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Der Erste Weltkrieg aus Soldatensicht

Kriegsdarstellungen bei Ernst Jünger, Erich Maria Remarque, Edlef Köppen und Walter Flex

AutorAnonym
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl74 Seiten
ISBN9783668010413
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis29,99 EUR
Masterarbeit aus dem Jahr 2015 im Fachbereich Germanistik - Neuere Deutsche Literatur, Note: 2,0, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Sprache: Deutsch, Abstract: Nicht ohne Grund wird der erste Weltkrieg im englischen und französischen Sprachraum als 'the Great War' oder 'la Grande Guerre' bezeichnet: dieser Krieg von zuvor unbekannten Ausmaßen, der rund 17 Millionen Menschenleben forderte, prägte die Geschichte Europas wie kaum ein anderes Großereignis und wird immer wieder als die Urkatastrophe Europas bezeichnet. Sämtliche Bereiche des modernen Lebens des vergangenen Jahrhunderts wurden auf die eine oder andere Weise durch den Weltkrieg beeinflusst und auch über 100 Jahre nach seinem Beginn und fortschreitender Forschung gehört dieser Krieg noch zu den historischen Ereignissen, denen noch immer ein Rest des Unverständlichen und Unerklärlichen anhaftet. Die Fragen nach der allgemeinen Stimmung im Land, nach der Situation während des Krieges und auch nach der Kriegs-schuld halten bis heute weltweit ungebrochenes Interesse wach. Wenn von einem 'Weltkrieg' gesprochen wird sind in der historischen Forschung zwei Lesarten zu unterscheiden. Einerseits liegt die offensichtliche geographische Ausdehnung auf der Hand; dieser Krieg zwischen anfangs europäischen Mächten wurde als erster wirklich globaler Krieg der Weltgeschichte auch außerhalb Europas und zwischen außereuropäischen Staaten geführt. Daraus ergibt sich die zweite Lesart des Begriffs, nämlich die seiner welthistorischen Bedeutung. Auf sämtlichen Kontinenten waren die Folgen für die Bevölkerung spürbar und reichen teilweise bis in die Gegenwart . Dies betrifft einerseits die direkte militärische Mobilisierung der britischen und französischen Kolonien und der von Russland rekrutierten asiatischen Armeen. Darüber hinaus sind die direkten und indirekten ökonomischen Auswirkungen auf die Finanzsysteme aller Staaten nicht von der Hand zu weisen. Der Erste Weltkrieg hat seine Spuren hinterlassen, die bis heute zu spüren sind - der Historiker G. Kennel bezeichnet den ersten Welt-krieg nicht umsonst mehrfach als 'the great seminal catastrophe of this century' . Diese Einschätzung wird von Wissenschaftlern aller Forschungsrichtungen weitestgehend geteilt und kann im Angesicht des ungeheuren Leids auf beiden Seiten kaum in Frage gestellt werden . Es gilt als gesichert, dass mit der 'Hölle von Verdun' der letzte unumkehrbare Schritt zur Ankunft in der Moderne gemacht wurde , die Entwicklung dahin, die eigentliche 'Geburt der Moderne' wird schon in den letzten Jahren des Wilhelminischen Kaiserreichs angesetzt. [...]

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Leseprobe

1. Einleitung


 

 Nicht ohne Grund wird der erste Weltkrieg im englischen und französischen Sprachraum als „the Great War“ oder „la Grande Guerre“ bezeichnet: dieser Krieg von zuvor unbekannten Ausmaßen, der rund 17 Millionen Menschenleben forderte, prägte die Geschichte Europas wie kaum ein anderes Großereignis und wird immer wieder als die Urkatastrophe Europas bezeichnet. Sämtliche Bereiche des modernen Lebens des vergangenen Jahrhunderts wurden auf die eine oder andere Weise durch den Weltkrieg beeinflusst und auch über 100 Jahre nach seinem Beginn und fortschreitender Forschung gehört dieser Krieg noch zu den historischen Ereignissen, denen noch immer ein Rest des Unverständlichen und Unerklärlichen anhaftet. Die Fragen nach der allgemeinen Stimmung im Land, nach der Situation während des Krieges und auch nach der Kriegsschuld halten bis heute weltweit ungebrochenes Interesse wach.

 

 Wenn von einem „Weltkrieg“ gesprochen wird sind in der historischen Forschung zwei Lesarten zu unterscheiden. Einerseits liegt die offensichtliche geographische Ausdehnung auf der Hand; dieser Krieg zwischen anfangs europäischen Mächten wurde als erster wirklich globaler Krieg der Weltgeschichte auch außerhalb Europas und zwischen außereuropäischen Staaten geführt. Daraus ergibt sich die zweite Lesart des Begriffs, nämlich die seiner welthistorischen Bedeutung. Auf sämtlichen Kontinenten waren die Folgen für die Bevölkerung spürbar und reichen teilweise bis in die Gegenwart[1]. Dies betrifft einerseits die direkte militärische Mobilisierung der britischen und französischen Kolonien und der von Russland rekrutierten asiatischen Armeen. Darüber hinaus sind die direkten und indirekten ökonomischen Auswirkungen auf die Finanzsysteme aller Staaten nicht von der Hand zu weisen. Der Erste Weltkrieg hat seine Spuren hinterlassen, die bis heute zu spüren sind – der Historiker G. Kennel bezeichnet den ersten Weltkrieg nicht umsonst mehrfach als „the great seminal catastrophe of this century“[2]. Diese Einschätzung wird von Wissenschaftlern aller Forschungsrichtungen weitestgehend geteilt und kann im Angesicht des ungeheuren Leids auf beiden Seiten kaum in Frage gestellt werden[3]. Es gilt als gesichert, dass mit der „Hölle von Verdun“ der letzte unumkehrbare Schritt zur Ankunft in der Moderne gemacht wurde[4], die Entwicklung dahin, die eigentliche „Geburt der Moderne“ wird schon in den letzten Jahren des Wilhelminischen Kaiserreichs angesetzt[5].

 

 Bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs war die Vorstellung vom Krieg noch von den alten Idealen geprägt, den Gegner in offenen Feldschlachten mutig zu bekämpfen und heroisch im direkten Zweikampf zu besiegen. Dieses Ideal aus der Antike bewährte sich auch noch bis hin zum Deutsch-Französischen Krieg 1870/71, doch die neue Form der Kriegsführung mit Millionen von Opfern im Graben- und Stellungskrieg erforderte eine Revision dieser alten Werte, da der Soldat sich den neuen technischen Errungenschaften[6] anpassen musste und eine gewisse Emotionslosigkeit und Abhärtung stärker in den Vordergrund rückte.

 

 Ohne weiter auf die historische Interpretation[7], die den Umfang dieser Arbeit sprengen würde, einzugehen, muss man dennoch festhalten, dass ein derartiges Großereignis eine gewisse Einheit innerhalb der literarischen Darstellungen einer kämpfenden Nation erwarten lässt. Selbstverständlich sind besonders von französischer, britischer und russischer Seite stark von den deutschen Darstellungen abweichende Berichte zu erwarten[8], umso mehr erstaunen die Widersprüche und teilweise konträren Bilder innerhalb der unterschiedlichen deutschen Zeugnisse.

 

 Im Verlauf dieser Arbeit werde ich einige der wohl bekanntesten deutschsprachigen Darstellungen des ersten Weltkriegs aus Soldatensicht untersuchen. Hierbei werden vor allem die zum Entstehungszeitpunkt wie auch noch heute populärsten Werke über den ersten Weltkrieg, nämlich Erich Maria Remarques 1928 erschienener Roman Im Westen nichts Neues und Ernst Jüngers Kriegstagebüchern In Stahlgewittern (1920), betrachtet. Darüber hinaus werde ich Parallelen zu Walter Flex‘ 1916 erschienener autobiographischer Novelle Der Wanderer zwischen beiden Welten und Edlef Köppens Roman Heeresbericht von 1930 ziehen und dabei die Unterschiede der Kriegsdarstellung, aber auch die zweifelsohne vorhandenen Gemeinsamkeiten darstellen. Der heutige Leser kann sich nur ein beschränktes Bild davon machen, inwiefern die Kriegserlebnisse den Einzelnen und die Bevölkerung als Ganzes geprägt haben; um sich ein genaueres und zumindest ansatzweise entzerrtes Bild zu machen ist es daher notwendig, sich der Thematik von verschiedenen Seiten und Blickwinkeln zu nähern. Die – mit den genannten Ausnahmen heute fast vergessenen – affirmativen Texte, zu denen neben Flex‘ Wanderer auch beispielsweise Richthofens Der rote Kampfflieger oder Mückes Ayesha gehört, sind zum Entstehungszeitpunkt weit präsenter als die kriegskritischen Texte, die anfangs neben der bellizistischen Literatur weitestgehend untergehen. Die vier untersuchten Werke sollen hier nur exemplarisch für die wahre Flut an literarischen Werken stehen, die bereits in den ersten Kriegsmonaten bis über ein Jahrzehnt nach Kriegsende veröffentlicht wurden.

 

 Einer zeitgenössischen Schätzung zufolge sind in der Bevölkerung „allein im August 1914 anderthalb Millionen Kriegsgedichte entstanden […], also 50.000 im Tagesdurchschnitt“[9], was als deutliches Zeichen für den in der Bevölkerung vorherrschenden, kriegsbejahenden Enthusiasmus in den ersten Kriegswochen- und Monaten gelesen werden kann. Kennzeichnend ist wohl vor allem für die Zeit vor Kriegsbeginn eine öffentliche Erregung bisher unbekannten Ausmaßes und eine Entschlossenheit „zur Verteidigung der Nation auf Tod und Leben“[10]. Es gibt unterschiedliche Erklärungsansätze für diese „patriotische Begeisterung und männlich-jugendliche Abenteuerlust“[11], die sich durch sämtliche Bevölkerungsschichten ziehen, in der historischen Darstellung jedoch möglicherweise auch verzerrt dargestellt werden. Auf diesen Punkt werde ich im Folgenden noch weiter eingehen, ebenso auf die Wiederaufnahme der Thematik im Nationalsozialismus.

 

 Besonders die Erlebnisse der Soldaten an der Westfront sind es, die sich in das kollektive Gedächtnis aller Beteiligten aus Militär und Zivilbevölkerung gleichermaßen eingebrannt haben. Die anfangs euphorische Stimmung sollte sich mit Fortschritt des Kriegs wandeln, in allen beteiligten Gesellschaften musste der Tod von fast zehn Millionen meist junger Männer thematisiert werden. Die beträchtlichen Ressourcen, die von staatlicher Seite zur Aufarbeitung und Ehrung der Gefallenen aufgewendet wurden, dürften den unmittelbar Betroffenen kaum Trost gespendet haben. Die „Heiligkeit der deutschen Sache“[12] alleine reichte bald nicht mehr aus, um einen Sinn im Tod von Millionen zu sehen; andere, private Mittel zum Umgang mit dem Geschehenen mussten gefunden werden. Es verwundert daher nicht, dass ein Ereignis wie der Erste Weltkrieg mit seinen unvorstellbaren Ausmaßen auf Politik und Gesellschaft unterschiedlichste künstlerische Verarbeitungen unmittelbar und auch längerfristig nach sich zog.

 

 Alle Autoren, deren Werke im Rahmen dieser Arbeit untersucht werden, waren Soldaten an der Westfront[13] und haben ihre jeweiligen Erlebnisse literarisch verarbeitet, jedoch dafür verschiedene Formen der Berichterstattung gewählt und aus unterschiedlichen Perspektiven berichtet. Dies war anders auch kaum möglich: der Krieg war allgegenwärtig und unausweichlich; es wurde buchstäblich in alle Himmelsrichtungen gekämpft, selbst unter Wasser und am Himmel herrschte Krieg. Für den einzelnen Teilnehmer an diesen Kriegshandlungen muss es deshalb schlicht unmöglich gewesen sein, die Übersicht zu behalten und mehr als seinen unmittelbaren Erfahrungsbereich zu beschreiben. Daher überwiegen in der zeitgenössischen Prosa auch die Ausdrucksformen, die es gestatten, sich auf eine sehr subjektive Ebene zu beschränken; hierzu zählen vor allem Tagebücher, Reportagen und Korrespondenzen[14]. Auch in den meisten Erzählungen und Romanen aus der Kriegszeit selbst kann eine solche Beschränkung auf den Erfahrungshorizont des Protagonisten beobachtet werden, die erst im Laufe der zwanziger Jahre durch offenere Formen durchbrochen werden soll[15]. Gemeinsam ist den Autoren bzw. ihren Protagonisten eine generelle Tendenz hin zur Suche nach Antworten auf die Fragen, die ihnen und ihren Gefährten vom Krieg gestellt worden waren: so kann beispielsweise Jünger den Verlust des Krieges nicht verstehen und Flex rettet sich notdürftig in romantische Sphären, um Ernst Wurches Tod einen Sinn zu verleihen, der über das ehrenvolle Sterben für das Vaterland hinausreicht. Am anderen Ende des Spektrums findet sich Remarque, der wie auch sein Protagonist Paul Bäumer den Krieg als solchen nicht nachvollziehen kann[16].

 

Entgegengesetzt der Behauptung in seinem Vorwort, wurde Remarques Roman durchaus als Anklage gegen den Krieg im Allgemeinen...

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