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E-Book

In der Fremdenlegion (Autobiografische Erzählung)

AutorErwin Rosen
Verlage-artnow
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl362 Seiten
ISBN9788026809128
FormatePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis1,99 EUR
Dieses eBook: 'In der Fremdenlegion (Autobiografische Erzählung)' ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. Erwin Carlé (Pseudonym Erwin Rosen; 1876-1923) war ein deutscher Schriftsteller und Journalist. Mit 19 wanderte er nach den USA aus. Dort schlug er sich hauptsächlich mit Gelegenheitsarbeiten durch. Er wurde Landarbeiter in Texas, Gehilfe der deutschsprachigen Western Post in St. Louis, Journalist in San Francisco und machte in der US Army beim Kampf um Signal Hill in Kuba seine Reportagen. Diese Erlebnisse wurden in seinem Werk Der deutsche Lausbub in Amerika festgehalten. Im Jahre 1905 trat er der Fremdenlegion bei, konnte aber nach zwei Jahren aus Sidi bel Abbès desertieren. Aus dem Buch: 'Ich hatte alle Brücken hinter mir niedergerissen. Niemand wußte, wo ich war. Für die Menschen, die mich liebten, wollte ich ein Toter sein. Ich vergaß alle Hoffnungen, allen Ehrgeiz, alle Persönlichkeit und lebte das rohe Legionärsleben wie die anderen Legionäre. Arbeitete und marschierte, schlief und aß, tat das, was mir anbefohlen wurde, stöhnte, wenn die Strapazen für meine Kräfte zu viel wurden, schimpfte, wenn man mich schlecht behandelte. Nur in schweren Nächten dachte ich dann und wann an das, was gewesen war.'

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Leseprobe

Nach Afrika!



Bahntransport der Legionsrekruten. – Der kleine Faden am Bein. – Ein Patriotischer Kondukteur. – Marseille. – Die Pforte zu den französischen Kolonien. – Das Truppenhotel. – Von gelben und blauen Farben und der Symbolik des Herrn von Rader. – Die Zähmung des Schiffskochs. – Die Fama vom preußischen Prinzen der Legion. – Oran. – Algerischer Wein. – Wie der Legionär nach Spanien desertierte.


Am nächsten Morgen mußten wir uns im Kasernenhof aufstellen. Ein Sergeant gab jedem von uns ein Silberstück – einen Frank. Das war die Reisezehrung für die lange Fahrt ans Mittelländische Meer. Ein Küchensoldat verteilte Brotlaibe, und dann marschierten wir unter Führung eines Korporals zum Bahnhof. Ich muß sehr komisch ausgesehen haben mit dem Brotlaib unterm Arm – jedenfalls sah ich beharrlich auf den Boden, weil ich mir – es gibt keinen anderen Ausdruck dafür – so »deplaciert« vorkam, daß ich fürchtete, in den Augen Vorübergehender so etwas wie Verwunderung oder gar Mitleid zu lesen.

Wir kamen auf den Bahnhof. Der Korporal brachte uns an den Marseiller Zug, gab uns seinen Segen, drehte sich eine Zigarette und wartete geduldig auf dem Perron, bis der Zug aus dem Bahnhof hinausrumpelte. Jede weitere Aufsicht war unnötig. Das kollektive Militärbillett bezeichnete uns in deutlichen roten Lettern als Legionäre der Fremdenlegion. Und der Kondukteur sah in bravem Patriotismus auf jeder Station, auch auf der kleinsten, getreulich nach, ob die neuen Söhne Frankreichs nicht vielleicht das fluchwürdige Verlangen trügen, irgendwo anders als in Marseille auszusteigen. Es wäre aber nicht gegangen – mit dem Billett wäre man an keiner Perronsperre vorbeigekommen! Es ist eine praktische Einrichtung, dieses Militärbillett. Herr von Rader behauptete, er sei eine kleine Fliege, und das Militärbillett sei der Faden, mit dem man ihn an den Beinchen festgebunden habe.

Als wir in Marseille ankamen und aus dem Zug stiegen, sahen wir, wie unser fürsorglicher Kondukteur die Bahnhofshalle entlangsauste und mit herumfuchtelnden Armen einem Sergeanten an der Perronsperre Semaphorensignale machte.

»Ich Hab' sie, da sind sie!« sollte das vermutlich heißen.

Dieser Kondukteur war ein Steuerzahler und ein Patriot und sorgte dafür, daß Frankreich auch behielt, was Frankreichs war.

Der Sergeant, hinter dem noch ein Korporal auftauchte, nahm uns liebevoll in Empfang. Der Korporal führte uns durch die Stadt, der Herr Sergeant aber schlenderte in gehöriger Entfernung auf dem Trottoir voraus – er wollte zweifellos den Anschein vermeiden, als ob er zu uns gehöre. Man konnte ihm das nicht übelnehmen, denn wir sahen nicht hübsch aus, und die Nachtfahrt hatte uns sicherlich nicht verschönert.

Den langen Hafen entlang marschierten wir, durch eine wimmelnde Menschenmasse, durch ein kosmopolitisches Getriebe, zwischen arabischen Lastträgern, fetten Levantinern und gestikulierenden Südfranzosen. Da lag Schiff an Schiff. Elegante Salondampfer. Eiserne Tramps, denen man die Nöte des Lebens und die zu hohen Kosten des dringend erforderlichen neuen Farbanstrichs ansah; levantinische Barken mit komischen Rundsegeln und einer Besatzung, die für ihre Hemden nur die Wahl zwischen zwei Farben zu haben schien, zwischen schreiendem Rot und gellendem Blau; Segelschiffe in etlichen hundert verschiedenen Konstruktionen, Riesenkräne, eine kolossale Drehbrücke, die von ihrem einzigen Pfeiler aus hoch droben in der Luft herumbaumelte und sämtlichen Gesetzen der Schwerkraft Hohn zu sprechen schien. Fässer, Kisten und Säcke flogen uns an der Nase vorbei, von wuchtigen Fäusten gestoßen, geschoben, geschleudert. Ueber allem Schreien, Gellen und Lärmen.

Wir gelangten an das kleine, uralte Hafenfort, das die Durchgangspforte für alle Kolonialtruppen Frankreichs bildet. Das Fort St. Jean. Ueber eine mittelalterliche Fallbrücke schritten wir. In dem riesigen Eichentor tat sich ein kleines Pförtchen auf. Pfeifen und Johlen schallte uns von innen entgegen. Der Salut für die neuen Legionäre! Auf dem Hofe drängten sich, stoßend und gestikulierend Spahis und Tirailleurs, die hier auf das nächste Truppenschiff warteten. Das Herumstehen mochte ihnen langweilig genug geworden sein. Neugierig umringten sie uns.

» Oh la, la, les bleus pour la légion!« Die Blauen für die Legion. ...

Ein Korporal der Spahis erklärte mir die sonderbare Bezeichnung.

»Was heißt das eigentlich, die Blauen?« fragte ich ihn.

»Blau?« sagte er. »Oh, das sind Rekruten. Offiziell nennt man Rekruten: die jungen Soldaten ( les jeunes soldats). Im Armeejargon sagt man aber: »die Blauen«.«

»Komischer Ausdruck!« meinte ich.

Der Spahikorporal zündete sich eine neue Zigarette an und nickte nachdenklich. »Man weiß auch nicht recht, woher der Name kommt. Mein Kapitän erklärte mir einmal, die Bezeichnung stamme noch aus napoleonischen Zeiten. Damals trugen die französischen Soldaten steife Halsbinden, um den hohen Kragen der Uniform gerade zu halten. Diese Halsbinden sollen etwas Fürchterliches gewesen sein, eine Marter. Sie hielten den Kopf wie in einem Schraubstock, und man brauchte lange Zeit, sich an sie zu gewöhnen. Die Rekruten wurden von dieser famosen Halsbinde während der ersten Zeit ganz blau im Gesicht vor lauter Anstrengung und Gewürgtsein. Und die altgedienten Soldaten riefen ihnen lachend zu: Aha, die Blauen – die Blauen!

Herr von Rader (er lebt in meiner Erinnerung nur als »Herr von Rader«) – Herr von Rader stieß mich an.

»Bruderherz, wat machen die Kerle mit die kolossalen Hosen?«

Die Spahis waren bei der Toilette. Sie zogen ihre Zuavenjäckchen aus und zupften die riesigen roten Pluderhosen zurecht, die in ungeheuren Falten bis zu den Knöcheln herabfielen.

»Junge, Junge, wat for 'ne Verschwendung,« meinte Herr von Rader. »Aus einer solchen Hose mach' ick Hosen for 'ne janze Famillje, und dann bleibt noch 'n Unterrock for die Jroßmutter übrig.«

Dann kam das Anlegen der Schärpen. Je zwei Mann halfen sich gegenseitig. Sie hielten ein etwa fünf Meter langes, einen Viertelmeter breites hellblaues Tuch aus seinem dünnen Stoff straff gespannt. Der eine legte es sich an die Hüften und drehte sich blitzschnell um sich selbst, bis er in die Binde eingerollt war.

Die Spahis legten offenbar großen Wert auf diese Schärpen! Sie schlangen sie kunstvoll, möglichst straff, möglichst glatt und beäugelten sich kokett, ob auch ja die ceintures recht gut säßen. ...

Immer lauter wurde der Lärm auf dem Hof. Von einer Galerie herab schrie ein Unteroffizier Namen aus, und rottenweise stiegen die Soldaten die Treppen empor, um ihre Reiselöhnung in Empfang zu nehmen. Wir Legionsrekruten standen in einem Winkel und wußten nicht recht, was wir anfangen sollten. Schließlich rief uns ein Korporal zu, wir sollten uns zum Teufel scheren. Hier seien wir im Wege. Wir kämen noch lange nicht daran, wir verdammten Blauen! Als er brummend weiterging, trugen Soldaten lange Holzgestelle herbei, mit langen Reihen von Blechnäpfen darauf. Die Spahis und die Zuaven bildeten sofort einen dichten Knäuel um die dampfenden Eßgeschirre, aber Herr von Rader stürzte sich schleunigst dazwischen und eroberte auch richtig Portionen für uns alle. So lernte ich zum eisten Male la gamelle kennen, den ehrwürdigen blechernen Eßtopf des französischen Soldaten, der schon zu Zeiten des ersten Napoleons la gamelle genannt wurde. Die französische Militärsuppe, aus Brot, allen möglichen Gemüsen und einem Stückchen Fleisch, ist ebenso alt und ebenso ehrwürdig in ihrer Zubereitung. Die Musketiere des Sonnenkönigs kochten sich genau die gleiche Suppe und aßen sie aus fast den gleichen Feldgeschirren.

Dann schlenderten wir umher. Lärmender Wortschwall aus einer Ecke des Gebäudes, Weinfässer vor einer Türe, zeigten die Kantine an. Wir gingen hinein. Kaum hatten wir uns an einen Tisch gesetzt, so fielen der Kantinenwirt und seine Leute sofort über uns her. Geschäfte wollten sie mit uns machen. ... Rader verkaufte seine Stiefel für einen halben Frank. Als der Handel anfänglich daran zu scheitern drohte, daß er nicht barfuß laufen wollte, schleppte der Wirt ein Paar zerfetzte alte Zuavenschuhe als Ersatz herbei. Mich plagte er, ihm meinen Mantel zu überlassen. Ja, es sei ein sehr guter Mantel. Ein armer Mann wie er möchte gerne einen solchen Mantel haben. In der Legion müsse ich ihn doch sofort verkaufen, und ich bekäme sicherlich nicht mehr als zwei Franks dafür. Er würde mir vier geben. So viel würde ich nie bekommen in Algerien. Eine halbe Stunde lang redete er auf mich ein. Da der arme Mann aber sehr behäbig aussah, und ein Zuave mir zuflüsterte, das cochon von einem Wirt werde reich durch solche Geschäfte, ging ich auf den »Handel« nicht ein. Nun versuchte er es mit den anderen und erhandelte für Kupferstücke allerlei Sachen, die zwanzigmal soviel wert waren, als er für sie bezahlte. Stiefel, Röcke, Portemonnaies – alles mögliche. Der Schweizer verkaufte sogar seine Hose, von den Beinen weg. Fünf Sous bekam er und eine schmierige Infanteristenhose, weil er doch irgendeine Bekleidung für seinen unteren Menschen haben mußte. ... Des dicken Wirtes Augen funkelten vor Gier. Er kaufte auf, was er nur erhaschen konnte.

Die armen Teufel von Legionsrekruten waren noch ein Objekt für Ausbeutung.

Draußen war's schöner. Ich ging fort, während die anderen über dem schweren Wein lachten und lärmten, und schritt durch das Fort. Droben auf der höchsten Bastion setzte ich mich auf...

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