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E-Book

Der Gotteswahn

AutorRichard Dawkins
VerlagUllstein
Erscheinungsjahr2011
Seitenanzahl592 Seiten
ISBN9783843701747
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis10,99 EUR
»Religion ist irrational, fortschrittsfeindlich und zerstörerisch.« Richard Dawkins, einer der einflussreichsten Intellektuellen der Gegenwart, zeigt, warum der Glaube an Gott einer vernünftigen Betrachtung nicht standhalten kann. Ein wichtiges Buch, das zu einem brennend aktuellen Thema eindeutig und überzeugend Position bezieht - brillant und bei aller Schärfe humorvoll. Entdecken Sie auch das Hörbuch zu diesem Titel!

Richard Dawkins, 1941 geboren, ist Evolutionsbiologe. Von 1995 bis 2008 hatte er den Lehrstuhl für Public Understanding of Science an der Universität Oxford inne. Sein Buch Das egoistische Gen gilt als zentrales Werk der Evolutionsbiologie. Seine Streitschrift Der Gotteswahn ist ein Bestseller.

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Leseprobe

VORWORT


Meine Frau ging als Kind nie gern zur Schule, und sie wäre am liebsten ganz ausgestiegen. Erst viele Jahre später, als sie schon über zwanzig war, ließ sie ihre Eltern wissen, wie unglücklich sie damals gewesen war. Ihre Mutter war entsetzt: »Aber Liebling, warum bist du denn nicht gekommen und hast es uns gesagt?« Lallas Antwort ist mein Motto des Tages: »Ich wusste nicht, dass ich das gedurft hätte.«

Ich wusste nicht, dass ich das gedurft hätte.

Ich vermute – nein, eigentlich bin ich mir sicher –, dass es auf der ganzen Welt viele Menschen gibt, die mit dieser oder jener Religion groß geworden sind, sich damit aber nicht wohlfühlen oder darüber beunruhigt sind, dass im Namen ihrer Religion so viel Böses getan wird; Menschen, die den unbestimmten Wunsch verspüren, die Religion ihrer Eltern hinter sich zu lassen, und denen einfach nicht klar ist, dass dieses Hintersichlassen durchaus möglich ist. Sollten Sie zu diesen Menschen gehören, dann haben Sie das richtige Buch vor sich. Es will bewusstseinsbildend wirken – unser Bewusstsein schärfen, dass Atheist zu sein ein realistisches Ziel ist, noch dazu ein tapferes, großartiges Ziel. Man kann als Atheist glücklich, ausgeglichen, moralisch und geistig ausgefüllt sein. Das ist die erste Botschaft, mit der ich das Bewusstsein schärfen will. Außerdem möchte ich es noch in drei anderen Punkten erweitern, auf die ich gleich zu sprechen komme.

Im Januar 2006 moderierte ich im britischen Fernsehen (Channel Four) eine zweiteilige Dokumentation mit dem Titel The Root of All Evil? (»Die Wurzel alles Bösen?«). Dieser Titel gefiel mir von Anfang an nicht. Religion ist nicht die Wurzel alles Bösen, denn nichts ist die Wurzel von allem, ganz gleich was es ist. Begeistert war ich dagegen von der Werbeanzeige, die Channel Four in den überregionalen Zeitungen schaltete. Es war ein Bild der Skyline von Manhattan mit der Unterschrift »Stellen Sie sich eine Welt ohne Religion vor.« Der Zusammenhang? Die Zwillingstürme des World Trade Center waren deutlich zu erkennen.

Stellen wir uns doch mit John Lennon mal eine Welt vor, in der es keine Religion gibt – keine Selbstmordattentäter, keinen 11. September, keine Anschläge auf die Londoner U-Bahn, keine Kreuzzüge, keine Hexenverfolgung, keinen Gunpowder Plot, keine Aufteilung Indiens, keinen Krieg zwischen Israelis und Palästinensern, kein Blutbad unter Serben/Kroaten/Muslimen, keine Verfolgung von Juden als »Christusmörder«, keine »Probleme« in Nordirland, keine »Ehrenmorde«, keine pomadigen Fernsehevangelisten im Glitzeranzug, die leichtgläubigen Menschen das Geld aus der Tasche ziehen (»Gott will, dass ihr gebt, bis es wehtut«). Stellen wir uns vor: keine Zerstörung antiker Statuen durch die Taliban, keine öffentlichen Enthauptungen von Ketzern, keine Prügel auf weibliche Haut für das Verbrechen, zwei Zentimeter nackte Haut zu zeigen. Übrigens berichtete mir mein Kollege Desmond Morris, dass John Lennons großartiger Song in den Vereinigten Staaten manchmal ohne die Zeile »and no religion too« gespielt wird. In einer besonders dreisten Version wurde sie sogar zu »and one religion too« abgeändert.

Vielleicht glauben Sie, der Agnostizismus sei eine plausible Haltung, aber Atheismus sei genauso dogmatisch wie religiöser Glaube? Dann hoffe ich, dass das zweite Kapitel Sie zum Umdenken bewegt und Sie überzeugt, dass die »Gotteshypothese« eine wissenschaftliche Hypothese über das Universum ist, die man genauso skeptisch analysieren sollte wie jede andere auch. Vielleicht hat man Ihnen beigebracht, Philosophen und Theologen hätten stichhaltige Gründe genannt, warum man an Gott glauben sollte. Wenn Sie das glauben, werden Sie sich vielleicht über das dritte Kapitel mit der Überschrift »Argumente für die Existenz Gottes« freuen – doch sind diese Argumente, wie sich zeigen wird, auffallend schwach.

Vielleicht halten Sie es für offensichtlich, dass es Gott geben muss, denn wie sonst könnte die Welt ins Dasein getreten sein? Wie sonst könnte es das Leben mit seiner reichen Vielfalt geben – mit biologischen Arten, die ganz und gar so aussehen, als wären sie gezielt so gestaltet? Wenn Ihre Gedanken in solchen Bahnen verlaufen, werden Sie hoffentlich aus dem vierten Kapitel neue Aufschlüsse beziehen; dort geht es um die Frage, »Warum es mit ziemlicher Sicherheit keinen Gott gibt«. Die Illusion, das Lebendige sei gezielt gestaltet, weist keineswegs auf einen Gestalter hin, sondern sie lässt sich viel prägnanter und ungeheuer elegant mit der darwinistischen natürlichen Selektion erklären. Selbst wenn die natürliche Selektion nur die Welt des Lebendigen erklärt, so schärft sie doch unser Bewusstsein dafür, dass vergleichbare Erklärungsansätze uns auch zu einem besseren Verständnis für den gesamten Kosmos verhelfen können. Die Erkenntnis der Leistungsfähigkeit von »Kransystemen« wie der natürlichen Selektion ist der zweite meiner vier Punkte zur Bewusstseinserweiterung.

Vielleicht glauben Sie, es müsse einen Gott oder auch Götter geben, weil Anthropologen und Historiker berichten, dass Gläubige in allen Kulturkreisen eine beherrschende Stellung einnehmen. Wenn Sie dieses Argument überzeugend finden, lesen Sie bitte das fünfte Kapitel über »Die Wurzeln der Religion«; es erklärt, warum Religionen so allgegenwärtig sind. Oder glauben Sie, Religion sei notwendig, damit wir unsere moralischen Grundsätze rechtfertigen können? Brauchen wir denn nicht einen Gott, um gute Menschen zu sein? In den Kapiteln 6 und 7 erfahren Sie, warum das nicht der Fall ist. Haben Sie immer noch eine Schwäche für die Religion und halten sie für etwas Gutes, obwohl Sie selbst den Glauben verloren haben? Dann lädt Sie das achte Kapitel ein, darüber nachzudenken, in welcher Beziehung Religion für die Welt alles andere als gut ist.

Sollten Sie sich in der Religion gefangen fühlen, mit der Sie groß geworden sind, dann lohnt es sich vielleicht zu fragen, wie es dazu kam. Die Antwort ist meist eine Form kindlicher Indoktrination. Wenn Sie religiös sind, besteht eine überwältigend große Wahrscheinlichkeit, dass es sich um die Religion Ihrer Eltern handelt. Wenn Sie in Arkansas geboren wurden und das Christentum für richtig, den Islam aber für falsch halten, während Sie gleichzeitig ganz genau wissen, dass ein gebürtiger Afghane genau umgekehrt denken würde, sind Sie das Opfer der Indoktrination im Kindesalter. Gleiches gilt natürlich auch, wenn Sie in Afghanistan geboren wurden.

Mit dem Thema »Religion und Kindheit« beschäftigt sich mein neuntes Kapitel, das auch den dritten Punkt zur Bewusstseinserweiterung enthält. Genau wie Feministinnen aufheulen, wenn sie »er« statt »er oder sie« und »Wähler« statt »Wähler und Wählerinnen« hören, so sollte eigentlich auch jeder zusammenzucken, wenn von einem »katholischen Kind« oder einem »muslimischen Kind« die Rede ist. Meinetwegen können Sie von einem »Kind katholischer Eltern« sprechen; aber wenn Sie hören, dass jemand »ein katholisches Kind« sagt, sollten Sie widersprechen und höflich darauf hinweisen, dass ein Kind zu jung ist, um zu wissen, wo es in solchen Fragen steht, genau wie es zu Wirtschaft und Politik noch keine festen Standpunkte haben kann. Gerade weil es mein Ziel ist, das Bewusstsein zu schärfen, entschuldige ich mich nicht dafür, dass ich dieses Thema hier im Vorwort und dann noch einmal im neunten Kapitel anspreche. Man kann es nicht oft genug sagen, und ich sage es immer wieder: Das ist kein muslimisches Kind, sondern das Kind muslimischer Eltern. Dieses Kind ist zu jung, um selbst zu wissen, ob es Muslim ist oder nicht. So etwas wie ein muslimisches Kind gibt es nicht. Und so etwas wie ein christliches Kind auch nicht.

In den Kapiteln 1 und 10, am Anfang und Ende meines Buches, erkläre ich auf unterschiedliche Weise, wie ein richtiges Verständnis für die großartige reale Welt, das aber nie zu einer Religion werden wird, für unsere Inspiration die Rolle spielen kann, die historisch – und völlig unzureichend – von der Religion mit Beschlag belegt wurde.

Mein vierter Punkt für die Bewusstseinserweiterung ist der atheistische Stolz. Atheist zu sein ist nichts, wofür man sich entschuldigen müsste. Im Gegenteil: Man kann stolz darauf sein und hocherhobenen Hauptes bis zum Horizont blicken, denn Atheismus ist fast immer ein Zeichen für eine gesunde geistige Unabhängigkeit und sogar für einen gesunden Geist. Viele Menschen wissen in ihrem tiefsten Inneren, dass sie Atheisten sind, aber sie wagen nicht, es ihren Angehörigen oder in manchen Fällen sogar sich selbst einzugestehen. Teilweise liegt das daran, dass das Wort »Atheist« auf heimtückische Weise zu einem entsetzlichen, beängstigenden Etikett aufgebaut wurde. In Kapitel 9 zitiere ich die Komikerin Julia Sweeney mit ihrer tragikomischen Geschichte, in der ihre Eltern aus der Zeitung erfahren, dass die Tochter zur Atheistin geworden ist. Dass sie nicht an Gott glaubt, das können sie gerade noch ertragen, aber eine Atheistin? Eine ATHEISTIN? (Die Stimme der Mutter steigert sich zum Kreischen.)

An dieser Stelle muss ich vor allem den amerikanischen Lesern etwas sagen, denn die heutige Religiosität in den Vereinigten Staaten ist wirklich bemerkenswert. Die Anwältin Wendy Kaminer übertrieb nur geringfügig, als sie bemerkte, sich über Religion lustig zu machen sei ebenso gefährlich wie das Verbrennen einer Fahne in der American Legion Hall.1 Atheisten nehmen heute in Amerika die gleiche Stellung ein wie vor fünfzig Jahren die Homosexuellen. Heute, nach der Schwulenbewegung , ist es für einen Homosexuellen zwar immer noch nicht einfach, aber...

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