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Der Insolvenzplan für die Unternehmenssanierung

Kritische Analyse und praktische Bedeutung

AutorDavid Noak
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2008
Seitenanzahl85 Seiten
ISBN9783640150236
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis24,99 EUR
Diplomarbeit aus dem Jahr 2008 im Fachbereich BWL - Investition und Finanzierung, Note: 1,1, FOM Essen, Hochschule für Oekonomie & Management gemeinnützige GmbH, Hochschulleitung Essen früher Fachhochschule, 95 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: Das Leitmotiv der Insolvenzordnung hat sich nach der Insolvenzrechtsreform im Jahre 1999 grundlegend geändert. Die Sanierung krisenbehafteter Unternehmen stand im Fokus der Reform und sollte die in der Vergangenheit häufig praktizierte Liquidation als Verfahrensziel ablösen. Hintergrund war unter anderem die steigende Anzahl von Unternehmensinsolvenzen in der Vergangenheit. Sie zerstörten zahlreiche Arbeitsplätze und verursachten erhebliche volkswirtschaftliche Schäden. In Anlehnung an das amerikanische Recht wurde zu diesem Zweck das sogenannte Insolvenzplanverfahren eingeführt. Das Insolvenzplanverfahren bildet das Kernstück der Insolvenzrechtsreform und stellt primär ein Instrument zur Unternehmenssanierung dar. So ist es seit der Reform beispielsweise möglich, den Zeitpunkt der Insolvenzantragstellung mit Einführung des Tatbestands der drohenden Zahlungsunfähigkeit innerhalb eines Jahres vor Eintritt der Zahlungsunfähigkeit frei zu wählen. Des Weiteren wird der Insolvenzschuldner bei Antragstellung vor dem Zugriff der Gläubiger geschützt. Ferner besteht die Möglichkeit, geschlossene Verträge, sofern sie betriebswirtschaftlich nicht sinnvoll sind, einseitig zu beenden. Trotz dieser tiefgreifenden Reformen sind die Sanierungsmöglichkeiten, die mithilfe des Insolvenzplanverfahrens möglich sind, bisher in der Öffentlichkeit relativ unbekannt geblieben. Häufig finden Diskussionsforen über das Insolvenzplanverfahren in Fachgremien statt, die größtenteils aus Insolvenzspezialisten bestehen. Den von der Insolvenz direkt betroffenen Gruppen, wie zum Beispiel Unternehmen, Gläubigern oder Investoren bleiben Informationen über die Sanierungschancen des Insolvenzplanverfahrens größtenteils verwehrt. Dabei sollten gerade diese Gruppen von den Sanierungschancen Kenntnis erlangen, um die bestehenden Möglichkeiten zu ihrem Vorteil nutzen zu können. Aktuelle Zahlen belegen die unbedeutende Rolle des Insolvenzplanverfahrens in der Praxis. Nach Erhebungen des Instituts für Mittelstandsforschung (IfM) Bonn wurden in den Jahren 1999 bis 2005 ca. 240.000 Insolvenzanträge gestellt. Die Anzahl eingereichter Insolvenzpläne betrug im gleichen Zeitraum gerade einmal 965. Somit ist die Nutzung des Insolvenzplans als Instrument zur Unternehmenssanierung nach wie vor die Ausnahme. Dass jedoch mit dem Insolvenzplanverfahren Unternehmenssanierungen möglich sind, zeigen die erfolgreichen Sanierungen populärer Unternehmen wie Babcock Borsig, Ihr Platz und Herlitz. [...

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Leseprobe

3 Unternehmenssanierung mittels Insolvenzplan


 

3.1 Zweck und Rechtsnatur des Insolvenzplans


 

Der Insolvenzplan bietet den Beteiligten die Möglichkeit, von den gesetzlichen Vorgaben der Insolvenzordnung abzuweichen. Er bildet das „Kernstück“ der neuen Insolvenzordnung.[107] Mithilfe des Insolvenzplans steht den Beteiligten eine flexible und effiziente Möglichkeit zu, Insolvenzen auf der Grundlage der Gläubigerautonomie abzuwickeln.[108] Das Ziel „Stärkung der Gläubigerautonomie“ kommt hier besonders zum Ausdruck, da der Insolvenzplan weitgehend frei von vordefinierten Regeln ist.[109] Die Entscheidungsfreiheit der Beteiligten sorgt für eine flexible, deregulierte und autonome Abwicklung der Insolvenz.[110] Gemäß § 217 InsO können im Insolvenzplan Vorschriften zur Befriedigung der absonderungsberechtigten Gläubiger und Insolvenzgläubiger getroffen werden. Weiterhin können Regelungen zur Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse sowie zur Haftung des Schuldners getroffen werden. Ob das Unternehmen fortgeführt und saniert, ganz oder teilweise übertragen oder liquidiert wird, ist eine Entscheidung des jeweiligen Einzelfalls und liegt in der Hand der Gläubiger. Die Sanierung des insolventen Unternehmens ist jedoch das Primärziel des Insolvenzplans.[111]

 

Die Rechtsnatur des Insolvenzplans ist in der Literatur strittig.[112] Eine einheitliche Definition ist aufgrund der unterschiedlichen Ausgestaltungsmöglichkeiten des Insolvenzplans nicht möglich.[113] Der Insolvenzplan ersetzt den Zwangsvergleich bzw. Vergleich nach der Konkurs- und Vergleichsordnung. Die Konkurs- und Vergleichsordnung basierte in erster Linie auf der sogenannten Vertragstheorie. Zu Zeiten der Konkursordnung wurden Verträge zwischen dem Schuldner und den Gläubigern zur Abwendung oder Beendigung des Konkursverfahrens geschlossen. Gegen die Zuordnung des Insolvenzplans zur Vertragstheorie spricht die Tatsache, dass auch Gläubiger an den Plan gebunden werden können, ohne dass diese dem Vertrag zugestimmt haben.[114]

 

Die Grundidee des Insolvenzplans orientierte sich an dem US-amerikanischen Reorganisationsverfahren. Insbesondere das dort geltende Recht gemäß Kapital 11 Bankruptcy Code bildete die Grundlage für die Entstehung des Insolvenzplans. Obwohl der Insolvenzplan zahlreiche Parallelen zum US-amerikanischen Verfahren aufweist, bestehen auch erhebliche Unterschiede. Das US-amerikanische Recht sieht den Schuldner als schutzbedürftig an und stellt seine Rettung in den Vordergrund. Der Insolvenzplan fokussiert zwar auch die Sanierung des insolventen Schuldners, jedoch nicht um jeden Preis. Zur Erreichung der größtmöglichen Gläubigerbefriedigung ist die Sanierung nur als ein Mittel der Gesamtvollstreckung anzusehen. Eine eindeutige Zuordnung des Insolvenzplans zu bestehenden Rechtsinstituten ist nicht möglich. Der Insolvenzplan ist somit ein Rechtsinstitut eigener Art, der Elemente verschiedener Rechtsbereiche enthält.[115]

 

3.2 Arten von Insolvenzplänen


 

In der Praxis existieren unterschiedliche Arten von Insolvenzplänen. Die Insolvenzordnung lässt den Beteiligten freien Handlungsspielraum bei der Ausgestaltung der für den individuellen Einzelfall am besten geeigneten Planart. Die konkrete Planausrichtung ist abhängig von der Zielsetzung des Insolvenzplanverfahrens. Je nach Zielausrichtung der Insolvenzpläne wird zwischen Sanierungs-, Übertragungs-, Liquidationsplänen sowie sonstige Plänen unterschieden. Alle genannten Planarten sind gleichrangig zu betrachten. Es besteht keine gesetzliche Priorisierung einzelner Planarten.[116] Abbildung 3 zeigt die Arten von Insolvenzplänen nach deren Zielausrichtung.

 

 

In Anlehnung an: Beigel, P.-C. (2002), S. 7.

 

Abbildung 3: Arten von Insolvenzplänen

 

Bereits in § 1 Satz 2 InsO wird deutlich, dass der Sanierungsplan die gesetzgeberische Hauptabsicht des Insolvenzplans darstellt. Demnach stehen der Erhalt und somit die Sanierung des insolventen Unternehmens unter Beibehaltung des Unternehmensträgers im Vordergrund.[117] Um einen Sanierungsplan aufzustellen, sind zahlreiche, vor allem betriebswirtschaftliche Maßnahmen notwendig. Die Gläubiger sind aus den zukünftig zu erzielenden Erträgen zu befriedigen.[118] Zur Durchführung des Sanierungsplans sind Beiträge der Gläubiger erforderlich. Zu den häufigsten Sanierungsbeiträgen der Gläubiger zählen Stundungsvereinbarungen und Forderungsverzichte. Voraussetzung zur Durchführung der Sanierung ist die Sanierungsfähigkeit und -würdigkeit des insolventen Unternehmens.[119]

 

Eine Alternative zum Sanierungsplan bietet der Übertragungsplan, der auch als „übertragende Sanierung“ bezeichnet wird. Die übertragende Sanierung ist die in der Vergangenheit am häufigsten angewandte Verwertungsform und kann sowohl im Regelinsolvenz- als auch im Insolvenzplanverfahren durchgeführt werden. Bei der übertragenden Sanierung werden Unternehmensteile in Form eines sogenannten „Asset Deals“ an den Erwerber veräußert.[120] Dabei werden die Aktiva des Unternehmens an den Käufer übertragen und die Passiva verbleiben beim insolventen Unternehmen.[121] Die Befriedigung der Gläubiger erfolgt aus dem Verkaufserlös.[122] Im Gegensatz zum Sanierungsplan wird der Unternehmensträger beim Übertragungsplan nicht erhalten. Das Unternehmen oder bestimmte Betriebsteile werden an einen neuen Unternehmensträger übertragen. Häufig werden neue Unternehmensträger, sogenannte Auffanggesellschaften, speziell zu diesem Zweck gegründet.[123]

 

Eine weitere alternative Planart ist der Liquidationsplan. Im Liquidationsplan werden abweichend vom Regelinsolvenzverfahren Regelungen zur Abwicklung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse getroffen. Beispielsweise kann die Vereinbarung getroffen werden, das Unternehmen solange fortzuführen und die Produktion aufrechtzuerhalten, bis ein optimaler Verwertungszeitpunkt erreicht ist.

 

Neben den eben genannten Planarten sind auch Mischformen zwischen den einzelnen Plänen möglich. So sind Kombinationen möglich, in denen ein nicht überlebensfähiger Unternehmensteil liquidiert, ein weiterer im Rahmen der übertragenden Sanierung verkauft und ein sanierungsfähiger Unternehmensbereich fortgeführt und saniert wird.[124] Eine besondere Gestaltungsform des Insolvenzplans ist der sogenannte prepackaged plan. Der prepackaged plan und die Mischformen sind den sonstigen Planarten zuzuordnen. Die Erstellung des prepackaged plan erfolgt bereits vor Insolvenzantragsstellung. Zum Zeitpunkt der Planeinreichung hat die Abstimmung mit den Gläubigern bereits stattgefunden. Diese Vorgehensweise erhöht die Chancen auf einen erfolgreichen Vollzug des Planverfahrens und fördert einen zügigen Verfahrensablauf. Teilweise kommt es durch die frühzeitige Abstimmung zwischen Schuldner und Gläubigern nicht einmal zur Verfahrenseröffnung, womit Reputationsschäden durch die Insolvenzeröffnung (siehe hierzu Punkt 4.2.3) vermieden werden können.[125] In der Regel wird der prepackaged plan auf Initiative des Schuldners bei drohender Zahlungsunfähigkeit gleichzeitig mit dem Insolvenzantrag eingereicht.[126]

 

3.3 Aufbau des Insolvenzplans


 

Der Aufbau des Insolvenzplans ist durch die Insolvenzordnung vorgegeben. Gemäß

§ 219 InsO untergliedert sich der Insolvenzplan in einen darstellenden und einen gestaltenden Teil. Ihm sind die in §§ 229, 230 InsO genannten Plananlagen hinzuzufügen.[127] Abbildung 4 veranschaulicht den typischen Aufbau eines Insolvenzplans.

 

 

In Anlehnung an: Fahlbusch, W. (2006), S. 143.

 

Abbildung 4: Aufbau des Insolvenzplans

 

Der darstellende Teil (§ 220 InsO) dient den Gläubigern als Entscheidungshilfe zur Abstimmung über die Plandurchführung.[128] Er beinhaltet in erster Linie wirtschaftliche Maßnahmen.[129] Ferner enthält er Informationen über das Ziel des Plans und die Vorgehensweise zur Zielerreichung.[130] Er umfasst gemäß § 220 Abs. 1 InsO alle Maßnahmen, die nach Verfahrenseröffnung getroffen worden sind oder noch getroffen werden sollen, um die Grundlage für die geplante Gestaltung der Rechte der Beteiligten zu schaffen.[131] Weiterhin beinhaltet der darstellende Teil das Sanierungskonzept einschließlich der Prüfung der Sanierungsfähigkeit und Sanierungswürdigkeit. Die Sanierungswürdigkeit des Unternehmens kann weder im Insolvenzplan noch in einem Sanierungsgutachten vorgenommen werden. Eine Entscheidung über die Sanierungswürdigkeit des Unternehmens treffen allein die Gläubiger durch Annahme des Plans.[132] Um das Planziel auf eine erfolgreiche Sanierung zu lenken, sind den Beteiligten entscheidungsrelevante Informationen über die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Schuldners vorzulegen....

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