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E-Book

Mit dem Hund auf du

Zum Verständnis seines Wesens und Verhaltens

AutorEberhard Trumler
VerlagPiper Verlag
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl304 Seiten
ISBN9783492965958
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis11,99 EUR
Dein Hund - kein unbekanntes Wesen. Der Biologe und Hundeforscher Eberhard Trumler geht in diesem Buch den zentralen Themen nach, die jeden Hundeliebhaber seit je interessieren: Was ist das Wesen des Hundes, was sind seine Bedürfnisse, wie lernfähig ist ein Hund? Und am allerwichtigsten: Wie erziehen wir einen Hund zu einem Mitglied der »Menschenfamilie«? »Die Fülle des Wissens, die in diesem Buch zusammengetragen ist, wird nicht nur den Tierliebhaber entzücken, sondern auch den Fachwissenschaftler bereichern.« (Konrad Lorenz)

Eberhard Trumler, 1923 in Wien geboren, starb 1991. Er war Schüler von Konrad Lorenz und Autor zahlreicher Bücher über Hunde, darunter die erfolgreichen Ratgeber'Trumlers Ratgeber für den Hundefreund', 'Hunde ernst genommen' und 'Mit dem Hund auf du'. 1969 gründete er zusammen mit Konrad Lorenz, Otto König und Irenäus Eibl-Eibesfeldt die 'Gesellschaft für Haustierforschung', die heute die 'Eberhard Trumler Station' in Wolfswinkel im Westerwald unterhält, eine Forschungsstation für Hunde, die Eberhard Trumler ab 1979 aufbaute.

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Leseprobe

Einheit in der Vielfalt


Man kann nur über Hunde schreiben, die man kennt. Weil man aber nicht all die Millionen gegenwärtiger und künftiger Hunde kennen kann, wird es immer wieder welche darunter geben, die in dieser oder jener Beziehung anders sind. Ich glaube daher, daß wir gut daran tun, uns erst einmal über die Frage zu unterhalten, woher diese große Individualität bei unseren Hunden stammt, ehe wir nach den allgemeinen Verhaltensmustern forschen. Nur so kann ich der Gefahr entgehen, daß mich künftig alle Hunde gesträubten Fells anknurren und mich einen »Gleichmacher« nennen, der ihre ausgeprägte Persönlichkeit, ihre individuelle Besonderheit übersieht und ihren Herrchen und Frauchen weismachen will, daß es ein uniformes Verhalten der Hunde gibt.

Aller Fleiß und alle Mühe des Forschers ist am Ende vergebens, wenn er seine Studien auf ungenügenden Grundlagen aufbaut und gar, wenn er vom ungeeigneten »Material« ausgeht, wie man im Jargon des Wissenschaftlers die Hunde nennen müßte, deren Verhalten man erforschen will. Es ist für jedermann selbstverständlich, daß ich das Hundeverhalten nicht an Katzen erforschen kann; genauso selbstverständlich sollte es sein, daß man das Hundeverhalten nicht an hochgezüchteten Rassehunden erforschen kann – hierfür sind sie nun einmal ein denkbar ungeeignetes Material. An ihnen kann man nur die historisch gewordenen Verhaltens-Abänderungen von einem einstigen Verhalten studieren, das man für diesen Zweck aber erst einmal genau kennen muß. Es geht uns also um das ursprüngliche, um das »Ur«-Verhalten, um das Verhalten also, das die Natur, vom Menschen unbeeinflußt, ihren Wildhunden »angezüchtet« hat, ehe der Mensch mit seiner Züchterkunst die Natur »verbesserte« und Rassehunde nach seiner Vorstellung schuf.

Kummer mit Stina


Wie ausgeprägt die Individualität bei unseren Hunden ist und welche Rätsel ein einzelner Hund in seinem Verhalten aufgeben kann, hat mich meine Stina gelehrt. Hier ist die Geschichte vom Kummer mit Stina.

Stina ist eines von drei einander sehr unähnlichen Geschwistern, die ich auf krummen Wegen mit Hilfe meiner Elchhündin Binna und einer weiter zurückliegenden Einkreuzung von Dingos gezüchtet hatte. Während zwei dieser damals acht Monate alten Hunde eine Schulterhöhe von etwa 45 Zentimeter hatten, war der dritte mit seinen knapp 30 Zentimetern ein richtiger Zwerg. Gerade der Zwerg aber empfing mich am Gitter immer mit einer überströmenden Herzlichkeit. Eines Tages sagte ich mir: Nein – dieses liebenswürdige Hündchen ist nichts für den Zwinger, es wird der erste Hund sein, der mein Arbeitszimmer mit mir teilen darf. Ich werde ihn verwöhnen, stets um mich haben, und er wird auf meinem Schoß liegen, wenn ich mein Buch über das Verhalten der Hunde schreibe.

Die scheue Kreuzungshündin Stina.

Selbstverständlich kann ein im Zwinger aufgewachsener Hund nicht wissen, daß man im Arbeitszimmer seines Herrchens seine Bedürfnisse weder am Fußboden noch auf einem Polstersessel verrichten darf. Es ist aber für einen gelernten Hundehalter eine Kleinigkeit, dies einem Hund sehr schnell abzugewöhnen.

So dachte ich damals, als ich die ersten Häufchen auf die Schaufel kehrte.

Aber auch nach drei Wochen hatte sich in diesem Punkt nichts geändert! Meine reizende Stina wurde sehr nervös, wenn sie längere Zeit im Freien war; sie konnte es kaum erwarten, in mein Arbeitszimmer zurückzukehren. Denn nur hier und nirgendwo sonst war es schön, dem inneren Drang nachzugeben. Man muß den verklärten und zufriedenen Ausdruck ihres kleinen dunklen Gesichtchens gesehen haben, wenn sie danach das Getane begutachtete! Dabei entdeckte meine Stina jeden Tag einen neuen, originellen Platz für ihre großen und kleinen Geschäfte.

Stina war keinesfalls dumm. Sie hatte es innerhalb von 24 Stunden heraus, daß ich Wert auf Stubenreinheit lege. Aber sie war eben mit meiner komischen Pedanterie nicht einverstanden. Deshalb beschäftigte sie sich in der Folgezeit allein mit dem Problem, wie man mich überlisten könne. Sie löste die Frage in 99 von 100 Fällen. Sie muß auch viel darüber nachgedacht haben, wie man der Gefahr, ein Schoßhund zu werden, entgehen kann. Ich glaube an sich nicht daran, daß ein Hund nachdenken kann, zumindest nicht so abstrakt wie ein Mensch. Aber bei Stina muß das irgendwie anders sein.

Bei Stina ist fast alles anders, und wenn sie mich aus sicherer Entfernung mit schrägem Blick von unten her ansieht, habe ich das Gefühl, daß sie mich nicht ernst nimmt. Am wenigsten meine Vorstellungen über das Hundeverhalten. Über die scheint sie sich ausgesprochen lustig zu machen!

Anfangs dachte ich, ich müßte nur etwas Geduld haben; schließlich war Stina im Zwinger aufgewachsen und an seine Verhältnisse gewöhnt. Ich war öfter bei ihr gewesen, und jedesmal war sie die Liebenswürdigkeit selbst; genauer gesagt: frech und zudringlich, wie ihre beiden Geschwister auch. Also mußte es an der für sie noch fremden Umgebung liegen, an die sie sich erst einmal gewöhnen mußte. Aber das war eben ein Trugschluß.

So hat der kleine Hund mich völlig aus dem Konzept gebracht und mich mehr als drei Wochen an der Nase herumgeführt. Es ist einfach nicht möglich, das Hochgefühl der ersten Zeilen eines Buches zu durchleben, wenn eine Stina mit gespanntem Blick jede kleinste Bewegung, die man macht, verfolgt, um sofort in eine andere Ecke des Zimmers zu traben, wenn sie den Verdacht hat, diese Bewegung könnte ihr gelten.

Schließlich wurde ich selbst von Tag zu Tag unsicherer und begann an mir zu zweifeln, weil ich mit einem so kleinen Hund nicht fertig wurde. Wenn ich einen Dingo, einen Wildhund also, der bös und gefährlich wie ein Wolf werden kann, nach zweijährigem Zwingerleben in mein Zimmer nehme, wird er zwar im Verlaufe von mehreren Stunden die Einrichtung zu einem unentwirrbaren Gemengsel aus Holzspänen, Glassplittern und Papierstückchen verarbeiten; aber er wird zwischendurch jede freie Minute, die ihm dabei bleibt, dazu verwenden, um mir das Gesicht abzuschlecken, auf meinen Schoß zu springen, auf meinen Kopf zu steigen oder sonst auf seine Weise zu erkennen geben, wie wunderschön doch solche Kontakte zwischen Hund und Mensch sind. Ein Bauer wollte einmal seinen berüchtigt scharfen Wachhund erschießen, weil er mich nicht zerrissen hatte, sondern sich mit mir anfreundete. Der Vater eines Freundes schenkte mir eine von seinen besten Zigarren, weil seine alle Fremden stets abweisende Dackelin nach minutenlanger Bekanntschaft auf meinen Schoß krabbelte und zufrieden ihren schlanken Kopf zwischen Hemd und Jacke legte.

Mit Stina aber komme ich bis heute nicht zurecht. Zwar hat sie sehr freundliche Anwandlungen, wenn ich auf meinem gewohnten Platz sitze und sie zur Tür hereinkommt. Sie begrüßt mich dann sehr lieb, stellt sich sogar mit den Vorderfüßen auf die Sitzfläche des Sessels, wedelt und leckt meine Hand; sie läßt sich kraulen und freut sich ganz offensichtlich. Findet sie aber, daß die Begrüßung lang und intensiv genug gewesen ist, dann verschwindet sie blitzartig unter der Couch und kommt erst hervor, wenn ich die Tür weit öffne und »Stina, raus!« rufe. Sie flitzt durch die offene Tür in den Korridor und weicht dann jedesmal mit eingeklemmtem Schwanz ängstlich aus, wenn ich vorbeigehe. Sie spielt mit den großen Schäferhunden im Freien, kommt aber kaum oder nur ausnahmsweise auf mein Rufen und muß schließlich mit List ins Haus gelockt werden.

So ist das mit Stina, dem kleinen Hund, den ich von seiner Geburt an kenne, den ich als Welpe alle zwei Tage gewogen habe, dessen Geschwister die Freundlichkeit selbst sind, ohne jegliche Scheu.

Was mir mit Stina passierte, kann nämlich jedem Leser dieses Buches auch passieren. Er wird dann seinen Hund betrachten, den Kopf schütteln, alle Hundebücher – auch meines! – resigniert aus der Hand legen und sagen: kein Wort wahr! Und ich werde ihm nicht einmal widersprechen können – was seinen, genau seinen Hund betrifft.

Meine »Urkunde«: Die Elchhunde und die Dingos


Es erheitert mich immer wieder, wenn ich beobachte, wie ein Auto, das in schneller Fahrt die etwa hundert Meter entfernte Straße entlangkommt, plötzlich anhält und im Rückwärtsgang zurückfährt, um schließlich zögernd in den zu den Zwingern führenden Weg einzubiegen. Ich weiß dann, daß es sich um Fremde handelt, die sich auf diese wenig bekannte neue Straße verirrt haben. Meist wird am ersten Zwinger gehalten, die Leute steigen aus und stehen dann sichtlich ratlos vor den Hunden. Diese Ratlosigkeit wächst, wenn sie sich weiteren Zwingern zuwenden. Manche besteigen nach einer Weile kopfschüttelnd wieder ihren Wagen, andere wollen es genau wissen und kommen fragen. »Bittschön – was sind das für Hunde – oder sind das Füchse?«

Wenn ich es erklärt habe, kommt unweigerlich die nächste Frage: »Kann man so ein Tier kaufen?« Meine Antwort ist zu meinem eigenen Bedauern ein Nein – davon hab ich ja schon erzählt. Die Frager bedanken sich dann freundlich und schütteln auch den Kopf, aber erst, wenn sie im Wagen sitzen. Sie schütteln ihn nun nicht, weil sie mit den Hunden nichts anfangen können, sondern über den Verrückten, der Hunde züchtet, mit denen man nichts anfangen kann.

Dabei kann man in Wahrheit sehr viel mit ihnen anfangen, so viel, daß auch dieses Buch noch lange nicht alles enthält, was es hierüber zu sagen gäbe. Der Leser erwartet, daß ich vom Verhalten...

Blick ins Buch

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