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Der Deutsche Corporate Governance Kodex. Eine kritische Analyse

AutorMoritz Delbrück
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2006
Seitenanzahl75 Seiten
ISBN9783638486880
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis29,99 EUR
Bachelorarbeit aus dem Jahr 2006 im Fachbereich BWL - Sonstiges, Note: 1,0, Universität Bayreuth (Institut für Philosophie), 254 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: Beobachtungsgegenstand vorliegender Arbeit ist der um jene Förderung des Vertrauens 'der internationalen und nationalen Anleger, der Kunden, der Mitarbeiter und der Öffentlichkeit in die Leitung und Überwachung deutscher börsennotierter Aktiengesellschaften' bemühte 'Deutsche Corporate Governance Kodex' (DCGK). Um dessen Wirkungsweisen verdeutlichen zu können, wird der Themenkomplex Corporate Governance zunächst vor seinen definitorischen, wissenschaftlichen und historischen Hintergrund gesetzt (Teil 2). Besonderer Schwerpunkt liegt hier auf der Darstellung der Rahmenbedingungen und Markt-Mechanismen als Wirkungsfeld für den DCGK. Von Bedeutung ist dies speziell im Hinblick auf die daran anschließende Beschreibung der Bindungs-, Regulierungs- und bisherigen Erfolgswirkungen, da hier aufgrund des deutschen Systems ursächliche Zusammenhänge zum bislang ausstehenden wissenschaftlichen Nachweis einer Sanktionierung von Zuwiderverhalten durch den Kapitalmarkt gesehen werden können (Teil 3). Teil 4 verlassen stellt zentrale Regulierungsinhalte und -lücken des DCGK vor und diskutiert prominente Veränderungsvorschläge aus der jüngeren wissenschaftlichen Debatte kritisch. Vor dem Hintergrund des Vertrauenskapitalstärkung-Postulats werden die bestehenden Regulierungsinhalte in Teil 5 zwar als hinführend, nicht jedoch als ausreichend beurteilt.

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Leseprobe

2.      Corporate Governance: Definition, wissenschaftliche Einordnung und Geschichte


 


2.1.               Definition


 

Für den CG-Begriff hat sich bislang keine homogene und international einheitliche Definition entwickeln können.[11] Begründet ist dies sowohl in soziokulturell wie wirtschaftlich verschiedenen Grundverständnissen (wie z.B. der Shareholder/Stakeholder Debatte), als auch (rechts-)historischen Entwicklungen nationaler CG-Systeme sowie deren zeitabhängigen Interpretationen. Die bereits im definitorischen Ansatz sehr heterogenen wissenschaftlichen Positionen zur CG lassen auch den weiten Interpretationsrahmen für die ihr zugemessenen Aufgaben und Ziele erahnen, der sich auf internationaler Ebene in einem weltweiten Wettbewerb der Governance-Systeme widerspiegelt.[12]

 

Nachdem die Folgen einer Trennung von Eigentum und Kontrolle bereits seit längerem Gegenstandökonomischer Beobachtung sind, geht die Verbindung zu dem der Politikwissenschaft entstammenden ‚Governance‘-Begriff auf Williamson zurück.[13] Dieser bezeichnete die Investoren ex-ante zur Verfügung stehenden Schutzmechanismen im Rahmen der Transaktionskosten-Theorie von Coase als „Governance-Instrument of stockholders“ und führte so für bereits zuvor diskutierte Fragestellungen den neuartigen ‚Corporate Governance‘-Terminus in die wirtschaftswissenschaftliche Diskussion ein.[14]

 

Nach Dörner/Orth können die definitorischen Betrachtungsweisen der CG hinsichtlich einer rechtlich-institutionellen sowie einer ökonomisch-interaktiven Interpretation kategorisiert werden, wobei entweder […] die Aufbau- und Ablauforganisation innerhalb des Unternehmens – also die Kontrolle – in den Vordergrund […] gestellt oder auf die „kapitalmarktorientierte und koalitionstheoretische Sichtweise [und] die Außenbeziehungen des Unternehmens […] abgezielt wird.[15] Diese unterscheiden sich bzgl. ihres Umgangs mit Anspruchs- und Bezugsgruppen: Im engeren Sinn wird demnach auf die Art und Weise verwiesen, wie aktienrechtlich verfasste Gesellschaften geführt und kontrolliert werden und sich gegenüber ihren Aktionären verantworten müssen. In dieser vor allem im angelsächsischen Raum verbreiteten Perspektive werden vor allem „Führung, Überwachung und Erfolg [aktienrechtlich verfasster Unternehmungen aus der] Perspektive der Anteilseigner“ betont.[16]

 

In einem extensiveren und vor allem im kontinentaleuropäischen Raum verbreiteten Verständnis wird nicht nur die Verantwortlichkeit gegenüber Aktionären betont, sondern auch Anspruchsgruppen aus dem Kunden-, Mitarbeiter- und Umweltbereich integriert. Zwar divergieren auch innerhalb dieser Position die exakten Begriffsauffassungen, doch ist ihnen gemeinsam, der Unternehmensführung nicht nur die Interessen der Anteilseigner als Referenznorm zugrunde zu legen.[17] Der normative Bezugs- und Verantwortungsrahmen wird also über den Kreis der Anteilseigner hinaus auch auf weitere Anspruchsinhaber ausgeweitet und umfasst […] die Gesamtheit der Strukturen und Mechanismen, mit denen ein Unternehmen seine in ihm und mit ihm durchgeführten Transaktionen führt, steuert und kontrolliert.“[18] Eine solche, den normativen Bezugsrahmen auch um das Stakeholder-Interesse erweiternde, Position findet sich auch im angloamerikanischen Raum, obgleich diese im US-amerikanischen Kontext, ebenso wie bei den meisten anderen Autoren, letztendlich ebenfalls im Interesse der Mehrung des Aktionärsvermögens geschieht.[19] Festzuhalten ist damit für das Spektrum vorherrschender Definitionsvorschläge der normative Unterschied in der Anspruchsgruppenbestimmung. Folgerichtig definiert die OECD CG abstrakt als „Wechselbeziehungen zwischen allen unmittelbar und mittelbar an der unternehmerischen Entscheidungsfindung beteiligten Akteuren … [, welche] durch die institutionellen Rahmenbedingungen sowie durch das Regulierungsumfeld geprägt werden“.[20] Da innerhalb dieser Definitionen auf die zur Verfügung stehenden Mechanismen, nicht aber deren normative Ausgestaltung im Umgang mit Bezugsgruppen abgezielt wird, vermag diese Definition am besten zu überzeugen.[21]

 

2.2.               Wissenschaftliche Einordnung zwischen Ökonomie und Philosophie


 

Eine eindeutige Zuordnung des CG-Themenkomplexes innerhalb der wissenschaftlichen Disziplinen steht bislang aus, da in diesem Zusammenhang aufgeworfene Fragestellungen aus mehrerlei Perspektiven zu beurteilen und im Grenzbereich mehrerer Wissenschaften zugleich anzusiedeln sind. In den Rechtswissenschaften diskutierte Fragen wie die Zuteilung von Rechten und Pflichten der Hauptversammlung sowie die Ausgestaltung der Organkompetenzen der Unternehmung haben zugleich betriebs- wie auch volkswirtschaftlichen und letztendlich auch sozialwissenschaftlichen wie ethischen Impetus. Soll also der gesamte Wirkungs- und Bedeutungsrahmen der CG hinreichend erfasst und bearbeitet werden, so ist hierfür Interdisziplinarität unerlässlich. Weiteres Beispiel hierfür ist die Frage eines monoistischen oder dualistischen Board-Modells, welche nur sinnvoll beantwortet werden kann, wenn sowohl die gesellschaftsrechtliche Perspektive, als auch der Neuen Institutionen Ökonomik entstammenden Theorien wie das Prinzipal-Agenten-Verhältnis oder Governancekosten bzw. Konstitutionenökonomik herangezogen werden.[22]

 

Als zentraler Ausgangspunkt der CG-Debatte gilt mithin der auf der Informationsasymmetrie zwischen Prinzipal (Kapitalgeber) und Agent (Management) basierende Prinzipal-Agent-Konflikt. Da die vom Agenten getroffene Entscheidung unter den zur Auswahl stehenden Handlungsalternativen vom Prinzipal nicht direkt kontrolliert werden kann (hidden action), verfügt der Agent aufgrund von Transaktionskosten über einen quantitativen und/oder qualitativen Vorsprung an spezifischer Information (hidden information), der aufgrund divergenter Interessen zwischen Management (Interesse: Vergütungshöhe und –sicherung) und Aktionär (Interesse: Residualanspruchmaximierung mit abhängig vom Aktionärstypus kurz-, mittel- oder langfristiger Perspektive) vom Agenten zum Schaden des Prinzipals ausgenutzt werden kann. Die Anreiz-, Kontroll- und Informationssysteme der Unternehmung müssen also derart ausgestaltet werden, dass gewährleistet ist, dass ein Agent eine vereinbarte Leistung erbringt und damit die Residualansprüche des Prinzipals zu dessen möglichst maximalen Nutzen erfüllt.[23]

 

Nachdem Governance-Systeme die Befriedigung der Prinzipalansprüche in ihrer bisherigen Ausprägung nur unzureichend zu leisten vermochten, wird nun zunehmend auch die Notwendigkeit einer Erweiterung der CG um eine ethische Perspektive erkannt. Nach Vorarbeiten aus dem angloamerikanischen Raum, welchen das Aufzeigen erster kritischer Aspekte sowie bestehender Lücken zu verdanken ist, steht die Betrachtung aus einer Ökonomik und Ethik verbindenden Perspektive allerdings noch vergleichsweise am Anfang der deutschsprachigen Diskussion.[24]

 

CG und Ethik stehen in einem interdependenten Zusammenhang: Eine Determinierung der CG allein durch formal-juristische wie ökonomische Kriterien gewährleistet allenfalls eine technische Hinführung als conditio sine qua non. Eine abschließende Sicherung der Aktionärsinteressen und eine ethische Legitimierung des Managements vermag sie aufgrund des begrenzten Wirkungsrahmens expliziter Verträge bisher nicht zu entfalten. Umgekehrt stellt die klassische CG keineswegs eine der Verantwortungskonzeptionen nach mehr wirtschaftlicher Verantwortung wie Stakeholder-Management, Sustainability, Corporate Social Responsibility (CSR) und Corporate Citizen (CC) dar.[25] Vielmehr ist sie im engeren Sinn bereits auf einer vorgelagerten Ebene eine „important condition to have an ethically based direction and management“, da sie den technischen Beziehungsrahmen der Verantwortung des Boards gegenüber dem Aktionär als Eigentümer der Unternehmung bereitstellt.[26] Sie bildet das ökonomische wie rechtliche Fundament für die Legitimation und die ethische Stoßrichtung der Unternehmensführung und ist damit bereits im engeren Sinn Shleifer/Vishnys von großer Bedeutung für CSR- oder CC-Konzeptionen, welche Ausführungen zu Organkompetenzfragen und ähnlich juristisch-betriebswirtschaftlich dominierte Fragen bislang vermissen lassen. Der Implementierungsversuch einer ethischen Legitimationsbasis, sowie das Aufzeigen möglicher ethischer Stoßrichtungen zur Füllung aus impliziten Verträgen entstehender ‚ethischer Lücken‘ in der CG, wird damit Aufgabe einer mit den Rechts- und Wirtschaftswissenschaften interdisziplinär und kooperativ eng verknüpften Wirtschafts- und Unternehmensethik, welche nicht nur an die CG-Konzeptionen fremder Disziplinen anschluss-, sondern auch sprachwissenschaftlich integrationsfähig gemacht werden muss.

 

Dieser Notwendigkeit kommt die Evolvierung der klassischen CG-Konzeption...

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