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Unter dem Schleier die Freiheit

Was der Islam zu einem wirklich emanzipierten Frauenbild beitragen kann

AutorKhola Maryam Hübsch
VerlagPatmos Verlag
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl192 Seiten
ISBN9783843605076
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis13,99 EUR
Dass ausgerechnet der Islam etwas zu einem emanzipierten Frauenbild beitragen kann, scheint mehr als abwegig. Gilt doch gerade er als einer der letzten Bastionen der Unterdrückung und Entwürdigung von Frauen. Khola Maryam Hübsch wehrt sich gegen diese in ihren Augen falsche und verkürzte Sicht auf den Islam. Klug hält sie unserer Gesellschaft einen Spiegel vor: Wie frei und gleichberechtigt sind Frauen in unserer sexualisierten Gesellschaft wirklich? Kann das Tragen eines Kopftuches - wenn es freiwillig geschieht - nicht gerade ein Zeichen für weibliche Emanzipation und Freiheit sein? Und könnte sich ein modernes islamisches Frauenbild nicht auch positiv auf das Verhältnis der Geschlechter und das Gelingen von Partnerschaften auswirken? Ein scharfsinniges und streitbares Buch, das gängige Klischees infrage stellt und neue Perspektiven auf den Islam eröffnet.

Khola Maryam Hübsch studierte Publizistik, Psychologie und Germanistik in Mainz. Sie hält regelmäßig Vorträge und Kurse über den Islam und schreibt für deutsche Zeitungen sowie muslimische Magazine zu den Themen Islam und Toleranz, Islam und Aufklärung, Liebe und Partnerschaft im Islam. Mit ihrem Ehemann und drei Kindern lebt sie in Frankfurt am Main.

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Leseprobe

Das rote Tuch


»Legt das Kopftuch ab«, fordert die Soziologin Necla Kelek regelmäßig mit großem Tamtam in den überregionalen Medien. Das Kopftuch unterdrücke die Frau, sei wahlweise vergleichbar mit dem »Judenstern« (Alice Schwarzer) oder einem »Konzentrationslager« (Alexandra Schewtschenko, Mitbegründerin der Feministinnen-Gruppe »Femen«). Kein Vergleich scheint zu hoch gegriffen, wenn es darum geht, das Kopftuch als ein Symbol der Unterdrückung und Sklaverei der Frau auszumachen. Von »Geschlechterapartheid« ist die Rede (Necla Kelek), von Zwang sowieso. Kopftuchtragende Frauen können noch so häufig beteuern, sie trügen das zum roten Tuch gewordene Stück Stoff freiwillig: keine Chance. Was nicht sein soll und darf, kann nicht sein. Das Kopftuch wird gedeutet als ein Symbol für Intoleranz und für die Herabsetzung der Frau und ist damit gesellschaftlich geächtet. Fast alle Bundesländer mit einem nennenswerten Anteil an muslimischer Bevölkerung haben mittlerweile das Kopftuchverbot für Lehrerinnen erlassen und immer wieder fordern Alice Schwarzer und Konsorten mit großer Vehemenz ein Kopftuchverbot auch für Schülerinnen, ohne sich dabei vor rhetorischem Extremismus zu scheuen. Schließlich gehe es um ein »politisches Symbol«, das in einem Zug mit der Burka genannt wird. Unterstellt wird beiden Kleidungsstücken, sie stünden für ein Menschenbild, nach dem die Frau dem Mann nachgeordnet und unrein sei. Eine unverschleierte Frau gelte Muslimen als prinzipiell »würdelos«, eine Frau müsse den Schleier tragen, um ihre Würde wiederzuerlangen. Der Schleier ist im öffentlichen Diskurs nicht nur ein Zeichen für die Unterdrückung der Frau und ein frauenverachtendes Menschenbild, nein es steht auch für eine unterstellte religiöse Arroganz und herablassende Umgangsweise mit Andersgläubigen. Was glauben muslimische Frauen eigentlich, wer sie sind? Der Vorwurf, sich für die besseren, »anständigeren« Frauen zu halten, liegt nicht selten in der Luft. Besitzt eine Frau, die kein Kopftuch trägt, etwa weniger Würde? Hat ein Mann etwa eher das Recht, eine leicht bekleidete Frau zu belästigen, als eine Kopftuchtragende? Wenn dann noch der Kopftuchzwang in einigen sogenannten islamischen Ländern thematisiert wird und von den dort verhängten barbarischen Strafen für ein verrutschtes oder nachlässig gebundenes Kopftuch die Rede ist, wird der Schleier vollends zum »Vorposten der weltweiten Gewalt gegen Frauen«6 . Wer das Kopftuch erlaubt, so die Logik, der beschädigt das Recht auf Gleichheit und ignoriert die Menschenrechte, ja er gefährdet sogar die Demokratie. Es ist verständlich, dass angesichts dramatisch geschilderter Fälle von Zwangsverschleierung muslimischer Mädchen, angesichts von Ehrenmorden und Zwangsehen das Kopftuch zum Schreckgespenst schlechthin avanciert ist. Aber, mit Verlaub, die radikalen und außergewöhnlich emotionalen Reaktionen auf dieses Kleidungsstück dürften tiefergehende Ursachen haben. Während die Schwarzers, Keleks und Ates’ der Nation die Endlosschleife von der Unterdrückung der Frau durch das Kopftuch abspielen und die Mehrheit der Gesellschaft die teilweise absurde Argumentationsweise der Kopftuchgegner als konstantes Hintergrundrauschen gar nicht mehr wahrnimmt, scheint der Kampf um Deutungshoheit abgeschlossen zu sein. Wenn etwas oft genug wiederholt wird, sind laut Thomas-Theorem zumindest die Konsequenzen real – unabhängig davon, wie irreal die Situationsdefinition war. Wir haben mittlerweile Gesetze in unserem Land, die der verqueren Interpretation des Kopftuchs durch Islamkritiker folgen und das Kopftuch zumindest für Lehrerinnen verbieten. Der Kampf um Deutungshoheit sei hiermit wieder eröffnet. Schwarzer, Kelek und Co. haben sich lange genug ohne nennenswerte Gegnerschaft ausgetobt, es wird Zeit, dass muslimische Frauen in Deutschland den Kampfplatz betreten und sich die paternalistischen Dreistigkeiten ihrer selbsternannten Befreierinnen nicht mehr gefallen lassen. Es wird Zeit, dem Stier das rote Tuch zu zeigen.

Drei Thesen


Dieses Buch beschäftigt sich im Kern mit drei Thesen, die ich im Laufe der Kapitel eingehend zu belegen versuchen werde:

  1. Das Kopftuch ist ein Symbol der Emanzipation der Frau. Die Kopftuchträgerin wehrt sich gegen die Sexualisierung einer Gesellschaft, in der Frauen zum verfügbaren Sexualobjekt erzogen werden und Männer die emotionale Vorherrschaft einnehmen.

  2. Das Kopftuch ist das Symbol der Liebe schlechthin. Es steht für die allesüberragende Liebe des Menschen zu Gott und für die exklusive Liebe zwischen Mann und Frau. Es ist ein Symbol der romantischen Liebe und der praktischen Treue.

  3. Eine Kopftuchträgerin in Deutschland ist oft eine selbstbestimmte, charakterstarke Persönlichkeit, die nicht abhängig ist von der Anerkennung anderer. Das Kopftuch steht für die Freiheit des Geistes und das Selbstbestimmungsrecht des Körpers. Es steht für eine spirituelle Haltung der Demut und drückt die Liebe zu Gott aus.

Ich vermute, dass die Leserinnen und Leser mir nicht folgen können. Nach jahrelangem Kopftuchbashing dürfte es ziemlich schwierig sein, diesem Kleidungsstück etwas Positives abzugewinnen. Bitte verstehen Sie mich nicht falsch: Mir geht es nicht darum, Sie davon zu überzeugen, dass jede Frau ein Kopftuch tragen sollte, um Gottes Willen! Das Kopftuchgebot ist auch im Koran nur für muslimische Frauen formuliert worden. Ich hoffe jedoch, es gelingt Ihnen, die Perspektive zu wechseln und die Thematik mit den Augen muslimischer Frauen in Deutschland zu sehen – und vielleicht ist auch die eine oder andere interessante Erkenntnis für Sie mit dabei.

Ein Großteil der kopftuchtragenden Frauen dürfte alles andere als erfreut sein über den Bärendienst der kopftuchkritischen Frauenbefreierinnen. Vielen hängt die Diskussion um das Kopftuch längst zum Hals heraus. Diejenigen, die sich versuchen einzumischen, stolpern regelmäßig über die stark anti-islamisch getönte Brille nicht-muslimischer Rezipienten. Islamisten haben Hand in Hand mit Islamkritikern ganze Arbeit geleistet, wenn es darum ging, die Deutungshoheit an sich zu reißen: Welche Stellung die muslimische Frau habe und warum das Kopftuch getragen werde, wussten sie nur allzu gut. Auf die angebliche Nachordnung der Frau im Islam werden wir noch ausführlich zu sprechen kommen. Lassen Sie uns zunächst beim Kopftuch bleiben. Ich versuche meine drei Kopftuch-Thesen zu präzisieren. Aber bevor ich das tun kann, sei die unbedingte Vorbedingung für die Gültigkeit der Thesen genannt. Absolute Prämisse ist: Freiwilligkeit.

Prämisse: Freiwilligkeit


Wenn das Kopftuch freiwillig getragen wird, kann es die in den Thesen beschriebene Wirkungen entfalten (falls diese beabsichtigt sind) und nur dann hat die kopftuchtragende Frau möglicherweise die oben beschriebene Motivation, das Kopftuch zu tragen. Betont sei: Es gibt viele, sehr unterschiedliche Gründe, warum das Kopftuch getragen wird. Wir werden später darauf eingehen. Mittlerweile gibt es repräsentative Studien, die die Motive kopftuchtragender Frauen umfassend analysiert haben. Eines ist deutlich geworden: Die überwältigende Mehrheit der kopftuchtragenden Frauen in Deutschland gibt an, das Kopftuch aus religiösen Gründen zu tragen (92 Prozent), so das Ergebnis der repräsentativen Studie »Muslimisches Leben in Deutschland«, die erst 2009, also sechs (!) Jahre nach dem sogenannten Kopftuchurteil, veröffentlicht wurde. Nur um die sechs Prozent der Musliminnen erklären, sie würden das Kopftuch tragen, um den Erwartungen ihres Partners, ihrer Familie oder ihrer Umwelt zu entsprechen. Denjenigen Muslimen, die offen oder subtil Formen von (physischem oder physischen) Zwang oder Druck ausüben, sei aus islamischer Perspektive gesagt: Sie begehen damit womöglich einen Fehler, indem sie Menschen in die Heuchelei treiben. Was nützt es einer Frau, ein Kopftuch zu tragen, wenn sie die damit einhergehende Motivation nicht in ihrem Herzen trägt? Sie wird jede Gelegenheit nutzen, die gewünschte Wirkung zu unterwandern, weil sie nicht dahintersteht. Der Glaube ist grundsätzlich eine Angelegenheit zwischen Mensch und Gott. Was bringt etwa ein formal erfülltes rituelles Gebet, wenn es nur verrichtet wird, um den Erwartungen der Gemeinschaft gerecht zu werden oder wenn es gar erzwungen ist? Es ist nichts als Heuchelei, die im Gewand einer Gymnastikübung für den Körper daherkommt. Der Koran warnt: »So wehe denen, die Gebete sprechen/ Doch ihres Gebetes uneingedenk sind,/ Die nur gesehen sein wollen/ Und die kleinen Dienste nicht erweisen.« (Koran, Sure 107, Verse 5–8). Der Koran warnt immer wieder vor Heuchelei und betont wiederholt den übergeordneten Wert der Glaubensfreiheit. Berühmte Verse wie »Es soll kein Zwang sein im Glauben!« (2:257) oder »Lass den gläubig sein, der will und den ungläubig sein, der will« (18:30) verweisen auf dieses allgemeingültige Prinzip. Besonders eindrücklich wird es, wenn Gott selbst erklärt: »Und hätte dein Herr Seinen Willen erzwungen, wahrlich, alle, die auf der Erde sind, würden geglaubt haben insgesamt. Willst du also die Menschen dazu zwingen, dass sie Gläubige werden?« (10:100) Wenn Gott als Allmächtiger seinen Willen nicht erzwingt und Pluralität akzeptiert, wie kann dann der Mensch sich dazu erdreisten, andere Menschen in Glaubensdingen zu zwingen? Kurzum, es gibt keinerlei Grundlage im Koran, in der Wahl des Glaubens Zwang anwenden zu dürfen – jeder kann laut islamischer Lehre aus dem Islam austreten und in eine andere Religion eintreten oder zum...

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