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Der Islam gehört zu Europa?!

AutorSimon Steuer
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl81 Seiten
ISBN9783656852582
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis27,99 EUR
Masterarbeit aus dem Jahr 2014 im Fachbereich Kulturwissenschaften - Sonstiges, , Sprache: Deutsch, Abstract: Zu Beginn dieser Einleitung möchte ich einige persönliche Anmerkungen voranstellen. Die vielleicht größte Motivation mich eingehender mit dem Islam zu beschäftigen lieferte der Umstand, dass meine eigene Kenntnis vom Islam eher marginal und in der Hauptsache vom Hörensagen und den Medien bestimmt war. Zusätzlich, mit Blick auf meine künftige Arbeit als Lehrer im Fach Ethik/Philosophie bedingt die Tatsache, dass unter anderem im Lehrplan für Gymnasien des Landes Rheinland-Pfalz für die Klasse 9/10 vorgesehen ist, sich mit dem Islam zu befassen, eine weitere stark motivierende Anregung. Das Fach Ethik/Philosophie hat im Fächerkanon meist die unterschätzte Rolle eines Ersatzfaches für die katholische und evangelische Religionslehre. Dabei liefert gerade die Situation, in einem Klassenraum viele Kinder verschiedener Religionen zu haben, ideale Bedingungen um Grenzen und Vorurteile auszuräumen. Doch auch besonders außerhalb der Schulen gewinnt der Islam zunehmend an Bedeutung, da die muslimische Gemeinschaft in der Bundesrepublik Deutschland sowie Gesamteuropas mittlerweile einen größeren Prozentsatz der demografischen Zusammensetzung stellt und eine Beschäftigung mit dem Islam langfristig nahezu unausweichlich und deshalb vor allem sinnvoll macht. Der Islam ist neben dem Judentum und dem Christentum die dritte Weltreligion mit globalem Verbreitungsgebiet. Auch deshalb vergeht selten ein Tag, an dem wir nicht in irgendeiner Weise in Kontakt mit dem Islam kommen. Den Titel der Masterarbeit habe ich dabei an den Ausspruch 'Der Islam gehört zu Deutschland' von Christian Wulff während seiner Rede zum 20. Jahrestag der Deutschen Einheit am 3. Oktober 2010 angelehnt. Die Fragestellung der Arbeit ist aber deshalb auf Europa ausgeweitet, da ich zeigen werde, dass es gesamteuropäische Ereignisse waren und noch immer sind, die das Verhältnis von Islam und westlicher Welt prägen. Deshalb muss der Islam vor dem Hintergrund einer enormen Pluralität von Glaubensgrundlagen und Rechtsauffassungen sowie daraus entstandenen Abgrenzungen gesehen werden. Eine ausschöpfende Darstellung aller Fassetten des Islam würde aus diesem Grund den Rahmen einer Masterarbeit um ein Vielfaches übersteigen. Bei den entsprechenden Themenfeldern, habe ich diesbezügliche Anmerkungen eingefügt. [...]

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Leseprobe

3. Der Islam und die westliche Welt


 

Häufig ist, wenn vom Verhältnis zwischen dem Islam und der westlichen Welt gesprochen wird, die lange, konfliktreiche Begegnung von Islam und Christentum gemeint. An dieser Stelle soll noch einmal erwähnt werden, dass ich eine Gleichsetzung der arabischen Welt und Islam zwar durchaus vertretbar finde, wichtig ist aber, dass „die westliche Welt ihrerseits nicht einfach ein Synonym für Europa“ ist, ebenso wenig, wie der Islam „mit seinen Facetten als ‚fundamentalistisch‘ bezeichnet werden kann“. [67]

 

Dass es obgleich der möglichen geographischen Abgrenzung, nicht so einfach ist die westliche und die arabische Welt zu trennen und ihre jeweilige Entwicklung losgelöst voneinander zu betrachten, das im Gegenteil eine massive gegenseitige Beeinflussung stattgefunden hat und warum es trotz der langen gemeinsamen Vergangenheit noch Unsicherheit und Ablehnung beiderseits gibt wird dieses Kapitel darstellen.

 

3.1 Die Chronologie der Begegnung des Islam und der westlichen Welt


 

Bezeichnend für die bisherige Begegnung der westlichen mit der arabischen Welt ist „die Aufeinanderfolge von Handelbeziehungen und kriegerischen Auseinandersetzungen“.[68]

 

Im 8. Jahrhundert etablierte sich die islamische Präsenz im Mittelmehrraum und wurde als Seemacht eine ernsthafte Konkurrenz für das mächtige Byzanz und das Christentum, welches territoriale Einbüßen verzeichnete. Als die Araber sich zu dieser Zeit in den Mittelmeerraum drängten, bildete sich ein Grundmuster „der islamisch-abendländischen Beziehung“ heraus, dass bis heute nicht an Gültigkeit verloren hat: „Schärfste Gegensätze und Feindschaft wechseln ab mit enger Kooperation, existieren aber auch gleichzeitig nebeneinander“. Die ständigen Konflikte haben dabei dennoch nicht verhindert, dass sich „Kooperation, Handelskontakte, geistig-kultureller Austausch und die Übernahme von Lebensformen durch die eine oder andere Seite“ festigen konnte.[69]

 

Im Jahr 710, also bereits kurz nach Muhammads Tod, wurde die Iberische Halbinsel durch die Araber und mit Hilfe der Mauren, (Berberstämme aus dem Norden Afrikas) erobert, beginnend

 

 

Abbildung 1: Eroberungszüge der Muslime nach 711. Aus: Geschichte Spaniens im Mittelalter S. 81.

 

mit der Überquerung der Meerenge von Gibraltar durch Târiq ibn Ziyâd (siehe Abb. 1), dem Stellvertreter des arabischen Generals Mûsâ ibn Nusayr im Jahr 710.[70]

 

Die auf der spanischen Seite als Brückenkopf entstandene Stadt Tarifa, trägt noch heute den Namen jenes Stellvertreters. Im Jahr 711 traf diese einige hundert Mann starke Vorhut der muslimischen Eroberer am Fluss Guadalete, zwischen Cádiz und Sevilla, auf den westgotischen König Rodrigo, besiegte sein Heer und tötete ihn. Im Folgejahr setzte auch Mûsâ nach Gibraltar über und „begann, Hispanien als Provinz des kalifalen Imperiums zu organisieren“.[71]

 

Viele der bis dahin herrschende westgotischen Adeligen flohen nach Norden, andere wiederrum „paktierten mit den neuen Herren“ und konnten so teilweise günstige Bedingungen aushandeln um ihre Besitztümer und Privilegien zu wahren.[72] Von der einfachen Bevölkerung wurden die arabischen Eroberer zum Teil durchaus freundlich empfangen, sie zogen die „weniger drückende und weniger schmerzliche Unterwerfung“ unter den neuen Herrschern dem „Joch der despotischen christlichen Fürsten“ vor.[73]

 

Innerhalb von fast drei Jahren nahmen die Muslime annähernd die gesamte Halbinsel ein, bis sie im Kantabrischen Gebirge im Norden der Halbinsel erstmals eine Niederlage zu verkraften hatten.[74] (ebenfalls Abb. 1) Dabei handelte es sich zwar um nicht mehr als „ein Scharmützel von wenigen hundert Kriegern“, in den christlichen Chroniken wurde dieses später mit erheblich überzogenen Zahlen „episch ausgemalt“. In einer Quelle sei die Rede von 124.000 getöteten Muslimen, von denen 63.000 „durch einen Erdrutsch ums Leben gekommen“ seien, „der von Gott genau im richtigen Augenblick“ gesandt wurde. Bedeutungsvoll war dieses Scharmützel dennoch, denn als direkte Folge blieb „der Nordsaum der Halbinsel unerobert“ und geriet nie „in die Sphäre von al-Andalus“, was vermutlich auch daran gelegen haben mag, dass es dort landschaftlich sehr karg war. Für die Christen begründete das Aufeinandertreffen im Kantabrischen Gebirge den Anspruch im Norden „die Legitimität des westgotischen Königtums wiederherzustellen“. Dieser Anspruch wurde später zur „Grundlage der Wiedereroberung der im 11.Jahrhundert einsetzenden ‚Reconquista‘.[75]

 

Bis ins Jahr 1492, dem Ende von al-Andalus, gab es fünf Epochen islamischer Herrschaft auf der iberischen Halbinsel, die ich zum Gesamtverständnis der bewegten Begegnung von Islam und westlicher Welt kurz umreißen möchte.

 

1. Das umayyadische Emirat (756–929)

 

Abd ar-Rahmān, der einzige Überlebende Umayyade, der die Revolte gegen die gleichnamige Dynastie im 8. Jahrhundert überlebte, konnte sein Leben nur durch eine fünfjährige abenteuerliche Flucht ins spanische Almunecar retten. Dort angelangt, war er in der Lage, ausreichend „Unzufriedene um sich zu scharen“, sodass er 756 die Macht in al-Andalus an sich riss und den ersten „formell unabhängigen islamischen Staat“ begründete. Dieser grenzte sich bewusst vom arabischen Weltreich ab, welches jetzt von den Führern der Revolte, den Abbasiden beherrscht war. Der erste umayyadische Herrscher hatte große Mühe, den neuen Staat zu stabilisieren, da einerseits „Revolten die Tagesordnung“ waren und andererseits „kriegerische Auseinandersetzungen mit dem christlichen Europa“ permanent fortwährten. Als direkte Folge der Auseinandersetzungen entstanden mehrere christliche Kleinstaaten, die später die „Keimzellen des […] Königreichs Navarra, […] des Königreichs Aragón […] und dem wohl ältesten Protagonisten der Reconquista, Asturien“ bildeten, die vorerst noch im Schatten von al-Andalus existieren sollten (Abb. 2).[76]

 

 

Abbildung 2: Muslimisches Spanien und christliche Reiche 711-1031. Aus: Geschichte Spaniens im Mittelalter.

 

2. Das Kalifat von Córdoba (929–1031)

 

Den widrigen Bedingungen im Kampf um die Stabilität nach innen und außen geschuldet, fand Abd ar-Rahmān III. ein zerfallenes Reich vor, das er wieder vereinte, um anschließend „gegen die christlichen Staaten Spaniens vorzugehen“. Im Jahr 929 rief er, was bisher keiner seiner Vorgänger gewagt hatte und rief ein umayyadisches Kalifat aus, besser bekannt als Kalifat von Córdoba.[77] Zum einen wurde dadurch „die Autorität des abbasidischen Kalifats in Bagdad geschwächt“[78] und zum anderen musste al-Andalus nun einen Mehrfrontenkrieg gegen die Christen und das Kalifat des fatimidischen Ägypten führen, dass sich wie erwähnt bereits 910 in Nordafrika gebildete hatte. Aus dieser Konstellation heraus erfuhr das umayyadische Kalifat 939 eine verheerende Niederlage durch die Regentin von Navarra. Hier zeigte sich, dass al-Andalus seine Macht nie dauerhaft festigen konnte oder eindeutig überlegen gewesen wäre.[79]

 

Den Höhepunkt der Machtentfaltung erreichte das Kalifat von Córdoba dennoch erst ab 961 unter Muhammed ibn Abi Amir. Dieser soll insgesamt 50 Feldzüge geführt haben, doch unmittelbar nach seinem Tod 1009 „versank das muslimische Spanien in Anarchie“.[80] Diese Periode von 1009 bis 1031 nach seinem Tod wird fitna (Verwirrung) genannt und bezeichnet eine Zeit „blutiger Palastrevolten und Bürgerkriege, an deren Ende das glanzvolle umayyadische Kalifat vernichtet war“.[81]

 

3. Die Taifa- Königreiche (1009–1095)

 

Die Entstehung der sogenannten Taifa- Königreiche fällt in die letzten Jahre des Kalifats von Córdoba und die Zeit der Verwirrung, als lokale Machthaber begonnen sich von Córdoba zu lösen. Am Ende der Verwirrung war ein Flickenteppich aus bis zu 60 einzelnen Staatengebilden entstanden, die sich in wechselnden Konstellationen, ständig untereinander bekämpften. Das gesamte Staatengebilde unterlag demnach einer steten Dynamik von sich verändernden Grenzen und Herrschern (Abb. 3).[82]

 

Der Begriff Taifa bedeutet im arabischen so viel wie Schar, Gruppe, Partei oder Sekte und

 

 

Abbildung 3: Die Taifa-Königreiche und die christlichen Herrschaften 11....

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