Abb.1 veranschaulicht das im Rahmen dieser Arbeit entwickelte theoretische Modell. Im Folgenden wird zunächst der Einfluss der diagnostischen und interaktiven Nutzung des Innovationscontrollings auf den Informationsaustausch in Innovationsprojekten untersucht. Der Literatur folgend ist zu vermuten, dass sich die diagnostische Nutzung negativ, die interaktive Nutzung hingegen positiv auf den Austausch von Informationen auswirken. Anschließend wird der Zusammenhang zwischen dem Austausch und Kombinieren von Ideen und dem Innovationserfolg überprüft. Hierbei ist zu erwarten, dass der Informationsaustausch positiv mit den Erfolgsdeterminanten Technological Innovativeness, Kundennutzen und Innovationsrate korreliert ist.
Abb. 1: Hypothesenmodell
(Quelle: eigene Darstellung)
Ein in der Controlling-Literatur häufig zitierter Steuerungsansatz ist das auf vier Kontrollmechanismen basierende framework von SIMONS. Als erster lever of control ist die diagnostische Nutzung des formalen Innovationscontrollings zu nennen, welche für die Überwachung im Voraus festgelegter Regeln, Pläne und kritischer Kennzahlen verantwortlich ist. Als zweiter Kontrollmechanismus ist die interaktive Nutzung des Innovationscontrollings aufzuführen, wodurch über strategische Unsicherheiten diskutiert und innovationsorientierte Verhaltensmuster sowie unternehmensweite Lerneffekte erzielt werden sollen. Da die anderen beiden Mechanismen, belief systems und boundary systems, im weiteren Verlauf dieser Arbeit keine Beachtung finden, wird auf eine Erklärung an dieser Stelle bewusst verzichtet. Allgemein kann man aber festhalten, dass durch den simultanen Einsatz der vier Kontrollmechanismen das Spannungsfeld zwischen dem kreativen Streben nach Innovationen und der kontinuierlichen Überwachung festgelegter Ziele gezielt entschärft werden soll.[52] Im Folgenden wird der jeweilige Einfluss der beiden zuerst genannten Kontrollmechanismen auf den Informationsaustausch untersucht.
Der Austausch von Informationen innerhalb einer Unternehmung kann auf verschiedene Art und Weise stattfinden. Bis vor einigen Jahren war physikalische Nähe dabei unerlässlich.[53] Diese war nötig, um Diskussionen im Rahmen von persönlichen oder teaminternen Treffen führen zu können.[54] Durch technologische Weiterentwicklungen wie Email, Telefonkonferenzen und elektronische Datenbanken hat sich die Bedeutung physikalischer Nähe für den Informationsaustausch jedoch stark verringert.[55]
Aufgrund seiner mechanischen, repressiven und traditionellen Eigenschaften[56] setzt man die diagnostische Nutzung des Innovationscontrollings insbesondere in Situationen ein, die durch ein hohes Risiko gekennzeichnet sind oder in denen bereits kleine Fehler hohe Kosten verursachen können.[57] Die diagnostische Nutzung repräsentiert dabei zwei wichtige Ausstattungsmerkmale mechanischer Kontrolle. Der erste Aspekt bezieht sich auf die kontinuierliche Kontrolle von operativer Tätigkeit und Strategie durch den Einsatz von komplexen Kontrollsystemen.[58] Als Beispiel hierfür sind typische Feedbacksysteme wie formale Berichte einzelner Personen und Abteilungen sowie der Einsatz von Finanzplanungsinstrumenten aufzuführen.[59] Die zweite Eigenschaft diagnostischer Nutzung wird mit strukturierten Kommunikationskanälen und restriktiven Informationsflüssen assoziiert.[60] Grundsätzlich sind für die funktionsübergreifende Zusammenarbeit von Personen, die insbesondere im Innovationskontext von hoher Bedeutung ist, offene Kommunikationswege und ein ungehinderter Informationsaustausch unerlässlich.[61] Die diagnostische Nutzung unterminiert laut ABERNETHY und BROWNELL jedoch das Streben nach bereichsübergreifender Zusammenarbeit durch das Verfestigen von Verantwortungs- und Zuständigkeitsbereichen.[62]
Darüber hinaus bedingt die diagnostische Nutzung das sogenannte single-loop learning. Dies bedeutet, dass lediglich Abweichungen von erwarteten Ergebnissen betrachtet, die zugrundeliegenden Ziele oder Strategien jedoch nicht hinterfragt werden.[63] VAIVIO vertritt deshalb die Ansicht, dass die diagnostische Nutzung keine interaktiven Prozesse anstößt, wodurch eine gemeinsame Reflexion und das Äußern unterschiedlicher Ansichten in Rahmen von Diskussionen ausbleiben.[64] DENT ist ebenfalls der Meinung, dass diagnostische Kontrollsysteme Dialog und Diskussion nur unzureichend stimulieren.[65] Zusammengefasst führt diese Argumentation zu folgender Hypothese:
H1: Die diagnostische Nutzung des Innovationscontrollings wirkt sich negativ auf den Informationsaustausch in Innovationsprojekten aus.
3.2.1 Interaktive Nutzung und Informationsaustausch
Im Kontext des Spannungsfeldes zwischen kreativer Innovationsprozessgestaltung und Kontrolle vorabfestgelegter Ziele wird die interaktive Nutzung des Innovationscontrollings verwendet, um das Entwickeln neuer Ideen und Strategien durch das Fokussieren auf strategische Unsicherheiten zu stimulieren und Dialog und Lernprozesse in der Unternehmung anzuregen.[66] Grundsätzlich gilt, dass beinahe jedes Kontrollsystem interaktiv genutzt werden kann. Allerdings ist es meist sinnvoll, nur ein System während eines bestimmten Zeitpunktes einzusetzen.[67]
Die interaktive Budgetierung wird bspw. unter anderem dazu verwendet, Gespräche und somit den Austausch von Informationen und Ideen zu fördern.[68] Ein andauernder Dialog zwischen Organisationsteilnehmern findet z. B. bei Auftreten von Budgetabweichungen statt. Des Weiteren fungiert das System als Katalysator für Diskussionen, wenn sich das Unternehmen mit sich verändernden internen oder externen Faktoren auseinandersetzen muss.[69] Der Einsatz einer Balanced Scorecard (BSC) als interaktives Kontrollsystem verfolgt im Innovationskontext das Ziel, die Validität der Annahmen hinter einer bestimmten Innovationsstrategie zu analysieren und hinterfragen.[70] Hierfür werden in der BSC auch nicht-finanzielle Messgrößen berücksichtigt. VAIVIO argumentiert diesbezüglich, dass das Verwenden nicht-finanzieller Indikatoren zu intensiver horizontaler Kommunikation führt.[71] Auch COOPER erklärt, dass die BSC Kommunikation fördert, indem sie Manager dazu veranlasst, sich regelmäßig hinsichtlich des Projektfortschritts auszutauschen.[72]
Interaktive Kontrollsysteme zeichnen sich jedoch nicht nur im Fall der BSC durch eine persönliche und regelmäßige Beteiligung des Topmanagements an der Kontrolle und Steuerung des Innovationsgeschehens aus.[73] Dies bedeutet auf der einen Seite, dass Manager verschiedener Bereiche Informationen untereinander austauschen.[74] Auf der anderen Seite wird aber auch der vertikale Dialog zwischen dem Management und der operativen Ebene gefördert.[75] Im persönlichen Gespräch mit Mitarbeitern versuchen Manager, den funktions- und bereichsübergreifenden Informationsfluss zu erhöhen, um so über strategisch relevante Veränderungen im Laufe des Innovationsprozesses informiert zu werden und, wenn nötig, bei wichtigen Entscheidungen mitwirken zu können.[76] Dieser Prozess, auch als double-loop learning bezeichnet, beruht auf dem kontinuierlichen Hinterfragen und Diskutieren der zugrundeliegenden Daten, Annahmen und Plänen.[77] Umgekehrt bieten die interaktiven Systeme den Managern aber auch ein Forum, um ihre erarbeiteten Strategien sowie mögliche Ziele und Bedrohungen an verschiedene Bereiche und Hierarchieebenen des Unternehmens zu kommunizieren und die Mitarbeiter hinsichtlich der Bedeutung strategischer Unsicherheiten zu sensibilisieren.[78]
Die Zielsetzung des interaktiven Innovationscontrollings beinhaltet außerdem die Kommunikation auf operativer Ebene zu stimulieren. Dies betrifft sowohl den Dialog zwischen den leitenden Personen der operativen Ebene und ihren Mitarbeitern, als auch die Kommunikation auf Teamebene.[79] Hierfür greift die interaktive Nutzung auf zwei organische Kontrollmechanismen zurück. Zum einen findet nur eine geringe und informelle Kontrolle der internen Zusammenarbeit und Kommunikation durch das Fehlen von Normen statt. Zum anderen werden offene Kommunikationskanäle eingerichtet, die den freien Fluss von Informationen im gesamten Unternehmen sicherstellen sollen.[80] BISBE und OTLEY sind der Meinung, dass auf diese Weise nicht nur das Sammeln, sondern vor allem auch der Austausch von Informationen in Form von Dialogen und Diskussionen immer wieder auf der Agenda der Mitarbeiter...