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E-Book

Der islamische Faschismus

Eine Analyse

AutorHamed Abdel-Samad
VerlagVerlagsgruppe Droemer Knaur
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl240 Seiten
ISBN9783426422465
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Der Islamismus entstand parallel zum italienischen Faschismus und zum Nationalsozialismus. Sein faschistoides Gedankengut reicht allerdings weit zurück - es ist bereits im Ur-Islam angelegt. Hamed Abdel-Samad schlägt in seiner Analyse einen Bogen von den Ursprüngen des Islam bis hin zur Gegenwart. Ein provokantes Buch, dessen Thesen Hamed Abdel-Samad eine Mord-Fatwa einbrachten.

Hamed Abdel-Samad, geboren 1972 bei Kairo, studierte Englisch, Französisch, Japanisch und Politik. Er arbeitete für die UNESCO, am Lehrstuhl für Islamwissenschaft der Universität Erfurt und am Institut für Jüdische Geschichte und Kultur der Universität München. Abdel-Samad ist Mitglied der Deutschen Islam Konferenz und zählt zu den profiliertesten islamischen Intellektuellen im deutschsprachigen Raum.Seine Autobiographie 'Mein Abschied vom Himmel' sorgte für Aufsehen: 'Was er von seinen Landsleuten erwartet, hat er selbst vorgemacht: Aufklärung durch Tabubruch.' ZDF-Aspekte

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Leseprobe

Vorwort


»Wanted Dead«

Einmal sah ich auf Facebook ein mit Photoshop gefaktes Bild. Ein böse dreinblickender, bärtiger Mann hält ein Plakat hoch, auf dem geschrieben steht: »Enthauptet diejenigen, die behaupten, der Islam sei die Religion der Gewalt.« Ich habe herzlich gelacht über diese elegante und doch sehr treffende Beschreibung der bitteren Realität. Das Lachen blieb mir jedoch im Hals stecken, als ich plötzlich mein eigenes Porträt auf Facebook entdeckte, versehen mit dem Schriftzug »Wanted Dead«.

Anlass für diesen Mordaufruf war ein Vortrag, den ich am 4. Juni 2013 in Kairo gehalten hatte. Das Thema: Religiöser Faschismus in Ägypten. Ich vertrat darin die These, dass faschistoides Gedankengut nicht erst mit dem Aufstieg der Muslimbrüder Eingang in den Islam gefunden habe, sondern bereits in der Urgeschichte des Islam begründet sei. Ich argumentierte, dass der Islam die religiöse Vielfalt auf der arabischen Halbinsel beendet habe, von seinen Anhängern unbedingten Gehorsam verlange, keine abweichenden Meinungen dulde und nach der Weltherrschaft strebe. Da diese Geisteshaltung im Islam dominanter sei als andere Aspekte dieser Religion, könne man daher von »Islamofaschismus« sprechen.

Ein Video mit den provokanten Thesen meines Vortrags wurde im Netz veröffentlicht und dort kontrovers diskutiert. Kurz darauf kam eine Gruppe islamischer Gelehrter zusammen, um meine Argumente live im Fernsehen zu entkräften. Nachdem sie zahlreiche Beispiele aus der Biographie des Propheten und aus dem Koran zitiert hatten, die beweisen sollten, dass der Islam Vielfalt und andere Meinungen akzeptiert, debattierten sie darüber, wie ich für meine Verunglimpfung des Islam bestraft werden sollte. Das Urteil fiel schnell und einstimmig: Ich sollte getötet werden! Darüber, wie das vonstattengehen und wer meinen Tod anzuordnen habe, herrschte indes Uneinigkeit. Einer sagte, man solle mir die Möglichkeit einräumen, Reue zu zeigen und zum Islam zurückzukehren. Erst wenn ich das ablehnte, sei ich zu töten. Ein Professor von der renommierten Al-Azhar-Universität sowie der Anführer der Terrorbewegung Dschamaa Islamiyya forderten meinen sofortigen Tod; da ich auch den Propheten beleidigt hätte, helfe weder Reue, noch müsse irgendjemand offiziell ankündigen, dass ich zum Abschuss freigegeben sei. Zur Untermauerung zitierte der Universitätsgelehrte eine Geschichte aus dem Leben Mohameds: Der Prophet entdeckte vor seiner Moschee einmal eine getötete Frau. Er fragte die Betenden, wer sie umgebracht habe. Ein blinder Mann erhob sich und sagte: »Ich habe sie getötet, Prophet Gottes. Sie ist meine Sklavin, und ich habe von ihr zwei kleine Kinder, die zwei Perlen gleich sind. Doch gestern hat sie dich, Prophet Gottes, beleidigt. Ich habe sie aufgefordert, dich nicht mehr zu schimpfen, aber sie wiederholte, was sie gesagt hatte. Ich konnte das nicht aushalten und habe sie umgebracht.« Mohamed sagte daraufhin: »Ihr seid meine Zeugen, das Blut dieser Frau ist zu Recht geflossen!«

Diese Geschichte wird immer wieder zitiert, wenn Islamisten eine Rechtfertigung dafür brauchen, warum es aus ihrer Sicht legitim ist, jemanden, der den Propheten beleidigt hat, mit dem sofortigen Tod ohne Verfahren und Anspruch auf Verteidigung zu strafen.

Es dauerte nicht lange, bis sich auch der einflussreiche ägyptische Salafist Abu-Ishaq Al-Huwayni via Fernsehen zu meinem Fall äußerte. Al-Huwayni hält sich häufig in Deutschland auf, um dort Salafisten auszubilden. Einer seiner Schüler ist der Konvertit Pierre Vogel. Al-Huwayni verkündete, dass von nun an bis in alle Ewigkeit zwischen uns das Prinzip der Blutrache gelte.

All diese Gelehrten bewegen sich in einem so geschlossenen ideologischen Kreis, dass sie überhaupt nicht merkten, dass ihr Urteil meine Argumente nur bekräftigte. Sie vergöttern ihren »Führer« Mohamed so sehr, dass sie jeden töten wollen, der ihn angreift, und sei es nur verbal. Sie glauben, jemanden töten zu können, nur weil er anders über das denkt, was ihnen heilig ist. Wie sollte man das anders nennen als islamischen Faschismus?

Normalerweise müssten selbst nach ägyptischem Recht die Männer, die zum Mord an mir aufgerufen haben, sofort verhaftet werden. Aber gerade diese Fundamentalisten brauchte der damalige Präsident Mursi, um seine Gegner einzuschüchtern. Der gleiche Al-Azhar-Professor, der meine Tötung gefordert hatte, hatte wenige Wochen zuvor zum Mord an dem Oppositionspolitiker Mohamed El-Baradei aufgerufen. Auch damals war nichts gegen ihn unternommen worden.

In meinem Fall vermehrten sich die Mordaufrufe im Netz mit beängstigender Geschwindigkeit. In Tunesien wurde das Video meines Vortrags von Islamisten missbraucht, um die gesamte säkulare Opposition im Land zu verunglimpfen. Meine Meinung wurde stellvertretend allen Kritikern übergestülpt, um sie mundtot zu machen. Nach dem Motto: Gegen diejenigen, die den Islam mit Faschismus gleichsetzen, muss sich jeder aufrechte Muslim erheben.

Nach dem Vortrag musste ich einige Wochen untertauchen, seit meiner Rückkehr nach Deutschland stehe ich unter Polizeischutz. Auch in Deutschland gibt es viele Fanatiker, die mich tot sehen wollen. Der damalige deutsche Außenminister Guido Westerwelle verurteilte im Rahmen einer Pressekonferenz den Mordaufruf und forderte die ägyptische Regierung auf, für meine Sicherheit zu sorgen. Nur eine Woche später lud Mursi Assem Abdel-Maged, einen der Hetzer, der meinen Tod gefordert hatte, zu einer Veranstaltung ein und umarmte ihn vor laufender Kamera. Dennoch sprach Westerwelle von einem »Rückschlag für die Demokratie«, als Mursi von der Armee abgesetzt wurde. Würde man Demokratie nur darauf reduzieren, dass es freie Wahlen gibt, dann hätte der damalige Außenminister recht. Demokratie ist aber viel mehr. Eine politische Kultur, eine Geisteshaltung, von der Mursi und seine Muslimbruderschaft Lichtjahre entfernt waren und nach wie vor sind.

Immerhin: Nach dem Sturz Mursis wurden Haftbefehle gegen zwei der Hetzer erlassen. Die drei TV-Sender, die die Mordaufrufe verbreitet hatten, wurden per Dekret der Armee geschlossen. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass das Bild von Assem Abdel-Maged in der Regierungszeitung Al-Ahram unter der Überschrift »Wanted« veröffentlicht wurde.

Dennoch erhalte ich bis heute Morddrohungen. Denn Fanatiker sind nicht nur gefährlich, wenn sie an der Macht sind, im Gegenteil. Angeschlagene Islamisten, die sich als Opfer sehen, sind viel gefährlicher und unberechenbarer. Um mich selbst habe ich keine Angst. Ich schreibe und halte meine Vorträge weiter. Ich mache mir nur Sorgen um meine ägyptische Familie, die inzwischen ebenfalls mit Beschimpfungen und Drohungen überzogen wird. Sie können meine Bewegungsfreiheit einschränken, aber meine Gedanken können diese Fanatiker nicht erdrosseln. Die Hetzkampagne gegen mich hat meinen Leserkreis in Ägypten und in anderen arabischen Staaten vergrößert. Ich erfahre viel Zustimmung und Solidarität von Kreisen, die mir bislang verschlossen waren. Menschen aus Deutschland, der Schweiz und Österreich schrieben mir solidarische Mails, manche boten mir sogar Unterschlupf in ihren Häusern an. Unter den vielen Nachrichten, die mich über Facebook aus Ägypten erreichen, habe ich mich über eine besonders gefreut. Ein junger Ägypter schrieb mir: Ich danke den Terroristen dafür, dass sie mich mit Ihnen und Ihren Gedanken bekannt gemacht haben. Bitte machen Sie weiter!

Dieses Buch ist ein wichtiges Element dieses »Weitermachens« – auch wenn ich damit noch tiefer in das Wespennest stechen werde als mit meinen Vorträgen zum Thema Islam und Faschismus. Doch je heftiger die Reaktionen ausfallen werden, umso mehr wird die Maske des vermeintlich moderaten Islam, der sich angeblich mit Demokratie vereinbaren lasse, verrutschen.

Im Folgenden werde ich die totalitären Elemente des Islamismus mit denen des Faschismus vergleichen. Ein Kapitel wird sich der Entstehung und Entwicklung der Muslimbruderschaft widmen und deren ideologische und programmatische Nähe zu den faschistischen Bewegungen im Europa der zwanziger und dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts aufzeigen. Möglicherweise werden sowohl Ewiggestrige als auch Islamisten gegen diesen Vergleich aufbegehren, ihn vielleicht als beleidigend empfinden. Auch viele Antiislamisten und Antifaschisten werden ihn vielleicht ablehnen, da sie darin wahlweise eine Relativierung oder Überhöhung des jeweiligen Phänomens sehen könnten. So geschehen in Deutschland Mitte der achtziger Jahre, als der Historiker Ernst Nolte die Singularität des Holocaust in Frage stellte; Konzentrationslager und »Endlösung« seien eine Reaktion auf Massenausrottungen und Gulags in der Sowjetunion gewesen. Der Philosoph Jürgen Habermas war einer derjenigen, die diesen Vergleich scharf kritisierten. Habermas sah darin »Revisionismus«, den Versuch, ein deutsches »Nationalbewusstsein« zu erneuern, indem man eine »entmoralisierte Vergangenheit« abschüttele.

Die meisten Totalitarismustheorien basieren auf einem Vergleich zwischen Stalinismus und Nationalsozialismus. Was die Herrschaftsstrukturen und auch die Ausrottungsmethoden dieser totalitären Systeme angeht, gibt es deutliche Überschneidungen. Der Vergleich zweier Phänomene oder Systeme bedeutet aber nicht, sie automatisch gleichzusetzen.

Wie ich bereits erwähnt habe, scheint es auf den ersten Blick nicht ganz unproblematisch, Strukturen und Kernaussagen des vergleichsweise jungen Faschismus auf eine über 1400 Jahre alte Religion zu übertragen. Einfacher wird es, wenn man die Bewegungen des politischen Islam in den Mittelpunkt stellt, die fast zeitgleich mit dem europäischen Faschismus...

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