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E-Book

Depression und Angst bei Klein- und Vorschulkindern

Ein Ratgeber für Eltern und Erzieher

AutorAlexander von Gontard, Pia Fuhrmann
VerlagHogrefe Verlag GmbH & Co. KG
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl174 Seiten
ISBN9783844426274
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis16,99 EUR
Auch Kinder im Kleinkind- und Vorschulalter können unter Depressionen und Angststörungen leiden. Die sozialen Beziehungen und das Alltagsleben dieser Kinder sind dadurch schwer beeinträchtigt. Im Gegensatz zu Kindern, die sich hyperaktiv oder aggressiv verhalten, fallen die Symptome dieser stillen Kinder jedoch oft lange Zeit nicht auf. Dieser Ratgeber wendet sich an Eltern und Erzieher von jungen Kindern, die sich Gedanken darüber machen, ob es sich bei der Traurigkeit und Ängstlichkeit ihres Kindes um normales Erleben und Verhalten handelt oder diese schon Zeichen einer schwereren Problematik sind. Der Ratgeber geht zunächst auf die Besonderheiten und die verschiedenen Entwicklungsphasen des Vorschulalters ein. Die Kennzeichen von Depressionen und verschiedener Angststörungen im Kleinkind- und Vorschulalter werden dargestellt. Es wird erläutert, wie sich normale Ausprägungen von Trauer und Ängsten von psychisch auffälligem Verhalten unterscheiden lassen. Die therapeutischen Behandlungsmöglichkeiten von Depressionen und Angststörungen werden aufgezeigt. Schließlich erhalten Eltern und Erzieher zahlreiche praktische Hinweise dazu, wie sie betroffene Kinder im Alltag bei der Bewältigung ihrer Depression und beim Abbau von Ängsten unterstützen können.

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Leseprobe

|19|1 Wenn Kinder im Vorschulalter belastet sind


1.1 Das Vorschulalter – Besonderheiten und Entwicklungsphasen


Unter dem Vorschulalter versteht man allgemein die Lebensspanne von Geburt bis zum Eintritt in die Schule. Wohl zu keinem anderen Zeitpunkt im Leben wird ein Mensch sich so grundsätzlich ändern – von einem neugeborenen Kind, das zum Überleben auf die Unterstützung der Umgebung angewiesen ist, bis hin zu einem Schulkind mit eigener Persönlichkeit, das sich auch ohne dauernde Anwesenheit der Eltern wohlfühlt und aktiv sein Leben gestaltet. Diese vielfältigen Veränderungen, die Motorik, Sprache, Denken und Fühlen umfassen, sind Thema der Entwicklungspsychologie. Die Entwicklungspsychologie ist ein Teilgebiet der Psychologie und beschäftigt sich traditionell mit der „normalen“ menschlichen Entwicklung.

Üblicherweise wird die Entwicklung in Entwicklungsphasen aufgeteilt. Dies ist sinnvoll, da Kinder sich tatsächlich je nach Alter unterschiedlich verhalten und sich Eltern mit den verschiedenen Bedürfnissen im Entwicklungsverlauf auseinandersetzen müssen. Bei der Einteilung in Entwicklungsphasen handelt es sich jedoch nicht um starre Zeitabschnitte, im Gegenteil, die Phasen gehen ineinander über. Grundlegende Kenntnisse über die „normale“ Entwicklung bzw. über die Besonderheiten der verschiedenen Entwicklungsphasen von Kindern im Vorschulalter sind nützlich, da Eltern und Erzieher so besser einschätzen können, welche Belastungen und Probleme „normal“ sind.

Entwicklungsphasen:

  • Neugeborenenalter (Geburt bis 4 Wochen nach der Geburt)

  • Säuglingsalter (1 bis 12 Monate)

  • Kleinkindalter (1 bis 5 Jahre)

  • Schulalter (6 bis 13 Jahre)

  • Jugendalter (14 bis 18 Jahre)

|20|Die Einteilung in Entwicklungsphasen wird nicht nur durch die Wissenschaft begründet, sondern unterliegt auch gesellschaftlichen Traditionen. Im deutschsprachigen Bereich wird zwischen dem Neugeborenenalter (Geburt bis 4 Wochen nach der Geburt), dem Säuglingsalter (von 1 bis 12 Monaten) und dem Kleinkindalter (von 1 bis 5 Jahren) unterschieden. Teilweise ist diese Einteilung sinnvoll. Im Neugeborenenalter liegen die Anfänge und Ursprünge der Beziehung zwischen Eltern und Kind. In dieser Zeit kommt es oft zu vielfältigen familiären Umstellungen, insbesondere wenn es sich um das erste Kind handelt. Der Übergang vom Säuglings- ins Kleinkindalter wird eingeleitet durch das freie Laufen, was meistens im Alter von 12 Monaten erfolgt. Das Kleinkindalter ist wiederum ein lebendiger, dynamischer Lebensabschnitt, in dem Kinder zunehmend selbstständig werden und lernen, sich in vielen sozialen Situationen auch ohne die Eltern wohlzufühlen und sich zu behaupten. Diese im deutschsprachigen Bereich übliche Einteilung der Phasen des Kleinkindalters ist aus entwicklungspsychologischer Sicht allerdings etwas ungünstig, da vielfältige Entwicklungen nicht sinnvoll abzubilden sind.

Besser eignet sich hier die im englischsprachigen Bereich verwendete Einteilung der Entwicklungsphasen. Man unterscheidet in den angelsächsischen Ländern zwischen „Infants“ (Geburt bis hin zu 18 Monaten), „Toddlers“ (von 18 Monaten bis 3 Jahren) und „Preschoolers“ (im Alter von 4 bis 5 Jahren). Im Wortstamm des Begriffs „Infants“ klingt an, dass es sich um das Alter des Spracherwerbes handelt. Das Wort „Toddler“ weist auf den bei vielen Kleinkindern noch vorhandenen unsicheren Gang hin, d. h. in dieser Phase werden die motorischen Fähigkeiten verfeinert und eingeübt. Schließlich geht es bei den „Preschoolers“ um das Denken, d. h. in dieser Phase machen die gedanklichen Fähigkeiten von Kindern enorme, sprunghafte Fortschritte.

Egal, welche Einteilung man bevorzugt, in jeder Lebensphase kommen Anforderungen auf die Kinder zu, die zu bewältigen sind. Diese Anforderungen werden von der Entwicklungspsychologie auch als „Entwicklungsaufgaben“ bezeichnet. Typische Entwicklungsaufgaben im Säuglingsalter (d. h. bis zum Alter von 12 Monaten) betreffen das |21|Erlernen und die Entwicklung von Fähigkeiten in Bezug auf das Essen, das Schlafen, die Verdauung, die Bewegung sowie die Bindung und die Beziehung. Im Alter von 1 bis 5 Jahren liegen die Hauptentwicklungsaufgaben im Bereich der Sprache, der Sauberkeit, der Selbstkontrolle und der Selbststeuerung, dem Einhalten von Regeln, dem Aufbauen von Beziehungen zu Gleichaltrigen und dem Erlernen von sozialen Fähigkeiten.

Die Entwicklungsaufgaben hören natürlich nicht mit dem Eintritt in die Schule auf. Im Schulalter (von 6 bis 13 Jahren) stehen das Erlernen von Schulfertigkeiten, von Regeln, von Spielen, das Nachgehen von Hobbys, die Erfüllung von Verpflichtungen und die Übernahme von Verantwortung an. Im Jugendalter von 14 bis 18 Jahren betreffen typische Entwicklungsaufgaben die Entwicklung von Beziehungen zum anderen Geschlecht, die Ablösung von der Ursprungsfamilie, die Entwicklung einer eigenen Identität und Autonomie sowie die Auseinandersetzung mit existenziellen Fragen des Lebens.

Auch nach dem Jugendalter hören die Entwicklungsaufgaben nicht auf. Denn als Erwachsener wird man ununterbrochen mit neuen Aufgaben konfrontiert, die nicht nur Flexibilität und Anpassungsfähigkeit erfordern, sondern oft eine aktive und neue Form der Bewältigung. Dies können insbesondere Eltern nachvollziehen. Sie als Eltern wissen nur zu gut, wie viele unterschiedliche Veränderungen und Anforderungen sich im Zusammenleben mit Kindern ergeben. Diese Veränderungen erfordern von Eltern viel Toleranz, aber auch Arbeit.

Wie Sie selbst, wird auch Ihr Kind manche Entwicklungsaufgaben ohne Schwierigkeiten bewältigen, während andere eine große Herausforderung darstellen können. Die meisten Schritte des Lebens werden von Kindern zum Glück gut gemeistert. Allerdings gelingt die Bewältigung nicht immer optimal, so dass sich psychische Auffälligkeiten oder sogar Störungen ergeben können. Gerade bei jungen Kindern spricht man deshalb bei schwerwiegenden Problemen von „Entwicklungsstörungen“. Dieser Begriff soll andeuten, dass Kinder mit psychischen Störungen oft an der jeweiligen Bearbeitung der anstehenden Entwicklungsaufgaben scheitern.

|22|1.2 Psychische Störungen im Vorschulalter


Sie, als Eltern bzw. Erzieherinnen und Erzieher sowie auch Fachleute sollten allerdings sehr zurückhaltend sein, bei jungen Kindern von einer „Entwicklungsstörung“ oder einer „psychischen Störung“ zu sprechen. Diese Vorsicht ist aus verschiedenen Gründen geboten:

Zum einen zeichnet sich das Vorschulalter durch eine enorme Entwicklungsdynamik aus. Was heute wie ein Problem aussieht, kann schon morgen verschwunden sein – da sich junge Kinder sehr rasch verändern und entwickeln. Auch kann die Bewältigung von Schwierigkeiten sogar zu einer Beschleunigung der Entwicklungsschritte führen und eine Stärkung für zukünftige Aufgaben bedeuten. Das heißt, auch bei jungen Kindern können erfolgreich gemeisterte Krisen sehr wohl positive Auswirkungen auf die weitere Entwicklung haben.

Zum anderen ist die Bandbreite dessen, was als „normale Entwicklung“ gilt, in diesem Alter besonders groß. Dies zeigt sich in allen Bereichen der Entwicklung. Im Bereich der Motorik kann man bei manchen Säuglingen sehr schön alle aufeinanderfolgenden Schritte der motorischen Entwicklung beobachten: Der Weg zum freien Laufen wird bei manchen Säuglingen über das Robben (Bauch am Boden), das Krabbeln (Knie auf dem Boden), dem Bärengang (nur Hände und Füße auf dem Boden), das freie Stehen und schließlich das Laufen beschritten. Andere Kinder lassen die vielen Zwischenstufen aus, warten lange ab, und gehen vom Krabbeln direkt ins Laufen über. Alles ist normal.

Um ein anderes Beispiel zu nennen: Manche Kinder bemühen sich sehr früh darum, alleine Fahrrad zu fahren. Sie versuchen es immer wieder, fallen hin, geben nicht auf und erreichen schließlich ihr Ziel. Andere Kinder warten solange ab, bis sie sich sicher fühlen, steigen auf das Fahrrad und fahren los. Auch hier sieht man zwei völlig verschiedene Arten, zum |23|Ziel zu kommen – entscheidend ist, dass die erstrebten Fertigkeiten erreicht werden.

Bezüglich der Sprachentwicklung bilden manche Kinder rasch nach den ersten Worten Zwei-, Drei- und Mehr-Wortsätze und man ist erstaunt, wie schnell und differenziert sie reden. Andere machen nach dem Lautieren eine...

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