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E-Book

Der Deutsche Corporate Governance Kodex und die Haftung von Vorständen und Aufsichtsräten

AutorTorsten Reuter
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2004
Seitenanzahl93 Seiten
ISBN9783638302586
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis20,99 EUR
Diplomarbeit aus dem Jahr 2004 im Fachbereich Jura - Zivilrecht / Handelsrecht, Gesellschaftsrecht, Kartellrecht, Wirtschaftsrecht, Note: 2,3, Hochschule Schmalkalden, ehem. Fachhochschule Schmalkalden, Sprache: Deutsch, Abstract: Die Einführung des Corporate Governance Kodex in Deutschland und die verstärkte Institutionalisierung der Kapitalanlage, eine vermehrte Bündelung des Anlagevermögens in den Händen von Pensionsfonds, Versicherungen und Investmentfonds hat zu einem verstärkten Interesse an der Überwachung der Leitungstätigkeit von Vorständen und Aufsichtsräten und zu der Frage der Haftung von Unternehmensleitung für Fehler in ihrer Tätigkeit geführt. Aufgrund der katastrophalen Entwicklung am Kapitalmarkt häuften sich Klagen gegen Unternehmen. Diese beruhten auf möglicher Verantwortung der Vorstände für die stark gefallenen Börsenkurse und die dadurch entstandenen Vermögensminderungen bei den Aktionären. Die vorliegende Arbeit stellt die Auswirkung des Corporate Governance Kodex auf die Haftung der Vorstände und Aufsichtsräte einer Aktiengesellschaft dar. Es erfolgt eine Untersuchung hinsichtlich der Haftung von Vorständen resultierend aus dem Aktiengesetz, dem Bürgerlichen Gesetzbuch und aus dem Corporate Governance Kodex. Ferner wird die mögliche Absicherung der Geschäftsleitung durch eine D&O-Versicherung behandelt sowie eine Untersuchung bezüglich der möglichen Schaffung eines Compliancesystemes im Unternehmen vorgenommen, welches verhindern soll, dass im Unternehmen gesetzliche Grenzen überschritten werden.

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Leseprobe

3. Haftungmöglichkeiten aus dem Corporate Governance Kodex


 

3.1 Corporate Governance Kodex

 

Die erste Frage ist natürlich – was versteht man überhaupt unter Corporate Governance? Der Begriff wird als System der Unternehmensleitung und –überwachung verstanden und stellt für institutionelle Investoren am Kapitalmarkt ein wichtiges Bewertungsinstrument für Anlageentscheidungen dar. Die Berücksichtigung dieses Faktors beruht auf der Annahme, dass der Unternehmenserfolg zum großen Teil auf eine effektive Unternehmenskontrolle zurückzuführen ist.

 

Diese Unternehmenskontrolle ist notwendig, da bei börsennotierten Unternehmen eine Trennung von Eigentum und Leitung erfolgt. Die daraus resultierenden Informationsdefizite führen zu Divergenzen zwischen Aktionären und Management. Ziel einer optimalen Corporate Governance ist es somit, das Verhalten der Unternehmensleitung durch Regelungen und Verträge in Übereinstimmung mit den Interessen der Aktionäre zu bekommen.[52]  

 

Mit der Entdeckung großer Bilanzfälschungen (Enron, WorldCom, Global Crossing, Adelphia, Tyco) in den USA im Jahr 2001 ging der Verlust des Anlegervertrauens in die Tätigkeit von Vorständen in aller Welt einher und der Ruf nach einer stärkeren Überwachung der Unternehmensleitung wurde laut.[53]

 

Im Rahmen der Aufdeckung des Vergütungsschemas von Richard Grasso, Chairman der New York Stock Exchange(NYSE), wurde auch Kritik am amerikanischen Corporate Governance System laut. Grasso sollte als Entlohnung die Hälfte des Jahresgewinnes und Sonderzahlungen in Höhe der Jahresgewinne der letzten drei Jahre erhalten.

 

Der Skandal dieser Vereinbarung lag vor allem in der Diskrepanz zwischen der NYSE als Instanz für fairen Börsenhandel und der Wirklichkeit, die sie als Selbstbedienungsladen erscheinen lässt. Nur durch die Untersuchungen der Securities and Exchange Commission (SEC) wurde diese Gehaltspolitik offenbart.[54]

 

Reagiert hat die amerikanische Regierung auf diese Entwicklung mit dem Sarbanes-Oxley Act, welcher durch Regeln der SEC und der NYSE ergänzt wurde.[55] 

 

Auch die deutschen Kapitalmärkte, noch vom Ende des Internetbooms gezeichnet, verloren weiter an Boden. Verstärkt wurde dieser Abfluss von Anlagegeldern durch eine Reihe von Insolvenzen und Bilanzskandalen, zum Beispiel Balsam Procedo, Berliner Bankgesellschaft, MLP, Holzmann, Comroad, Infomatec, Phenomedia und Pixelnet.[56]    Diese Entwicklung verstärkte die Diskussion um einen Corporate Governance Kodex für deutsche Unternehmen, welcher international und national anerkannte Standards guter und verantwortungsvoller Unternehmensleitung enthalten sollte.[57]

 

Die Entwicklung des Deutschen Corporate Governance Kodex war anfangs geprägt von vielfachem Missverständnis durch angelsächsisch beeinflusste Analysten und institutionelle Anleger. Sie verstanden nicht, dass die Eckpunkte der Unternehmensverfassung in Deutschland im Großen und im Kleinen bereits feststanden. Für weitergehende Regelungen bleibt nur sehr wenig Raum. Nur bei der Umsetzung aktienrechtlicher Vorgaben und der Nutzung zulässiger Gestaltungsmöglichkeiten blieben nutzbare Freiräume.[58]   

 

In den Jahren 2000 bis 2002 entstanden drei Corporate Governance Kodizes, vorher gab es so etwas in Deutschland nicht. Der erste Kodex, genannt Code of Best Practice, wurde von der Grundsatzkommission Corporate Governance entwickelt, eine private Initiative mit Vertretern aus Wissenschaft und Praxis. Die Veröffentlichung erfolgte im Jahr 2000.

 

Im Juni 2000 wurde der Code of Corporate Governance veröffentlicht, erarbeitet vom Berliner Initiativkreis, einer Gruppe von Professoren und Praktikern.

 

Die weitere Entwicklung war bestimmt vom Abschlussbericht der Regierungskommission Corporate Governance, die die Schaffung eines Deutschen Corporate Governance Kodexes empfahl. Die Bundesregierung setzte dementsprechend die Regierungskommission Deutschen Corporate Governance Kodex ein und schon im Februar 2002 wurde der Kodex der Öffentlichkeit präsentiert.[59] 

 

Am 30.08.2002 erfolgte die erstmalige Veröffentlichung des Deutschen Corporate Governance Kodex[60] im Bundesanzeiger und seitdem bereits mehrmalige Aktualisierungen. Die immer wieder notwendigen Änderungen sind ein Indiz für die Variabilität des Kodex. Die Anpassungen sind wichtig, um dem sich verändernden Wirtschaftsgeschehen treffende Standards bezüglich der Unternehmensleitung- und führung zur Verfügung zu stellen.[61]

 

Der Kodex ist unterteilt in Empfehlungen und Anregungen. Eine vom Unternehmen abzugebende Entsprechenserklärung bezieht sich ausschließlich auf die Befolgung der Empfehlungen, da diese zum Teil die bloße Wiedergabe geltenden Gesetzesrechts enthalten. Von den Anregungen kann hingegen ohne Offenlegung abgewichen werden, sie beinhalten bloße Verhaltensvorschläge.

 

Allein die Abgabe der Entsprechenserklärung ist gesetzlich verpflichtend, der Kodex an sich stellt nur eine unverbindliche Wohlverhaltensempfehlung dar, welche, wie schon erwähnt, jährlich kontrolliert und dem aktuellen Bedarf angepasst wird.[62]    

 

Diese einmalige Verbindung von „soft law“[63] und Gesetzesrecht gab es vorher im deutschen Gesellschaftsrecht nicht. Eine abschließende Erörterung, in welcher Form die Empfehlungen des Kodex in das interne Regelwerk der Gesellschaft integriert werden können, liegt noch nicht vor.

 

Für die gewünschte, dauerhaft positive Reaktion der Kapitalmärkte erscheint es jedoch bedeutsam, eine konsequente und transparente Umsetzung zuwege zu bringen.[64]

 

3.1.1 Rechtliche Qualität des Deutschen Corporate Governance Kodex

 

Die rechtliche Qualität des Kodex ist Ausgangspunkt für eine große Fachdiskussion mit vielen unterschiedlichen Ansichten. [65] Der einzige Punkt, auf den man sich weitestgehend einigen konnte, ist die rechtliche Unverbindlichkeit des Deutschen Corporate Governance Kodex. Er selbst stellt kein Gesetz dar, da er nicht in einem ordnungsgemäßen parlamentarischen Verfahren zustande gekommen ist[66].

 

Doch schon bei der Einordnung des Kodex als private oder staatliche Maßnahme kommt es zu Konflikten. Die herrschende Meinung geht von einem privaten Regelwerk aus[67], da der für die Erstellung und Änderung des Kodex zuständigen Kommission nur Unternehmensvertreter und Universitätsprofessoren angehört haben. Eine andere Meinung geht jedoch davon aus, dass es sich um eine staatliche Maßnahme handelt. Dem öffentlichen Recht ist jedoch nicht zu entnehmen, dass eine Zurechnung neuartiger Maßnahmen Privater zum Staat nicht auch außerhalb der Rechtsinstitute des Beliehenen, des Verwaltungshelfers und des Erfüllungsgehilfen mit der Auflage, dass der Private eine öffentliche Aufgabe ausübt beziehungsweise wahrnimmt, möglich wäre.

 

Zudem wurde der Kodex nicht von einzelnen Personen, sondern von einem Gremium erstellt, welches von der Bundesregierung eingesetzt wurde und wie eine staatliche Stelle vor der Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt vom Bundesministerium der Justiz inhaltlich geprüft wird.[68]

 

Eine Ansicht besagt, dass es sich um „good behavior“ in business, das heißt soziale Regeln des guten Anstandes der Unternehmensleitung ohne rechtliche Sanktionen[69]handelt, eine andere hingegen hält den Kodex für ein reines Marketinginstrument[70]. Weiterhin wird erwogen, die Regeln als Fachnorm ohne rechtlichen Charakter[71] zu qualifizieren bzw. sie werden als „soft law“[72] bezeichnet. Eine Ansicht sieht die Regeln als Handelsbrauch.[73]   

 

Überwiegend wird außerdem angenommen, dass der Kodex Konkretisierungen von gesetzlichen Bestimmungen enthält, ein Beispiel wäre der Begriff der Sorgfalt des ordentlichen Geschäftsleiters im Sinne des § 93 AktG.[74]

 

3.1.1.1 Deutung des Kodex als Handelsbrauch

 

Die genannte Einordnung der Empfehlungen als Handelsbrauch wird mit dem Verweis auf die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung legitimiert. Allerdings ist unverständlich, warum gerade eine Orientierung an diesen Grundsätzen erfolgt, da auch Grundsätze ordnungsgemäßer Unternehmensleitung existieren.

 

Traditionell werden diese als Konkretisierung der Pflichten des Vorstandes gemäß §§ 93, 76 AktG genannt. Die Systematisierung und Formulierung erfolgte jedoch nur in geringem Umfang.

 

Für die Qualifizierung der Regelungen des Kodex als Handelsbrauch müssen dessen allgemeine Voraussetzungen erfüllt sein. Nach diesen ist ein Handelsbrauch die verbindliche Regel, die auf einer gleichmäßigen, einheitlichen und freiwilligen Übung der beteiligten...

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