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E-Book

Der Historiker Peter Rassow bis 1945

AutorPeter Lindhorst
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2011
Seitenanzahl72 Seiten
ISBN9783656092414
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis14,99 EUR
Examensarbeit aus dem Jahr 2005 im Fachbereich Geschichte Europa - and. Länder - Neueste Geschichte, Europäische Einigung, Universität zu Köln (Historisches Institut), Sprache: Deutsch, Abstract: Die vorliegende Examensarbeit stellt einen Beitrag zum Verhalten der Historikerschaft während der NS-Zeit dar. Beispielhaft wird die Tätigkeit, private und öffentliche Äußerungen des Historikers Peter Rassows, der vor allem in Köln als Professor wirkte, während und nach der NS-Zeit näher betrachtet. Dabei wird untersucht, ob man ihn als Mitläufer bezeichnen könnte oder ob es oppositionelle Tendenzen bei ihm zu beobachten waren.

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Leseprobe

5  Schwierigkeiten in Rassows akademischer Laufbahn in der NS Zeit


 


5.1  Rassows Ernennung zum außerordentlichen Professor in Breslau


 


Nach seiner Habilitation 1927 kam Rassow als Privatdozent an die Universität nach Breslau. 1936 sollte er schließlich zum außerordentlichen Professor ernannt werden, was aber Schwierigkeiten nach sich zog. Denn damals gab es Stimmen, die sich gegen eine Ernennung Rassows wandten.

 

     Bereits 1933 wurde davon berichtet, dass Breslauer Studenten sein Kolloquium über den Friedensvertrag von Versailles „auf Grund seiner Vergangenheit“ blockiert hätten.[31] Nach Angaben Erdmanns hing diese Blockade seiner Lehrveranstaltung zudem mit einem Zeitungsartikel zusammen, den Rassow geschrieben habe, in dem er im sich Mai 1933 gegen die Vereinnahmung des Begriffes „national“ durch eine Partei, nämlich der NSDAP, gewandt hätte und auch Hitler persönlich kritisiert hätte.[32] Außerdem hatte sich Rassow 1932 an einem Wahlaufruf von Historikern beteiligt, welche die Wiederwahl Hindenburgs zum Reichspräsidenten unterstützen sollte und sich somit gegen eine Wahl Hitlers zum Reichspräsidenten gestellt hatte.[33]

 

     Aber ähnlich wie später bei seiner Kölner Berufung konnten diese Einwände gegen ihn, die politischer Natur waren, schließlich beiseite geschoben werden. Letztlich ging es darum, ob die politische Einstellung Rassows nicht konträr zum Nationalsozialismus war. Der folgende Schriftverkehr entkräftete die Vorwürfe gegen Rassow. So kam z.B. der Dozentenschaftsleiter der Universität Breslau Rode 1936 zu folgendem Ergebnis über Rassow:

 

„Als im vorigen Jahr dieser Antrag zur Erörterung [zur Ernennung Rassows zum außerordentlichen Professor] stand, vermochte ich ihm nicht zuzustimmen, da es mir wie einigen anderen politisch wachsamen Mitgliedern der Dozentenschaft fraglich schien, ob man R. als politisch zuverlässig empfehlen konnte. Bis zum Jahr 1933 war R. unzweifelhaft ein Gegner des Nationalsozialismus, wobei gewiss persönliche Bindungen an Kreise eine Rolle spielten, die endgültig ausgeschaltet werden mussten, vor allem aber seine kritische Grundhaltung gegenüber allen – nicht nur den politischen Erscheinungen maßgebend war; denn man konnte ihm auch damals durchaus nicht als positiven Marxisten und noch viel weniger irgendwie als Reaktionär bezeichnen. Als ein Mann von Charakter ließ er die allgemeine Gleichschaltung der Gesinnung an sich vorübergehen und machte aus seiner zunächst abwartenden und besorgten Haltung auch keinen Hehl. Dann aber begann er sich mit den Grundsätzen und Anschauungen des Nationalsozialismus ernsthaft auseinander zu setzen. Dies führte ihn schrittweise zur Erkennung und Anerkennung der geschichtlichen Notwendigkeit nationalsozialistischer Politik nach innen und außen. [...] Ich bin der festen Überzeugung, dass er nunmehr für unsere Sache innerlich gewonnen worden ist [...].“[34]

 

     In eine ähnliche Richtung ging der Rektor der Universität Breslau mit seinen Bemerkungen über Rassow dem Reichs  und Preußischen Minister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung gegenüber. In einem Schreiben bezeichnete er Rassow als „ausgesprochen intellektuell veranlagte[n] zur Kritik neigende[n] Kopf“. Rassow habe aber „von seinem Intellekt aus den Zugang zum Nationalsozialismus gefunden“. Allerdings habe zunächst seine kritische Haltung zum Nationalsozialismus auch nach der Machtergreifung angehalten. In positiver Erinnerung ist dem Rektor Rassows Charakter geblieben: „Rassow hat niemals auch nur den geringsten Versuch der Anbiederung gemacht, er hat mit einer Offenheit und Ehrlichkeit die Unsicherheit seiner inneren Haltung zum Ausdruck gebracht, ohne dabei die Grenzen des Taktes jemals zu verlieren.“[35]

 

     Es bestand also die Meinung, Rassow habe sich von einem bekennenden Nicht Nationalsozialisten zu einem zumindest teilweise bekehrten Nationalsozialisten gewandelt. Allerdings wurde diese angebliche Einstellungsänderung nur als gegeben geschildert, ohne konkrete Beweise dafür vorzulegen.

 

     Vielmehr gibt es durch Äußerungen Rassows nach dem Krieg Hinweise darauf, dass er nie die Handlungen der Nationalsozialisten billigte oder akzeptierte. So schrieb Rassow in einem beiliegenden Brief zum Fragebogen der Militärregierung, dass er sich dem politischen System nie angepasst habe. Als Belege gibt er u.a. seinen Austritt aus dem Breslauer Rotary Club an, nachdem dort die jüdischen Mitglieder ausgewiesen wurden. Außerdem verweist er auf seine politischen Freunde, wie Ulrich von Hassell[36] oder Klaus Bonhoeffer, die im Zusammenhang mit den Ereignissen um den 20. Juli 1944 hingerichtet wurden.[37] Ein weiteres Indiz für seine Kontakte ist folgendes: Sein Historikerkollege Gerhard Ritter lud ihn 1942 zu einem Treffen „christlich gesinnter Professoren“ ein. Diese Einladung sollte von Rassow streng diskret behandelt werden[38], was anzeigt, dass die hier besprochenen Themen nicht unbedingt an die Ohren der Nationalsozialisten dringen sollten.

 

     So liegt die Vermutung nahe, dass Rassows wissenschaftlichen Fähigkeiten doch noch ein gewisses Gewicht gegenüber politischen Entscheidungen besaß. Zumindest lassen sich ansonsten keine Gründe feststellen, warum Rassow diese Anstellung angeboten wurde.

 

5.2  Berufung Rassows an die Universität Köln und seine Tätigkeit dort bis 1945


 


1941 wurde Rassow an die Kölner Universität berufen. Er sollte dort die Nachfolge des emeritierten Professors Martin Spahn übernehmen. Spahn hatte ein sehr schwieriges Verhältnis zur Kölner Universität, auch schon in Weimarer Zeiten. Es kam immer wieder zu Auseinandersetzungen mit anderen Professoren, unter anderem deshalb, weil er nach der Einschätzung einiger seiner Kollegen seinen Lehrstuhl vernachlässigt hätte und seine Zeit mehr in Berlin als in Köln verbracht hätte. Spahn hatte das Institut für Raumpolitik gegründet, welches dann nach seiner Emeritierung an eine andere Fakultät übergeben wurde. Spahn wollte über den Zeitpunkt seiner Emeritierung hinaus an der Universität bleiben, aber sein Antrag wurde abgelehnt. Dies ist insofern interessant, als dass Spahn dem Nationalsozialismus nahe stand und diese Nähe ihm offenbar nichts nutzte.[39]

 

     Vom Profil her wurde ein Nachfolger für Spahn gesucht, der auch Qualitäten mitbringen sollte, die für die spezielle Lage der Universität als Grenzuniversität geeignet waren.[40] Zudem sollte auch Gewicht auf die Kriegswissenschaften gelegt werden. Denn die Kriegsgeschichte stellte in den Augen der Nationalsozialisten einen wichtigen Teilbereich der Geschichtswissenschaft dar, „weil in ihrem Rahmen optimal zu erfassen sei, was ´Führertum in der Geschichte´ und Gefolgschaft bedeute“[41].

 

     Die Berufung Rassows war, wie auch schon in Breslau, keine selbstverständliche Angelegenheit und schließlich auch relativ überraschend und spontan. Zwar hatte sich die Philosophische Fakultät der Universität Köln schon 1939 nach Rassow als Nachfolger für Spahn erkundigt, aber auf der Vorschlagsliste der Universität für das Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung erschien sein Name zunächst nicht mehr, bis im August 1940 seine Berufung doch plötzlich bestätigt wurde. Nachfolgend sollen die Ereignisse um Rassows Berufung näher durchleuchtet werden.

 

5.2.1  Erste Erkundigungen über Rassow seitens des Dekanats


 


Bereits am 30. März 1939 holte sich der Kölner Dekan der Philosophischen Fakultät Kauffmann, Professor für Kunstgeschichte, Erkundigungen bei Professor Frey in Breslau über Rassow ein. In seinem Antwortschreiben vom 3. April bescheinigte Frey Rassow eine „klare[] selbständige[] Urteilsfähigkeit“[42]. Knapp zwei Monate später, am 23. Mai, wandte sich auch der Rektor der Breslauer Universität Staemmler an den Kölner Rektor Kuhn, der nach eigener Auskunft gar nichts von dem Vorhaben wusste, Rassow einzustellen[43], und empfahl Rassow mit folgender Begründung: „Ich tue das deshalb, weil möglicherweise die Auskunft, die von seiten des Dozentenbundes gegeben wird und gegeben werden muss, nicht ganz so eindeutig positiv ausfällt, wie es wünschenswert wäre.“[44] Diese nicht wünschenswerte Auskunft bezog sich auf die politische Haltung Rassows, über die der Breslauer Rektor folgendes sagt:

 

„Nach 1933 ist niemals davon etwas bekannt geworden, dass er [Rassow] die Gedanken und Ziele der neuen Regierung sich nicht voll zu eigen gemacht hätte; aber es haftet ihm aus jener Zeit doch noch ein...

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