Die Gesellschaft kann als System[6] betrachtet werden, in dem Kräfte aufeinander wirken, in dem Informationen ihre Wirkung entfalten.[7] Diese Kräfte entwickeln sich über die Individuen in diesem System, dem Denken, Fühlen und Handeln des Einzelnen. Der Mensch selbst ist ein System, der physiologisch/neurologisch, psychisch und kognitiv mit der ihn umgebenden Umwelt interagiert und dessen körperlichen, geistigen und seelischen Komponenten untereinander in einem spezifischen Verhältnis stehen. Schließlich sind es die endogenen und exogenen Reize, Informationen, die zu humanen Verhaltensäußerungen führen. Die Neurowissenschaft[8] und Philosophie[9] haben in den letzten 10 Jahren Enormes geleistet, und liefern Argumente, dass eine reine Betrachtung der Ergebnisse von Stimuli für menschliches Verhalten, ohne die Betrachtung der inneren Prozesse eines Systems, unzureichend ist.[10] Die S-R-Theorie lässt die Komplexität der Individuen und die Besonderheiten unterschiedlicher gesellschaftlicher Systeme unbeachtet.[11] Dies führt zu falschen Annahmen über Handlungsmotive und die Wirkung von Systemkräften. Informationen sind imstande Emotionen auszulösen, die bei unterschiedlichen Kontexten und Konstitutionen zu divergierenden Effekten führen. Die Wirkung einer Information ist demnach von vornherein nur abzuschätzen und eventuell im Nachgang zu analysieren und zu beurteilen. Demzufolge kann aber mindestens davon ausgegangen werden, dass Informationen nach ihrer Art zu kalkulierbaren Systemänderungen führen, in Abhängigkeit der grundlegenden gesellschaftlichen Konstituenten, der spontanen Meinungen der Menschen, des Rechtssystems und internalisierter Werte.[12]
Abb.2: Systemische Kommunikation
Exkurs
Es darf unbestritten sein, dass es sich bei der Kommunikation im Allgemeinen – und insbesondere bei der zwischenmenschlichen Kommunikation um verbundene, offene Systeme – beziehungsweise interagierende Systeme und Systemelemente handelt, deren Natur komplex ist und die sich selbst organisieren[14]. Der Grundstoff für die Organisation dieser Systeme sind Informationen.Von dem Standpunkt eines Beobachters kann schnell der Eindruck des Chaos entstehen, wenn große, komplexe Systeme betrachtet werden. Darum wird versucht, einzelne Elemente zu isolieren und zu analysieren – um dann wieder Allgemeinschlüsse ziehen zu können. Aber – ist das richtig?
Die Abstrahierende Isolierung ist die Facette, die das Licht der Wahrheit im Dunklen bricht – die Licht schön erscheinen lassen mag, bunt, spektral,– allerdings ist die Konzentration auf eine Wellenlänge – dann eben nur ein Aspekt des Ganzen.
Das „Holistische Prinzip“ wird vernachlässigt – und die Wirklichkeit nicht ganz, nicht im Zusammenhang – manchmal falsch, verstanden – mit fatalen Folgen. Es fehlt an Informationen zum Ganzen – und die Information geht immer weiter verloren – je mehr abstrahierend 'isoliert' wird. Dieser Informationsverlust (Entropie) bildet ein Konglomerat von scheinbar gültigen Gesetzmäßigkeiten – teilweise systematisch – weil sie sich nicht widersprechen – wegen der Logik der Mathematik – oder nicht widersprechen dürfen. Es wird solange probiert, bis es funktioniert, oder es den Anschein der Funktionalität hat – ohne den Zusammenhängen der Wirklichkeit näher zu kommen. Und in der Tat funktionieren abgeschlossene Systeme – wie eine Maschine mit ständiger Energiezufuhr – eine Zeit ganz gut, bis die Energie verbraucht ist, das Material erschlafft, die Maschine kaputt geht – oder die menschliche Intelligenz an ihre Grenzen stößt. Dann muss neu gedacht werden – erst dann?
Grundlage dieses mechanistischen Weltbildes ist die physikalische Weltsicht, spätestens seit Isaak Newton – und mit ihr einher geht die Selbstübersteigerung des Menschen – der Selbsteinschätzung der Fähigkeiten des menschlichen Verstandes und Vermögens. Vielleicht ist es nur diese Art formal-logischen und artifiziellen Denkens – die heutige globale Probleme in Umwelt, Finanzwesen und Gesellschaftssystemen hervorgebracht hat?
Die Linearität der logischen Problemlösungen haben extrem leistungsfähige Computer möglich gemacht, die heute auch in der Lage sind, nichtlineare Gleichungen zu lösen, die einer ganzheitlichen Weltsicht näher sind, wie die Ergebnisse zeigen. Stellt man Lösungen nichtlinearer Gleichung grafisch dar – sieht man Lücken, Schleifen, Rekursionen – dem Auge tritt eine Mischung aus Ordnung und Chaos – oder ein hoch komplexes System gegenüber. In nicht-linearen Gleichungen gibt es Terme, die wiederholt mit sich selbst multipliziert werden – das heißt, dass sie durch die Faktorisierung rückgekoppelt sind - sich auf sich selbst beziehen. Diese Rückkoppelung - oder „Iteration“ - erzeugt Nichtlinearität. Rückkoppelungen können sich aufschaukeln, was an der Unschärfe der Gleichungen – beziehungsweise der Variation – in der Natur, begründet ist. Gleiche Faktorisierungen führen wegen ihrer mathematischen Ungenauigkeit trotzdem zu erheblichen Schwankungsbreiten der Ergebnisse.
Dieselben Rückkoppelungen haben damit nicht dieselben Ergebnisse – und die Ergebnisse können sich mit der Zeit und Häufigkeit der Wiederholung, trotz Selbstbezug, weit voneinander entfernen oder sogar streuen: – ein mathematisches Chaos. Was für Mechanik, Technik und Physik im Allgemeinen Fortschritte ermöglicht, erscheint im Bereich der Geistes- und Sozialwissenschaften nur bedingt zielführend, aber synergetisch in interdisziplinärer Hinsicht. Ist die Gesellschaft ein System, scheinen bestimmte Ereignisse immer wieder aufzutreten, ganz in dem Sinne, das sich Geschichte wiederholt. Menschliches Eingreifen kann da diese Iteration verändern – zum Guten und zum Schlechten. Blutige Revolutionen scheinen human und natürlich vorprogrammiert. Aber der Mensch kann durch Einsicht und Vernunft steuernd verändern und Exzesse verhindern. Ein Mittel dazu ist Kommunikation, genauer. Information.
Abb.3: Kategorien bei Immanuel Kant und Charles S. Peirce;
Die Kategorienlehre bei Peirce[15] beschäftigt sich anders als bei Immanuel Kant nicht mit Erkenntnissen – sondern mit den Erscheinungen des Seins. Demnach können seine Kategorien nicht mit Logik, sondern nur über die Phänomenologie erschlossen werden. Jeder der drei Grundkategorien von Erstheit, Zweitheit und Drittheit sind universal jedem Phänomen eigen.
Erstheit ist das Sein von etwas ohne Bezug auf etwas anderes. Es ist das Sein an sich, das als reine Möglichkeit besteht (z. B. Röte als Möglichkeit); Zweitheit ist die Bestimmung des Hier und Jetzt von etwas Seiendem (der Gegensatz zweier noch unreflektierter Emotionen; Drittheit ist das Prinzip, das hinter den Dingen steht, die mit der Erscheinung verbundene Gesetzmäßigkeit (z.B. dass eine Tür zu öffnen ist, dass ein Tisch eine Ablagefläche hat, der Algorithmus des Computerprogramms). Peirce´s Bewusstseinsvorstellung[16] basiert auf der Kategoriendifferenzierung. Das unreflektierte Bewusstsein ist eine Ansammlung von Repräsentationen – eine Erstheit. Erst die Konfrontation mit dem „Anderen“ lässt eine Dualität entstehen – eine „Altersense“ das ein Bewusstsein des „Hier und Jetzt“ entstehen lässt – als Zweitheit, in welcher der noch unkonkretisierte, nicht objektivierte Wille vorhanden ist. Erst wenn der Gedanken gefasst ist, konstituiert sich eine Drittheit. In dieser „Medisense“ vollzieht sich das Denken – das bei genügend Wiederholungen zu einer Verhaltensgewohnheit werden kann – einer Habituation – oder auf der Ebene der Zweitheit – zu einem Stereotyp. Diese psychologische Struktur des Bewusstseins hat auf der physiologischen Ebene, also im Gehirn und als Nervenbahnen, ihre Entsprechung. Die drei Bewusstseinsarten, des einfachen, dualen und synthetisierten Bewusstseins entsprechen den drei Grundfunktionen des Nervensystems – der Reizbarkeit, der Energieübertragung und der synthetisierten Handhabung von Nerven – als Verhalten oder Gewohnheiten. Das Selbstbewusstsein hat das Selbst zum Gegenstand – es ist eine Wahrnehmung des Selbst auf der Ebene der Zweitheit. Hier fallen das kontrollierte Ego und das affektive Non-Ego auseinander. Die Selbstkontrolle ist die Reflexion des Selbstbewusstseins, durch welche die Gewohnheiten kontrolliert werden können und es zu bewussten Entscheidungen kommt – in der Drittheit. Neben Charles S. Peirce und Ferdinand de Saussure haben sich Charles Morris und Max Bense mit der Zeichentheorie so grundlegend befasst, dass von einer Zeichenwissenschaft die Rede sein kann. Peirce entwickelte die Zeichentheorie auf der Grundlage der Kant´schen Kategorienlehre.[17] Auf der Rezeptionsebene setzt Charles Morris an und verbindet die Theorie mit verhaltenswissenschaftlichen bis behavioristischen Ansätzen. Max Bense schließlich verwendet Semiotik zur Reklameanalyse – wobei in neuere...