Nachfolgend soll der aktuelle Rechtstand der Access-Provider dargestellt werden und gleichzeitig das etablierte System der Störerhaftung in Bezug auf WLANs angesprochen werden. Da es zu diesem Bereich eine Vielzahl an Rechtsprechung gibt, soll diese und deren Entwicklung gleichzeitig mit aufgeführt werden.
Der in Kapitel 3.2.3.1 beschriebene Access-Provider ist gemäß § 8 Abs. 1 TMG nicht verantwortlich,
wenn es sich bei den übermittelten Informationen um fremde Informationen handelt,
der Access-Provider die Übermittelung nicht veranlasst (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 TMG),
den Adressaten der übermittelten Information nicht auswählt (§ 8 Abs. 1 Nr. 2 TMG),
die übermittelten Informationen nicht auswählt oder verändert (§ 8 Abs. 1 Nr. 3 TMG),
und der Access-Provider nicht mit dem rechtsverletzenden Nutzer zusammengearbeitet hat (§ 8 Abs. 1 S. 2 TMG).
Um fremde Informationen handelt es sich bei solchen, die von dem Nutzer selbst eingegeben werden und von denen der Anbieter keine Kenntnis hat oder keine Kontrolle darüber besitzt.[57] Weiterhin darf der Access-Provider nicht mit den übermittelten Informationen in Verbindung stehen, d.h. er darf nicht dafür sorgen, dass eine bestimmte Information an den Nutzer übertragen wird. Ein Anhaltspunkt, dass der Nutzer eine Übermittlung veranlasst hat und nicht der Dienstanbieter, besteht, wenn der Nutzer einen Suchbegriff oder eine konkrete Adresse eingibt. Der Access-Provider darf außerdem den Empfänger nicht auswählen, sondern muss einen automatisierten Dienst anbieten. Nutzt der Dienstanbieter einen Filter, um bestimmten Nutzern einen Zugang zu einem WLAN-Netzwerk zu ermöglichen, handelt es sich nicht um eine automatisierte Auswahl. Darüber hinaus umfasst jedes bewusste Einwirken auf die fremde Information einen Ausschluss der Privilegierung (§ 8 Abs. 1 Nr. 3 TMG). Bei einem WLAN-Anbieter, der seinen Nutzern den Zugang zu einem Kommunikationsnetz wie dem Internet ermöglicht, liegen die eben aufgeführten Voraussetzungen i.d.R. vor.[58]
Dabei ist die Haftungsprivilegierung des § 8 TMG auf die meisten Formen eines WLAN-Betriebes anwendbar, unabhängig davon, ob das WLAN-Netzwerk von einer Privatperson oder von öffentlich-rechtlichen Anbietern – wozu u.a. auch Kommunen und Städte zählen – betrieben wird. Darüber hinaus ist es unerheblich, ob es sich um ein entgeltliches- oder unentgeltliches WLAN-Angebot handelt.[59] Gleichermaßen gilt § 8 TMG für nicht verschlüsselte WLANs, die sich an die Öffentlichkeit richten. Von der Privilegierung des § 8 TMG ausgeschlossen sind verschlüsselte WLANs von Privatpersonen (z.B. Familienkreis, Wohngemeinschaften) sowie gesponserte WLAN-Zugangspunkte, da der Sponsor das Netzwerk nicht in tatsächlicher, technischer Hinsicht betreibt.[60]
Liegen die eben aufgeführten Voraussetzungen des § 8 TMG kumulativ vor, ist der Access-Provider von der Haftung (Schadensersatz, Unterlassung, Strafverfolgung und Rechtsverfolgungskosten) befreit. Praktisch und aufgrund der ständigen Rechtsprechung findet die Haftungsprivilegierung allerdings keine Anwendung auf Unterlassungsansprüche. Hierbei löst die Rechtsprechung praktisch alle Fälle der Verantwortung der Access-Provider mit dem Prinzip der Störerhaftung.[61]
Die Störerhaftung ist die bedeutendste Anspruchsgrundlage, wenn es um die Haftung im Internet (z.B. bei Marken- und Urheberrechtsverletzungen) geht. Der Grund dafür ist, dass diese Anspruchsgrundlage von der Rechtsprechung auf eine Vielzahl von Haftungsfällen im Internet übertragen wurde.[62]
„Störer ist, wer – ohne Täter oder Teilnehmer zu sein – in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung eines geschützten Rechts beiträgt.“[63] Die Anspruchsgrundlagen für die Störerhaftung gegenüber einen Access-Provider ergeben sich aus § 823 BGB[64] analog und aus § 1004 BGB i.V.m. einer speziellen Rechtsnorm, die den jeweiligen Anspruchssteller schützt.[65] Nach § 1004 BGB kann der Eigentümer von demjenigen Störer, der sein Eigentum beeinträchtigt, die Unterlassung dieser Beeinträchtigung verlangen. Dabei soll der Unterlassungsanspruch vorbeugend auf zukünftige Rechtsverletzungen angewandt werden. Das Vorliegen einer bereits erfolgten Rechtsverletzung ist daher nicht zwingend notwendig.[66]
Zudem bedarf es keiner Täter- oder Teilnehmerschaft und keines Vorsatzes seitens des Störers. Eine Mitwirkung in adäquat-kausaler Weise an der Rechtsverletzung reicht aus. Diese liegt vor, „[...] wenn die Schädigung im Allgemeinen und nicht nur unter besonders eigenartigen, unwahrscheinlichen und nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge außer Betracht zu lassenden Umständen geeignet ist, die Rechtsverletzung herbeizuführen.“[67] Diese Voraussetzung für den Access-Provider, der einen Internetzugang mittels WLAN ermöglich, liegt grundsätzlich vor. Der Access-Provider begeht zwar nicht die Rechtsverletzung als Täter, dennoch stellt er seinen Nutzern (welche die Rechtsverletzung begehen), die hierfür notwendige technische Infrastruktur bereit. Im Ergebnis kann folglich angenommen werden, dass eine Rechtsverletzung durch den WLAN-Anbieter ermöglicht wird.[68]
Der für die Begründung der Störerhaftung angelegte Maßstab ist jedoch sehr niedrig. Beispielsweise könnte der Hersteller des WLAN-Routers für Rechtsverletzungen Dritter haften, da durch sein technisches Gerät überhaupt eine Verbindung zum Internet aufgebaut werden kann.[69] Die Rechtsprechung hat jedoch in der Vergangenheit die Störerhaftung eingeschränkt, um eine „[...] uferlose Ausdehnung auf unbeteiligte Dritte zu vermeiden.“[70]
Dieses entwickelte Tatbestandsmerkmal der Prüf- und Überwachungspflichten, welches die Störerhaftung eingrenzt, wurde von der Rechtsprechung auf die Problematik bei WLAN-Netzwerken übertragen.[71] Der Grundgedanke ist, dass der Störer nur noch haftet, wenn er seine Prüf- und Überwachungspflichten verletzt. Welche Merkmale konkret zu den Prüf- und Überwachungspflichten zur Verhinderung von Rechtsverletzungen zählen, ist bisher gesetzlich nicht geregelt. Vielmehr hat die Rechtsprechung in Einzelfallentscheidungen bestimmte Maßnahmen herausgebildet, die von Access-Providern zu ergreifen sind.[72] Hierin liegt ein erhebliches Problem. Da einheitliche konkrete Vorgaben fehlen, wann es letztendlich zu einer Haftung als Störer kommt oder eben nicht, führt das im Ergebnis zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit. Fraglich bleibt an dieser Stelle, ob der TMG-RefE der Bundesregierung die Prüf- und Überwachungspflichten, die zu erbringen sind, gesetzlich konkret regeln wird, um eine Haftung ausschließen zu können.
Grundsätzlich ist eine Interessensabwägung bei den Einzelfallentscheidungen durchzuführen. Der Access-Provider ermöglicht lediglich den Zugang zu einem Netzwerk wie dem Internet und ist daher als neutraler Vermittler anzusehen. Im Gegensatz zum Host-Provider, der das Netzwerk mit Inhalten versorgt, dürfen daher den Access-Provider weniger strenge Prüf- und Überwachungspflichten treffen, denn gerade die Host-Provider sind tatsächlich eher in der Lage, aufgrund ihrer technischen Möglichkeiten (z.B. Filter, Löschen von Einträgen auf ihren Websites), Rechtsverletzungen zu verhindern. Aus diesem Grund können dem Betreiber von WLAN-Netzwerken nur Pflichten zur Überprüfung und Überwachung von Rechtsverletzungen auferlegt werden, die dem Betreiber unter Abwägung aller Interessen zumutbar sind.[73]
In der Vergangenheit gab es daher anfangs eine Vielzahl von Entscheidungen zu der Verantwortlichkeit und den damit einhergehenden Prüf- und Überwachungspflichten der Host-Provider und später auch eine Übertragung auf die Access-Provider.[74]
Seit einigen Jahren haben die Gerichte über die Haftung der Access-Provider und deren Prüf- und Überwachungspflichten zu entscheiden. Die wesentlichen Urteile, die die aktuelle Rechtslage prägen, werden nachfolgenden zusammenfassend vorgestellt.
Ein Großteil der Entscheidungen der Gerichte betraf die Verantwortlichkeit von Anbietern privat und meist auch verschlüsselt (geschlossen) betriebene WLAN-Netzwerke. Daher gibt es aktuell nur wenige...