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Der aktuelle gesellschaftliche Wertekosmos und seine Spiegelung auf dem deutschen Buchmarkt

AutorJaquelin Matthes
VerlagMainzer Institut für Buchwissenschaft
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl105 Seiten
ISBN9783945883464
FormatePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis8,99 EUR
Vegan for Starters, Green Publishing, Booksharing - die Werte Gesundheit, Nachhaltigkeit und Gesellschaft gewinnen im Angebot des deutschen Buchmarkts zunehmend an Bedeutung. Jaquelin Kathrin Matthes untersucht den aktuellen gesellschaftlichen Wertekosmos sowie dessen Relevanz für die Entwicklungen in der deutschen Buchbranche. Anhand ausgewählter Beispiele, z.B. aus dem Bereich der Verlagskonzepte, werden Strategien der Wertevermittlung und potentielle Zielgruppen in Bezug auf die Sinus-Milieu-Studie aufgezeigt. Diese Arbeit ist Teil der Reihe Initialen, in deren Rahmen herausragende Abschlussarbeiten der Mainzer Buchwissenschaft veröffentlicht werden.

Jaquelin Kathrin Matthes nahm 2010 ihr Studium an der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz in den Fächern Buchwissenschaft und Philosophie auf. Im Jahr 2015 schloss sie mit der vorliegenden Masterarbeit ihr Studium der Buchwissenschaft ab. Erste praktische Erfahrungen hat sie bereits während eines Praktikums in einer lokalen Buchhandlung und während ihrer Tätigkeit bei der Gesellschaft für Konsumforschung gesammelt.

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Leseprobe

2Das Wertesystem der Gegenwartsgesellschaft – Theoretische und begriffliche Grundlagen


2.1Die Gesellschaft im Wandel – Soziale Milieus und Lebensstile


Die Gesellschaft und ihre Gemeinsamkeiten anhand statistischer Daten zu beschreiben und zu analysieren ist heutzutage schwieriger denn je. Konnten traditionelle Gesellschaften, wie sie noch bis um die Jahrhundertwende des 20. Jahrhunderts Bestand hatten, vor allem durch Stand-, Klassen- und Schichtmodelle beschrieben und gemeinsame Merkmale identifiziert werden, so müssen sich Zukunfts-, Markt- und Trendforschung heutzutage mehrdimensionalerer Modelle bedienen.[23] Die Gesellschaft des 21. Jahrhunderts ist in erster Line von Pluralismus als Folge des Trends der Individualisierung geprägt. Somit sind demografische Kriterien allein nicht mehr ausreichend oder gar hinreichend, um gemeinsame Werthaltungen innerhalb dieser Gesellschaft kenntlich zu machen.[24] Charakteristisch für den Individualisierungstrend ist ein integrierter Individualismus, also »die Freiheit, sich der gesellschaftlichen Gruppierung anzuschließen, der sich der Einzelne am ehesten zugehörig fühlt«[25]. Einen mehrdimensionalen Ansatz bieten diesbezüglich bis in die Gegenwart Milieu- und Lebensstilmodelle. Die Einordnung der Gesellschaft in Milieus und Lebensstile kann helfen das Verhalten der Menschen zu erklären oder sogar vorherzusagen. Dem Milieu- und Lebensstilbegriff gemeinsam ist die Hervorhebung der individuellen Seite der Gesellschaft, also soziale Strukturierungen und Gruppierungen, die für das Denken und Verhalten der Menschen grundlegend sind.[26] Und dennoch weisen die Begriffe jeweils unterschiedliche Schwerpunkte auf, die wiederum in Milieu- und Lebensstilkonzepten münden, um ein gesamtgesellschaftliches Gefüge zu beschreiben.[27]

2.1.1Der Milieubegriff


Der Begriff »Milieu« bezeichnet die »Gesamtheit der äußeren, natürlichen (…) und der sozialen Umwelt (…) des Einzelnen bzw. einer Gruppierung, die auf die Entwicklung, Entfaltungsmöglichkeit und die Modalität sozialen Handelns Einfluss nimmt«[28]. Eine Definition des Milieubegriffs kann sich entweder auf Werte und Mentalitäten beschränken oder aber Umfelder und Ressourcen miteinbeziehen.[29] Im Folgenden wird daher vorwiegend der Begriff »soziales Milieu« verwendet, da in diesem Begriff beide Definitionsansätze miteinander vereint werden. Soziale Milieus sind demnach »Gruppierungen von Menschen mit ähnlichen Werthaltungen, Mentalitäten und Lebensstilen und einer geteilten räumlich-sachlichen Umwelt (wie Stadtviertel, Region, Beruf, Bildung und Erziehung, Politik und Kultur)«[30]. Im Gegensatz zur klassischen Einteilung nach Schichten und Klassen, die sich hauptsächlich durch »gemeinsame sozioökonomische Lebenslagen und Ressourcen«[31] auszeichnen, werden soziale Milieus als eine Art »sozialkulturelle Einheit«[32] verstanden. Zwar basieren beide Möglichkeiten der Gesellschaftseinteilung auf einer sozial strukturellen Ebene – der Milieubegriff impliziert jedoch gemeinsame Kulturmuster in Form von bestimmten Lebenswelten, Freizeit- und Konsumstilen der Menschen.[33] Gesamtgesellschaftlich betrachtet ist die Einteilung in soziale Milieus von einer Klassen- und Schichtstruktur abhängig, denn auch hier werden typische Unter-, Mittel- und Oberschichtenmilieus erkennbar.[34] Entscheidend ist jedoch das senkrechte Erstrecken von sozialen Milieus über die Schichtgrenzen hinweg. Demnach können sich innerhalb einzelner sozialer Schichten mehrere soziale Milieus nebeneinander befinden.

2.1.2Der Lebensstilbegriff


Die heutige »Gesellschaft differenziert sich in unendliche Special-Interest-Gruppen aus«[35], die sich zudem jederzeit wieder wandeln können. Subtrends der vergangenen Jahrzehnte – zum Beispiel Demokratisierung und Emanzipation, die wiederum den Megatrend der Individualisierung stetig vorantrieben – sind Teil sozialer Wandlungsprozesse innerhalb der Gesellschaft. Durch selbst gewählte Lebensstile bietet sich hingegen die Möglichkeit, »individualisierten Menschen im schnellen sozialen Wandel Orientierung und Gemeinsamkeiten zu bieten«[36].[37]

Zwischen den beiden Begriffen »soziales Milieu« und »Lebensstile« bestehen zwar Gemeinsamkeiten und Verknüpfungen, doch sie sollten trotzdem differenziert angewendet werden, das heißt: Soziale Milieus sind Gruppierungen, in denen gemeinsame Werthaltungen und Grundeinstellungen – also typische Wertegefüge – vorherrschen, wohingegen Lebensstile entstehen, »wenn Menschen aus bestimmten Milieus unter bestimmen Alltagsbedingungen typische Denk-, Verhaltens- und Kulturmuster zur Organisation ihres Alltagslebens ausbilden«[38].[39] Lebensstile zeichnen sich demnach durch ein raum-zeitlich strukturiertes Muster aus und werden in erster Linie als Organisationsstruktur des individuellen Alltagslebens verstanden.[40] Der Begriff des Lebensstils geht auf den Soziologen Max Weber zurück, der den Lebensstilbegriff etablierte, »um Gruppierungen in der Gesellschaft und deren Prinzipien zu erkennen«[41]. Im Gegensatz zu sozialen Milieus sind Lebensstile jedoch strukturell instabiler, da sie von Menschen jederzeit leicht gewechselt werden können. Schon allein durch das Knüpfen neuer Kontakte oder dem natürlichen Prozess des Älterwerdens können Verhaltensroutinen, zum Beispiel die Mediennutzung eines Menschen, beeinflusst werden, sodass sich zugleich der Lebensstil ändert.[42] Im Gegensatz zu sozialen Milieus ist der Lebensstil also selbst gewählt – »er betont die Freiheit des Menschen, zu leben, wie er möchte«[43]. An dieser Stelle finden der Lebensstilbegriff und die Konzepte, die darauf aufbauen, ihre Legitimation. Dennoch ist zu berücksichtigen, dass es Faktoren gibt, die darauf Einfluss nehmen, welchen Lebensstil Menschen wählen und in deren Kontext Lebensstilkonzepte zu begreifen sind: Lebensstile sind nie völlig vom Zeitgeist und der biografischen Situation, also dem Alter eines Menschen, losgelöst.[44] Sie geben ein detaillierteres Bild der Gesellschaft, als es mit Milieumodellen möglich ist, da sie den Zeitgeist unmittelbar erfassen. Doch das macht sie gleichermaßen schnell veränderbar, denn Lebensstile, die derzeit in der Gesellschaft erfasst werden, sind »Momentaufnahmen im Fluss«[45] – aktueller, aber unbeständiger als Milieueinteilungen.

2.1.3Die Sinus-Milieus – Darstellung und Bewertung


Zwar geht mit dem Begriff des Lebensstils ein »bestimmtes Maß an individueller Wahl- und Gestaltungsfreiheit der Lebensführung«[46] einher, »Grundwerte, Grundeinstellungen und diesbezügliche Milieueinbindungen«[47] wandeln sich hingegen nur im Falle massiver Lebenskrisen und völlig neuer Einflüsse und geben somit ein beständigeres Abbild der Gesellschaft wider.[48] Milieumodelle geben hierfür zwar eine Strukturierung sozialer Milieus vor, doch das bedeutet nicht, dass diese strikt voneinander zu trennende gesellschaftliche Gruppierungen darstellen – im Gegenteil: die Übergänge sind fließend, manche Menschen leben am Rand beziehungsweise zwischen sozialen Milieus oder lassen sich sogar mehreren Milieus zuordnen.[49] Das Milieumodell ist somit zweidimensional angelegt, da es den sozialen Status mit den Lebenswelten der Menschen innerhalb eines Milieus verbindet. Die individuellen Lebenswelten umfassen dabei sowohl Werthaltungen beziehungsweise -orientierungen, als auch Einstellungen beispielsweise hinsichtlich des Konsumverhaltens der Menschen. Eine direkte Anwendung eines solchen Milieumodells findet sich beispielsweise in den sogenannten Sinus-Milieus, die von dem Markt- und Sozialforschungsinstitut Sinus Sociovision entwickelt wurden.

Das Sinus-Milieu-Modell ist insbesondere bezüglich der strategischen Landkarte in Form einer sogenannten »Kartoffelgrafik« bekannt. Im Modell dieser Kartoffelgrafik ergeben sich zehn »Kartoffeln«, von denen jeweils jede einzelne für ein bestimmtes soziales Milieu steht.[50] Die Positionierung der sozialen Milieus innerhalb der Parameter der beiden Achsen »Soziale Lage« (vertikale Schichtachse) und »Grundorientierung« (horizontale Werteachse) ergeben somit »ein modellhaftes Abbild der sozialen Schichtung und der Wertstruktur [der] deutschen Gesellschaft in ihrer Wechselwirkung«[51].[52] Das bedeutet, je höher ein Milieu entlang der vertikalen Schichtachse angeordnet ist, »desto gehobener sind Bildung, Einkommen und Berufsgruppe« dieses Milieus. Unterteilt wird die vertikale Schichtachse zudem in drei Abschnitte: Abschnitt eins bildet die »Oberschicht« beziehungsweise »Obere Mittelschicht«, Abschnitt zwei die »Mittlere Mittelschicht« und Abschnitt drei die »Untere Mittelschicht« beziehungsweise »Unterschicht« (von oben nach unten).[53] Je weiter sich das Milieu auf der horizontalen Werteachse rechts anordnet beziehungsweise erstreckt, »desto moderner im soziokulturellen Sinn ist die Grundorientierung des jeweiligen Milieus«[54]. Die horizontale Werteachse beschreibt traditionell geprägte Leitwerte – hierzu gehören Werte wie »Festhalten und Bewahren« – bis hin zu postmodernen...

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