Obwohl das meist belastende Thema der dementen Patienten im Alltag von Krankenhausmitarbeitern ständig präsent ist, gibt es nur wenige Fortbildungen zum Umgang mit dieser Patientengruppe und auch die Forschung ist in diesem Bereich noch nicht ausreichend. In der Akutversorgung kann das Weglaufen eines Demenzkranken von einer Krankenstation, durch den hektischen Krankenhausalltag, oftmals erst später als in einer Altenpflegeinrichtung bemerkt werden. Die Pflegenden empfinden solche Situationen als beängstigend und sorgen sich um den Demenzkranken. Bei der Suche nach dem verschwundenen Patienten kommt es zu einem Konflikt. Die Pflegenden sind verpflichtet, nach dem verschwundenen Patienten zu suchen, andererseits haben sie aber auch Anwesenheitspflicht auf der Station. Ein weiteres Konfliktfeld ist die Belegung der Patientenzimmer. Die Mitpatienten der Demenzerkrankten reagieren oftmals verständnislos bezüglich der gezeigten Verhaltensauffälligkeiten. Aufregungen dieser Art sind etwa in der Kardiologie nicht erwünscht, da sich die meisten Patienten mit Kreislauferkrankungen schonen müssen (vgl. Heimerl 2011, S. 24–29). Bereits die Patienteneinweisung und -aufnahme stellt die Krankenhausmitarbeiter, die dementen Patienten und deren Angehörige, vor eine Herausforderung.
Der Begriff „Krankenhaus“ wird nach dem § 107 SGB V (Fünftes Sozialgesetzbuch) wie folgt definiert:
‚»(1) Krankenhäuser im Sinne dieses Gesetzbuchs sind Einrichtungen, die 1. der Krankenhausbehandlung oder Geburtshilfe dienen, 2. fachlich-medizinisch unter ständiger ärztlicher Leitung stehen, über ausreichende, ihrem Versorgungsauftrag entsprechende diagnostische und therapeutische Möglichkeiten verfügen und nach wissenschaftlich anerkannten Methoden arbeiten, 3. mit Hilfe von jederzeit verfügbarem ärztlichem, Pflege-, Funktions- und medizinisch-technischem Personal darauf eingerichtet sind, vorwiegend durch ärztliche und pflegerische Hilfeleistung Krankheiten der Patienten zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten, Krankheitsbeschwerden zu lindern oder Geburtshilfe zu leisten, und in denen 4. die Patienten untergebracht und verpflegt werden können (…)«‘
(vgl. Bundesministeriums der Justiz 20.12.1988).
In der Literatur versteht man unter einem Akutkrankenhaus ein Krankenhaus ohne Rehabilitationseinrichtung. Für Bruder[13] bedeutet dement zu werden, zunehmend im Vollzug der individuellen Alltagsanforderungen zu scheitern. Deshalb erscheint es als Widerspruch, einen Demenzkranken aus der für ihn typischen Umgebung herauszulösen um ihn im Krankenhaus behandelt zu lassen (vgl. Nikolaus et al., S. 319). Aufgrund der vorherrschenden Versorgungsstrukturen ist es in Deutschland nur bis zu einem gewissen Schweregrad der gesundheitlichen Probleme möglich, einen Krankenhausaufenthalt zu vermeiden. Wie in etwa bei einem exsikierten Bewohner einer Altenpflegeeinrichtung, der zur Gabe von intravenösen Infusionen in ein Krankenhaus eingewiesen werden muss, da subkutane Infusionen nicht ausreichen. Diese könnten auch in der Altenpflegeeinrichtung von einem Arzt oder pflegerischen Fachpersonal verabreicht werden (vgl. Anderson 2010, S. 76–77). Eine zusammenfassende Analyse von Studien der letzten Jahre zeigte, dass Patienten mit Demenz dreimal häufiger akut in ein Krankenhaus eingewiesen wurden als andere ältere Menschen ohne Demenz. Gründe für die Einweisungen waren unter anderen Synkopen, Stürze oder Frakturen (28 Prozent), Erkrankungen des Herzens (17 Prozent), Erkrankungen des Gastrointestinaltrakts (9 Prozent), Pneumonie (6 Prozent) oder auch aufgrund eines Delirs (5 Prozent). Zu den häufigsten Einweisungsdiagnosen zählten respiratorische Infekte. Viele dieser Einweisungen aus dem Pflegeheim wurden als vermeidbar eingeschätzt, da die Infektionen auch dort hätten behandelt werden können (vgl. Hofmann 2013, S. 200–202). Ein weiteres Problem stellen die vorgeschobenen Einweisungsdiagnosen dar. Oftmals erfolgen stationäre Aufnahmen bei kognitiv eingeschränkten Patienten aus sozialen Gründen wie z.B. aufgrund eines Versorgungsproblems. Organische Diagnosen, aus dem Rahmen der bestehenden Multimorbidität, werden hierbei unter anderem vorgeschoben. Es sei an dieser Stelle ergänzend zu erwähnen, dass soziale Gründe bisher nicht nach den Krankenhausaufnahmebedingungen nach G-AEP[14] (German Appropriateness Evaluation Protocol) zulässig sind (vgl. Füsgen und Schütz 2013, S. 203–207).
Für demente Patienten gestalten sich bereits die Aufnahmediagnostik sowie die nachfolgenden Behandlungen schwierig. Als besonders belastend werden die langen Wartezeiten empfunden. Oftmals lehnen die demenzerkrankten Patienten Untersuchungen ab, da sie keinen Sinn darin erkennen können, und reagieren unter anderem mit mangelnder Kooperation oder Abwehr. Bei sehr ängstlichen oder agitierten Patienten erscheint es sinnvoll, zunächst nur die nötigste Diagnostik durchzuführen und die fehlenden Untersuchungen an den Folgetagen durchzuführen, nachdem sich der demente Patient etwas eingewöhnt hat. Das Vorgehen muss allerdings dokumentiert werden, um im späteren Behandlungsverlauf nachvollziehbar zu sein. Besonders schwierig gestaltet sich die Situation der Verweigerung von Untersuchungen, sofern keine Betreuungsregelung vorliegt. Ärzte müssen dann entscheiden, auf welcher rechtlichen Grundlage die Aufnahme und Behandlung im Krankenhaus möglich ist (vgl. Anderson 2010, S. 78–79).2.2 Der demenzkranke Patient im Krankenhausalltag
Ob demenzkranke Patienten als relevante Größe im Akutkrankenhaus wahrgenommen werden, hängt auch vom Bewusstsein und von der Sensibilisierung der Leitungskräfte ab. Das Bewusstsein wird häufig durch den beruflichen Hintergrund der Leitungskräfte bzw. durch persönliche Erfahrungen mit Demenzkranken geschärft (vgl. Kirchen-Peters 2013, S. 79). Demenzkranke finden sich in dem für sie fremden Umfeld nur schwer zurecht. In der Krankenhausatmosphäre fehlen die vertraute Umgebung, die gewohnten Bezugspersonen, die vertraute Tagesstruktur und das Beschäftigungsangebot. Häufig führt ein Umgebungswechsel zu einer weiteren Verschlechterung des Allgemeinzustandes des Demenzkranken, welcher oft von einer weiteren Reduktion körperbezogener und kognitiver Funktionsfähigkeiten geprägt ist und somit einen weiteren Verlust der Selbständigkeit zur Folge hat. Viele dieser Patienten reagieren darauf mit Unruhe und haben das Bedürfnis, den Ort, den sie nicht kennen und der verwirrend auf sie wirkt, zu verlassen und entfernen sich aus dem Krankenzimmer oder der Station im Krankenhaus (vgl. Plenter 2013, S. 26). Immer wieder werden für den Aufenthalt benötigte Gegenstände wie Zahnprothesen, Brillen, Hörgeräte oder andere persönliche Dinge, die unter anderem die Orientierung erleichtern können, aus Angst vor Verlust absichtlich nicht mitgegeben, vergessen oder gehen beim Transfer bzw. im Krankenhaus verloren. Infolgedessen werden die dementen Patienten dann als orientierungslos oder nicht ansprechbar erlebt und es folgen dieser Situation entsprechende Reaktionen des Krankenhauspersonals. Besonders gravierend ist, dass das Fehlen der Zahnprothese nicht nur die Nahrungsaufnahme und die Atmung erschweren, sondern auch die Stimmung und den Antrieb beeinträchtigen können (vgl. Anderson 2010, S. 81–82). Krankenhausaufenthalte können leicht zu traumatisierenden Erlebnissen für Demenzkranke werden. Schmerzen, wie beispielsweise nach einer Operation, können von diesen oftmals nicht adäquat mitgeteilt werden. Es ist mittlerweile erwiesen, dass Krankenhausaufenthalte für Demenzkranke mit einem erhöhten Risiko von Komplikationen wie Stürzen, nosokomialen Infektionen, Mangelernährung, Austrocknung sowie Über- oder Unterdosierung an Medikamenten verbunden sind. Infolgedessen kann es zu längeren Liegezeiten, einer größeren Wahrscheinlichkeit der Einweisung in ein Pflegeheim und letztendlich auch zu einer höheren Mortalität kommen. Häufig ist die Verschlechterung der Demenzerkrankung insgesamt die Folge (vgl. Klapper 2013, S. 2–5).
Der demente Patient ist auch im fortgeschrittenen Stadium noch immer ein Mensch, dem mit Respekt und Achtung zu begegnen ist, selbst dann, wenn er seine Wünsche und Bedürfnisse nicht mehr offensichtlich kommunizieren kann. Sein Leben hat auch mit Demenz noch immer einen Sinn. Frankl[15] ging davon aus, dass das Ringen um die bestmögliche Sinnerfüllung seines Daseins fest im Menschen verwurzelt ist und die Sinnfülle der Existenz ausschlaggebend ist. Der Mensch will letzten Endes nicht das Glücklichsein an sich, sondern einen Grund zum Glücklichsein. Für einen dementen Patienten kann schon ein verständnisvolles Gespräch, Geduld oder das Gefühl, ernst genommen zu werden, ein Grund zum Glücklichsein sein (vgl. Frankl 1978, S. 70).
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