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Der Handlanger der Macht

Enthüllungen eines KGB-Generals

AutorPawel A. Sudoplatow
VerlagEdition Berolina
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl560 Seiten
ISBN9783958415324
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis12,99 EUR
»Mein Name ist Pawel Anatoljewitsch Sudoplatow, aber ich erwarte nicht, dass Sie diesen Namen kennen, denn er gehörte 58 Jahre lang zu den bestgehüteten Geheimnissen der Sowjetunion ... Ich war verantwortlich für die Ermordung Trotzkijs, und während des Zweiten Weltkrieges leitete ich die Partisanen-Kriegführung sowie die Aktionen zur Täuschung und Desinformation des Gegners in Deutschland und den von der deutschen Wehrmacht besetzten Gebieten. Nach dem Krieg führte ich weiter verdeckte Agentennetze im Ausland mit dem Ziel, Einrichtungen der Amerikaner und der NATO zu sabotieren, falls Kriegshandlungen ausbrechen sollten. Ebenfalls leitete ich die sowjetische Atomspionage, um hinter die Geheimnisse der amerikanischen und britischen Atomlabors zu kommen. Ich baute ein Netz von Agenten um Robert Oppenheimer, Enrico Fermi, Leo Szilard, Bruno Pontecorvo, Alan Nunn May, Klaus Fuchs und andere Wissenschaftler auf, die die einzelnen Wissenschaftler dazu bewegten, uns atomare Geheimnisse mitzuteilen. Es ist befremdend, fünfzig Jahre zurückzublicken und sich an die Mentalität zu erinnern, die uns kaltblütige, selbstherrliche Rache an unseren Feinden nehmen ließ ...« Der Handlanger der Macht stellt ein herausragendes historisches Dokument dar.

Pawel A. Sudoplatow (1907-1996) stieg bis zum Generalleutnant im sowjetischen Geheimdienst auf: 1939 bis 1942 Stellvertretender Direktor der Auslandsaufklärung; ab Juli 1941 Direktor der Abteilung für Besondere Aufgaben; 1944 bis 1946 Kopf des geheimen Spezialkomitees für Atomspionage. Schließlich war er ein unerwünschter Insider, der zu viel wusste. Nach Berijas Tod 1953 festgenommen, saß er bis 1968 in Haft. 1992 wurde er entlastet und rehabilitiert.

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Leseprobe

Vorwort

Beim vorliegenden Werk handelt es sich um die sensationellste, erschütterndste und in vielerlei Hinsicht informativste Autobiographie, die je aus dem stalinistischen Milieu hervorgekommen ist – unseres Wissens womöglich der wichtigste Einzelbeitrag seit Chruschtschows Geheimrede.

Daß der Name Pawel Sudoplatow eher unbekannt ge­wesen sei, entspricht nicht ganz den Tatsachen; zumindest unter Historikern ist er ein Begriff. Sudoplatows Rolle als Organisator der Ermordung Trotzkijs* steht seit einigen Jahren unbestritten fest. Doch selbst über diese Operation fehlten umfassende Informationen; und der Rest seiner facettenreichen Karriere lag lange Zeit im dunkeln. Vor etlichen Jahren hat die Moskauer Presse einige seiner Briefe aus dem Gefängnis veröffentlicht, in denen er die Begleitumstände der vergleichsweise geringfügigen Straftaten schildert, für die er unter Stalins Nachfolgern verurteilt worden war und um Begnadigung nachsuchte. Später wurden mehrere Versuche unternommen, ihn für ein Interview zu gewinnen, doch er lehnte derlei Ansinnen stets ab.

Einer derjenigen, die Sudoplatow interviewen wollten, war General Dmitrij Wolkogonow. Über seine Bemühungen veröffentlichte er einen Bericht in der Moskauer Presse, wobei er jedoch statt Sudoplatows Namen lediglich die Initiale »S« angab (darauf wurde seitens einer italienischen Zeitung ein weniger zaghafter, doch ebenfalls erfolgloser Versuch unternommen).

* Abweichend von der sonst hier geübten Regel wird die weitgehend übliche Schreibweise, Sluzkij, Trotzkij, Balizkij u. a., für diese Namen beibehalten. Wir folgen in diesen Fällen der besseren Lesbarkeit, nicht der wissenschaftlich exakteren Schreibweise, Sluckij, Trockij, Balickij u. a. m. (Anm. d. Red.)

Auch wenn kein Interview zustande kam, so hatte Wolkogonow Sudoplatow doch den – zunächst abgelehnten – Vorschlag gemacht, er solle seine Memoiren schreiben: eine Anregung, die nun unerwartet Früchte getragen hat.

Sudoplatow handelte selbstverständlich zumeist als ver­-brech­erischer Handlanger eines verbrecherischen Regimes. Seine ursprüngliche Rechtfertigung basierte auf der kommunistischen Lehre – auf Lenins Thesen, daß »unsere Moral sich vollständig den Interessen des proletarischen Klassenkampfes unterordnet« und daß »alles, was der proletarischen Sache dient, ehrenhaft« sei. Dies wurde natürlich von Anfang an so gedeutet, daß »alles«, was den Interessen der Kommunistischen Partei diente, gerechtfertigt war.

Zwar ist Sudoplatow zu der Einsicht gelangt, daß sich alles – insbesondere der Grundsatz, alle Nichtkommunisten seien als Feinde zu betrachten, die ihr Recht auf Leben verwirkt hatten – als falsch und zerstörerisch erwiesen hat. Doch auch nach seiner Haftentlassung hat er gezögert, es seinen früheren Terrorkameraden wie dem bemerkenswerten »Leonid« Eitingon gleichzutun und das System als Ganzes zu verurteilen.

Es dürfte kaum nötig sein, in diesem Vorwort generell über die von Sudoplatow beschriebenen Aktivitäten den Stab zu brechen. Sie sprechen für sich. Heutzutage finden sich nur wenige, die nicht begriffen hätten, daß solche Taten und das stalinistische System, in dem sie entstanden, insgesamt verurteilenswert sind. In diesem Zusammenhang ist es entscheidend, die historische Lehre daraus zu ziehen und möglichst viel über die Begleitumstände in Erfahrung zu bringen. Sudoplatow hat seine Schilderung weder durch Ausflüchte noch durch Äußerungen der Reue verwässert. Vielleicht kann es nur einem solchen Naturell gelingen, uns einen derart unterkühlten Bericht über die entsetzlichen, verbrecherischen, oftmals auch schändlichen und absurden Taten des Regimes zu geben, dem er diente.

Das Spektrum von Sudoplatows Aktivitäten ist, bei aller Vereinbarkeit mit seiner ab 1938 erreichten Position als verantwortlichem NKWD- beziehungsweise später MGB-Offizier für Sonderaufgaben und Spionage, beachtlich. Die Organisation des Mordes an Trotzkij und die Leitung der Atomspionageringe in Amerika machen nur einen Bruchteil seiner Aufgaben aus. Aus seiner knapp zwanzig Jahre währenden Laufbahn auf diesem Posten, die mit seiner Inhaftierung im Alter von Mitte Vierzig endete, gibt er uns auch Aufschluß über die Operationen hinter der deutschen Front während des Krieges, über die Aktionen gegen die nationalistischen ukrainischen Partisanen, die sowohl gegen die Nazis als auch (bis 1950) gegen die Kommunisten kämpften, über den Spionagering »Rote Kapelle« in Berlin, über eine Reihe von Morden an Einzelpersonen in der UdSSR, über die Judenverfolgung innerhalb der Geheimpolizei, über Berijas Sturz und Prozeß und noch vieles andere mehr. Aus eigener Erfahrung oder aus berufener Quelle liefert er darüber hinaus bisher unbekannte Informationen zu den sonstigen wichtigen Operationen jener Zeit: der Leningrader Affäre, dem Sturz Abakumows, antisemitischen Aktionen im allgemeinen – nicht nur der sogenannten Ärzteverschwörung, sondern beispielsweise auch dem Mord an dem großen jiddischen Schauspieler und Regisseur Michoels (erstmals wird hierüber ausführlich berichtet).

Sudoplatow stand zudem in direktem Kontakt mit den meisten führenden Personen des Stalin-Regimes. Mit Jeshow traf er noch kurz vor dessen Sturz zusammen, mit Berija pflegte er regen Umgang. Stalin selbst begegnete er mehrmals und erhielt von ihm die Befehle zur Ermordung von Konowalec und Trotzkij sowie später einen Plan zur Liquidierung Titos. Viele hochgestellte Persönlichkeiten lernte er persönlich kennen, darunter Chruschtschow und Molotow.

Seine Ausführungen über die Ermordung Trotzkijs stellen bei weitem den vollständigsten Bericht dar, der je zu diesem Thema veröffentlicht wurde, nennt er doch beispielsweise die Gründe für das Scheitern des ersten Anschlags und auch für die Ermordung von Trotzkijs amerikanischem Leibwächter Harte.

Viele Leser werden das Kapitel über Atomspionage als das eindrucksvollste und aufschlußreichste empfinden. Der ursprünglich zur Unterstützung der Operation Trotzkij aufgebaute Agentenring unterwanderte das Labor in Berkeley und später – noch entscheidender – sogar Los Alamos. Im Detail beschrieben werden die Aktivitäten der Physiker, die ihre Geheimnisse, wissentlich oder unwissentlich, Stalin zugänglich machten: mancher Leser dürfte peinlich berührt oder zumindest erstaunt sein (fast die einzige rühmliche Ausnahme stellt hier der häufig geschmähte Edward Teller dar).

Sudoplatow besaß keinerlei Verbindung zu den Operationen des GRU (des militärischen Geheimdienstes). Doch berichtet er in diesem Zusammenhang über ein Gespräch mit einem älteren Kollegen aus dieser Organisation, dessen Auskünfte hochinteressant sind. Sein Bericht über die eigene Verhaftung, die Verhöre und die Haftzeit, natürlich aus seiner persönlichen Sicht geschildert, gibt bemerkenswertes Zeugnis über die fortdauernden kleinlichen Paragraphenreitereien und politischen Verzerrungen, welche die ersten Versuche der Entstalinisierung begleiteten. Wenn auch die Verhältnisse naturgemäß nicht mehr ganz so erschreckend waren wie in der Stalin-Ära selbst, so ist es doch sehr aufschlußreich zu lesen, wie Sudoplatow mundtot gemacht wurde, als er die Beteiligung führender Persönlichkeiten der Zeit nach Stalin (und nach Berija) – insbesondere der Chruschtschows – an den ihm zur Last gelegten Verbrechen ansprach; und wie die Vernehmungsbeamten, die zuvor jede Erwähnung von Molotow und Malenkow verhindert hatten, die beiden nach ihrer Entmachtung plötzlich mit dem Fall in Verbindung brachten.

Außerdem vermittelt uns Sudoplatow fast beiläufig einen erhellenden Einblick in das Wesen der sowjetischen Gesellschaft. So berichtet er, als sei es das Natürlichste der Welt, Geheimdienstler seien für gute Leistungen unter anderem damit ausgezeichnet worden, daß ihre Kinder ohne die erforderlichen Aufnahmeprüfungen höhere Schulen besuchen durften. Dies war keine Frage von Beziehungen oder Bestechung, wie man es in anderen Gesellschaftssystemen – und auf niedrigerer Ebene übrigens auch in der Sowjetgesellschaft – antrifft. Nein, hier haben wir es mit einer offiziellen (wenn auch nicht öffentlich propagierten) Auszeichnung durch die Regierung zu tun. Solche Verfahren untermauern zur Genüge die Auffassung des französischen Geisteswissenschaftlers Emmanuel Todd, die Sowjetunion sei als Feudalgesellschaft einzuschätzen, in der es anstelle einer Neuen Klasse eine Neue Kaste gab: eine Priviligenzija, die – fragwürdigerweise sogar erbliche – Vergünstigungen erhielt, und zwar nicht aufgrund ihres wirtschaftlichen, sondern aufgrund ihres hierarchischen Status. Wie der Schriftsteller Konstantin Leontjew es Rußland vor über hundert Jahren prophezeit hat, ist in der Tat der »Sozialismus der Feudalismus der Zukunft«.

Seit einigen Jahren herrscht in bestimmten, schematischeren akademischen Kreisen die Tendenz, persönliche Erinnerungen wie die hier vorliegenden schon quasi per Definition als minderwertig gegenüber sogenannten »Dokumenten« abzuqualifizieren. Als diese Theorie erstmals in den dreißiger Jahren und später wieder Mitte der achtziger Jahre aufgestellt wurde, waren jedoch offizielle sowjetische Dokumente in der Regel höchst unzuverlässig, während zumindest manche der Autobiographien wahrhaft waren oder glaubwürdige Elemente enthielten. Die westliche Geschichtsforschung über die UdSSR – sofern sie überhaupt von Bedeutung war – basierte weitgehend auf persönlichen Memoiren von Überläufern und anderen, deren Wahrheitsgehalt sich zum Großteil...

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