In diesem Kapitel „Theoretische Grundlagen und Begriffsklärungen“ werden zum einen das Krankheitsbild, die Formen und die Epidemiologie der Demenz beschrieben und zum anderen werden die Begrifflichkeiten der vorliegenden Arbeit erläutert, um den Titel genauer darstellen zu können.
Demenz als Oberbegriff „bezeichnet ein vielschichtiges Krankheitsbild mit einer zeitweisen beziehungsweise chronischen Beeinträchtigung der höheren Hirnleistungen in mehreren Bereichen.“[12] Zu Beginn der Erkrankung treten meist Störungen des Kurzzeitgedächtnisses und der Merkfähigkeit auf. Im weiteren Verlauf der Demenz wird auch das Langzeitgedächtnis nachhaltig geschädigt. Essentielle Fähigkeiten und Fertigkeiten, die im Laufe des Lebens erlernt wurden, gehen sukzessiv verloren. Demenz bedeutet daher nicht nur eine Erkrankung beziehungsweise eine Störung des Gedächtnisses. Da sie den ganzen Menschen in seinem Dasein und Verhalten beeinflusst, wird das ganze Leben des Betroffenen und auch das der Angehörigen massiv beeinflusst. Die Welt der Demenzkranken ist eine andere als die der „Gesunden“. Nicht zuletzt deswegen vereinsamen viele der Erkrankten, schotten sich von ihrer Umwelt ab.[13] Dies gilt es zu verhindern. Vor allem Einschränkungen in der Erfüllung der alltäglichen Dinge, wie zum Beispiel dem Nachkommen der Körperhygiene, stellen die wesentlichen Merkmale dieser Krankheit dar.
Nach dem heutigen Forschungsstand werden im Allgemeinen zwei Demenzformen unterschieden. Die primären (hirnorganischen) und die sekundären (nicht- hirnorganischen) Demenzformen. Darüber hinaus wird die, nach ICD-10 diagnostizierte, Demenz in drei Schwergrade (leicht, mittel, schwer) klassifiziert.[14] In der folgenden Tabelle werden diese verschiedenen Schweregrade beschrieben und deren Einschränkungen für die Durchführung von Alltagsaktivitäten näher erläutert.
Tabelle 1: Schweregrade des Demenzsyndroms nach ICD-10[15]
Als primäre Demenzen werden solche Demenzen beschrieben, bei denen der Krankheitsprozess direkt im Hirn beginnt. Bei 90% aller Demenzerkrankungen handelt es sich um primäre Demenzen. Diese Formen der Demenz sind irreversibel. Zu den primären Demenzformen zählen sowohl degenerative als auch nicht-degenerative Formen. Die Alzheimer-Krankheit, an der etwa 60% aller Demenzerkrankten leiden, zählt zu den degenerativen Demenzen. Die zweithäufigsten Demenzen sind die vaskulären Demenzen[16], die durch Durchblutungsstörungen im Gehirn ausgelöst werden und die Frontotemporalen Demenzen.[17] Eine seltenere Form ist zum Beispiel die Lewy-Körperchen-Demenz, welche auf krankhafte Eiweißeinschlüsse in den Nervenzellen zurückgeht.[18] Doch auch diese Formen sind derzeit nicht heilbar, aber häufig medikamentös beherrschbar.
Mit den sekundären, das heißt nicht-hirnorganischen Demenzformen, sind die Demenzen gemeint, bei denen die Krankheit als Folge einer anderen Grunderkrankung, wie zum Beispiel Stoffwechselerkrankungen, Vergiftungserscheinungen durch Medikamentenmissbrauch uvm. auftritt. Weitere Ursachen können neurologische Erkrankungen wie zum Beispiel Epilepsie oder Multiple Sklerose sein. Diese Demenzen machen etwa 10% der Diagnosen aus. Bei diesen Demenzen ist durch die Behandlung der Grunderkrankungen zumindest ein Teil behandelbar und auch eine Besserung der Demenzsymptomatik ist denkbar.[19]
Für die Erkrankung an der Demenz gibt es einige begünstigende Faktoren. Der wohl primärste Risikofaktor für diese Krankheit ist das Alter. Auch das Geschlecht spielt als Faktor eine Rolle. Frauen sind deutlich häufiger von der Demenz betroffen als Männer, da ihre Lebenserwartung höher ist als die der Männer. Über 70% der Demenzbetroffenen sind Frauen.[20] Darüber hinaus gibt es jedoch noch weitere Multiplikatoren. Zum einen die Gefäßrisikofaktoren. Da eine vaskuläre Demenz (vgl. Kapitel 2.1.1.1. Primäre Demenzen) durch eine schlechte Blutversorgung, die wiederum durch zum Beispiel Rauchen, Übergewicht, Bewegungsmangel und Hypertonie begünstigt wird, ist es ratsam, deren Ursachen präventiv vorzubeugen.[21] Des Weiteren bewiesen verschiedene Studien, dass auch bestimmte Schlafmittel das Demenzrisiko erhöhen.[22]
Die Kriterien zur Diagnose einer Demenz wurden nach der internationalen Klassifikation psychischer Störungen (ICD-10) wie folgt beschrieben: „Demenz (F00-F03) ist ein Syndrom als Folge einer meist chronischen oder fortschreitenden Krankheit des Gehirns mit Störung vieler höherer kortikaler Funktionen, einschließlich Gedächtnis, Denken, Orientierung, Auffassung, Rechnen, Lernfähigkeit, Sprache und Urteilsvermögen. Das Bewusstsein ist nicht getrübt. Die kognitiven Beeinträchtigungen werden gewöhnlich von Veränderungen der emotionalen Kontrolle, des Sozialverhaltens oder der Motivation begleitet, gelegentlich treten diese auch eher auf. Dieses Syndrom kommt bei Alzheimer-Krankheit, bei zerebro-vaskulären Störungen und bei anderen Zustandsbildern vor, die primär oder sekundär das Gehirn betreffen.“[23]
Nimmt die Leistungsfähigkeit des Gehirns ab, werden richtige Wörter nicht mehr so schnell gefunden oder hat das Merkvermögen im Vergleich zu früher nachgelassen, so sollte ein Arzt zur Abklärung einer möglicherweise vorliegenden Demenz konsultiert werden. Um eine Demenz zu diagnostizieren bieten sich mehrere unterschiedliche Diagnoseverfahren an. Keines der im Folgenden beschriebenen Verfahren allein reicht jedoch für eine einwandfreie Diagnostik aus. Eines der gängigsten Methoden der Früherkennung, ist der Mini-Mental Status Test (MMST), ein Kurztest bei dem die Patienten anhand von neun Aufgaben ihre kognitive Leistungsfähigkeit in verschiedenen Bereichen (zeitliche und räumliche Orientierung, Merk- und Erinnerungsfähigkeit, Aufmerksamkeit, Sprache und Sprachverständnis, außerdem Lesen, Schreiben, Zeichnen und Rechnen) unter Beweis stellen müssen. Dieser Test dauert etwa zehn Minuten und gilt seit Jahren als erstes Mittel der Wahl bei der Früherkennung und der Verlaufskontrolle der Demenz.[24] Weitere Diagnoseverfahren sind zum Beispiel die bildgebenden Verfahren wie die Computertomografie (CT) oder die Magnetresonanztherapie (MRT). Sie sollen auch bei der Erkennung möglicher Differentialdiagnosen oder der Aufdeckung behandelbarer Demenzursachen (sekundäre Demenzen) helfen.[25]
Oft jedoch wird die Demenz zu spät diagnostiziert. Dies liegt häufig daran, dass die abnehmende Hirnleistung als Begleiterscheinung des Alterns wahrgenommen wird und dass sich viele Demenzkranke noch sehr lange eigenständig in ihrem gewohnten Umfeld zu Recht finden.
Allgemein
Die Prävalenz beschreibt die Rate der zu einem bestimmten Zeitpunkt an einer bestimmten Krankheit erkrankten Menschen in einer Region.[26] Die Inzidenz beschreibt die Zahl der Neuerkrankungen einer bestimmten Krankheit innerhalb eines Jahres.[27] Grundsätzlich steigt die Prävalenz an Demenz zu erkranken mit steigendem Lebensalter stark an. Laut dem Gesundheitsforum Baden-Württemberg (2011) sind etwa 7,2% der über 65-Jährigen von Demenzerkrankungen betroffen. Bei den über 90-Jährigen sind es über 40%. Die unten stehende Grafik verdeutlicht den starken Anstieg der Prävalenz in Abhängigkeit zum Alter der Erkrankten. Unbekannt bleibt hierbei allerdings, wie viele der Erkrankten sich jeweils in welchem Stadium der Krankheit befinden.[28] Etwas mehr als zwei Drittel der Betroffenen sind Frauen. Dies liegt neben der Tatsache, dass die Lebenserwartung von Frauen höher als die von Männern ist, an der Tatsache, dass Frauen nach der Erstdiagnose mehr als zwei Jahre länger leben als männliche Erkrankte.[29]
Abbildung 1: Prävalenz der Demenz in Deutschland, 2009[30]
Prävalenz und Inzidenz Weltweit und in Deutschland
Weltweit gehören demenzielle Erkrankungen zu den bedeutendsten Erkrankungen der Neuzeit. Es gibt heute mehr als 35 Millionen Menschen mit Demenz und 115 Millionen Erkrankte werden von der WHO für das Jahr 2050 vorhergesagt. Die geschätzten Gesamtkosten der Demenz lagen im Jahr 2012 international bei circa 460 Milliarden US-Dollar.[31] Aufgrund neuer Technologien und besserer Lebensbedingungen werden die Menschen immer älter, was diese explodierenden Zahlen zur Folge hat. Die Zahl der jährlichen Neuerkrankungen liegt weltweit bei etwa 4,6 Millionen Menschen – das bedeutet eine...