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Demokratie in den Gemeinden

Der Einfluss der Gemeindegrösse und anderer Faktoren auf die Qualität der lokalen Demokratie

AutorAndreas Ladner, Marc Bühlmann
VerlagVerlag Rüegger
Erscheinungsjahr2007
Seitenanzahl312 Seiten
ISBN9783725308583
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis35,80 EUR
Gibt es eine ideale Grösse eines Gemeinwesens für das Funktionieren einer Demokratie? Mit dieser Frage befassten sich bereits die alten Griechen. Gemessen wird hier die Qualität der Demokratie über Einstellungen, Einschätzungen und Verhaltensweisen der Einwohnerinnen und Einwohner der Gemeinden. Soziale Integration, Interesse an politischen Fragen, Grundkenntnisse über die Politik, das politische System und die politischen Akteure, Vertrauen in die lokale Demokratie, Zufriedenheit mit den Behörden, den Dienstleistungen und den politischen Mitsprachemöglichkeiten sowie die politische Beteiligung werden als zentrale Voraussetzungen für gehaltvolle demokratische Auseinandersetzungen betrachtet.
Untersucht wird, ob und wie diese Indikatoren von der Grösse einer Gemeinde beeinflusst werden. Vor allem vor dem Hintergrund der immer aktueller werdenden Diskussionen über die Fusion von Gemeinden und anderen Reformbestrebungen sind die hier gewonnenen Erkenntnisse von grosser Praxisrelevanz.
Die Autoren
Andreas Ladner ist Professor für öffentliche Verwaltung und institutionelle Politik am IDHEAP in Lausanne. In verschiedenen Studien hat er sich mit den Schweizer Gemeinden befasst.
Marc Bühlmann hat an der Universität Bern zum Thema «Politische Partizipation auf lokaler Ebene» dissertiert und arbeitet aktuell an der Universität Zürich an einem Projekt, das die Messung der Demokratiequalität etablierter demokratischer Staaten zum Ziel hat.

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Leseprobe

3 Die Gemeinde – Ort der sozialen Integration (S. 67)
Seit Beginn der politikwissenschaftlichen Analysen des individuellen politischen Verhaltens stellt die soziale Integration eine zentrale Erklärungsgrösse dar (Campbell et al. 1976, Key 1952, Lazarsfeld et al. 1949). Insbesondere das lokalpolitische Verhalten wird stark beeinflusst von der Einbindung in das kommunale Leben. Die Gemeinde ist dabei mehr als eine reine Verwaltungseinheit. Neben dem gemeinsamen Territorium sind die Einwohnerinnen und Einwohner – gemäss den traditionellen Konzepten der Gemeinde – auch durch soziale Bindungen und Interaktion im kommunalen Umfeld verankert (vgl. dazu Ladner 1991a: 10ff.).

Starke kommunale Bindungen und Interaktionen haben – so die gängige These – positive Auswirkungen auf die verschiedenen Elemente, welche als Bestandteile einer funktionierenden Demokratie gelten. Sie tragen aber auch selber zu einer hohen Demokratiequalität bei. Eine starke Verbundenheit mit der Gemeinde und den dort ansässigen Personen, durch gutnachbarschaftliche Kontakte und in Form von Mitgliedschaften in Vereinen und politischen Gruppierungen fördert die Mobilisierungsbereitschaft.

Soziale Integration stellt die Basis für lokale Demokratie dar. Soziale Desintegration führt demgegenüber zu politischer Apathie oder zu Protestverhalten ausserhalb der vorgesehenen konventionellen demokratischen Bahnen. Gewährleistet wird die soziale Integration auf verschiedenen Wegen. Wichtige Integrationsleistungen finden vor allem dort statt, wo die Einzelnen mit ihrer Umwelt in Kontakt kommen und persönliche Interessen tangiert sind. Es wird hier vermutet, dass dies insbesondere über persönliche Lebensverhältnisse, nachbarschaftliche soziale Kontakte oder über organisatorische Einbindung z.B. in Vereine oder Parteien geschieht. Wichtig sind aber auch die selbst empfundene Verbundenheit mit der eigenen Gemeinde und die Ortsansässigkeit.

Diesen Aspekten wird in diesem Kapitel nachgegangen:

a) Persönliche Lebensverhältnisse: Wohneigentum, eigene Kinder.

b) Nachbarschaftliche Einbettung: Kontakte mit den Nachbarn, Einschätzung Hilfsbereitschaft der Menschen im unmittelbaren Wohnumfeld.

c) Organisatorische Einbindung: Mitgliedschaft in einer Partei, Mitgliedschaft in Vereinen.

d) Ortsansässigkeit (Wohnsitzdauer) und Verbundenheit mit der Gemeinde.

Von all diesen Merkmalen kann erwartet werden, dass sie der sozialen Integration förderlich sind und sich positiv auf die Teilhabe an der lokalen Demokratie auswirken.

Was den Einfluss der Gemeindegrösse anbelangt, so lautet die nahe liegende Hypothese, dass mit zunehmenden Einwohnerzahlen die soziale Integration zurückgeht. Eine grössere Gemeinde führt zu mehr Anonymität, man ist nicht mehr immer mit denselben Leuten konfrontiert und es fällt einem leichter, sich zurückzuziehen. Oder etwas anders formuliert: Die gemeinschaftlichen Bindungen sind weniger ausgeprägt, die sozialen Kontakte selektiver und die Leute weniger stark in die Gemeinschaft integriert. Diese Vorstellung entspricht dem «Decline-of- Community»-Modell von Verba und Nie (1972), welches eine Abnahme der gemeinschaftlichen Integrationsfähigkeit mit zunehmender Gemeindegrösse postuliert. Dem kann allenfalls entgegengehalten werden, dass kleine Gemeinschaften zu einer hermetischen Abschottung tendieren, sodass die soziale Integration in einer kleinen Gemeinde nicht zwingend leichter fallen muss.

In einem ersten Schritt interessiert uns, wie sich die Schweiz hinsichtlich der sozialen Integration von den anderen drei Ländern unterscheidet und ob es Unterschiede zwischen grossen und kleinen Gemeinden, zwischen den Sprachregionen und Konfessionsgebieten in der Schweiz gibt. Danach werden wir untersuchen, wie weit für allfällige Unterschiede die Grösse der Gemeinde verantwortlich gemacht werden kann.

3.1 Soziale Integration in unterschiedlichen Kontexten

3.1.1 Die persönlichen Lebensverhältnisse

Es gibt gute Gründe anzunehmen, dass die persönlichen Lebensverhältnisse Auswirkungen auf die verschiedenen Voraussetzungen für eine funktionierende Demokratie haben.

Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis6
Tabellenverzeichnis9
Abbildungsverzeichnis11
TEIL I – EINLEITUNG18
1 Fragestellung, Grundlagen und Vorgehen18
1.1 Die Gemeinden19
1.2 Lokale Demokratie21
1.2.1 Demokratie in den Gemeinden21
1.2.2 Messung lokaler Demokratiequalität26
1.3 Der Einfluss der Gemeindegrösse29
1.3.1 Unterschiedliche theoretische Wirkungen der Grösse32
1.3.2 Weitere Einflussfaktoren und Wirkungsformen35
1.3.3 Forschungsstand: Erkenntnisse aus bisherigen Untersuchungen39
1.4 Untersuchungsanlage,Vorgehen und Aufbau des Buches44
2 Lokale Demokratie: Organisation, Stellenwert und Erwartungen48
2.1 Die politische Organisation der Gemeinden48
2.2 Zum Stellenwert lokalpolitischer Entscheidungen52
2.3 Einstellungen zur lokalen Demokratie57
2.4 Einstellungen zur lokalen Regierung59
2.5 Zusammenfassung64
TEIL II – ASPEKTE LOKALER DEMOKRATIEQUALITÄT67
3 Die Gemeinde – Ort der sozialen Integration68
3.1 Soziale Integration in unterschiedlichen Kontexten69
3.1.1 Die persönlichen Lebensverhältnisse69
3.1.2 Nachbarschaftliche Einbettung72
3.1.3 Organisationelle Einbindung75
3.1.4 Bindung an die Gemeinde82
3.2 Soziale Integration als Folge individueller und kontextueller Bedingungen86
3.2.1 Hypothesen87
3.2.2 Resultate89
3.3 Zusammenfassung93
4 Politisches Interesse97
4.1 Das politische Interesse in unterschiedlichen Kontexten100
4.2 Politisches Interesse als Folge individueller und kontextueller Bedingungen103
4.2.1 Hypothesen104
4.2.2 Resultate107
4.3 Zusammenfassung111
5 Politisches Wissen und Kompetenz114
5.1 Wissen und Kompetenz in unterschiedlichen Kontexten115
5.1.1 Politisches Wissen115
5.1.2 Kompetenz128
5.2 Wissen und Kompetenz als Folge individueller und kontextueller Bedingungen136
5.2.1 Hypothesen137
5.2.2 Resultate139
5.3 Zusammenfassung144
6 Politisches Vertrauen und Wahrnehmung lokaler Politik148
6.1 Politisches Vertrauen in unterschiedlichen Kontexten149
6.1.1 Kompetenz und Integrität der Politikerinnen und Politiker150
6.1.2 Fähigkeit der Politik, die Anliegen der Bürgerinnen und Bürger aufzunehmen (Responsivität)156
6.1.3 Vertrauen in verschiedene politische Institutionen162
6.2 Politisches Vertrauen als Folge individueller und kontextueller Bedingungen166
6.2.1 Hypothesen167
6.2.2 Resultate170
6.3 Zusammenfassung175
7 Zufriedenheit mit lokaler Politik180
7.1 Zufriedenheit in unterschiedlichen Kontexten182
7.1.1 Allgemeine Zufriedenheit mit dem Leben in der Gemeinde182
7.1.2 Output-orientierte Aspekte der Zufriedenheit184
7.1.3 Zufriedenheit mit dem Funktionieren der Demokratie (Input-orientierter Aspekt der lokalen Demokratie)187
7.1.4 Die Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Aspekten der Zufriedenheit189
7.1.5 Exkurs: Zufriedenheit und Steuerbelastung190
7.2 Zufriedenheit als Folge individueller und kontextueller Bedingungen194
7.2.1 Hypothesen194
7.2.2 Resultate198
7.3 Zusammenfassung203
8 Politische Partizipation207
8.1 Beteiligung an Wahlen209
8.1.1 Beteiligung an Wahlen in unterschiedlichen Kontexten209
8.1.1.1 Beteiligung bei Gemeindewahlen209
8.1.1.2 Beteiligung bei Nationalratswahlen212
8.1.2 Partizipation bei Wahlen als Folge individueller und kontextueller Bedingungen215
8.1.2.1 Hypothesen215
8.1.2.2 Resultate218
8.2 Andere Formen der politischen Partizipation222
8.2.1 Andere Formen der politischen Partizipation in unterschiedlichen Kontexten222
8.2.1.1 Bereitschaft, ein politisches Amt zu übernehmen222
8.2.1.2 Kontakt mit Gemeindepolitikern225
8.2.1.3 Einreichen von Beschwerden228
8.2.1.4 Unterstützung und Lancierung von Initiativen230
8.3 Andere Formen der politischen Partizipation als Folge individueller und kontextueller Bedingungen233
8.3.1 Hypothesen233
8.3.2 Resultate235
8.4 Zusammenfassung239
TEIL III – «SMALL IS BEAUTIFUL»: ZUSAMMENFASSUNG UND FAZIT244
9 Zusammenfassung und Fazit244
9.1 Zusammenfassung der wichtigsten Resultate244
9.1.1 Die Schweiz im internationalen Vergleich: eher Sonder- als Normalfall248
9.1.2 Unterschiede zwischen grossen und kleinen Gemeinden249
9.1.3 Der Einfluss der Gemeindegrösse: Grösse eher hinderlich251
9.1.4 Funnel of causality: die gegenseitige Beeinflussung der Indikatoren lokaler Demokratiequalität254
9.1.5 Die wichtigsten kontextuellen und individuellen Determinanten zur Erklärung der Demokratie-Indikatoren256
9.2 Synthese:Demokratiequalität in den Schweizer Gemeinden – Small seems beautiful257
9.3 Handlungsrelevante Implikationen: Fusionen Nein, politische Bildung Ja?267
ANHANG UND LITERATURVERZEICHNIS270
Methoden270
Bivariate Korrelationen270
Mehrebenenanalysen270
Fragebogen274
Kontextvariablen300
Literaturverzeichnis302

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