Um die Form und Funktion des Keramikgrills besser verstehen zu können, ist es sinnvoll, einen Blick auf die Geschichte dieses Grillgerätes zu werfen. Uns haben die Informationen zur Geschichte, die wir auf den Websites der Keramikgrill-Hersteller und in deren Anleitungen fanden, nicht ausgereicht. Meist gab es dort nur einen schwammigen Verweis auf ein chinesisches Grillgerät aus der Qin-Dynastie, der ergänzt wurde durch eine leidenschaftliche Geschichte über den Firmengründer. Wir haben uns aufgemacht, um in Büchern zur Geschichte des Kochens nach Hinweisen auf den Keramikgrill zu suchen.
Fast ein Jahr lang dauerte unsere Suche nach ergessenen Websites und obskuren Quellen us Japan und den Vereinigten Staaten.
Ein Keramikgrill ist sowohl Grill als auch Ofen, den es in dieser Form erst seit etwa hundert Jahren gibt. Wahrscheinlich hätten wir nie von ihm gehört, wäre die amerikanische Armee nicht nach dem Zweiten Weltkrieg in Japan gewesen. Der Ursprung dieser kleinen Tontöpfe reicht jedoch noch viel weiter zurück: Die Spur führte uns über 5.000 Jahre in der Geschichte zurück nach China, nach Indien und bis zu den ersten Tandur-Öfen des Industals im heutigen Pakistan und in Mesopotamien, dem heutigen Syrien und Irak.
Der Tandur
Der Tandur ist in großen Teilen Asiens schon jahrhundertelang der bevorzugte Ofen zum Backen von Fladenbrot und zum Grillen von Fleisch. Heute ist dieser Tontopf in vielen Kulturen als tandoor, tandyr, tannur und tinur bekannt. Uns fehlt zwar der unwiderlegbare Beweis, aber wir sind überzeugt, dass der Tandur der Vorläufer des modernen Keramikgrills ist.
Kochfeuer
Anthropologen streiten sich über die Entstehungszeit des Kochfeuers. Schätzungen schwanken zwischen 1,8 Millionen und 130.000 Jahren. Wir können allerdings mit Sicherheit sagen, dass es schon vor etwa 250.000 Jahren gab: Aus dieser Zeit stammt nämlich der erste Nachweis von einer Feuerstelle und gebratenem Fleisch. Vor 40.000 Jahren war das Kochfeuer das wirksamste Instrument zur Nahrungszubereitung. Der Mensch des Neolithikums grub bereits ein Feuerloch oder erhöhte den Rand seiner Feuerstelle mit Steinen, um die Flammen vor Wind zu schützen. Der Boden wurde zuvor mit flachen Steinen ausgelegt, die die Wärme speichern sollten. Ton hat die praktische Eigenschaft, dass er bei Hitze hart wird und gut isoliert. Als das Feuerloch statt mit Steinen mit diesem Ton verstärkt wurde und die Öffnung nach oben hin schmaler zulief, entstand eine Art Urform des Tandurs, den man als Ofen nutzen konnte. Durch die runde Form lässt sich das Brennmaterial durch Wärmeübertragung und -reflektion sehr effektiv nutzen. Wenn das Holzfeuer heruntergebrannt ist, kann man in dieser runden Form mit der Glut und der an der Wand gespeicherten Wärme kochen und backen.
Es war jedoch ein großer Entwicklungsschritt vom mit Ton ausgekleideten Feuerloch zum freistehenden Keramiktopf. Der Mensch lernte vor etwa 17.000 Jahren in China Töpfe zu brennen. Lange Zeit wurden Tontöpfe hergestellt, indem sie über dem offenen Feuer unter Drehen erwärmt wurden; erst später wurden sie in Öfen gebrannt. Um einen großen hitzebeständigen Topf zu brennen, brauchte man einen geschlossenen Ofen, der größer war als der Tandur.
Flussbesiedlung
Der älteste Tandur wurde vor rund 5.000 Jahren in einem solchen Ofen gebrannt. Der Ton findet sich in ausgetrockneten oder zugeschütteten Flussbetten. Daher verwundert es kaum, dass die ältesten bekannten Tandurs in den frühesten Flusssiedlungen am Indus und in Mesopotamien entdeckt wurden. Die Besiedlung des Industals erlebte vor 5.000 bis 3.500 Jahren ihre Blütezeit und beeinflusste alle späteren Kulturen in Afghanistan, Indien und Pakistan. Mesopotamien – vom griechischen mesos und potamos: zwischen den Flüssen – lag im heutigen Syrien und Irak.
Die Mesopotamier hielten glücklicherweise alles schriftlich fest. Ihre in Keilschrift verfassten Texte waren ein Handbuch des Alltagslebens – von der Getreideernte über das Mahlen mit Mühlsteinen bis zum Brotbacken im Tandur (tinur im Mesopotamischen). Dieser Kultur verdanken wir die ersten niedergeschriebenen Rezepte und sogar das erste Kochbuch. Wie beispielsweise Brote aus eingegrabenen Tandur-Öfen, sowie Speisen, die in kleinen Töpfen und Schalen am Rand des Tandurs zubereitet wurden. Der Tandur wurde auch als Herd genutzt, auf den dann ein weiterer Topf kam. Die Mesopotamier beeinflussten die Kulturen des gesamten Mittleren Ostens. Noch heute sind ihre Spuren von Israel bis Aserbaidschan erkennbar.
Die Verbreitung des Tandurs und des Ofens geschieht etwa gleichzeitig mit dem Aufkommen des ersten Brotes. Der Tandur kann vor allem für das Backen von Fladenbrot genutzt werden: Ein flaches Teigstück wird bei hohen Temperaturen (ca. 400 °C) an die Innenwand des Tandurs geklebt. Durch die Hitze der Wand, die Strahlung der Glut und die sich übertragende Hitze wird das Brot in relativ kurzer Zeit gebacken. Diese Brote, mit und ohne Hefe, werden auch heute noch traditionell in vielen Kulturen gebacken und sind als khubz, lavash, naan oder chapati bekannt.
Seit dem Altertum hat sich der Tandur in Form und Funktion kaum verändert. Er ist im Prinzip in ganz Asien, ausgenommen sind China und Südostasien, verbreitet.
China und Japan
In Teilen Chinas wurde bereits vor 17.000 Jahren das Töpfern erfunden. Hier gab es keine Getreidekultur wie in Mesopotamien oder am Indus, sondern es wurde Reis angebaut, der gekocht oder gedämpft wurde. Das Prinzip der chinesischen Keramikkochtöpfe war mit dem Tandur verwandt, da auch bei ihnen Feuer und Glut von einer runden Form umschlossen waren, um die Hitze und die Luftzirkulation (Konvektion) optimal nutzen zu können. In China wird diese Feuerschale ding genannt. Zum Kochen von Reis wurde darauf ein Topf gesetzt, der als zeng bekannt ist. In der Qin-Dynastie wurde dieses System weiterentwickelt: Zwischen Reis und Feuer kam nun ein Wassertopf und der Boden des Reistopfes erhielt ein Loch. So entstand vor 2200 Jahren der Yan-Dampftopf, der erste Reisdämpfer.
Japan und der Einfluss
des Festlands
Japan besaß genau wie China keine Brotkultur, doch auch hier wurden schon früh Tontöpfe gebrannt (vor 12.000 Jahren in der Jomon-Kultur). In der Yayoi-Zeit (300 v. Chr. bis 300 n. Chr.) erlernten die Japaner den Reisanbau. Sie kochten den Reis in Keramiktöpfen auf dem offenen Feuer. Eine bedeutsame Periode in der japanischen Geschichte war die Kofun-Zeit (250 bis 538 n. Chr.), in der die Japaner viele Technologien und Bräuche aus China übernahmen. Durch chinesische und koreanische Einflüsse lernten sie, bessere Töpfe zu brennen. So entstand, inspiriert durch den Yan-Dampftopf, der erste Keramikgrill kamado.
Das Wort bedeutet im Japanischen so viel wie Feuerstelle oder Küche; vielleicht am besten vergleichbar mit unserem Wort Herd. Der Keramikgrill war fest im Haus eingebaut und besaß häufig einen Rauchauslass, der durch die Mauer nach draußen führte. In der frühen japanischen Kultur war er Mittelpunkt der Küche, vermutlich gemeinsam mit einer offenen Feuerstelle oder einem shichirin, einer kleineren Feuerschale aus Ton, auf der gekocht und gegrillt wurde. Im Westen ist dieses Gerät seit den 1950er Jahren als hibachi bekannt. Es stellt sozusagen die mobile Variante eines Keramikgrills dar.
Klebreis
In der Geschichte der japanischen Küche zwischen der Kofun- und Edo-Zeit wurde gekochter Klebreis beliebter als gedämpfter Reis. Das Gefäß für Wasser zwischen Feuer und Reistopf wurde entfernt und der Reis garte nun in einer Pfanne oder einem Topf im Wasser. Die endgültige Form des fest installierten Keramikgrills entstand in der Edo-Zeit, dem japanischen Mittelalter.
Es war nicht einfach, auf dem ursprünglichen Keramikgrill Reis zu kochen: Zuerst musste der Topf (okama) erhitzt werden, damit das Wasser mit dem Reis zu kochen begann. Dann musste die Hitze reduziert werden, damit der Reis am Boden nicht anbrannte. Das war jedoch einfacher gesagt als getan; schließlich ließ sich nicht einfach wie bei einem Gasherd die Flamme herunterdrehen. Hierfür war traditionell die Frau des ältesten Sohnes verantwortlich. Sie war diejenige, die im Rauch und im Feuer Holzscheite versetzen oder herausholen musste. Der fertige Reis wurde dann in ein Holzgefäß gefüllt. So wurde der Garprozess gestoppt und ein Teil der Flüssigkeit konnte abfließen. Von der Wahl der Reissorte war abhängig, ob man am Ende Klebreis oder trockene Körner erhielt.
Neuere Geschichte
Der Mushi-Kamado (Japanisch für Reiskocher) ist letztendlich der Vorläufer unseres Grills. Er sieht fast genauso aus wie ein Keramikgrill, hat aber eine andere Funktion. Es muss in der Entwicklung des Mushi-Kamado einen Moment gegeben haben, in...