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Der 'deutsche Weg' in der Irak- Krise 2003

Die Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland zwischen Anspruch und Wirklichkeit

AutorKatrin Baldus
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2009
Seitenanzahl152 Seiten
ISBN9783640297870
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis27,99 EUR
Magisterarbeit aus dem Jahr 2007 im Fachbereich Politik - Internationale Politik - Thema: Deutsche Außenpolitik, Note: 1,3 , Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn (Philosophischen Fakultät ), 500 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: I. Einleitung 1.Von der 'gezähmten' zur 'normalen' Nation - Eine Einführung Das Ende des Kalten Krieges stellte die Weichen für eine neue Weltordnung, in der auch das wiedervereinigte Deutschland eine neue Rolle einnehmen sollte. Doch beides konfrontierte die internationale Staatengemeinschaft mit zahlreichen Fragen und Problemen. Nicht nur, dass die Proklamation einer 'neuen Weltordnung' seitens des amerikanischen Präsidenten George H. Bush zunächst nicht mit Inhalt gefüllt werden konnte , auch die deutsche Außenpolitik sah sich der Herausforderung gegenüber, einerseits den Forderungen des In- wie Auslands nach Übernahme größerer internationaler Verantwortung nachkommen zu wollen, und gleichzeitig die Befürchtungen bezüglich einer neuen 'deutschen Gefahr' zerstreuen zu müssen. So mannigfaltig die politikwissenschaftlichen Antworten auf die Frage waren, wie der neuen Welt(un)ordnung zu begegnen sei bzw. in welche Ordnung sie gebracht werden solle , so umfangreich war die Diskussion um die künftige deutsche Außenpolitik . Diese beiden Momente können jedoch nicht getrennt voneinander betrachtet werden. Die Wechselwirkung zwischen den internationalen Gegebenheiten und dem Handlungs- und Gestaltungsspielraum der Bundesrepublik sollte auch in der Ära nach dem Kalten Krieg fortbestehen. Damit einher ging die Frage nach der künftigen Gestaltung der internationalen Beziehungen. Hatte sich die NATO auf Grund ihres eigenen Erfolges überlebt, würden die USA als 'lonely superpower' über den 'unipolaren Moment' wachen und war die transatlantische Partnerschaft tatsächlich nur eine 'Episode des Kalten Krieges' , zusammengehalten durch die Klammer des gemeinsamen Feindes? An dieser Stelle soll nicht der Versuch unternommen werden, einen Überblick über die ordnungs- und sicherheitspolitische Debatte zu Beginn der neunziger Jahre zu leisten. Vielmehr soll eine Sensibilisierung dafür geschaffen werden, vor welchem Hintergrund die Bundesrepublik die Neuausrichtung ihrer Außen- und Sicherheitspolitik bewältigen musste.[...]

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Leseprobe

II. Die Auswirkungen des 11. September 2001 auf die Bundesrepublik Deutschland und die transatlantischen Beziehungen


 

„9/11 was like a flash of lightning on a summer evening, which suddenly illuminates new landscape and then goes dark again and you’ve got to pick your way through it. And that’s where we are now.” (Joseph Nye) [62]

 

Das Aufkommen neuer Sicherheitsprobleme zu Beginn der 90er Jahre, die nicht in die traditionellen Bedrohungskategorien und deren entsprechende Lösungsoptionen passten, in Verbindung mit der neuen Verantwortung, die Deutschland nach der Wiedervereinigung zukam, machte es notwendig, sich von dem Image und der Rolle der internationalen Passivität zu lösen.[63] Ganz nach Friedrich Meinecke, nach dem die Vernunft des Staates darin besteht, sich selbst und seine Umwelt zu erkennen und dementsprechend die Maximen des eigenen Handelns festzulegen, musste die Bundesrepublik in Folge des 11. September die eigene Rolle überdenken und neue außenpolitische Prinzipien festsetzen.[64] Die normativen Orientierungsvorgaben deutscher Außenpolitik gerieten auf Grund der „neuen Unübersichtlichkeit“ (Jürgen Habermas) miteinander in Konflikt und mussten sich folglich einer Überprüfung und Anpassung unterziehen.[65]

 

Dabei darf nicht übersehen werden, dass die von der rot-grünen Bundesregierung vollzogene Enttabuisierung des Militärischen nicht ausschließlich als Krisenreaktion auf das „Pearl Harbour der industriellen Revolution“[66] erfolgte, sondern vielmehr das Ergebnis eines seit der Wiedervereinigung sich langsam aber stetig vollziehenden Wandels deutscher Außen- und Sicherheitspolitik war. Die neuartigen Bedrohungen nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und dem Ende des Kalten Krieges, der auf eine eigene Art für Stabilität gesorgt hatte, hatten es notwendig erscheinen lassen, die traditionellen außenpolitischen Leitlinien von Selbstbeschränkung und Ablehnung militärischer Gewalt an die neuen Gegebenheiten und Notwendigkeiten anzupassen. Folglich war der 11. September nicht der Auslöser für die deutsche Anpassung an realpolitische Erfordernisse, sondern diente lediglich als Katalysator.

 

Die Reaktion der Bundesregierung auf die Anschläge des 11. September war getragen von „uneingeschränkter Solidarität“[67] und der Bereitschaft, dieser auch militärischen Beistand folgen zu lassen. Die umfangreiche Beteiligung am Anti-Terror-Kampf im Rahmen von Enduring Freedom und das Engagement innerhalb der International Security Assistance Force (ISAF) in Afghanistan sollte laut Schröder „[…] Ausdruck unserer Bereitschaft [sein], der gewachsenen Verantwortung Deutschlands in der Welt durch konkretes Handeln Rechnung zu tragen“[68]. In diesem Sinne kann das deutsche Engagement im Rahmen des Kampfes gegen den Terror als Höhepunkt der Normalisierung deutscher Sicherheitspolitik aufgefasst werden.[69] Dementsprechend muss den Anschlägen auf das World Trade Center eine enorme Schubkraft zugeschrieben werden, die auch eine weitreichende Wirkung auf die Bundesrepublik und ihr Selbstverständnis hatte: „Die Bereitschaft, auch militärisch für Sicherheit zu sorgen, ist ein wichtiges Bekenntnis zu Deutschlands Allianzen und Partnerschaften. Aber nicht nur das: Die Bereitschaft, unserer größer gewordenen Verantwortung für die internationale Sicherheit gerecht zu werden, bedeutet auch ein weiter entwickeltes Selbstverständnis deutscher Außenpolitik.“[70] Einher ging damit der Anspruch, an der Bekämpfung des Terrorismus und der Gestaltung der künftigen internationalen Ordnung in prominenter Weise aktiv mitzuwirken.[71] Auch dieser Anspruch muss als Maßstab für die Bewertung der deutschen Irak-Politik herangezogen werden.

 

Doch zeigte sich in der Folge des 11. September auch, dass die Vorbehalte der Regierungsparteien gegenüber dem Einsatz militärischer Gewalt nach wie vor tief verwurzelt waren, so dass die Abstimmung im Bundestag über die Entsendung deutscher Soldaten im Rahmen von Enduring Freedom mit der Vertrauensfrage verknüpft werden musste. Auch deshalb muss das deutsche „Nein“ zu einem Krieg gegen den Irak vor dem Hintergrund des 11. September gesehen werden.

 

Hinsichtlich der eigenen Ansprüche an deutsche Außen- und Sicherheitspolitik kann bezüglich der Beteiligung am Anti-Terror-Kampf eine erfolgreiche Politik festgestellt werden, die die zugesicherte „uneingeschränkte Solidarität“ glaubwürdig, engagiert und multilateral eingebettet umsetzte und durch die Übernahme von internationaler Verantwortung den Einfluss und das Ansehen Deutschlands in der Welt und insbesondere in den USA stärkte und das transatlantische Bündnis festigte.[72] So konnte die Bundesrepublik ihre sicherheitspolitische Rolle, die sich bereits seit dem Kosovo-Krieg langsam aber stetig abzuzeichnen begann, in der „Ära des Danach“[73] erfolgreich festigen. Somit entwickelte sich die Bundesrepublik unter der Regierung Gerhard Schröders zunächst vom Konsumenten zum Produzenten internationaler Sicherheit und streifte ihre Rolle als „sicherheitspolitischer Trittbrettfahrer“[74] erfolgreich ab.

 

Doch nicht nur schien sich im Zuge des Einsatzes von Spezialeinheiten der Bundeswehr am Anti-Terror-Kampf die Enttabuisierung des Militärischen zu einem langfristigen Element deutscher Sicherheitspolitik zu verdichten, vielmehr wurde dies mit einem zivilisatorischen Gestaltungsanspruch verknüpft, der sich in einem aktiven Beitrag zur Gestaltung der afghanischen Nachkriegsordnung, insbesondere im Rahmen der Petersberg-Konferenz, zeigte. Somit konnte sich nach dem 11. September die Auffassung erhärten, dass der Bundesregierung auch künftig die Verbindung der eigenen an den Prämissen einer Zivilmacht orientierten Ansprüche mit der Anpassung an realpolitische Erfordernisse, die einen militärischen Beitrag inkludieren, gelingen würde. Es wurde der Beweis geführt, dass zivilisatorisches Vorbild und Sinn für militärische Sicherheitspolitik sich eben nicht ausschließen, sondern sich gegenseitig bedingen.[75] Diese Erkenntnis, die sich in der gleichzeitigen Betonung der Bundesregierung von prinzipiellem Multilateralismus und der notfalls auch militärischen Verantwortungsübernahme wiederfindet und folglich auch als ein an sich selbst gestellter Anspruch gelten kann, wurde in der Irak-Krise, wie noch zu zeigen sein wird, verdrängt.

 

Dabei darf nicht übersehen werden, dass die notwendigen Kapazitäten bislang nicht an die erweitere Aufgabenstellung angepasst wurden, so dass sich im materiellen Bereich durchaus noch eine Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit auftut[76]. Weiterhin wurde es versäumt, eine durchdachte Strategie zu entwickeln, die als Grundlage einer interessenorientierten und aktiv gestalterischen und nicht nur reagierenden deutschen Sicherheitspolitik dienen könnte.

 

Auf Grund der engen Zusammenarbeit im Anti-Terror-Kampf konnte man so zunächst den Eindruck gewinnen, das „Ende der transatlantischen Epoche“[77] sei doch noch nicht gekommen.[78] Allerdings wurden allmählich zunehmende Divergenzen zwischen den Bündnispartnern augenscheinlich, die durch den 11. September zunächst überdeckt und letztendlich sogar katalysiert wurden. Die zunehmende Krise im transatlantischen Verhältnis kann vorrangig auf strategische Divergenzen zurückgeführt werden, die die Bekämpfung des internationalen Terrorismus und der Proliferation betreffen. Die hauptsächliche Ursache für die sich verstärkenden Schwierigkeiten, gemeinsame Strategien und Vorgehensweisen zu formulieren, ergibt sich aus der Risiko- und Bedrohungsperzeptionsdivergenz und dem daraus resultierenden Ende des Sicherheitskonsenses.[79] Dieses beruhte zum einen auf dem durch die Anschläge auf das World Trade Center beendeten Mythos der Unverwundbarkeit in den USA und dem daraus entstehenden Wandel der Verwundbarkeits- und Bedrohungswahrnehmung und zum anderen auf der auf Grund des Nichterlebens eines vergleichbaren Ereignisses divergenten Risikoanalyse in Deutschland.[80]

 

Ergänzt wird dies durch die in historischen Erfahrungen begründete geringere Bedrohungswahrnehmung in Europa. Die andauernde Bedrohung während des Kalten Krieges sowie die Erfahrungen aus zwei Weltkriegen könnten zu einer Gewöhnung an die eigene Verwundbarkeit geführt haben, so dass eine geringere Verwundbarkeitsempfindlichkeit sowie eine geringere Intensität der wahrgenommenen Proliferationsbedrohung entstanden ist.[81]

 

 Somit wurden Europa und die USA hauptsächlich durch die unterschiedlich eingeschätzte Bedrohungslage entzweit[82]. Insgesamt werden zwar nach wie vor die gleichen Werte und Ziele geteilt und forciert, gleichzeitig jedoch unterschiedliche Mittel zur Bekämpfung der Bedrohungen favorisiert. Hinzu gesellt sich ein zunehmender Weltordnungskonflikt, der die Verrechtlichung der internationalen Politik, das Völkerrecht und die multilaterale Kooperation sowie den Einsatz von Militär als Instrument der Friedens-...

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