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Der Geist auf dem Thron

Der Tod Alexanders des Großen und der mörderische Kampf um sein Erbe

AutorJames Romm
VerlagVerlag C.H.Beck
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl351 Seiten
ISBN9783406688041
FormatPDF/ePUB
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis19,99 EUR

Als 323 v.Chr. Alexander der Große völlig überraschend im Alter von kaum 33 Jahren in Babylon stirbt, ist sein ganzes Geschlecht – das makedonische Königshaus der Argeaden - dem Tode geweiht. Was sich in den folgenden 25 Jahren an Intrigen und Gewalt, Mord und Krieg abspielt, kann mit jedem Königsdrama Shakespeares mithalten. James Romm beschreibt meisterhaft die dramatischen Ereignisse im Kampf um das Erbe Alexanders. In einer gespenstischen Sterbeszene nimmt Alexander Abschied von seinen engsten Gefährten, die ihm von Jugend auf vertraut waren und mit ihm buchstäblich die Welt erobert hatten. Die Frage, auf wen sein Reich übergehen solle, soll er mit den Worten beantwortet haben: "Auf den Stärksten". Wer aber der Stärkste ist, muss blutig ausgekämpft werden. Als Resultat dieses Ringens versinkt das riesige Herrschaftsgebilde, das sich über drei Kontinente ausdehnt, in einer nicht enden wollenden Folge von Kriegen. Dabei werden die Familienangehörigen des Toten zu Faustpfändern in den Händen der Diadochen, der ehemaligen Generäle Alexanders, von denen jeder versucht, die gesamte Macht auf sich zu vereinen. In seiner mitreißenden Schilderung der stürmischen Ereignisse und der ebenso leidenschaftlichen wie gewissenlosen Akteure ist dem Autor ein wahres Epos über den Untergang eines Weltreichs gelungen.



<p>James Romm ist vielfach durch seine Arbeiten auf dem Gebiet der griechischen und r&ouml;mischen Altertumskunde ausgewiesen und lehrt als Professor for Classics am Bard College (New York).</p>

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Leseprobe

EINLEITUNG


Die Öffnung der Gräber
Vergina (Nordgriechenland)

1977–1979

«Ruhe jetzt!», mahnte Manolis Andronikos seine Mitarbeiter, während er bedächtig eine ins Dunkel führende Öffnung erweiterte. Es war der 8. November 1977, nachmittags am Rande des Dorfes Vergina im nördlichen Griechenland, und Andronikos stand kurz davor, den großartigsten Fund in der modernen Geschichte der Archäologie im Ägäisraum zu machen.

Seit 25 Jahren leitete er Grabungen am großen Tumulus bei Vergina, einem 13 Meter hohen runden Hügel aus Sand, Erde und Schotter. Er hatte Tausende Tonnen Material bewegt, um herauszufinden, was darunter war. Nach seiner Überzeugung befand er sich dort, wo einst die antike Hauptstadt Makedoniens, Aigai, gelegen hatte – und an der Grabstätte von Makedoniens Königen. Er hatte auch diese Grabungssaison beinahe schon als ergebnislos abhaken wollen, als er unter einem noch unerkundeten Teil des Hügels auf die Mauern zweier Bauwerke stieß. Das eine hatte sich als bereits geplünderte Grabkammer mit prachtvollen Wandmalereien erwiesen; der Boden war übersät mit jenen menschlichen Überresten, welche die antiken Grabräuber zurückgelassen hatten. Doch neben dieser Grabkammer, unter einer sieben Meter dicken Erdschicht, war Andronikos auf die Decke eines zweiten Bauwerks gestoßen und nun im Begriff, über eine Leiter in diese Kammer hinabzusteigen.

Als er durch die Deckenöffnung verschwand, rief er seinen Assistenten einen außergewöhnlichen Befund hinauf: «Alles intakt!» Das Licht seiner Taschenlampe fiel auf glänzendes Silber und strich über das matte Grün oxydierter Bronze. Dutzende kostbarer Objekte, deren jedes ein Jahr Grabungsarbeit gerechtfertigt hätte, blitzten im Licht auf: Rüstungen und Waffen, die unverzichtbaren Utensilien eines jeden makedonischen Kriegers, lehnten an den Wänden und in den Ecken; am Boden lagen aufgehäuft fein ziselierte Trinkgefäße, und in der Mitte des Raumes fand Andronikos eine Marmorkammer, die mit einem Deckel verschlossen war. Als man sie später öffnete, sollten die Ausgräber darin zu ihrem Erstaunen eine exquisite Larnax, eine kleine Truhe aus Gold entdecken, welche die Knochen eines erwachsenen Mannes enthielt, den man seinerzeit eingeäschert hatte. Eine ähnliche goldene Schatulle, in der sich die Überreste einer Frau im Alter von 20 bis 30 Jahren fanden, wurde in einer kleinen Nebenkammer entdeckt.

Am Boden der Grabkammer sah Andronikos zwischen den zerfallenen Resten der antiken hölzernen Liege, die sie einst geschmückt hatten, fünf aus Elfenbein geschnitzte Köpfe – am Ende sollte man noch neun weitere bergen. Diese meisterhaft ausgeführten Miniaturskulpturen bildeten eine Galerie männlicher Heroen, darunter zwei mit Bart und von ernster Ausstrahlung, während die anderen glattrasiert waren und zart und jugendlich wirkten (bei einigen nimmt man an, dass es sich um Frauen handeln könnte). Es ist frappierend, wie stark die Skulpturen das Wesen der Porträtierten zum Ausdruck bringen.

Auf der Grundlage der Keramikdatierung ließ sich die Entstehungszeit der Grabkammer auf den Zeitraum zwischen 350 und 315 v. Chr. eingrenzen, und so zögerte Andronikos nicht, einen der bärtigen Porträtierten als Philipp II., den Vater Alexanders des Großen, zu identifizieren, der 336 v. Chr. ermordet worden ist. Bei einem anderen Kopf, der einen schlanken, bartlosen Jüngling mit eigenartig abgewinkeltem Nacken zeigt, lag die Vermutung nahe, darin ein Abbild des großen Alexander selbst zu sehen. Andronikos nahm die Skulpturen mit in seine Unterkunft; in fiebriger Erregung verbrachte er eine schlaflose Nacht damit, in diesen Gesichtern zu lesen, die vielleicht die Abbilder der beiden bedeutendsten makedonischen Könige und ihrer Gefährten waren.

Gefährten Alexanders

Elfenbeinköpfe, von Manolis Andronikos in Grab Zwei gefunden

An der Fassade der Grabkammer (die man heute Grab Zwei nennt) fand das Andronikos-Team einen bemerkenswerten bemalten Fries. Nachdem er gereinigt und stabilisiert worden war, kam eine Jagdszene zum Vorschein, in der zehn kräftige Gestalten mit Dolchen und Speeren mehrere Arten von Wildtieren erlegen. Auch die Gesichter auf diesem Fries wirkten ausdrucksstark und lebensecht – wie individuelle Porträts. Und auch hier glaubte Andronikos, Philipp und Alexander zu erkennen, und zwar in Gestalt eines etwa 40-jährigen Mannes und eines Knaben von zwölf oder 13 Jahren. Die übrigen Jäger, bartlose Jünglinge, die etwas älter waren als «Alexander», identifizierte er als königliche Pagen, Söhne von Adligen, die, wie wir wissen, an Philipps Hof aufwuchsen und später Alexanders Busenfreunde wurden.

Fassade von Grab Zwei mit Fries, der königliche Jagdszenen zeigt

Die Funde von 1977 gaben genug Rätsel für ein ganzes Forscherleben auf, einschließlich der auch nach mehr als 30 Jahren noch nicht abschließend beantworteten Frage nach der Identität derer, die in dem Grab bestattet worden waren. Aber Andronikos war mit der Erkundung des großen Tumulus noch nicht fertig. 18 Monate später grub er an einer anderen Stelle des Hügels noch ein drittes Bauwerk aus, Grab Drei, das er später das Fürstengrab nannte. Auch dieses war im Inneren unversehrt, geschützt durch die Mächtigkeit der darüber aufgehäuften Erdschicht. Die Artefakte, die sich in diesem Grab fanden, waren zwar nicht so prunkvoll wie die aus Grab Zwei, aber gleichwohl nach allen archäologischen Maßstäben sensationell. Es barg die Überreste eines einzelnen Menschen, die allerdings nicht in einer goldenen Truhe, sondern in einem großen silbernen Gefäß, einer Hydria, aufbewahrt wurden. Eine Analyse ergab, dass sie wohl von einem höchstens 15 Jahre alten Jugendlichen stammen. Da sich dieses Grab auf das späte 4. Jahrhundert v. Chr. datieren ließ, konnte es sich nur um den Sohn und Nachfolger Alexanders des Großen handeln, der 309 oder 308 v. Chr. von seinen politischen Gegnern getötet worden war.

Nach diesen Funden bestand kein Zweifel mehr, dass der große Tumulus über zwei Jahrtausende hinweg gleichsam eine Momentaufnahme aus der stürmisch bewegten Zeit nach dem Tod Alexanders konserviert hatte: Da war ein Thronfolger im Kindesalter, dessen Bestimmung es gewesen war, die Nachfolge des fähigsten Eroberers anzutreten, den die Welt je gesehen hatte, der aber aufgrund seiner Abstammung in einen Mahlstrom dynastischer Machtkämpfe und Umwälzungen geriet. Und da waren die Porträts der Gefährten Alexanders – gemalt sowie als Elfenbeinschnitzerei –, seiner Freunde und Vertrauten, die mit ihm aufgewachsen waren und unter seinem Befehl gekämpft hatten, die ihn dann überlebten und zu seinen nur allzu gelehrigen Schülern wurden und die – in dem Bemühen, es unter ihrer Kontrolle zu halten – das Reich ein um das andere Mal mit Blut tränkten. Wenn wir einer der maßgeblichen Theorien über die in Grab Zwei Bestatteten folgen, so birgt es zudem die sterblichen Überreste von Alexanders Halbbruder und seiner Nichte, zweier Mitgliedern der königlichen Familie, die den Versuch, sich als die einzig rechtmäßigen Erben von Alexanders Thron zu gerieren, mit dem Leben bezahlten. Es scheint, als könnten die Knochen dieses Paares Zeugnis ablegen von dem stürmischen Charakter der Epoche, in der sie lebten, denn ein Experte kam zu dem Schluss, beide seien «trocken» eingeäschert worden, das heißt, nachdem die fleischlichen Bestandteile ihrer Körper bereits verwest waren. Waren sie also dort, in diesem prachtvollen Grab, erst beigesetzt worden, nachdem man sie zuvor anderswo hatte verwesen lassen?

In jedem Fall waren jene, deren Knochen und Porträts der große Tumulus preisgab, Zeitgenossen Alexanders des Großen, und ihr Ruhm ist von dem seinen bei weitem überstrahlt worden. Und doch gehören ihre Geschichten zu den stürmischsten und tragischsten, die je eine historische Grabstätte zu erzählen hatte. Sie waren die Protagonisten in einem gigantischen Drama des Niedergangs – sie erlebten die Aufspaltung eines Reiches, den Zusammenbruch einer politischen Ordnung und das Erlöschen einer Dynastie, die bis zu diesem Zeitpunkt fast vier Jahrhunderte überdauert hatte. Wir können ihre Gesichter heute in Vergina, dem einstigen Aigai, bestaunen, in dem Museum, das die Funde von Manolis Andronikos ...

Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
Cover1
Titel3
Impressum4
Widmung5
Motto7
Inhalt9
Danksagung11
Vorwort13
Einleitung: Die Öffnung der Gräber18
1. Leibwächter und Gefährten23
2. Die Prüfung des Perdikkas49
3. Das letzte Aufbäumen der Athener (I)73
4. Widerstand, Aufstand, Rückeroberung103
5. Das letzte Aufbäumen der Athener (II)128
6. Tod auf dem Nil156
7. Schicksalswege des Eumenes188
8. Der Krieg kommt nach Hause219
9. Duelle auf Leben und Tod252
10. Das Schließen der Gräber284
Epilog306
Anmerkungen310
Bibliographie336
Bildnachweis345
Register346
Zum Buch351
Über den Autor351

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