Wenn es einschneidende Erfahrungen sind, muss ich vielleicht anschließend für einen göttlichen Moment (das sind die drei Tage, die Zeit Gottes), für einen göttlichen Moment die Augen schließen, damit ich die Welt mit den neuen Augen sehen kann.

Gibt es so etwas auch heute noch?

Ich weiß nicht, was die Leserinnen und Leser nach einem Moment, nach den symbolischen drei Tagen antworten würden. Ich will mich selbstverständlich nicht auf eine Stufe mit dem Völker­apostel stellen, wenn ich jetzt ein wenig dazu sage, was mir im Rückblick einfällt – was ich erinnere, wenn ich zurückschaue nach Erfahrungen, die für meinen Glauben prägend waren. Nehmen Sie es als bloße Anregung!

Zunächst fällt mir eine Erfahrung des zweifelnden Glaubens ein. Ich war Gymnasiast und Messdiener, als mitten im Ostergottesdienst in mir plötzlich die Frage hochkroch: Und wenn das alles nicht wahr ist? Wenn Jesus gar nicht auferweckt wurde? Ich weiß nicht, ob ich damals den 1. Korintherbrief schon im Kopf hatte, wo Paulus sagt: »Wenn aber Christus nicht auferweckt wurde, dann ist euer Glaube nutzlos« (1 Kor 15, 17a.b). Ich weiß es heute nicht mehr, aber die Anfrage bedrängte mich: Was wäre, wenn …?

Nun, es wuchs sich nicht zu einer großen Krise aus. Und wenn heute immer wieder mal diese Frage hochkommt, dann orientiere ich mich an den anderen Erfahrungen, die ich im Glauben machen durfte. Dazu gehört auch der Blick auf die in der Bibel erzählten Totenerweckungen (z. B. Markusevangelium 5, 35–43: die Tochter des Synagogenvorstehers Jairus; Lukasevangelium 7, 11–17: der Sohn einer Witwe in Nain; Johannesevangelium 11, 1–44: Lazarus). Denn: Diese Totenerweckungen waren ja nicht die Auferstehung aus den Toten zum ewigen Leben. Das waren Wiederbelebungen, Zurückbringen, Zurückgeben ins Leben. Also nicht so herausfordernd, wie die Botschaft von einem endgültigen Auferwecktwerden – zum ewigen Leben. Und dennoch tröstlich: Schon in diesem Leben zeigt sich Gott als der Freund des Lebens (vgl. Buch der Weisheit 11, 26), als der, der aus Toten Lebendige (vgl. Römerbrief 4, 17) macht. Das ist der Vorgeschmack auf das, was wir zwischen Bangen und Hoffen erwarten: die Auferweckung der Toten. Vorgeschmack, den wir verspüren können, wenn wir singen »manchmal feiern wir mitten am Tag ein Fest der Auferstehung«.

Jesus, der den Menschen sagt, wo es lang geht, klar und souverän gegenüber den Schriftgelehrten; Jesus, der sogar Tote auferweckt: das war die Gestalt, die mich in meiner Jugend faszinierte. Aber allein das hätte vielleicht nicht getragen, wenn nicht andere Erfahrungen dazu gekommen wären. Ich will sie andeuten und so mit den Leserinnen und Lesern teilen – nicht als Evangelium, nur als Anregung!

Als erste taucht in meiner Erinnerung die Erfahrung auf, worum es im Glauben und in der Kirche zuerst und zuletzt geht. Nämlich nicht darum, Glaubenssätze (Dogmen) ohne Abstriche für wahr zu halten, Gebote treu zu befolgen. Glauben ist nicht in erster Linie ein Fürwahrhalten und Gehorsamsein, sondern ein – durchaus frohmachendes – Sich Gott anvertrauen. Was mir schon aus einem Text des Zweiten Vatikanischen Konzils theoretisch bekannt war, ging mir auf einem Mal in seiner existenziellen Bedeutung auf: Dass Gott sich den Menschen – und damit ja wohl auch mir – offenbaren will, das heißt eben nicht: Gott will mir wichtige Sätze über seine Dreifaltigkeit oder das Ewige Leben mitteilen, sondern er will mir ganz persönlich begegnen, er will sich mir offenbaren, er öffnet sich auch für mich. Gott lässt sich so sehr auf uns ein, dass er sich dabei sogar verwundbar macht. Seitdem gehört der Satz aus der Offenbarungskonstitution des Konzils zu meinen Lieblingstexten. Es heißt dort: »In dieser Offenbarung redet der unsichtbare Gott aus überströmender Liebe die Menschen an wie Freundinnen und Freunde und verkehrt mit ihnen, um sie in seine Gemeinschaft einzuladen und aufzunehmen« (Dei Verbum 2). Offenbarung Gottes und Glauben des Menschen sind ein Dialog, ein wechselseitiges Sichöffnen, eine Kommunikation, eine communio.

Diese Erfahrung war für mich befreiend und half mir, die letzten Reste einer Leistungsreligion abzuwerfen und anzufangen zu begreifen, was das bedeutet, dass Gott einfach so, ganz umsonst sich den Menschen öffnet und auch mich meint. Was das für mich bedeutet, was dann Spiritualität, also Glaubens-Lebens-Haltung meint, das ging mir auf während einer Eucharistiefeier im kleinen Kreis, in der ich an einem Satz der Liturgie hängen geblieben bin, der mir längst bekannt und doch nicht bekannt war. Ich vermute, Sie haben das auch schon erlebt: Man hört etwas 1000mal, und beim 1001.Mal geht einem ein Licht auf: Erleuchtung, Offenbarung, Aufklärung.

Die Aussage, an die ich mich seitdem erinnere, weil sie ein weiterer Schritt der Befreiung war, ist die aus dem IV. Hochgebet: »Damit wir nicht mehr uns selber leben, sondern ihm, der für uns gestorben und auferstanden ist, hat er als erste Gabe von Dir, Vater, für alle, die glauben, den Heiligen Geist gesandt.«

Damit wir nicht mehr uns selber leben – heißt für mich: damit wir nicht mehr ängstlich und überbesorgt um uns kreisen müssen, sondern uns öffnen auf die Anderen hin, auf die, in denen uns Jesus Christus begegnet. Das meint: ein geistlicher Mensch sein; das ist christliche Geisthaltung, Spiritualität. Das ist die Antwort auf die Frage, die uns auch ein bekanntes Lied stellt: »Wes Geistes Kind seid ihr, sind eure Gedanken, eure Werke?« Dialog und Offenheit, ein Stückchen mehr Geistvertrauen als Angst: das gehört seitdem zu meiner eisernen Ration. Das hilft mir, Christ zu sein. Das hilft mir, Theologie zu treiben. Das hilft mir es zu wagen, in einer Predigt über meine Glaubenserfahrung zu sprechen.

Dialog und Offenheit: das verbinde ich damit, wenn die Kirche, wenn die Gemeinde eine communio, eine Gemeinschaft genannt wird. Dialog und Offenheit sind nicht selbstverständlich, sondern sind einzuüben, stets neu zu lernen. Und communio ist nicht das Etikett für eine heile Welt, sondern besagt, dass wir als Gemeinde, als Gemeinschaft der an Christus Glaubenden zusammenbleiben wollen, dass wir uns nicht gegenseitig ausschließen werden, dass wir versuchen, uns mit unseren Stärken und mit unseren Schwächen auszuhalten. Auch communio steht für das Sich öffnen, Sich verwundbar machen, aber auch für das Heilwerden durch das Aufgenommensein in einer Gemeinschaft von verwundeten Geheilten – lutherisch heißt das: gerecht und Sünder zugleich – eben verwundete Geheilte. Von Gott geheilte, die stets verwundbar bleiben.

Uns, mir jedenfalls, geht es nicht so wie dem Paulus, der von sich sagen kann: »Als aber Gott, der mich schon im Mutterleib auserwählt und durch seine Gnade berufen hat, mir in seiner Güte seinen Sohn offenbarte, damit ich ihn unter den Heiden verkündige …« (Galaterbrief 1, 15.16). Aber ich darf glauben, wir dürfen glauben, dass Gott uns als seine Freundinnen und Freunde erwählt hat und communio, Gemeinschaft mit uns haben will. Und das gilt auch: Wir wollen das nicht für uns behalten, sondern unter den Menschen weitersagen. Wie macht uns das froh und wie macht das uns als Gemeinde glaubwürdig, wenn wir mit den Anfangsworten des 1. Johannesbriefes (1, 1–4) sagen können: »Das verkünden wir: das Wort des Lebens … Was wir gesehen und gehört...

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