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Der Glaube in den Schriften der Äbtissin Caritas Pirckheimer

Vena vivida - Lebendige Quelle. Texte zu Klara von Assisi und ihrer Bewegung, IV

AutorMichael Kleinhans
VerlagBooks on Demand
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl208 Seiten
ISBN9783739259741
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis5,99 EUR
Caritas Pirkheimer zählt zu den bedeutendsten Frauengestalten des 16. Jahrhunderts. Aus einer der angesehensten Patrizierfamilien Nürnbergs stammend, stand sie nicht nur Zeit ihres Lebens in regem Gedankenaustausch mit zahlreichen Humanisten, Dichtern und Gelehrten, sondern galt auch als eine der bekanntesten Verfechterinnen des 'alten' Glaubens. Die Auseinandersetzung der seit 1503 im Nürnberger Klarissenkloster amtierenden Äbtissin mit dem frühen Protestantismus fanden in den von Frumentius Renner 1982 herausgegebenen 'Denkwürdigkeiten der Äbtissin Caritas Pirckheimer' ihren Niederschlag. Michael Kleinhans unternimmt in seiner an der Päpstlichen Universität Antonianum in Rom vorgelegten Dissertation den Versuch, durch eine genaue Sprachanalyse dieses Quellenkorpus den spirituellen Aspekt im Glaubenskonzept der Äbtissin herauszuarbeiten. Damit leistet der Autor einen wertvollen Beitrag zur Theologie des Glaubens.

Jahrgang 1958, ist seit 1977 Franziskaner und seit 1986 Missionar in Brasilien. Dort arbeitete er von 1989 bis 2009 in der Priesterausbildung und den Basisgemeinden. An der päpstlichen Universität der Franziskaner in Rom erwarb er im Juni 2011 die Lehrerlaubnis für Universitäten. Mit der vorliegenden Doktorarbeit über den Glauben der Äbtissin Caritas Pirckheimer wurde er 2014 zum Doktor in Theologie promoviert.

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Leseprobe

Kapitel II: Die hermeneutische Analyse des Glaubenskonzeptes


1. Vorkommen und Anwendung des Glaubensbegriffes


Nachdem die historische und quellenschriftliche Grundlage des Themas geklärt ist, kann nun der eigentliche Glaubensbegriff in den Schriften von Schwester Caritas erläutert werden. Die sprachliche Analyse des Glaubenskonzeptes geht nun von der lexikographischen Untersuchung des Wortes „glauben“ und seinem Substantiv „Glaube“ aus. Jeder Autor kodifiziert nämlich seine Gedanken in den semantischen Zeichen und der syntaktischen Struktur der Sprache. Unter dieser Voraussetzung ist ein theologisches oder spirituelles Projekt auch immer ein philologisches. So wie der Autor vom Gedanken zum geschriebenen Wort gelangt, kann auch der Leser unter genauer Beachtung der grammatikalischen Struktur eines Textes vom geschriebenen Wort zum Gedanken des Autors gelangen. Diese Art von Kommunikation ist jedoch nie ganz vollständig, denn für den Autor ist es schwierig, seine Gedanken exakt in sprachlichen Zeichen auszudrücken, und der Leser interpretiert die sprachlichen Zeichen leicht aus seinem persönlichen und kulturellen Vorverständnis des Themas. Es besteht jedoch kein Zweifel, dass die grammatikalische Struktur eines Textes zum Träger einer Bedeutung wird1 und somit auch eine ontologische Funktion hat. Untersucht man den Wortstamm, die Etymologie, die Semantik, die Syntaktik und den Wortgebrauch, so begibt man sich auf das Gebiet der Sprachphilosophie. Auf diese Weise versteht man den christlichen Wortschatz, ausgehend von den Grundbausteinen der Sprache, in seinem ursprünglichen Sinn. Die philosophische Suche nach dem Ursprungssinn fällt in der Theologie jedoch zusammen mit dem gezeugten, ungeschaffenen und menschgewordenen Sinn Gottes in Jesus Christus.2

Wendet man diese Erkenntnisse auf den Glaubensbegriff in den Schriften von Schwester Caritas an, so steht das Schlüsselwort „glauben“ bzw. „Glaube“ mit seinem Wortstamm, seiner Morphologie und seiner etymologischen Bedeutung am Anfang der lexikographischen Untersuchung. So gelangt man zur ursprünglichen Bedeutung des Schlüsselwortes in den Schriften von Schwester Caritas.

Untersucht man weiter die Adjektive, die sie dem Schlüsselwort hinzufügt, so erweitert und präzisiert sich ihre Grundidee von „Glaube“ immer mehr. Unter semantischen Aspekten betrachtet, geht es darum, bedeutungsgleiche oder gegensätzliche Adjektive zu benennen, die dem Schlüsselwort eine genauere Bedeutung im Kontext verleihen. Ebenso können thematisch übergeordnete oder untergeordnete Begriffe im Text eine semantische Struktur bilden, die die Bedeutung von „Glaube“ bzw. „glauben“ im Zusammenwirken mit synonymen, antonymen und hyperonymen Begriffen näher abklären.3

Untersucht man weiterhin die Deklinationen des Substantives „Glaube“ und die Konjugationen des Verbes „glauben“ im Textzusammenhang, so gelangt man zur syntaktischen Struktur und zur Sinngebung, die vom Schlüsselwort ausgeht. Seine Deklinierung bzw. Konjugierung integriert das Schlüsselwort in die Aussageabsicht der Autorin. Sowohl die semantische wie auch die syntaktische Untersuchung führen schließlich zum Konzept des Glaubens, das Schwester Caritas in ihren Schriften zum Ausdruck bringen wollte.4

In einem letzten Schritt soll dieser abgeklärte Glaubensbegriff in Verbindung mit anderen wichtigen Hauptwörtern des Textes gesetzt werden. Stellt man nämlich das Glaubenskonzept anderen Grundbegriffen des Textes gegenüber, so präzisiert sich die Bedeutung von „Glaube“ noch zusätzlich. Man erkennt, wie das Glaubenskonzept innerhalb des Textes mit anderen Begriffen kommuniziert, und erhält so Hinweise auf eine mögliche Lehrmeinung, an der sich das Glaubenskonzept orientiert. Der persönliche Glaube bindet sich an diese Lehrmeinung und verwendet häufig ihre Ausdrücke. Im sprachlichen Kontext findet man dann biblische, patristische, scholastische oder andere theologische Formulierungen, die aus bekannten lehrmäßigen Abhandlungen entnommen sind.

In den Schriften von Schwester Caritas geht die gesamte morphologische, semantische, syntaktische und doktrinäre Anordnung ihres Glaubenskonzeptes jedoch letztlich aus ihrem Geist hervor. Gesteht man nun der spekulativen Lexikographie ihre ontologische Funktion zu und glaubt zudem, dass menschliche Worte zum Wort Gottes in Jesus Christus führen, so gelangt man auf diesem Weg zur spirituellen Theologie. Das geistige Vermögen von Schwester Caritas, ihre Gedanken in sprachlichen Zeichen anzuordnen, verweist auch auf den Geist Gottes, der im Bewusstsein des Menschen handelt. So wirkt Gottes Geist im menschlichen Geist und das Wort Gottes wird im menschlichen Wort ausgedrückt und aktualisiert.

1.1. Schlüsselworte und deren Wortstamm


1.1.1. Deutscher Wortstamm

Das Verb „glauben“ und das Substantiv „Glaube“ lassen sich unter morphologischen Aspekten auf den Wortstamm „glaub-“ zurückführen. Dieses ursprüngliche Lexem liegt der weiteren hermeneutischen Analyse des Glaubenskonzeptes zugrunde. Es ist sozusagen das lexikalische Atom, auf dem sich das Verständnis von „Glaube“ in den Schriften von Schwester Caritas aufbaut. Dabei verweist das semantische Zeichen „glaub-“ auf ein mentales und religiöses Begriffsystem und trägt eine Bedeutung in den Text hinein, die mit der Wahrheit im kognitiven Wissen konform gehen muss.5

Bei der weiteren morphologischen Untersuchung des Schlüsselwortes findet man das Verb „glauben“ oftmals in der Schreibweise „gelauben“. Die sprachgeschichtliche Entwicklung von der althochdeutschen zur mittelhochdeutschen Sprache kennt zunächst die Vorsilben „ga-“, „ge-“ oder „gi-“, die vor den eigentlichen Wortstamm gesetzt wurden. Bis zur Hälfte des 16. Jahrhunderts wurde bisweilen noch die Vorsilbe „ge-“ gebraucht, so dass man in den Schriften von Schwester Caritas auch die Schreibweise „gelauben“ findet. In der allgemeinen Sprachentwicklung änderte sich jedoch der eigentliche Wortstamm von „glauben“ kaum. Nur vereinzelt treten kleine Modifikationen auf, die in der Orthographie sichtbar werden und oft im volkstümlichen Dialekt ihren Ursprung haben.6

Die etymologischen Wurzeln des Wortes reichen bis in den gotischen Sprachgebrauch zurück. Hier findet man das Wort „galaubjan“. Einige Sprachforscher behaupten, dass schon im vorchristlichen Germanien der Wortstamm „glaub-“ für das freundschaftliche Vertrauen eines Menschen zu einem Gott gebraucht wurde. Im germanischen Sprachgebrauch drückt sich nämlich der Glaube an Gott sehr persönlich aus, und zwar durch die Verwendung des Dativobjekts ohne eine vorgeschaltete Präposition. Bedingt durch diesen sehr persönlichen Ausdruck von Vertrauen, ist es gut denkbar, dass der Wortstamm „glaub-“ in der deutschen Sprache zum Bedeutungsträger des lateinischen Wortes „credere“ wurde.7

Über das Gottvertrauen hinaus thematisierte der Wortstamm „glaub-“ auch noch das Vertrauen in einen Sachverhalt oder eine Person, die man für wahrhaftig hielt. Dabei entspringt diese Art des Glaubens dem subjektiven menschlichen Urteil, ohne auf Beweise oder das Urteil anderer Personen gestützt zu sein. Es entsteht aber dennoch eine feste Überzeugung, dass der erwähnte Sachverhalt tatsächlich existiert, ohne der eigenen Erfahrung zugänglich zu sein.8

In der anthropologischen Diskussion thematisiert der Glaube eine prägende Grundoption des Menschen im Sinne einer Selbstverfügung und Hingabe. Der Glaube verbindet sich hier mit einem Grundvertrauen und einer tiefen existentiellen Gewissheit, die nicht immer rational begründbar ist. Aufgrund dieser mangelnden Fundierung spricht die Forschung in diesem Zusammenhang oft von einer „Glaubensstille“.9 Sowohl die religiöse als auch die allgemeine Bedeutung des Wortes „glauben“ findet man in den Schriften von Schwester Caritas.10

1.1.2. Lateinischer Wortstamm

Weiterhin schreibt sie einen Teil ihrer Briefe auch in lateinischer Sprache, so dass man neben den deutschen auch lateinische Worte findet, die ihren Glauben ausdrücken. Für die religiöse Bedeutung von Glaube ist allerdings nur das Wort „fides“ wichtig.11 Dieses Wort wird in der lateinischen Sprache dann benutzt, wenn man eine feste Meinung oder Überzeugung definieren will, die man von einer anderen Person oder einem Sachverhalt besitzt.12 Dabei ist es etymologisch interessant, dass das Substantiv „fides“ und das Verb „fidere“ im Wortstamm an rationale Elemente gebunden sind.13 Gebraucht man also in der lateinischen Sprache diese Worte, so soll damit niemals ein blinder Glaube ausgedrückt werden, der die abwägende Vernunft als Erkenntnishilfe ausschließt. In der deutschen Sprache wird die Bedeutung von „fides“ mit den Worten „Glaube“ und...

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